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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 10.08.2004
Aktenzeichen: 4 U 139/04
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 85 Abs. 2 | |
ZPO § 233 | |
ZPO § 517 | |
ZPO § 522 Abs. 1 Satz 1 |
2. Geht die Berufung erst am Tag des Ablaufs der Berufungsfrist bei einem unzuständigen Gericht ein, so kann die Partei nicht damit rechnen, noch innerhalb der Berufungsfrist telefonisch oder per Telefax auf die fehlerhafte Einlegung des Rechtsmittels hingewiesen zu werden. Die Partei kann auch nicht erwarten, dass das angegangene unzuständige Gericht alles daransetzt, die unzulässige Berufung noch am Tage ihres Eingangs per Telefax an das zuständige Berufungsgericht weiterzuleiten.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss
Aktenzeichen: 4 U 139/04
In dem Rechtsstreit
wegen Werklohns
hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Reichling, die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach und den Richter am Amtsgericht Biehl
ohne mündliche Verhandlung am 10. August 2004
beschlossen:
Tenor:
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 7. April 2004 wird als unzulässig verworfen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 82.674,56 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Zahlung von restlichem Werklohn in Anspruch.
Durch Urteil vom 7. April 2004, auf das zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat die Einzelrichterin der vierten Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) die Klage abgewiesen.
Das Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 15. April 2004 zugestellt worden. Gegen das Urteil hat die Klägerin mit Faxschreiben von Montag, den 17. Mai 2004 Berufung eingelegt. Das Faxschreiben war an das Oberlandesgericht Koblenz adressiert. Dort ist es am selben Tag um 10:44 Uhr empfangen worden. Am 18. Mai 2004 gegen 13:30 Uhr ist die Klägerin vom Oberlandesgericht Koblenz darüber unterrichtet worden, dass sie ihr Rechtsmittel zum örtlich unzuständigen Gericht eingelegt hat.
Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2004, eingegangen am selben Tage, hat die Klägerin erneut Berufung - nunmehr zum Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken -eingelegt und zugleich beantragt, ihr wegen der Versäumnis der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Im Folgenden hat sie ihr Rechtsmittel mit Schriftsatz vom 15. Juni 2004, eingegangen am selben Tage, auch in der Sache begründet.
Zur Rechtfertigung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat die Klägerin geltend gemacht, ihr Prozessbevollmächtigter habe die Berufungsschrift mit der Maßgabe diktiert, sie beim zuständigen Oberlandesgericht einzureichen. Üblicherweise werde dabei auf Grund der elektronisch gespeicherten Zuständigkeiten das richtige Gericht gezogen. Infolge einer nicht mehr aufklärbaren Fehlbedienung sei aber das unzuständige Oberlandesgericht Koblenz in das Adressfeld der Berufungsschrift gedruckt worden. Ihrem Prozessbevollmächtigten sei dies bei der Unterschrift nicht aufgefallen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Urteils als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 82.674,56 € nebst 10% Zinsen aus 44.814,65 Euro seit 30. Juli 2002 sowie weiteren 10% Zinsen aus 37.860 € ab Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
den Wiedereinsetzungsantrag zurückzuweisen.
Sie halten die Berufung für unzulässig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze Bezug genommen. II.
1. Die Berufung der Klägerin ist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen. Das Rechtsmittel ist nicht innerhalb der Frist des § 517 ZPO eingelegt worden. Die erste Rechtsmittelschrift vom 17. Mai 2004 hat die Berufungsfrist nicht gewahrt, weil sie an das örtlich unzuständige Oberlandesgericht Koblenz gerichtet war. Die zweite Berufungsschrift vom 18. Mai 2004 ist erst nach Ablauf der Berufungsfrist beim Pfälzischen Oberlandesgericht Zweibrücken eingegangen.
2. Gründe, die es gemäß § 233 ZPO rechtfertigen könnten, der Klägerin zur Wahrung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, liegen nicht vor. Die Klägerin war nicht ohne ihr Verschulden an der rechtzeitigen Einlegung der Berufung gehindert. Dass die Berufungsfrist versäumt wurde, hat ihr Prozessbevollmächtigter zu vertreten. Dessen Verschulden muss die Klägerin sich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen.
a. Im Hinblick auf die Bedeutung der Rechtsmitteleinlegung und die inhaltlichen Anforderungen an eine Rechtsmittelschrift muss der Rechtsanwalt, der Berufung einlegt, die Berufungsschrift persönlich auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit prüfen (vgl. etwa BGH VersR 1995, 1372, 1373; BGH VersR 1998, 608, 609; BGH VersR 1999, 1170, 1171, jeweils m.w.N.). Er darf diese Tätigkeit nicht seinem Büropersonal überlassen. Von der Pflicht zur eigenen Überprüfung wird er auch nicht dadurch entbunden, dass er ein Computerprogramm verwendet, mit dem sich die Rechtsmittelschrift in automatisierter Weise erstellen lässt (BGH VersR 1995 aaO).
