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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 17.08.2000
Aktenzeichen: 4 U 245/99
Rechtsgebiete: StBerG, WerbeVOStBerG, UWG, ZPO


Vorschriften:

StBerG § 8 Abs. 2
StBerG § 57 a
WerbeVOStBerG § 3
WerbeVOStBerG § 3 Abs. 4
UWG § 1
UWG § 3
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546 Abs. 2 Satz 1
Leitsatz:

Die Angabe in der Werbeanzeige eines Lohnsteuerhilfevereins, wonach "mehr als 1200 Beratungsstellen bundesweit" bestehen, verstößt nicht gegen § 8 Abs. 2 StBerG i.V.m. § 3 WerbeVOStBerG und stellt demnach keine unzulässige Wettbewerbshandlung dar.

Dies gilt auch für die Nennung der Namen von "Bezirksdirektoren", welche die Aufgabe haben, Interessenten an eine in ihrer Nähe befindliche Beratungsstelle zu verweisen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 245/99 4 O 1675/98 Landgericht Frankenthal (Pfalz)

Verkündet am: 17. August 2000

Bastian, Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

wegen Unterlassung einer Wettbewerbshandlung

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Dr. Ensthaler und Jenet auf die mündliche Verhandlung vom 29. Juni 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 26. Mai 1999 geändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der Beschwer des Klägers wird auf 50 000,-- DM festgesetzt.

Tatbestand:

Die Parteien sind Lohnsteuerhilfevereine und überregional tätige Wettbewerber. Der Beklagte unterhält bundesweit mehr als 1 200 Beratungsstellen, u. a. im Bezirk des Landgerichts Frankenthal.

Anfang Juli 1998 schaltete der Beklagte in der bundesweit erscheinenden Zeitung "Wirtschaftsmarkt aktuell", Ausgabe Süddeutschland, eine Anzeige, u. a. mit dem Hinweis auf "mehr als 1 200 Beratungsstellen bundesweit". Weiter enthält die Anzeige eine Liste der Namen und Telefonnummern von neun "Bezirksdirektoren" mit nach Bundesländern geordneten Zuständigkeiten, die als Ansprechpartner für die Vermittlung einer Beratungsstelle in der Nähe des Werbeadressaten genannt sind. Wegen der Aufmachung und des genauen Wortlauts der Anzeige wird auf Bl. 3 d.A. verwiesen.

Der Kläger sieht in diesen Anzeigen eine unzulässige, unsachliche Selbstanpreisung nach §§ 1, 3 UWG i. V. m. § 8 Abs. 2 StBerG i. V. m. § 3 Abs. 4 WerbeVOStBerG.

Der Kläger hat beantragt,

es dem Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 500 000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu zwei Jahren, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Zeitungsanzeigen zu schalten, in welchen der Beklagte mit der Zahl seiner Beratungsstellen und den Namen der Bezirksdirektoren wirbt.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) hat mit Urteil vom 26. Mai 1999 dem Klageantrag stattgegeben. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, das Sachlichkeitsgebot sei durch die beanstandete Werbung verletzt; vermittelt werde vielmehr durch die Angabe "mehr als 1 200 Beratungsstellen" der Eindruck von besonderer Größe und Leistungsfähigkeit der Beklagten; durch die Nennung der Namen der Bezirksdirektoren werde eine persönliche Bindung an einen Ansprechpartner bezweckt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er ist der Ansicht, das Landgericht habe die neuere Entwicklung im Bereich der Werbung von Steuerberatern und Lohnsteuerhilfevereinen für ihre Tätigkeit nicht gebührend berücksichtigt.

Auf der Grundlage seiner Berufungsbegründung vom 1. Dezember 1999 (Bl. 156 ff d.A.) beantragt der Beklagte,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 27. Dezember 1999 (Bl. 165 ff d.A.),

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden und führt auch in der Sache zum Erfolg. Anders als das Landgericht ist der Senat der Auffassung, dass in der beanstandeten Werbeanzeige des Beklagten keine unzulässige Wettbewerbshandlung gemäß § 1 UWG gesehen werden kann.

1. Das Verhalten des Beklagten misst sich an § 8 Abs. 2 StBerG i. V. m. § 3 WerbeVOStBerG. Danach dürfen (u. a.) Lohnsteuerhilfevereine im Rahmen des sachlich Gebotenen auf ihre Befugnis zur Hilfeleistung in Steuersachen werbend hinweisen. § 3 der WerbeVOStBerG legt fest, wie diese Werbung im Einzelnen ausgestaltet sein darf, um den Anforderungen des § 8 Abs. 2 StBerG zu genügen. Danach müssen Anzeigen - wie hier - des laufenden Geschäftsbetriebes ihrem Inhalt nach auf den Zweck der Anzeige beschränkt bleiben. Eine auf werbende Wirkung für die Tätigkeit des Vereins ausgerichtete Gestaltung der Anzeige ist nicht zulässig. Erlaubt sind dabei gemäß dem Wortlaut von § 4 Abs. 2 Ziff. 3 die Angaben des Namens des Vereins, des Gegenstands und des Umfangs der Befugnis sowie der Anschriften und der Öffnungszeiten der im Verbreitungsgebiet des Druckerzeugnisses liegenden Beratungsstellen.

