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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 16.05.2002
Aktenzeichen: 4 U 257/99
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, WEG


Vorschriften:

BGB § 633 Abs. 1
BGB § 634 Abs. 1 Satz 3
BGB §§ 465 ff. a.F.
AGBG § 11 Nr. 10 b
WEG § 1 Abs. 3
WEG § 1 Abs.5
WEG § 5
WEG § 21 Abs. 4
Die vom Erwerber eines Wohnungseigentums gegen den veräußernden Bauträger erhobene Wandelungsklage, die zunächst berechtigterweise darauf gestützt wird, das Sondereigentum des Erwerbers sei durch eine nicht ausreichend gegen Lärm isolierte Heizungsanlage beeinträchtigt, wird unbegründet, wenn der Mangel im Laufe des Rechtsstreits ohne Wissen des Klägers im Interesse der Gesamtheit der Eigentümer nachgebessert wird.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 257/99

Verkündet am: 16. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Wandelung,

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Friemel

auf die mündliche Verhandlung vom 4. April 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 1. Oktober 1999 geändert:

Der Rechtsstreit ist erledigt.

II. Die Beklagte hat die Kosten des ersten Rechtszugs, die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die jeweiligen Vollstreckungsschuldner dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

Tatbestand:

Die Kläger kauften mit notariellem Vertrag vom 15. Dezember 1993 (Notar K..., Urk.R.Nr. ...) von der Beklagten, einer Bauträgergesellschaft, eine Eigentumswohnung im Erdgeschoss in der von der Beklagten errichteten Wohnungseigentumsanlage in der M...Str. ... in F... (Pfalz). Sie nahmen die Wohnung ab und bezahlten am 31. Dezember 1993 an die Beklagte den Kaufpreis in Höhe von 274 000,-- DM. Die Wohnung vermieteten sie weiter.

Ab Januar 1994 rügten die Kläger bei der Beklagten, dass die Heizung im Keller des Anwesens mangelhaft gegen Lärm isoliert sei, so dass in der Wohnung unerträglicher Lärm herrsche, worüber sich auch die Mieter der Kläger beschwerten. Ferner beanstandeten die Kläger, dass die Wärmedämmung der Heizung ungenügend sei, so dass es in der Wohnung zu warm werde. In der Folgezeit versuchte die Beklagte mehrfach die Geräuschprobleme der Heizung zu beseitigen. Die Parteien korrespondierten wiederholt über die Frage einer sachgerechten Nachbesserung. Mit Schreiben vom 27. Dezember 1994 setzten die Kläger der Beklagten "letztmals" unter der Drohung, weitere Nachbesserung abzulehnen, eine Frist bis 15. Januar 1995, die gerügten Mängel zu beseitigen und drohten "Schadensersatz oder Rücktritt bzw. Wandelung" an.

Im Laufe des vorliegenden Rechtsstreits führte die Beklagte an der Heizung weitere Arbeiten durch, die die Lärmbeeinträchtigung in der Wohnung der Kläger schließlich beseitigten.

Die Kläger haben vorgetragen:

Die Geräuschimmissionen und die mangelhafte Wärmedämmung der Heizung rechtfertigten die Wandelung.

Sie haben beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 274 000,-- DM nebst 6,5 % Zinsen seit 29. Dezember 1993 Zug um Zug gegen Zustimmung zur Bewilligung der Löschung der im Grundbuch von F... Blatt ... eingetragenen Auflassungsvormerkung und gegen Rückgabe der Wohnung zu verurteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich auf den im notariellen Vertrag vereinbarten Wandelungsausschluss berufen und vorgetragen: Die Wohnung sei mittlerweile mangelfrei.

Der Einzelrichter des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) hat die Klage nach Beweisaufnahme abgewiesen. Im Wesentlichen hat er ausgeführt:

Nach den eingeholten Gutachten des Sachverständigen G... vom T... U... in K... liege kein Mängel mehr vor. Die zulässigen Schallschutzwerte wurden nicht mehr übertroffen. Die Wärmeabdämmung der Heizungsanlage sei von vornherein nicht mangelhaft gewesen.

Auf den Tatbestand und die Entscheidungsgrunde des angefochtenen Urteils wird ergänzend Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung haben die Kläger ihr Wandelungsbegehren zunächst weiterverfolgt. Sie haben im Wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und daran festgehalten, dass die von der Heizung ausgehenden Lärmimmissionen weiterhin zu hoch seien. Hilfsweise haben sie außerdem wegen der Beeinträchtigung Minderung geltend gemacht und begehren Schadensersatz, weil ihre Mieter ab 1. Juli 1994 die Mietzahlungen eingestellt hatten und Ende Oktober 1994 ausgezogen seien. Die Wohnung sei anschließend nicht mehr vermietbar gewesen.

