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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 13.02.2003
Aktenzeichen: 4 U 2/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 635 a.F.
BGB § 638 Abs. 1 Satz 1 a.F.
Werkvertragliche Gewährleistungsansprüche für die Errichtung einer Tankanlage, die Bestandteil eines aus mehreren Bauwerken bestehenden Betriebshofes ist, verjähren in fünf Jahren.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Grundurteil

Aktenzeichen: 4 U 2/02

Verkündet am: 13. Februar 2003

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Friemel

auf die mündliche Verhandlung vom 19. Dezember 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 29. Oktober 1997 geändert:

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Der Rechtsstreit wird zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des geltend gemachten Anspruchs und eines eventuellen Mitverschuldens der Klägerin, sowie über die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens an das Landgericht zurückverwiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen eines von der Beklagten eingebauten Öltanks.

Die Klägerin erteilte der Beklagten Ende 1994/Anfang 1995 den Auftrag, eine Tankanlage für ihren neuen Betriebshof in S... zu errichten. Hierbei sollte sie die Tanksäule von dem früheren Betriebshof abbauen und auf dem neuen Betriebsgelände montieren. Den erforderlichen Dieseltank bezog die Beklagte in betriebsbereitem Zustand von der Firma L... in F.... Dieser wurde auf einen Betonsockel gestellt. Die zur Tanksäule führende Rohrzuleitung montierte die Streithelferin der Beklagten, die Firma Sch..., GmbH, K..., in deren Auftrag. Der Tank wurde auf Veranlassung der Klägerin am 19. Oktober 1995 befüllt; am Nachmittag des 20. Oktober 1995 waren die von der Streithelferin der Beklagten durchgeführten Montagearbeiten beendet. Am selben Tag wurden mehrere Betankungsvorgänge durchgeführt. Tags darauf wurde festgestellt, dass infolge eines defekten Heberventils am Tank rund 8000 Liter Dieselöl ausgelaufen und in das umliegende Erdreich eingesickert waren.

Mit ihrer am 10. Juli 1997 beim Landgericht eingegangenen und der Beklagten am 17. Juli 1997 zugestellten Klage hat die Klägerin Ersatz des ihr durch das Auslaufen des Dieselöls entstandenen Schadens, insbesondere der für die Untersuchung und Entsorgung des kontaminierten Erdreichs entstandenen Kosten verlangt. Sie hat den Schaden auf 207 395,55 DM beziffert und abzüglich der restlichen Vergütung von 84 395,90 DM 122 459,65 DM geltend gemacht.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Der Monteur der Streithelferin habe ihren Geschäftsführer am 20. Oktober 1995 die Anlage übergeben und ausdrücklich erklärt, sie sei funktionstüchtig und könne sofort in Betrieb genommen werden.

Sie hat beantragt,

die Beklagte zur Zahlung von 122 459,65 DM nebst 8,5 % Zinsen aus einer Vielzahl einzelner Teilbeträge mit jeweils unterschiedlichem Verzinsungsbeginn (siehe hierzu Bl. 2 ff d.A.) zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben und vorgetragen: Schon bei den Vorbesprechungen sei die Klägerin von ihr und ihrer Streithelferin immer wieder darauf hingewiesen worden, dass die Anlage auf keinen Fall vor der TÜV-Abnahme in Betrieb genommen werden dürfe.

Das Landgericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Klägerin ihre erstinstanzlichen Ansprüche in vollem Umfang weiter, wobei sie im Wesentlichen ihr dortiges Vorbringen wiederholt.

Die Klägerin beantragt,

auf ihre Berufung das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 122 459,65 DM nebst 8 % Zinsen aus den jeweiligen Teilbeträgen mit unterschiedlichem Zinsbeginn (Bl. 2 d.A.) zu zahlen.

Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Ergänzend tragen sie vor:

Durch ihre eigenmächtige Inbetriebnahme habe die Klägerin auch eine Überprüfung der Anlage durch die Streithelferin vereitelt.

Durch Urteil vom 9. Dezember 1999 hat der Senat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben und die Sache an den Senat zurückverwiesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Urteile des Landgerichts, des Senats und des Bundesgerichtshofs sowie auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden Bezug genommen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung des sachverständigen Zeugen Sch... sowie Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen K.... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 4. Juli 2002 sowie das schriftliche Sachverständigengutachten vom 30. September 2002 (Bl. 394 ff) hingewiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung führt zu einem vorläufigen Erfolg. Die Klage ist dem Grunde gerechtfertigt. Ein etwaiges Mitverschulden der Klägerin bedarf noch der Klärung.

