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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 15.08.2002
Aktenzeichen: 4 U 178/01
Rechtsgebiete: ProduktHaftG, BGB


Vorschriften:

ProduktHaftG § 1 Abs. 1
ProduktHaftG § 2
ProduktHaftG § 3
ProduktHaftG § 14
BGB § 823 Abs. 1
1. Eine Haftung des Herstellers eines Pflanzenstärkungsmittels für Pflanzenschäden kann unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Instruktionspflicht begründet sein, wenn der Hersteller eigene Mitarbeiter zu Seminaren und Fortbildungsveranstaltungen sendet, die dort über den Anwendungsbereich des Mittels informieren und dabei Einsatzmöglichkeiten als möglich und unschädlich darstellen, die sich auf andere als die im Beipackzettel ausgewiesenen Pflanzensorten erstrecken.

2. Wird bei solchen Informationsveranstaltungen allerdings darauf hingewiesen, dass über Risiken und Verträglichkeiten einer erweiterten Anwendung keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, so scheidet eine Haftung aus. Ohne konkrete Anhaltspunkte dafür, dass bei einer erweiterten Anwendung eine Schädigung der betroffenen Pflanzensorte eintreten kann, besteht dann auch kein Anlass zu Warnhinweisen aufgrund einer allgemeinen Pflicht zur Produktbeobachtung.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 178/01

Verkündet am: 15. August 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Friemel auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 11. September 2001 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zur Vollstreckung gelangenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz aus der Verwendung eines Pflanzenstärkungsmittels in Anspruch.

Der Kläger ist Inhaber eines Betriebes zur Aufzucht von Jungpflanzen in L... Die Beklagte, die vormals als N... A... GmbH firmierte, vertreibt Produkte des chemischen und biologischen Pflanzenschutzes. Sie hat ein synthetisches Pflanzenstärkungsmittel mit der Bezeichnung "B..." auf den Markt gebracht, das nach seiner Produktbeschreibung auf dem Beipackzettel (vgl. Bl. 254 d.A.) "zur Erhöhung der Gesundheit und Vitalität von Weizen" einsetzbar sein soll. Das Mittel dient der vorbeugenden Bekämpfung von falschem Mehltau. Es wird in der Landwirtschaft nicht nur bei Weizen, sondern zum Teil auch bei anderen Pflanzen verwendet. Art und Umfang dieser Verwendungsmöglichkeiten waren Gegenstand von Erörterungen in der einschlägigen land- und gartenbaulichen Fachliteratur. Darüber hinaus fand am 17. Januar 2000 bei der Staatlichen Lehr- und Forschungsanstalt für Landwirtschaft, Weinbau und Gartenbau (fortan: SLFA) in N... ein Seminar für Salatanbau ("Salattag") statt, bei dem neben anderen Pflanzenschutz- und Pflanzenstärkungsmitteln auch das Produkt "B..." und seine Verwendung bei der Bekämpfung von falschen Mehltau angesprochen wurde.

Der Kläger hatte das Mittel bereits im Sommer 1999 nach vorheriger Probespritzung bei einer Konzentration von 40 g/ha erfolgreich im Gewächshaus an Blumenkohljungpflanzen eingesetzt. Am 25. Januar 2000 spritzte der Sohn des Klägers Blumenkohl-, Brokkoli- und Kohlrabijungpflanzen unter Glas mit einer Kombination aus "B..." und einem Pflanzenschutzmittel Namens "R... G... K...". Daraufhin zeigten sich an den Pflanzen Wuchsstörungen, die bei den Gemüsearten Brokkoli und Kohlrabi durch entsprechende Aufwendungen des Klägers wieder ausgeglichen werden konnten. Die Blumenkohljungpflanzen blieben unverkäuflich. Versuche, die im Anschluss an das Schadensereignis von der SLFA N... durchgeführt wurden, sowie ein von dem Kläger eingeholtes Privatgutachten der Sachverständigen Dr. K...-B... vom 12. Juni 2000 kamen zu dem Ergebnis, dass die Schäden auf den Einsatz von "B..." zurückzuführen sind.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagte sei ihm zum Ersatz seines Schadens verpflichtet, den er auf 357.852,55 DM beziffert hat. Dazu hat der Kläger vorgetragen, die Beklagte habe das Produkt "B..." empfohlen, obwohl es dafür an einer ausreichenden Versuchsgrundlage gefehlt habe. Sein Sohn habe bei dem "Salattag" am 17. Januar 2000 den bei der Beklagten tätigen Zeugen H... ausdrücklich danach gefragt, was er davon halte, wenn man die im Winter gezogenen Jungpflanzen vorbeugend mit "B..." gegen falschen Mehltau behandle. Der Zeuge habe dies ausdrücklich gutgeheißen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 357.852,55 DM nebst 14 % Zinsen hieraus seit dem 16. März 2000 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe den Schaden des Klägers nicht zu verantworten.

