Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 16.11.2000
Aktenzeichen: 4 U 286/99
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 276
BGB § 675
Sorgfaltspflichten des Steuerberaters

1. Ein Steuerberater muss seinen Mandanten nicht vorsorglich darüber belehren, dass mit der Rücknahme des Einspruchs gegen einen Steuerbescheid nachteilige Folgen verbunden sind.

2. Die Frage, ob es sinnvoll ist, eine Auseinandersetzung mit dem Finanzamt mittels Einholung eines Gutachtens eines Nahrungsmittelsachverständigen weiterzuführen (hier: Produktionsverluste bei Herstellung von Grillschinken), liegt auf tatsächlichem Gebiet und ist in erster Linie an den Mandanten des Steuerberaters selbst gerichtet. Schätzt der Mandant diese Sachlage falsch ein, so kommt eine Haftung des Steuerberaters wegen Falschberatung grundsätzlich nicht in Betracht.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 286/99 3 O 218/99 Landgericht Frankenthal (Pfalz)

Verkündet am: 16. November 2000

Bastian, Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

wegen Verletzung eines Steuerberatervertrages,

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Jenet auf die mündliche Verhandlung vom 2. November 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 17. Juni 1999 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Wert der Beschwer des Klägers wird auf unter 60 000,-- DM festgesetzt.

Tatbestand:

Der Kläger ist Schausteller und betreibt auf Volksfesten Imbissstände, in denen er Grillschinken als Brötchen- und Tellergerichte vertreibt. Die von ihm verkaufte Ware stellt er selbst aus Rohschinken mit einem Gewicht zwischen 8 und 10 kg her, indem er die Fleischware aufbereitet, grillt, schneidet und so in den Verkauf bringt. Steuerrechtlich wurde er zunächst von der Firma i..., M..., beraten. Am 1. August 1994 erteilte er dieser Firma Vollmacht, in seinem Namen und Auftrag weitere Steuerberatungsverträge zu schließen. Auf dieser Grundlage beauftragte die Firma i... den Gemeinschuldner, Steuerberater M..., B.. D..., für den Kläger tätig zu werden. Über das Vermögen dieses Steuerberaters ist am 31. Juli 1997 das Konkursverfahren eröffnet worden; der Beklagte ist Konkursverwalter.

Der Kläger nimmt den Beklagten wegen Verletzung des Steuerberatungsvertrages durch den Gemeinschuldner M... in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Aufgrund einer Betriebsprüfung des Finanzamts H... im März 1995 wurde bei dem Kläger die Buchführung für die Jahre 1991 bis 1993 beanstandet. Die genannten zahlen wurden nicht anerkannt und deshalb die Schätzung des Betriebsgewinns des Klägers vorgenommen. Das Finanzamt ging dabei davon aus, dass von dem Gewicht des durch den Kläger eingesetzten Rohschinkens 60 % als Verkaufsware auf dem Teller bzw. in dem Brötchen landen, während der Rest als Schwund (Fett, Abfall, Knochen, etc.) unberücksichtigt bleiben muss. Diese Schwundquote wurde später in den Steuerbescheiden vom 29. März 1996 und 21. Juni 1996 noch zugunsten des Klägers auf 50 % korrigiert. Gegen diese Steuerbescheide legte der Gemeinschuldner - der unstreitig mit der beanstandeten Buchführung aus den Jahren 1991 bis 1993 nicht befasst war - für den Kläger Einspruch ein, weil der Kläger der Meinung war, die Schwundquote sei zu niedrig angesetzt. In der Folgezeit kam es zwischen dem Gemeinschuldner und der Firma i... einerseits und dem Finanzamt andererseits zu zahlreichem Schriftwechsel, in welchem über eine gütliche Beilegung verhandelt würde. Gleichzeitig korrespondierte vor allem die Firma i... mit dem Kläger wegen der Erfolgsaussichten. In einem Schreiben vom 23. Februar 1996 stellte sie die Einholung eines entsprechenden Privatgutachtens eines Sachverständigen zu den Produktionsverlusten in Aussicht.

Am 3. September 1996 nahm der Kläger einen durch die Firma i... vereinbarten Termin beim Finanzamt H... zur Besprechung der Angelegenheit wahr. Der Gemeinschuldner befand sich zu diesem Zeitpunkt in Urlaub. Von Seiten der Firma i... war niemand anwesend. Im Rahmen des Termins nahm der Kläger seine Einsprüche gegen die Steuerbescheide vom 29. März 1996 und 21. Juni 1996 zurück.

In der Folgezeit gab der Kläger ein Sachverständigengutachten zur Frage der Produktionsverluste in Auftrag. Der Sachverständige kam dabei zu dem Ergebnis, dass sich der tatsächliche Gewichtsschwund des durch den Kläger eingesetzten Schinkens auf über 70 % belaufe.

