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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 21.11.2008
Aktenzeichen: 4 U 186/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 234
ZPO § 519 Abs. 1
Ein Berufungskläger kann nicht darauf vertrauen, dass sein vier Tage vor Ablauf der Berufungsfrist beim unzuständigen Landgericht eingereichter Berufungsschriftsatz noch rechtzeitig an das zuständige Oberlandesgericht weiter geleitet wird, wenn in dem Zeitraum von vier Tagen ein Wochenende enthalten ist.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen 4 U 186/08

In dem Rechtsstreit

wegen Kaufpreises

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Petry und die Richter am Oberlandesgericht Friemel und Süs ohne mündliche Verhandlung am 21. November 2008

beschlossen:

Tenor:

I. Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil der Vorsitzenden der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 8. September 2008 wird abgelehnt.

II. Die Berufung der Beklagten gegen das vorgenannte Urteil wird als unzulässig verworfen.

III. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Das angefochtene Urteil ist den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 12. September 2008 zugestellt worden. Sie haben dagegen mit an das Landgericht gerichtetem Telefax-Schriftsatz vom 9. Oktober 2008 Berufung eingelegt. Mit Verfügung vom 15. Oktober 2008 hat die Vorsitzende der Kammer für Handelssachen angeordnet, die Akten zur Entscheidung über die Berufung dem Oberlandesgericht vorzulegen. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 hat die Geschäftsstelle des Landgerichts die Akten an den Senat übersandt, bei dem sie am 21. Oktober 2008 eingegangen sind. Nach Hinweis des Senatsvorsitzenden vom selben Tage, dass die eingelegte Berufung verfristet ist, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2008 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt.

II.

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig (§ 234 ZPO); in der Sache führt er jedoch nicht zum Erfolg.

Die Prozessbevollmächtigten der Beklagten haben die Frist zur Einlegung der Berufung schuldhaft versäumt, was die Beklagte sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss. Denn sie haben die Berufung entgegen § 519 Abs. 1 ZPO nicht bei dem Berufungsgericht, dem Oberlandesgericht, sondern bei dem Landgericht eingelegt. Sie konnten auch nicht damit rechnen, dass das Landgericht nach den Grundsätzen des fairen Verfahrens den Schriftsatz noch rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsfrist am 13. Oktober 2008 (Montag) dem Oberlandesgericht übermittelte.

Da das Landgericht zuvor mit dem Verfahren befasst war, war es allerdings aufgrund der ihm aus dem Gebot eines fairen Verfahrens obliegenden nachwirkenden Fürsorgepflichten gegenüber den Prozessparteien gehalten, fristgebundene Schriftsätze für das Rechtsmittelverfahren, welche fehlerhaft bei ihm eingereicht wurden, im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten. Ging der Schriftsatz so zeitig beim Landgericht ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne Weiteres erwartet werden konnte, durfte die Beklagte nicht nur darauf vertrauen, dass ihr Schriftsatz überhaupt weitergeleitet wurde, sondern auch darauf, dass er noch fristgerecht beim Rechtsmittelgericht einging. Geschah das tatsächlich nicht, war der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unabhängig davon zu gewähren, auf welchen Gründen die fehlerhafte Einreichung beruhte. Mit dem Übergang des Schriftsatzes in die Verantwortungssphäre des zur Weiterleitung verpflichteten Gericht wirkte sich ein etwaiges Verschulden der Beklagten oder ihres Prozessbevollmächtigten nicht mehr aus (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 3. Januar 2001 - 1 BvR 2147/00 - m.w.N.).

Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob es - bei der bekanntermaßen stark belasteten und personell nicht immer hinreichend ausgestatteten Justiz (BGH Beschluss vom 3. Juli 2006 - II ZB 24/05 - bei juris) - noch den an einen ordentlichen Geschäftsgang zu stellenden Anforderungen entsprach, dass das Landgericht erst am 17. Oktober 2008 die bereits am 9. Oktober 2008 eingegangenen Berufung des Beklagten an das Oberlandesgericht weitergeleitet hat. Denn die Beklagte konnte jedenfalls nicht darauf vertrauen, dass ihr am Donnerstag, den 9. Oktober 2008 um 13.20 Uhr beim Landgericht per Fernkopie eingegangener Schriftsatz im Rahmen des ordentlichen Geschäftsganges noch rechtzeitig vor Ende der am 13. Oktober 2008 ablaufenden Berufungsfrist beim Oberlandesgericht einging.

Wie die vom Senat telefonisch eingeholte Auskunft bei der Geschäftsstelle der 2. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) ergeben hat, ist der per Telefax am 13. Oktober 2008 übermittelte Berufungsschriftsatz, der im Übrigen weder als "Eilsache" noch als Rechtsmittel besonders gekennzeichnet war, aufgrund der in dem Schriftsatz angegebenen Telefaxnummer auf dem Telefaxgerät in der Wachtmeisterei des Landgerichts eingegangen. Von dort musste er im Wege des üblichen Zutrags zur Geschäftsstelle verbracht werden, wo die Akten herausgesucht und der Kammervorsitzenden vorgelegt werden mussten, weil die Geschäftsstelle die Frage der Zuständigkeit für das Berufungsverfahren nicht selbst zu prüfen hatte (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 8. Februar 2008 - 14 U 12/08 - bei juris). Anschließend musste die Kammervorsitzende den Rechtsmittelschriftsatz (kurz) überprüfen und seine Weiterleitung an den Senat verfügen. Die Akten mussten sodann zur Geschäftsstelle zurücktransportiert und zur Versendung gebracht werden. Da das Landgericht nur zur Bearbeitung der Sache im ordentlichen Geschäftsgang, nicht aber zu einem durch entsprechende Anordnung beschleunigten Verfahren verpflichtet war (vgl. BGH Beschluss vom 13. März 2008 - VIII ZB 4/06 - bei juris), konnte der Beklagte nicht darauf vertrauen, dass sämtliche vorgenannten Schritte in den eineinhalb Arbeitstagen bis zu dem sich anschließenden Wochenende erledigt wurden, was Voraussetzung dafür war, dass das Rechtsmittel im Rahmen üblicher Postlaufzeiten vor Ablauf der am Montag am 13. Oktober 2008 endenden Berufungsfrist beim Oberlandesgericht eingehen konnte.

2. Da die Berufung somit nicht innerhalb der Frist der §§ 517, 519 Abs. 1 ZPO eingegangen ist, ist sie als unzulässig zu verwerfen (§ 522 Abs. 1 Satz 2 ZPO).

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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