Mit Urteil vom 11. September 2001 (Bl. 420 d.A.) hat die Einzelrichterin der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, Ansprüche aus Produkthaftung bestünden nicht. Der Kläger habe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme den Nachweis dafür nicht geführt, dass er aufgrund der Art und Weise, wie die Beklagte das Produkt in den Verkehr gebracht habe, davon habe ausgehen können, "B..." sei bei Anwendung im Bereich Kohl unschädlich. Zur näheren Darstellung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner fristgerecht eingelegten Berufung. Er hat das Rechtsmittel innerhalb entsprechender Fristverlängerung begründet, die auf rechtzeitigen Antrag hin gewährt worden ist.

Der Kläger wendet sich gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts. Er meint, das Landgericht habe der Darstellung des Zeugen D... G... über die angeblich von dem Zeugen H... erteilte Empfehlung über die Verwendung von "B..." bei Kohl folgen müssen. Im Übrigen sei durch die Zeugen H... und Dr. R... bei deren Vorträgen im Rahmen des "Salattages" vom 17. Januar 2000 zumindest eine fahrlässige Irreführung der Zuhörer über die Einsatzmöglichkeiten von "B..." erfolgt. Die Beweiswürdigung des Landgerichts verknüpfe insoweit die Vorträge der Zeugen H... und Dr. R... in unzulässiger Weise und lasse den Empfängerhorizont des Auditoriums unberücksichtigt.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an ihn 357.852,55 DM nebst 14 % Zinsen seit 16. März 2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe Berufungserwiderung vom 14. Februar 2002 und trägt noch vor, die Klage sei bereits deshalb unschlüssig, weil sie sich allein auf den bloßen Einsatz von "B..." stütze und weitere Faktoren, wie Klima und Dosierung, unberücksichtigt lasse. Im Übrigen sei die Beweiswürdigung des Landgerichts nicht zu beanstanden. Zudem fehle es für einen Schadensersatzanspruch an der Kausalität einer Pflichtverletzung der Beklagten, weil der Kläger aufgrund seiner eigenen Erfahrungen ohnehin zur Anwendung von "B..." entschlossen gewesen sei. Von alledem abgesehen müsse er sich aber jedenfalls ein Mitverschulden anrechnen lassen, hinter dessen Maß eine jede Pflichtwidrigkeit der Beklagten zurücktrete.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, §§ 511, 511 a Abs. 1, 516, 518, 519 ZPO a.F. i.V.m. § 26

Nr. 5 EGZPO. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

1. Vertragliche Ansprüche bestehen zwischen den Parteien nicht. Insbesondere handelt es sich nicht um einen Fall der Gewährleistung. Die Beklagte war nicht Verkäuferin des Pflanzenstärkungsmittels "B...". Für einen Beratungsvertrag bestehen ebenfalls keine Anhaltspunkte. Allein die Frage, die der Zeuge D... G... nach dem Vorbringen des Klägers anlässlich des Seminars vom 17. Januar 2000 an den Zeugen H... gerichtet haben soll, hat noch nicht zum Abschluss eines stillschweigenden Beratungsvertrages zwischen den Parteien des Rechtsstreits geführt. Auch der Kläger behauptet das nicht.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch aus §§ 1 Abs. 1, 2, 3 ProdHaftG.