I.

Der Anspruch der Klägerin ist nicht verjährt. Die Verjährungsfrist für die von der Beklagten im Jahre 1995 errichtete Tankanlage beurteilt sich nach § 638 Satz 1 BGB a.F. (Art. 229, §§ 5, 6 Abs. 1 EGBGB) und beträgt deshalb fünf Jahre. Sie ist durch die im Juli 1997 erhobene Klage rechtzeitig unterbrochen worden ( § 209 Abs. 1 BGB). Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Tankstelle, zu der auch ein gemauerter Unterstand gehört, selbst um ein Bauwerk oder nur eine technische Anlage handelt, die im Allgemeinen nicht als Bauwerk angesehen werden kann. Zumindest handelt es sich bei der Tankstelle um die Einrichtung einer technischen Anlage, die dem Gesamtbauwerk Betriebshof zuzuordnen ist, weil sie darin integriert ist und zu dessen Herstellung gedient hat (vgl. BGH Urteil vom 13. November 2001 - X ZR 224/99 - m.w.N.). Der Betriebshof der Klägerin besteht - wie aus den in den Akten befindlichen Lichtbildern erkennbar ist - aus mehreren Gebäuden (Werkstätten, Hallen) und dem gemauerten, überdachten Unterstand für die Tankstelle. Diese, der Tank und die Leitungen bilden mit dem Betriebshof eine Einheit. Die Begründung für die fünfjährige Verjährungsfrist bei solchen Anlagen liegt darin, dass Mängel - wie bei Gebäuden - aus Gründen der Verdeckung durch aufeinanderfolgende Arbeiten sowie wegen der Witterung und Nutzung häufig erst spät erkennbar werden. Diese Risiken sind im Wesentlichen durch die ständige und ortsfeste Benutzung bedingt. Deshalb unterfällt auch eine Werkleistung, die erkennbar für ein konkretes Gebäude bestimmt war, der fünfjährigen Verjährungsfrist (BGH BauR 1992, 369, 502; 1997, 1018; NJW 1997, 1082). Das gilt auch für die dem vorliegenden Rechtsstreit zugrunde liegende Tankstelle, deren typische Risiken denen der übrigen Gebäuden des Betriebshofes vergleichbar sind.

II.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte nach § 635 BGB dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz, weil das an dem Tank befindliche Heberventil mangelhaft war. Auf diesem Mangel beruhte der eingetretene Ölaustritt und die dadurch hervorgerufene Kontaminierung des Erdreichs.

Wie der Bundesgerichtshof in dieser Sache in seinem Urteil vom 13. November 2001 ausgeführt hat, ist die Haftung der Klägerin unabhängig davon, dass sie ihrerseits die Tankanlage von der Firma L... bezogen hat. Sie war verpflichtet, zu überprüfen und dafür zu sorgen, dass zur Herstellung ihres Werkes nur Sachen verwendet würden, welche die erforderliche Eignung aufwiesen. Als Unternehmerin, die eine Tankanlage errichtete, war sie zur Überprüfung auch deshalb verpflichtet, weil es sich dabei um eine gefährliche Anlage handelte. Indem sie diese Überprüfung unterließ, hat sie den Mangel am Tank zumindest fahrlässig in Kauf genommen.

Entgegen der Behauptung der Beklagten war der Mangel feststellbar. Wie der Sachverständige K... in seinem schriftlichen Gutachten vom 30. September 2002 in Übereinstimmung mit dem sachverständigen Zeugen Sch... ausgeführt hat, kann eine Fachfirma - wozu die Beklagte gehört - nach Einbau des Tanks bei gefüllter Anlage erkennen, ob das Heberschutzventil funktionsgerecht arbeitet.

III.

Die Frage eines Mitverschuldens der Klägerin (§ 254 BGB) ist noch nicht vollständig geklärt.

1. Ein solches kann der Klägerin allerdings noch nicht deshalb angelastet werden, weil sie die Tankanlage bereits am 13. Oktober 1995 hat befüllen lassen.