Sie haben zunächst beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte nach dem in erster Instanz zuletzt gestellten Antrag zu verurteilen,

hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 80 000,-- DM nebst 5 % Zinsen seit 6. Januar 2000 zu bezahlen.

Hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 20 400,-- DM zu bezahlen.

In der mündlichen Verhandlung vom 4. April 2002 haben sie unter Aufrechterhaltung ihrer Antrage im übrigen, den Rechtsstreit bezüglich ihres Haupt- und ihres ersten Hilfsantrages für erledigt erklärt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Landgerichts unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

Auf die gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Durch Beschluss vom 4. März 2002 (Az: IN 135/01) hat das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Mannheim über das Vermögen der Beklagten einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt

Entscheidungsgründe:

A.

Die Berufung ist zulässig.

Das Berufungsverfahren ist nicht gemäß § 240 Satz 2 ZPO dadurch unterbrochen worden, dass das Amtsgericht - Insolvenzgericht -Mannheim durch Beschluss vom 4. März 2002 in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beklagten einen vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt hat. Denn das Insolvenzgericht hat der Beklagten kein allgemeines Zahlungsverbot (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 1, 22 Abs. 1 Nr. 1 InsO), sondern nur einen Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 InsO) auferlegt, weshalb die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nicht, wie für eine Unterbrechung gemäß § 240 Satz 2 ZPO notwendig, gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergegangen ist (vgl. BGH NJW 1999, 2822).

B.

Das Rechtsmittel führt mit dem zuletzt gestellten Erledigungsantrag zum Erfolg.

Die Klage war ursprünglich zulässig und begründet gewesen.

Die Kläger hatten gegen die Beklagte gemäß §§ 633 Abs. 1, 634 Abs. 1 Satz 3 BGB a.F. einen Anspruch auf Wandelung, weil die von ihnen mit notariellem Vertrag vom 15. Dezember 1993 von der Beklagten gekaufte Eigentumswohnung mangelhaft war. Ihr Wandelungsrecht war aber bereits im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens dadurch erloschen, dass die Beklagte den Fehler beseitigt hat.

I.

Die Kläger waren nicht durch § 7 Nr. 7 Abs. 3 des notariellen Vertrages an der Wandelung gehindert. Die dortige Klausel, die eine Wandelung ausschließt, verstoßt gegen § 11 Nr. 10 b AGBG und ist deshalb unwirksam.

Bei der Klausel handelt es sich unstreitig um einen von der Beklagten ständig in ihren Bauträgerverträgen verwendeten, standardisierten Text, also eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 1 AGBG. Hierfür ist insbesondere unerheblich, dass der Vertrag vor einem Notar geschlossen wurde (vgl. BGHZ 118, 229; OLG Köln VersR 2000, 730; Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 1 AGBG, Rdnr. 8). Da es sich um einen Kauf vom Bauträger handelt, liegt auch kein die Anwendung dieser Norm ausschließender Vertrag über Bauleistungen im Sinne von § 11 Nr. 10 b AGBG vor (vgl. OLG Koblenz, NJW-RR 1999, 1104; OLG Hamm NJW-RR 1998, 1031; Palandt/Heinrichs, aaO, § 11 AGBG Rdnr. 5 m.w.N.).

II.

Das Wandelungsrecht der Kläger ergab sich aus § 634 BGB. Es handelt sich um einen Bauträgervertrag, der sich - insbesondere bezüglich der Gewährleistungsansprüche - nach Werkvertragsrecht richtet, wobei es nicht darauf ankommt, ob das Anwesen zum Zeitpunkt des Erwerbs der Kläger ganz oder teilweise fertiggestellt war (vgl. BGHZ 102, 167 m.w.N.; Pastor, Der Bauprozess, 9. Aufl., Rdnr. 997). Das Gewährleistungsrecht der Kläger war auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Mangel an der im Gemeinschaftseigentum stehenden Heizung aufgetreten war (Bärmann/Pick/Merle WEG, 8. Auflage § 1, Rdn. 154).

1. Die von den Klägern erworbene Eigentumswohnung war mangelhaft. Ihre Gebrauchstauglichkeit war durch die Lärmbeeinträchtigungen gemindert, die von der im Keller unter der Wohnung befindlichen Heizanlage ausgingen. Der Sachverständige G... hat in seinem ersten vor dem Landgericht erstatteten Gutachten vom 13. Mai 1997 festgestellt, dass im Schlafzimmer der Wohnung der nach DIN 4109 zulässige Schalldruckpegel von 30 dB(A) deutlich um 5-12 dB(A) überschritten wurde. Das stellte einen erheblichen Mangel dar, weil das menschliche Ohr bereits eine Erhöhung von 5-8 dB als Verdoppelung des Schallpegels empfindet.