Ein solcher Anspruch kann allerdings nicht schon deshalb verneint werden, weil das Pflanzenstärkungsmittel zu dem insoweit entscheidenden Zeitpunkt seines In-Verkehr-Bringens (vgl. dazu Palandt/Thomas, BGB 60. Aufl. § 3 ProdHaftG Rdn. 12 und § 1 ProduktHaftG Rdn. 14 ff., jew. m.w.N.) laut Beipackzettel nur als Mittel zur Erhöhung der Vitalität und Gesundheit von Weizen bezeichnet wurde. Zwar wird das Mittel den Anforderungen an seine Verwendung insoweit gerecht. Es wird aber darüber hinaus faktisch auch als Pflanzenstärkungsmittel bei verschiedenen Gemüsesorten eingesetzt. Die Beklagte weiß davon und sendet - wie im hier zu entscheidenden Falle in Person der Zeugen H... und Dr. R... - eigene Mitarbeiter zu Seminaren und Fortbildungsveranstaltungen. Dabei informieren diese Mitarbeiter über Verwendungsmöglichkeiten auch dieses Produktes der Beklagten. Werden aus solchem Anlass Verwendungsmöglichkeiten bei anderen Pflanzensorten als Weizen als möglich geschildert, so liegt eine Form der Darbietung vor, an die gemäß § 3 Abs. 1 lit. a ProdHaftG eine Haftung unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Instruktionspflicht anknüpfen kann. Diese Haftung ist gemäß § 14 ProduktHaftG unabdingbar, so dass es insoweit auf die Freizeichnungsklauseln nicht ankommt, welche die Beklagte in ihren Beipackzetteln verwendet (vgl. Bl. 255 d.A.). Im hier zu entscheidenden Fall hat jedoch der Kläger nach dem Ergebnis der in erster Instanz durchgeführten Beweisaufnahme die Voraussetzungen einer solchen Haftung nicht nachgewiesen.

a. Soweit der Kläger geltend gemacht hat, der Zeuge H... habe - obwohl insoweit unstreitig dafür keine gesicherte Erkenntnis vorlag - auf entsprechende Frage ausdrücklich versichert, dass "B..." bei Kohl Verwendung finden könne, stehen sich die Aussagen des Zeugen D... G... (Bl. 282 ff. d.A.) und des Zeugen H... (Bl. 287 ff. d.A.) in unvereinbarer Weise gegenüber. Im Hinblick darauf ist das Landgericht von einem non liquet ausgegangen und hat die Darstellung des Klägers nicht für erwiesen erachtet. Der Senat tritt der Beweiswürdigung des Landgerichts in diesem Punkte bei. Soweit die Berufung geltend macht, der Zeuge G... sei glaubwürdiger als der Zeuge H..., weil jener nicht in dem Maße von dem Kläger abhängig sei, wie der Zeuge H... von der Beklagten, ist dies nicht zwingend und gibt dem Senat keinen Anlass zur Wiederholung der Beweisaufnahme, Das gleiche gilt insoweit, als die Berufung geltend macht, dass sowohl der Zeuge G... (vgl. Bl. 285 d.A.), als auch die Zeugin M... G... (vgl. Bl. 400 d.A.), angegeben haben, der Zeuge H... habe bei der späteren Inaugenscheinnahme des Schadens geäußert, er müsse in Zukunft mit seinen Äußerungen vorsichtiger sein. Das Landgericht hat die Aussagen der Zeugen auch in diesem Punkte gewürdigt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, unter Berücksichtigung des Näheverhältnisses der Zeugen D... und M... G... zum Kläger reichten deren Schilderungen der genannten Äußerung nicht aus, um die Überzeugung von einer durch den Zeugen H... gegebenen Empfehlung zu vermitteln, zumal die Zeugin M... G... den Zusammenhang nicht habe wiedergeben können, in dem die spätere Äußerung des Zeugen H... gefallen ist. Auch insoweit schließt der Senat sich der Beweiswürdigung des Landgerichts an. Die Berufung macht nichts geltend, was zu einer anderen Bewertung der Zeugenaussagen nötigen könnte.