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat die ihm obliegenden Sorgfaltsanforderungen nicht in ausreichendem Maße beachtet. Wie die Klägerin selbst ausführt, wurde die Berufungsschrift vom 17. Mai 2004 in Folge einer Fehlbedienung der bei ihrem Prozesssbevollmächtigten eingesetzten EDV-Anlage an das örtlich unzuständige Oberlandesgericht Koblenz gerichtet. Die dadurch verursachte fehlerhafte Adressierung ist ihrem Bevollmächtigten bei Unterzeichnung der Berufungsschrift nicht aufgefallen. Sie beruht mithin auf seiner Unaufmerksamkeit. Bei einer sorgfältigen Kontrolle wäre diese Unaufmerksamkeit vermeidbar gewesen.
b. Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist auch durch kein späteres, ihr oder ihrem Vertreter nicht zurechenbares Ereignis überholt worden.
Zwar kommt dann, wenn eine Rechtsmittel versehentlich bei dem im vorausgegangenen Rechtszug mit der Sache befassten Gericht eingelegt worden ist, eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht, sofern der Eingang beim unzuständigen Gericht so zeitig erfolgt, dass die fristgerechte Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht ohne weiteres erwartet werden kann. Auf eine solche rechtzeitige Weiterleitung darf die Partei vertrauen. Mit dem Übergang des Schriftsatzes in die Verantwortungssphäre des zur Weiterleitung verpflichteten Gerichts wirkt sich ihr Verschulden oder das ihres Prozessbevollmächtigten nicht mehr aus. Unterbleibt die Weiterleitung, so ist der Partei Wiedereinsetzung unabhängig davon zu gewähren, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruht (vgl. BVerfG NJW 1995, 3173, 3175; BVerfG NJW 2001, 1343; BGH VersR 1998 und 1999, jeweils a.a.O.).
Hier sind die Voraussetzungen nicht erfüllt, unter denen eine rechtzeitige Weiterleitung erwartet werden kann. Dabei kann dahinstehen, ob die für den Rechtsmitteleingang bei einem erstinstanzlich bereits mit der Sache befassten Gericht geltenden Grundsätze in jeder Hinsicht auf den hier vorliegenden Fall übertragen werden können, in dem ein Berufungsgericht angerufen wurde, das mit dem Prozess bis dahin nichts zu tun hatte. Auch wenn man dies annehmen wollte, wäre jedenfalls im ordentlichen Geschäftsgang nicht mehr mit einer fristgemäßen Weiterleitung der beim unzuständigen Oberlandesgericht Koblenz eingereichten Berufungsschrift an das zuständige Pfälzische Oberlandesgericht Zweibrücken zu rechnen gewesen. Gemäß §§ 222 Abs. 1 und 2 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB endete die Berufungsfrist mit Ablauf des 17. Mai 2004. Beim Oberlandesgericht Koblenz eingegangen ist die Berufungsschrift an diesem Tage um 10:44 Uhr. Das Fristversäumnis hätte somit nur noch durch eine per Telefon oder Telefax erfolgende Benachrichtigung der Klägerin oder durch Weiterleitung der Berufungsschrift per Telefax korrigiert werden können. Darin läge aber eine Überspannung der Anforderungen an die richterliche Fürsorgepflicht. Die Verpflichtung des angerufenen unzuständigen Gerichts geht nicht so weit, dass der Partei oder ihrem Prozessbevollmächtigten die Verantwortung für die Einhaltung der Formalien vollständig abgenommen wird (BVerfG NJW 2001 aaO). Deshalb kann eine Partei oder ihr Bevollmächtigter gerade nicht damit rechnen, innerhalb der Berufungsfrist telefonisch oder per Telefax auf die fehlerhafte Einreichung der Berufung hingewiesen zu werden (BVerfG aaO; Zöller/Greger, ZPO 24. Aufl. § 233 Rddn. 23 b m.w.N.). Ebenso wenig können sie annehmen, dass das angegangene unzuständige Gericht alles daransetzt, die unzulässige Berufung noch am Tage ihres Eingangs per Telefax an das zuständige Berufungsgericht weiterzuleiten. Erwartet werden konnte allenfalls eine Weiterbeförderung im allgemeinen Postgang. Sie war nicht mehr geeignet, einen rechtzeitigen Eingang beim zuständigen Berufungsgericht sicherzustellen.
3. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO.
Den Streitwert für das Berufungsverfahren hat der Senat gemäß §§ 25 Abs. 2 GKG, 3 ZPO festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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