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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 02.12.2004
Aktenzeichen: 4 U 25/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 39
ZPO § 301
BGB §§ 387 ff.
Ein Teilurteil über die Klage ist unzulässig, wenn für Klage und Widerklage das Vorliegen derselben Gerichtsstandsvereinbarung streitig ist und sich zudem bei der Entscheidung über die Widerklage die für die Beurteilung der Klageforderung maßgebenden Fragen deshalb von neuem stellen, weil der Kläger bei der Berechnung der Klageforderung Teile ausgenommen hat, mit denen er gegenüber der Widerklage aufrechnet.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 25/04

Verkündet am: 2. Dezember 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Rückforderung

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Friemel

auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Teilurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 18. Dezember 2003 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

II. Die Gerichtskosten für das Berufungsverfahren werden niedergeschlagen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um wechselseitige Zahlungsansprüche aus einem Vertrag über die Vermittlung von Teilnehmerverhältnissen am Mobilfunkdienst.

Die Klägerin ist ein Service Provider. Sie vertreibt für verschiedene Anbieter Mobilfunk- und Festnetzverträge, sowie Handys. Der Beklagte hatte mit der Klägerin einen Vertriebspartnervertrag geschlossen auf dessen Grundlage er Provisionen und unter bestimmten Voraussetzungen Werbekostenzuschüsse beanspruchen konnte. In den Vertrieb hatte der Beklagte seinerseits wiederum Untervertriebspartner eingeschaltet. Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte und seine Untervertriebspartner hätten zu Unrecht Werbekostenzuschüsse vereinnahmt. Mit ihrer Klage nimmt sie den Beklagten auf Rückzahlung dieser Zuschüsse in Anspruch, die sie in der Summe zuletzt auf 611.001,57 € nebst Zinsen beziffert hat. Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat seinerseits Widerklage auf Zahlung von Provisionen erhoben, die er zuletzt in Höhe von 653.334,21 € nebst Zinsen geltend gemacht hat. Der Kläger ist der Widerklage entgegengetreten.

Mit Teilurteil vom 18. Dezember 2003, auf das zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes Bezug genommen wird, hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Über die Widerklage ist noch nicht entschieden.

Gegen das Teilurteil wendet sich der Beklagte mit seiner innerhalb gesetzlicher Frist eingelegten Berufung. Er hat sein Rechtsmittel innerhalb bewilligter Fristverlängerung begründet, die ihm auf rechtzeitigen Antrag gewährt worden ist.

Der Beklagte macht geltend, das Landgericht habe in verfahrensfehlerhafter Weise entscheidungserhebliches Vorbringen übergangen. Bereits im ersten Rechtszug habe er dargelegt, dass zwischen der Klägerin und den einzelnen Untervertriebspartnern eigene Rechtsbeziehungen bestanden hätten. Deshalb habe in diesem Verhältnis rückabgewickelt werden müssen. Der Beklagte habe lediglich als Abrechnungsstelle für die Klägerin fungiert. Er habe unter Sachverständigenbeweis gestellt, dass ihm die Überprüfung der Richtigkeit der Eingaben der Untervertriebspartner zu keiner Zeit möglich gewesen sei. Das Landgericht habe auch die Frage falsch beurteilt, ob einem Rückforderungsanspruch § 814 BGB entgegenstehe. Der Beklagte habe durch die Zeugin W... unter Beweis gestellt, dass es im Betrieb der Klägerin gängige Praxis gewesen sei, die Ausschüttung des Werberkostenzuschusses trotz Kenntnis von den Mehrfacheingaben zu veranlassen. Soweit das Landgericht davon ausgegangen sei, der Beklagte habe die Uneinbringlichkeit eigener Ansprüche gegen die Untervertriebspartner nicht dargelegt, habe es seine Hinweispflicht verletzt. Im Übrigen habe die erste Instanz übersehen, dass der Klägerin Gegenleistungen in Form von vermittelten Verträgen zugeflossen seien, die im Rahmen einer Saldierung hätten berücksichtigt werden müssen. Das Erstgericht habe auch die Erklärung der Parteien vom 18. Mai 2001 falsch ausgelegt. Neu vorgetragen werde, dass der Beklagte in der Lage gewesen sei, seine Verbindlichkeiten gegenüber den Untervertriebspartnern zu zahlen (Zeuge A...); er sei also durch die rechtsgrundlose Leistung der Klägerin nicht von Verbindlichkeiten befreit worden. In Höhe eines Betrages von 379.994,72 € sei er entreichert, weil sein Untervertriebspartner Y... insolvent geworden sei (Zeugen Rechtsanwalt K..., A...). Diesem gegenüber bestünden Rückforderungsansprüche von 274.347,72 €, die nicht durchsetzbar seien. Gleiches gelte für den Untervertriebspartner O... M... GmbH (Zeuge A...), gegenüber dem Rückforderungsansprüche von 123.647 € bestünden.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Teilurteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 9. Juni 2004, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung ist zulässig, §§ 511 Abs. 1 und 2 Nr.1, 519, 520 ZPO. Sie führt in der Sache zu einem vorläufigen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auf einem Verfahrensfehler. Es ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.