b. Die Verletzung einer Instruktionspflicht kann auch nicht darauf gestützt werden, die Zeugen H... und Dr. R... hätten mit ihren Vorträgen den Eindruck erweckt, das Pflanzenstärkungsmittel "B..." sei ohne Einschränkung bei Kohlpflanzen verwendbar.

Die Beklagte hat die ihrem Inhalt nach unstreitigen Präsentationsfolien zu den Vorträgen beider Zeugen in erster Instanz vorgelegt. Demnach ist davon auszugehen, dass der Zeuge H... das Produkt "B..." als einsetzbar gegen falschen Mehltau bei "Radies, Zwiebeln, Kohl und Spinat" bezeichnet hat (vgl. Bl. 325 d.A.). Der Zeuge hat dies bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht auch selbst nicht ausgeschlossen (vgl. Bl. 292 d.A.), allerdings darauf hingewiesen, dass dies eigentlich nicht sein Part, sondern derjenige der Frau Dr. R... gewesen sei. Dies wiederum hat die Zeugin Dr. R... bei ihrer erstinstanzlichen Vernehmung bestätigt (vgl. Bl. 394 d.A.), indem sie ausgesagt hat, es sei Sache des Zeugen H... gewesen, alle Produkte von N... vorzustellen und im Detail noch auf "P..." (dabei handelt es sich um ein Insektenschutzmittel) einzugehen. Sie - die Zeugin R... - habe dann speziell u.a. auf "B..." eingehen sollen. Darauf habe der Zeuge H... auch hingewiesen (vgl. Bl. 395 d.A.). Bei Kohl, Gemüse und Spinat habe man durchaus von positiven Wirkungen gegen Mehltau ausgehen können; allerdings habe aber noch nichts hinsichtlich der Verträglichkeit festgestanden. Sie die Zeugin sei sich sicher, dass sie bei Kohl, Gemüse und Spinat gesagt habe, da wisse man noch nichts genaues, es seien aber Versuche in Arbeit (vgl. Bl. 395 d.A.). Diese Aussage der Zeugin steht im Einklang mit der von ihr erstellten Präsentationsfolie, in der eine positive Verträglichkeit von "B..." nur insoweit bejaht wird, als Versuchserfahrungen bestehen (vgl. Bl. 365 d.A.) und dabei die Einsetzbarkeit gegen falschen Mehltau bei Kohlgemüse und Spinat ausdrücklich mit einem Fragezeichen versehen ist (vgl. Bl. 366 d.A.). Zu Anwendungen unter Glas hätte die Zeugin Dr. R... nach ihrer Aussage keine Empfehlungen geben können. Wenn sie danach gefragt worden wäre, hätte sie antworten müssen, dass sie erst Dr. L... fragen müsse, ob er dazu Versuche gemacht habe. Sie sei bei ihrem Vortrag nur von Freiland ausgegangen (vgl. Bl. 398 d.A.).

Aus alledem hat das Landgericht zu Recht gefolgert, der Kläger habe nicht davon ausgehen können, "B..." sei bei Anwendung im Bereich Kohl unschädlich. Auch insoweit tritt der Senat der Beweiswürdigung des Landgerichts in vollem Umfang bei.

Der gegen die Beweiswürdigung erhobene Einwand der Berufung, die Zeugin Dr. R... habe "Salattag" und "Spargeltag" verwechselt, verhilft dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg. Die Zeugin hat zwar zu Beginn ihrer Aussage vom "Spargeltag" gesprochen (vgl. Bl. 394 d.A.). Sie hat dies aber später richtig gestellt (vgl. Bl. 398 d.A.).