Der Schadenseintritt wäre nicht vermieden worden, wenn die Klägerin die vor der Inbetriebnahme erforderliche TÜV-Abnahme abgewartet hätte, zu der sie nach § 13 Abs. 2 Nr. 1, 17, 19 Abs. 1 der Verordnung über brennbare Flüssigkeiten verpflichtet gewesen wäre. Der Verstoß gegen diese Bestimmungen hatte zwar zur Folge, dass der Anscheinsbeweis dafür spricht, dass zwischen dieser Pflichtverletzung und dem Unfall ein Ursachenzusammenhang besteht (vgl. hierzu auch OLG Koblenz OLGZ 1989, 346; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. vor § 284. Randnr. 30; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., Anhang zu § 286, Rdnr. 202). Die Klägerin hat aber bewiesen, dass bei der TÜV-Untersuchung der Mangel an dem Heberschutzventil nicht festgestellt worden wäre, so dass ein Ursachenzusammenhang zu verneinen ist. Der Sachverständige K... hat in Übereinstimmung mit dem sachverständigen Zeugen Sch... ausgeführt, dass nach den Prüfrichtlinien (TRbF 600, 610, 620) nur eine Ordnungsprüfung (Vollständigkeit der erforderlichen Unterlagen und Prüfung dieser Unterlagen) sowie eine technische Prüfung (Überprüfung der Anlage, der Anlagenteile und der sicherheitstechnischen Ausrüstung) stattfindet, bei der das Heberschutzventil nur auf sein Vorhandensein, seinen korrekten Einbau und seine Eignung (anhand der vorgelegten Unterlagen) überprüft, jedoch keine Funktionsprüfung vorgenommen wird. Eine solche Prüfung ist nicht gefordert und kann nur unter Mithilfe einer Fachfirma im befüllten Zustand der Anlage vorgenommen werden. Dass im vorliegenden Fall an dem Heberschutzventil eine zu schwache Feder eingebaut war, wäre deshalb bei der TÜV-Untersuchung nicht erkannt worden.

2. Ein Mitverschulden der Klägerin kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass sie die Tankanlage vor einer (angeblich) von der Streithelferin der Beklagten beabsichtigten Abschlussuntersuchung in Betrieb genommen hat. Dabei kann dahinstehen, ob diese Prüfung, zu deren Art und Umfang weder die Beklagte noch ihre Streithelferin Näheres vorgetragen haben, zutage gefördert hätte, dass an dem Ventil eine zu schwache Feder eingebaut war. Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, setzte ein Mitverschulden der Klägerin voraus, dass sie darüber informiert gewesen wäre, dass über die von dem Zeugen E... bereits vorgenommene Funktionsprüfung hinaus noch eine weitere - nicht vorgeschriebene - Abschlussuntersuchung beabsichtigt war. Das war jedoch nicht der Fall. Nach dem Vortrag der Beklagten und ihrer Streithelferin war die Klägerin nur in Kenntnis gesetzt worden, dass eine TÜV-Abnahme stattfinden müsse. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin Weiteres aus der ihr von der Beklagten übergegebenen Betriebs- und Wartungsanweisung für Dieselkraftstofftankstellen hätte erkennen können. Denn die Beklagte hatte der Klägerin diese Unterlagen erst mit Schreiben vom 24. Oktober 1995, mithin nach dem Schadenseintritt, übersandt.

3. Ein Mitverschulden könnte allerdings angenommen werden, wenn der Schaden der Klägerin geringer ausgefallen wäre, wenn sie die Fertigstellung der Arbeiten am Untergrund der Tankstelle (Versiegelung des Geländes) abgewartet hätte, was der Klärung bedarf. Ein diesbezüglich möglicherweise vorliegendes Mitverschulden der Klägerin würde aber allenfalls zu einer Minderung, nicht jedoch einer Beseitigung der Schadenshaftung der Beklagten führen. Die Frage kann daher dem Betragsverfahren vorbehalten werden (vgl. BGH NJW 1997, 3176).

IV.

Da somit feststeht, dass die Beklagte dem Grunde nach für den der Klägerin durch den Ölaustritt entstandenen Schaden aufzukommen hat, war das Urteil des Landgerichts aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung über den streitigen Schadensumfang an das Landgericht zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 1, 3 ZPO a.F.).

V.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.

Ende der Entscheidung

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