Für die Beurteilung, ob ein Verstoß gegen die WerbeVOStBerG und damit eine unzulässige Wettbewerbshandlung gemäß § 1 UWG vorliegt, darf jedoch nicht an dem Wortlaut der Verordnung statisch festgehalten werden. Denn die Lohnsteuerhilfevereine werden durch die Werbeverordnung zum Steuerberatergesetz in ihrer Berufsfreiheit eingeschränkt; notwendige Existenzhinweise dürfen deshalb inhaltlich nur so begrenzt werden, dass sie den Bedürfnissen der Lohnsteuerhilfevereine gerecht werden, ohne zu einem Wettbewerbsnachteil der freiberuflich tätigen Steuerberater und Steuerbevollmächtigten zu führen (vgl. BVerfG NJW 1992, 550; vgl. auch BVerfG NJW 1992, 549). Vor diesem Hintergrund ist bei der am Verfassungsrecht orientierten Auslegung der Werbeverordnung zusätzlich zu beachten, dass der Gesetzgeber durch das 6. Gesetz zur Änderung des Steuerberatungsgesetzes vom 24. Juni 1994 (BGBl. I S. 1387) das Werbeverbot für die mit den Lohnsteuerhilfevereinen in Konkurrenz stehenden Steuerberater und Steuerbevollmächtigten gelockert hat, indem er nunmehr auch ihnen die in Form und Inhalt sachliche Unterrichtung des Publikums über ihre berufliche Tätigkeit erlaubt hat (§ 57 a StBerG). Eine am Wortlaut der Verordnung haftende bzw. restriktive Beurteilung der angegriffenen Wettbewerbshandlung ließe sich deshalb nicht mehr mit den verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechten der Berufs- und Vereinigungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1, Art. 9 GG), vereinbaren, weil sie diese durch § 57 a StBerG gegenüber der Situation bei Erlass der Verordnung eingetretene Werteverschiebung nicht berücksichtigte (vgl. BGH WM 1995, 1334; OLG Dresden, WRP 1998, 216, 218).

2. In diesem Lichte betrachtet verstoßen nach Auffassung des Senats die beiden beanstandeten Angaben in der Werbeanzeige nicht gegen § 3 der WerbeVOStBerG; sie stellen demnach keine unzulässige Wettbewerbshandlung gemäß § 1 UWG dar.

Dies gilt zunächst für die verwendete Formulierung "mehr als 1 200 Beratungsstellen". Dass das Verhalten des Beklagten nicht angreifbar wäre, wenn die 1 200 Beratungsstellen sämtlich mit Anschrift und Telefonnummer aufgelistet wären, ist außer Streit. Der Kläger selbst wirbt mit derartigen ganzseitigen Zeitungsannoncen. In der beispielhaften Aufzählung einiger ausgewählter Beratungsstellen verbunden mit dem Hinweis auf die Anzahl der insgesamt bundesweit existierenden Büros kann aber ebenso wenig eine das Gebot sachlicher Unterrichtung verletzende Werbung erkannt werden. Es kann vielmehr noch zur Information des potentiellen Mitglieds gerechnet werden, dass es mit weiten Anfahrtswegen zu einer Beratungsstelle nicht zu rechnen braucht (vgl. OLG Nürnberg WM 1986, 112).

Auch die Nennung der Namen von "Bezirksdirektoren", die dazu dienen sollen, den Interessenten an eine in seiner Nähe befindliche Beratungsstelle auf telefonische Anfrage zu verweisen, verletzt nicht das Gebot der Sachlichkeit. Ist es dem Beklagten erlaubt, auf die Anzahl seiner Beratungsstellen hinzuweisen, so muss es ihm auch ermöglicht sein, den Interessierten über eine "Direktion" oder eine ähnliche Stelle an ein Büro in seiner Nähe zu vermitteln. Darauf, ob mit der Namensnennung von Mitarbeitern eine bestimmte Ebene der Vertraulichkeit geschaffen wird, kommt es dabei nicht entscheidend an. War es vor Inkrafttreten des § 57 a StBerG noch verständlich, den Lohnsteuerhilfevereinen, die bezüglich ihrer Werbetätigkeit privilegiert waren, eine Werbung unter Verwendung der Namen natürlicher Personen zu untersagen (vgl. OLG Koblenz aaO WRP 1986, 300), so kann dies nach Auffassung des Senats für das seit 1994 geltende Recht nicht mehr gelten. Nunmehr können auch Steuerberater mit der Nennung ihres Namens eine auf Sachlichkeit beschränkte Werbung betreiben. Im Übrigen erweckt die beanstandete Aufzählung von "Bezirksdirektoren" auch nicht den Eindruck, der Interessent werde von den genannten Personen persönlich betreut. Es ist vielmehr für den Adressaten hinreichend deutlich erkennbar, dass es ausschließlich um die Nennung einer Beratungsstelle in der Nähe geht.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Festsetzung des Wertes der Beschwer des Klägers war nach § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO geboten. Sie orientiert sich an der zu schätzenden Beeinträchtigung, die von dem beanstandeten Verhalten des Beklagten ausgeht (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl., § 3 "Unterlassung"). Der Senat hält den festgesetzten Betrag in Höhe von 50 000,-- DM dabei für ausreichend (vgl. auch das Urteil des Senats vom 10. Februar 2000, 4 U 256/99).

Ende der Entscheidung

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