Wie sich aus den zwischen den Parteien schon bald nach der Abnahme durch die Kläger gewechselten Schreiben ergibt, lag der Mangel - wie die Beklagte nicht bestreitet - von Anfang an vor. Die Beklagte hatte deshalb immer wieder zugesagt und versucht, die Geräuschbeeinträchtigung zu beseitigen.

2. Die Kläger hatten der Beklagten auch mehrfach Fristen zur Mängelbeseitigung gesetzt und sie letztmals mit Schreiben vom 27. Dezember 1994 unter Fristsetzung bis 15. Januar 1995 mit Ablehnungsandrohung aufgefordert, die Lärmimmissionen zu beseitigen. Damit waren die Voraussetzungen des § 634 Abs. 1 BGB erfüllt. Nachdem die Beklagte bis dahin über ein Jahr erfolglos versucht hatte, den Mangel zu beheben, war es den Klägern auch nicht mehr zumutbar, weitere Nachbesserungsversuche hinzunehmen (vgl. hierzu auch Palandt/Heinrichs, aaO, § 11 AGBG Rdnr. 57 m.w.N.), sodass sich die Beklagte nicht mehr auf ihr vertragliches Nachbesserungsrecht (§ 7 Abs. 7 Nr. 2 des notariellen Kaufvertrages) berufen konnte.

III.

Die somit zulässig und begründet erhobene Wandelungklage ist jedoch nachträglich dadurch unbegründet geworden, dass es der Beklagten im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens gelungen ist, den Fehler zu beseitigen, wie der Sachverständige G... in seinen weiteren Gutachten vom 30. Juni 1998 und 22. April 1999 festgestellt und der Sachverständige Dr. H... in seinem vom Senat eingeholten Gutachten vom 3. Oktober 2001 bestätigt hat.

Für die Durchführung der Wandelung eines Werkvertrages gelten die für den Kauf geltenden Vorschriften der §§ 465-467 und 469-475 BGB entsprechend, § 634 Abs. 4 BGB.

Allerdings ist im Kaufrecht streitig, ob der Mangel, auf den das Wandelungsbegehren gestützt wird, im Zeitpunkt des Vollzugs der Wandelung noch vorliegen muss. Der BGH hat diese Frage letztlich offengelassen (vgl. BGH NJW 1996, 2657; BGHZ 90, 198). Nach herrschender Rechtsprechung bleibt aber das Wandelungsrecht jedenfalls dann unberührt, wenn der Mangel durch eine ohne Zustimmung des Käufers erfolgte eigenmächtige Nachbesserung des Verkäufers beseitigt worden ist (BGH NJW aaO; Z aaO; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 1587; OLG Karlsruhe, NJW-RR 1999, 279).Der Bundesgerichtshof (NJW 1996, aaO) hat hierzu ausgeführt, dass das Wandelungsrecht des Käufers jedenfalls dann unberührt bleibe, wenn der Mangel durch eine - vertraglich nicht vereinbarte - Nachbesserung bis zum Vollzug der Wandelung zwar erfolgreich, aber ohne Zustimmung des Verkäufers, also eigenmächtig beseitigt worden sei; habe hingegen eine im Einverständnis des Käufers durchgeführte Nachbesserung zur vollständigen Behebung des Mangels geführt, sei damit der Wandelung der Boden entzogen.

Ob das ebenso im Werkvertragsrecht gilt, kann dahinstehen. Selbst wenn die von der Beklagten weiterhin durchgeführten Arbeiten ohne Wissen der Kläger erfolgten, geschah das nicht eigenmächtig. Die Kläger durften sich den Arbeiten schon deshalb nicht widersetzen, weil der Anspruch auf Beseitigung des Mangels an der im Gemeinschaftseigentum stehenden Heizung zugleich auch der Gesamtheit der Eigentümer zustand (vgl. Bärmann/Pick/Merle aaO) und weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass die Nachbesserung (auch) deren Interessen widersprochen hatte.

IV.

Da die Kläger mit ihrem zuletzt gestellten Erledigungsantrag Erfolg haben, war über den hilfsweise gestellten Antrag auf Zahlung von Schadensersatz nicht mehr zu befinden.

V.

Die Beklagte hat die Kosten der ersten Instanz zu tragen, weil sie der Erledigungserklärung widersprochen hat und die Kläger deshalb obsiegt haben; die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen, weil sie es versäumt haben, den Erledigungsantrag bereits in der ersten Instanz zu stellen (§§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 2 ZPO).

Die übrigen Nebenentscheidungen folgen aus, 708 Nr. 10, 711 ZPO n.F.

VI.

Die Revision wird nicht zugelassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung der Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F.).

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 140 093, 97 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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