1. Über die Klageforderung durfte nicht durch Teilurteil entschieden werden. Die Voraussetzungen des § 301 ZPO sind nicht gegeben. Zwar sieht diese Vorschrift vor, dass bei erhobener Widerklage über die Klage vorab durch Teilurteil entschieden werden kann. Ein solches Teilurteil darf aber nur erlassen werden, wenn die Gefahr widerstreitender Entscheidungen ausgeschlossen ist (vgl. BGHZ 20, 311, 312 ff.; BGHZ 107, 236, 242 f.; BGH NJW 1987, 441; BGH NJW-RR 1994, 379, 380; BGH NJW 1997, 453, 455; Zöller/Vollkommer, ZPO 24. Aufl. § 301 Rdn. 7, 9, jeweils m.w.N.). Diese Gefahr besteht schon dann, wenn im Rahmen der Entscheidung über das Teilurteil eine Frage entschieden werden muss, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über die anderen, im Teilurteil nicht gewürdigten Ansprüche noch einmal stellt (Senatsurteile vom 27. Juni 2002 - 4 U145/01 = OLGReport 2003, 37, vom 18. Oktober 2001 - 4 U 138/00 und vom 1. April 2004 - 4 U 145/03, jeweils m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen ist der Erlass eines Teilurteils im vorliegenden Fall ausgeschlossen.

a. Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht bereits im Hinblick auf die Zulässigkeit von Klage und Widerklage. Für beide ist die Regelung in § 13.2 des Vermittlungsvertrages vom 29. November 1999 maßgebend. Darin ist für sämtliche Streitigkeiten aus dem Vertrag ein ausschließlicher örtlicher Gerichtsstand in K... vereinbart. Der Beklagte hat sich auf diese Regelung berufen und dazu die Auffassung vertreten, das Landgericht Frankenthal sei örtlich nicht zuständig. Die Gerichtsstandsvereinbarung stehe einer Anwendung des § 39 ZPO entgegen. Dem ist das Landgericht bei seiner Entscheidung über die Klage nicht gefolgt. Seine Erwägungen sind in der Sache durchaus zutreffend. Das Landgericht wäre aber nicht gehindert, die Frage bei seiner Entscheidung über die Widerklage anders zu würdigen.

b. Davon abgesehen besteht die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen aber auch in der Sache selbst. Die Entscheidung über die Klageforderung hängt davon ab, ob der Beklagte gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Rückzahlung von unrechtmäßig vereinnahmten Werbekostenzuschüssen verpflichtet ist. Das Landgericht ist vom Vorliegen einer solchen Verpflichtung ausgegangen. Seine Entscheidung hat zur Grundlage, dass Werbekostenzuschüsse von der Klägerin nur dann zu zahlen waren, wenn die entsprechenden Handys unmittelbar durch sie geliefert wurden. Entscheidungsgrundlage ist des Weiteren, dass die Vereinbarung vom 18. Mai 2001 einer Rückforderung nicht entgegensteht und dass die Rückforderung auch nicht gemäß § 814 BGB wegen Kenntnis der Nichtschuld ausgeschlossen ist. Von denselben Fragen hängt aber auch die Entscheidung über die Widerklageforderung ab. Mit der Widerklage macht der Beklagte zum Teil Provisionsforderungen geltend, gegenüber denen die Klägerin mit den von der Klageforderung ausgenommenen Teilen ihres Rückforderungsanspruchs aufgerechnet hat (vgl. im Einzelnen die Schriftsätze der Klägerin vom 7. Februar 2003, S. 9 ff. = Bl. 86 ff. d.A. und des Beklagten vom 10. März 2003, S. 13 = Bl. 117 d.A., Seite 16 = Bl. 120 d.A. und S. 17 = Bl. 121 d.A.). Im Rahmen der Entscheidung über die Widerklage wird darüber zu befinden sein, ob diese Aufrechnung zum Erlöschen der Widerklageforderung geführt hat, § 389 BGB. Die genannten, für die Entscheidung über die Klageforderung maßgebenden Fragen stellen sich dabei von Neuem. Sie sind somit präjudiziell für die Widerklageforderung. Auch insoweit gilt, dass die Fragen bei der Entscheidung über die Klageforderung sachlich durchaus zutreffend gewürdigt worden sind. Das Landgericht wäre aber nicht gehindert, sie bei seiner Entscheidung über die Widerklage in einem von dem angefochtenen Teilurteil abweichenden Sinne zu beurteilen.

c. Die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen wird auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Senat über die Berufung gegen das Teilurteil möglicherweise vor einem Schlussurteil des Landgerichts über die Widerklage entscheidet. Das Landgericht wäre dadurch nicht gehindert, von der Beurteilung abzuweichen, die der Senat in seinem Urteil über die Berufung gegen das Teilurteil für zutreffend erachtet. Selbst wenn das Landgericht den gleichen Standpunkt wie der Senat einnimmt bleibt die Möglichkeit, das auf einer Berufung gegen das Schlussurteil eine dem Teilurteil widersprechende Entscheidung ergeht, sei es auf Grund neuen Vortrags oder neuer Erkenntnisse, sei es wegen einer später anderen rechtlichen Beurteilung durch den Senat. Insbesondere bei anderer Besetzung des Spruchkörpers oder bei Entscheidung durch einen anderen Senat, der für die Entscheidung über das Schlussurteil zuständig sein könnte, kann es zu abweichenden Ergebnissen kommen (vgl. dazu Senatsurteile jeweils aaO; OLG Frankfurt MDR 1998, 1053).

2. In dem Verstoß gegen § 301 ZPO liegt ein Verfahrensfehler i. S. von § 538 Abs. 2 Nr. 7 ZPO. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben. Eine eigene Entscheidung unter Einbeziehung des in erster Instanz verbliebenen Teils der Klageforderung ist nicht sachdienlich. Die Sache ist deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Berufungsverfahrens - an das Landgericht zurückzuverweisen. Eines besonderen Antrags bedarf es dazu nicht, §§ 538 Abs. 2 Satz 3 ZPO.

3. Die Entscheidung über die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 8 Abs. 1 GKG a.F.. Über die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens wird im Rahmen der erneuten Verhandlung und Entscheidung zu befinden sein. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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