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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 21.09.2000
Aktenzeichen: 4 U 214/99
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 322 Abs. 1
ZPO § 256
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2 S. 1
Leitsatz:

Zur Zulässigkeit einer negativen Feststellungsklage dahingehend, dass der durch ein bestimmtes Ereignis verursachte Ersatzanspruch auf eine bestimmte Schadensposition nicht besteht, wenn zwischen den Parteien durch rechtskräftiges Urteil bereits feststeht, dass der durch dieses Ereignis entstandene Schaden insgesamt zu erstatten ist.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 214/99 7 O 1549/98 Landgericht Frankenthal (Pfalz)

Verkündet am: 21. September 2000

Sefrin, Justizobersekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

wegen Feststellung,

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Jacob und Jenet

auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 6. August 1999 wird zurückgewiesen.

II. Auf die Anschlussberufung des Beklagten wird das genannte Urteil geändert:

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

III. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Der Wert der Beschwer des Klägers wird auf 20 000,-- DM festgesetzt.

Entscheidungsgründe:

I.

Die wechselseitig eingelegten Rechtsmittel sind verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden; im Ergebnis führt nur die Anschlussberufung des Beklagten zum Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts hält der Senat die erhobene negative Feststellungsklage für unzulässig. Auf das Rechtsmittel war sie deshalb durch Prozessurteil abzuweisen.

1. Es bestehen bereits erhebliche Zweifel daran, ob dem negativen Feststellungsantrag des Klägers nicht die materielle Rechtskraft des Urteils des 6. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts vom 9. Juli 1998 - 6 U 4/98 - entgegensteht (§ 322 Abs. 1 ZPO). Der Kläger begehrt im vorliegenden Verfahren die Feststellung, dass dem Beklagten kein Schadensersatzanspruch wegen eines Wohnwertnachteils im Zusammenhang mit der unzureichenden Heizleistung der durch ihn in dem Anwesen des Beklagten errichteten Kachelofenanlage zusteht; hilfsweise kein über einen bestimmten Betrag hinausgehender. Demgegenüber ist in Ziffer 2. des obengenannten Urteils des 6. Zivilsenats bereits festgestellt, dass der hiesige Kläger "jeden weiteren, durch den Abbau und die nicht vertragsgemäße Heizleistung der Heizungsanlage (...) verursachten Schaden zu bezahlen" hat. Hierunter ist aber auch der hier streitgegenständliche Nutzungsausfallschaden zu fassen. Zwar trifft zu, dass nach dem Inhalt des Urteils und auch nach dem Akteninhalt des Parallelverfahrens 6 U 4/98 dort offensichtlich Nutzungsausfallschäden nicht in der Diskussion waren. Vielmehr wurde der Feststellungsvorbehalt in Ziffer 2. des Urteilstenors vornehmlich unter dem Gesichtspunkt ausgesprochen, dass der hiesige Kläger für eventuell erhöhte Stromkosten infolge unzulänglicher Heizleistung einzustehen hat. Dies ändert aber nichts daran, dass der Ausspruch im Tenor des zitierten Urteils derart allgemein und offen gefasst ist, dass er einer einschränkenden Interpretation hinsichtlich nur bestimmter Schadenspositionen bereits nach seinem Wortlaut nicht zugänglich ist. Es ist von "jedem weiteren verursachten Schaden" die Rede. Maßgebend für den Inhalt einer Entscheidung und damit die Reichweite ihrer materiellen Rechtskraft nach § 322 Abs. 1 ZPO ist aber in erster Linie der Wortlaut des Entscheidungstenors. Im Interesse der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit unterliegt eine hiervon abweichende, einschränkende Auslegung engen Grenzen: Nur dort, wo der Inhalt des Tenors interpretationsfähig ist, dürfen Tatbestand, Entscheidungsgründe und das zugrunde liegende Parteivorbringen zur Ermittlung dessen, worüber rechtskräftig entschieden worden ist, herangezogen werden (vgl. BGH NJW 1985, 2022 m.w.N.). Dies zugrunde gelegt, ist der hier vorliegende Tenor, was die Einbeziehung des Nutzungsausfallschadens in dem Feststellungsausspruch angeht, einer Auslegung überhaupt nicht fähig. Begehrt aber der Kläger die Feststellung des kontradiktorischen Gegenteils eines Teils dessen, was bereits Gegenstand des positiven Feststellungsausspruchs in Ziffer 2. des Urteils des 6. Zivilsenats ist, so steht dem die materielle Rechtskraft dieses Feststellungsausspruchs entgegen. Denn eine auf negative Feststellung gerichtete Klage stellt bei Obsiegen des Klägers das Nichtbestehen des Rechtsverhältnisses, bei der Klageabweisung dagegen dessen Bestehen fest (vgl. Stein/Jonas/Schumann, ZPO, 21. Aufl., § 226, Rdnr. 167).

2. Die Frage kann jedoch letztlich offen bleiben, weil dem Kläger in jedem Falle auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Nach § 256 ZPO ist für die negative Feststellungsklage im Rahmen des besonderen Feststellungsinteresses erforderlich, dass der Beklagte sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt. Dieses Berühmen muss nach objektiver Würdigung des Gerichts eine Gefahr für den Kläger begründen (vgl. Stein/Jonas, aaO, Rdnr. 65). Dies ist vorliegend nicht der Fall. Dass der Beklagte einen Anspruch gegen den Kläger auf Erstattung eines eventuell vorhandenen Wohnwertnachteils überhaupt behauptet, genügt dabei nicht. Dies ist - wie oben dargelegt - Bestandteil des Feststellungsausspruchs aus dem Urteil des 6. Zivilsenats vom 9. Juli 1998 und kann daher eine Gefahr für den Kläger nicht begründen. Bedeutend wäre allenfalls, wenn der Beklagte seinen Anspruch bereits in bestimmter Höhe konkret beziffert hätte. Aber auch unter diesem Gesichtspunkt liegt nach Auffassung des Senats das erforderliche, eine Gefahr für den Kläger begründende "Berühmen" des Beklagten nicht vor: Wie sich aus der außergerichtlichen Korrespondenz zwischen den Parteien ergibt, hat dieser seinen Anspruch auf Wohnwertnachteil zwar angemeldet und zunächst auf einen Betrag in Höhe von 20 000,-- DM beziffert (vgl. das Schreiben vom 8. September 1998, Bl. 14 d.A.); dann aber hat er auf die Reaktion des Klägers mit weiterem Schreiben vom 15. September 1998 (Bl. 16 d.A.) unmissverständlich eingeräumt, dass es in den Händen eines Gutachters liegt, dessen Höhe zu bestimmen: "Ob dieser auf sieben Jahre hochgerechnet bei 10 000,--, 15 000,--, 20 000,-- oder noch mehr DM liegt, wird wohl ein Gutachter entscheiden müssen". Dieses Schreiben ist bei verständiger Würdigung nur so auszulegen, dass auch aus Sicht des Beklagten das Betragsverfahren noch durchgeführt werden muss, um endgültig Klarheit über die Höhe eines Anspruchs auf die Erstattung eines Wohnwertnachteils zu erhalten. Dies zugrundegelegt, vermag der Senat ein Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Feststellungsklage - weder im Haupt- noch im Hilfsantrag - zu erkennen.

3. Nach alledem ist unter Zurückweisung der Berufung auf die Anschlussberufung die Klage als unzulässig abzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Festsetzung des Wertes der Beschwer des Klägers war nach § 546 Abs. 2 S. 1 ZPO geboten.

Ende der Entscheidung

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