Die Berufung macht des weiteren geltend, die Vorträge der Zeugen H... und Dr. R... könnten nicht in einer Gesamtbetrachtung gewürdigt werden, weil es nicht ausgeschlossen sei, dass ein Zuhörer die Tagung nach dem Vortrag H... und vor dem Vortrag Dr. R... verlassen habe. Ein solcher Teilnehmer habe die späteren Einschränkungen, die von der Zeugin Dr. R... gemacht worden seien, nicht mehr mitbekommen können. Auch diese Einwände sind nicht geeignet, die Beweiswürdigung des Landgerichts in Frage zu stellen. Nachdem der Zeuge H... bei seinem Vortrag darauf hingewiesen hatte, dass hinsichtlich des Pflanzenstärkungsmittels "B..." die wirklich wesentlichen Dinge erst im Vortrag Dr. R... nachfolgen, konnte kein Teilnehmer annehmen, bereits allein durch den Vortrag H... umfassend zum Thema "B..." informiert zu sein. Hätte er sich vorzeitig entfernt, so hätte dies in seinem Risikobereich gelegen und würde keine Verletzung einer Instruktionspflicht der Beklagten begründen. Diejenigen Zuhörer, die anwesend blieben, erfuhren durch den Vortrag Dr. R..., dass über die Verwendung von "B..." bei Kohl keine gesicherten Erfahrungen vorlagen.

Entgegen der Auffassung der Berufung ist auch aus den Aussagen der in erster Instanz vernommenen Zeugen J..., W... und B..., welche an dem Seminar in der Zuhörerrolle teilgenommen haben, nicht zu entnehmen, dass die Vorträge der Zeugen H... und Dr. R... als einschränkungslose Empfehlung für einen Einsatz von "B..." bei Kohl verstanden werden mussten. Die Aussagen der Zeugen J... und B... ergeben dafür keine Anhaltspunkte. Soweit die Zeugin W... ausgesagt hat, sie sei nach dem Referat des Zeugen H... davon ausgegangen, dass man das Produkt bei den vier von dem Zeugen genannten Kulturpflanzen anwenden könne, und nach ihrer Erinnerung habe die Zeugin Dr. R... keine konkreten Kulturen mehr erwähnt, steht dies in einem unvereinbaren Gegensatz zu der Aussage der Zeugin Dr. R..., die durch die vorgelegte Präsentationsfolie gestützt wird, Im Hinblick darauf ist es nicht auszuschließen, dass die Zeugin W... den Vortrag der Zeugin Dr. R... nicht oder nicht vollständig erfasst hat. Im Übrigen spricht gerade das Verhalten des Zeugen Dieter G..., der sich nach dem eigenem Vorbringen des Klägers zu einer entsprechenden Rückfrage veranlasst gesehen hat, dagegen, dass der Vortrag des Zeugen H... als einschränkungslose Empfehlung für einen Einsatz von "B..." bei Kohl zu verstehen war.

3. Ein Schadensersatzanspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 1 BGB.

Allerdings treffen denjenigen, der eine bestimmtes Produkt auf den Markt bringt, grundsätzlich Verkehrssicherungspflichten in Form einer Produktbeobachtungspflicht, die gegebenenfalls Anlass zu entsprechenden Warnhinweisen bietet (vgl. etwa BGHZ 80, 186, 191 und 199, 202; OLG Frankfurt NJW-RR 1994, 346, 347; Palandt/Thomas aaO § 823 Rdn. 208 m.w.N.). Dies setzt aber voraus, dass eine bestimmte Gefahrenlage besteht. Dabei begründet aber nicht schon jede entfernt liegende Möglichkeit einer Gefahr Sicherungs- und Warnpflichten. Erforderlich ist vielmehr, dass im Zeitpunkt des zu beurteilenden Verhaltens die naheliegende Möglichkeit bestand, dass Rechtsgüter anderer gefährdet werden können. Nach diesen Maßstäben bestand hier keine Hinweispflicht.

Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass vor dem Eintritt des Schadens des Klägers Hinweise vorlagen, nach denen bei Einsatz von "B..." eine Schädigung derjenigen Kohlsorten zu befürchten gewesen wäre, an denen der Kläger das Mittel verwendet hat. Soweit in der Fachliteratur Äußerungen vorlagen, attestierten sie entweder die Wirkungslosigkeit des Produkts (vgl. für Blumenkohl Laun, Neustadter Hefte Band 107, 64 = Bl. 51 d.A.) oder sie forderten weitere Versuche (vgl. Raum Gemüse 1997, 185, 187 = Bl. 162 d.A.; Laun Gemüse 1998, 294, 297 = Bl. 166 d.A.). Ansonsten gab es konkrete (und insoweit durchaus positive) Äußerungen nur über die Verwendung an der Kohlsorte Radies sowie an anderen, für den hier zu entscheidenden Fall unerheblichen Gemüsesorten (vgl. etwa Laun Neustadter Hefte und Gemüse 1998 jeweils aaO sowie Gemüse 2000, 10, 13 = Bl. 169 d.A.; Pflanzenschutzmaßnahmen im Gemüsebau, Empfehlungen des Landes Rheinland-Pfalz 2000 S. 151 = Bl. 203 d.A.; Anbauempfehlung der SLFA N... vom 15. März 2001 = Bl. 381 d.A.). Aus alledem musste die Beklagte nicht folgern, dass ihr Produkt mittlerweile auch bei den vom Kläger behandelten Kohlarten Blumenkohl, Brokkoli und Kohlrabi eingesetzt wird und dass bei einem solchen Einsatz dem Anwender Schaden droht. Eine solche Folgerung war erstmals durch den Schaden des Beklagten veranlasst, auf den die Beklagte im Übrigen auch unverzüglich reagiert hat (vgl. ihre Hinweisschreiben vom 29. Februar 2000, Bl. 154 ff. d.A.).

4. Nach alledem ist ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht gegeben. Er wäre zudem auch aus den Gründen ausgeschlossen, auf die das Landgericht seine Entscheidung hilfsweise gestützt hat.

Das Landgericht hat auch insoweit zu Recht darauf hingewiesen, dass der Kläger sich seinerseits in hohem Maße sorgfaltswidrig verhalten hat, weil er das Mittel, über dessen konkrete Verwendung keinerlei gesicherte Erkenntnis vorlag, eingesetzt hat, ohne zuvor Probespritzungen unter in jeder Hinsicht vergleichbaren Bedingungen auszubringen. Im Hinblick darauf hat das Landgericht ein Mitverschulden des Klägers bejaht, das es als so gravierend angesehen hat, dass Verschuldens- und Verursachungsbeiträge des Beklagten dahinter zurücktreten müssen. Auch in diesem Punkte tritt der Senat der Bewertung des Landgerichts bei, Bei dem Kläger handelt es sich um einen gewerblichen Anwender der Produkts der Beklagten. Bei ihm sind bereits an die Informationspflichten des Produzenten geringere Anforderungen zu stellen (vgl. etwa OLG Frankfurt VersR 1998, 61, 62 m.w.N.). Zudem musste der Beklagte als Fachmann ohne Weiteres damit rechnen, dass die Anwendung eines Pflanzenstärkungsmittels, das der Hersteller ursprünglich für eine andere Pflanzensorte -(Weizen) auf den Markt gebracht hat und über dessen konkret beabsichtigte Verwendung keine empirische Grundlage vorlag, immer mit Gefahren verbunden sein musste.

5. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die von Seiten des Klägers angeregte Zulassung der Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Entscheidung beruht allein auf den Umständen des Einzelfalles, nach denen die Voraussetzungen der in Betracht kommenden Haftungsnorm bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht nachgewiesen sind. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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