Der Kläger, der die Erkenntnisse aus dem Gutachten des Sachverständigen Antritter wegen der Zurücknahme der Einsprüche nicht mehr verwerten kann, sieht sich durch den Gemeinschuldner falsch beraten und geschädigt.

Er hat vorgetragen:

Als steuerlicher Laie sei ihm unbekannt gewesen, welche Folgen es habe, die Einsprüche zurückzunehmen. Die finanziellen Folgen seines Verhaltens seien ihm nicht aufgezeigt worden. Er habe in Vorgesprächen mehrfach darauf hingewiesen, dass die vom Finanzamt festgesetzte Schwundquote zu niedrig sei; dennoch habe der Gemeinschuldner kein Privatgutachten in Auftrag gegeben. Das Finanzamt sei unter Zugrundelegung der falschen Schwundquote von überhöhten Umsätzen ausgegangen, wodurch sich eine Steuermehrforderung für die Jahre 1991 bis 1993 in Höhe der zur Konkurstabelle angemeldeten Summe ergeben habe. Diesbezüglich sei der Gemeinschuldner zum Schadensersatz verpflichtet.

Der Kläger hat beantragt,

zu seinen Gunsten eine Schadensersatzforderung in Höhe von 188 110,33 DM zur Konkurstabelle festzustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hierzu hat er vorgetragen:

Der Gemeinschuldner habe gegenüber dem Kläger zu keinem Zeitpunkt erklärt, dass ein Gutachten nicht erforderlich sei oder dass er die Rechtsbehelfe gegen die Steuerbescheide zurücknehmen solle. Die von dem Sachverständigen A... festgestellte Schwundquote sei nicht korrekt. Die vom Finanzamt den Bescheiden zugrunde gelegten Berechnungen seien zutreffend.

Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) hat mit Urteil vom 17. Juni 1999 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, eine schuldhafte Verletzung des Steuerberatervertrages durch den Gemeinschuldner sei nicht ersichtlich. Dem Kläger selbst habe klar sein müssen, dass er durch Rücknahme der Einsprüche gegen die fraglichen Steuerbescheide seiner Rechtsbehelfe verlustig gehe. Im Übrigen beruhe die nicht rechtzeitige Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Verlustquote des Klägers auf dessen alleinigem Verschulden.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung. Zur Begründung wiederholt und vertieft er dabei im wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen.

Auf der Grundlage seiner Berufungsbegründung vom 29. September 1999 (Bl. 79 ff d.A.) und eines weiteren Schriftsatzes vom 1. September 2000 (Bl. 141 ff d.A.) beantragt der Kläger nunmehr, das angefochtene Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn - beschränkt auf die Leistung aus der Entschädigungsforderung des Beklagten gegen den Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer des Gemeinschuldners - 188 110,33 DM nebst 4 % Zinsen ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 30. November 1999 (Bl. 114 ff d.A.) und eines weiteren Schriftsatzes vom 6. September 2000 (Bl. 145 f d.A.),

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des angefochtenen Urteils sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden; in der Sache führt sie nicht zum Erfolg. Mit dem Landgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass der Kläger keinen Anspruch gegen den Beklagten wegen Verletzung seines mit dem Gemeinschuldner eingegangenen Steuerberatervertrages (pVV) besitzt.

1. Die Anspruchsvoraussetzungen für eine positive Vertragsverletzung sind nicht gegeben. Als Schadensereignis käme dabei allenfalls in Betracht, dass die Steuerbescheide betreffend die Jahre 1991 bis 1993, welche den Kläger angeblich mit zu hohen Steuerforderungen belasten, wegen deren Bestandskraft nicht rückgängig gemacht werden können. Die schadensstiftende Handlung hat aber nicht der Gemeinschuldner, sondern der Kläger selbst vorgenommen. Unstreitig war er es, der im Besprechungstermin vor dem Finanzamt H... am 3. September 1996 die durch den Gemeinschuldner eingelegten Rechtsbehelfe wieder zurückgenommen hat. Dem Gemeinschuldner könnte deshalb allenfalls zum Vorwurf gemacht werden, dass er den Kläger über die Konsequenzen der Zurücknahme eines Einspruchs gegen einen Steuerbescheid nicht vorsorglich belehrt hat. Mit dem Landgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass die im Verhältnis zwischen Steuerberater und Mandanten bestehenden Sorgfaltspflichten dies nicht erforderlich machen. Es kann schon in das Allgemeinwissen gestellt werden, dass ein eingelegter Rechtsbehelf gegen eine Verwaltungsentscheidung nicht wieder zurückgenommen werden kann, ohne dass dadurch Nachteile befürchtet werden müssen. Jedenfalls durfte der Gemeinschuldner von einem entsprechenden Kenntnisstand des Klägers, der ein Geschäft führt, ausgehen.

Dem Gemeinschuldner kann auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass er den Kläger zur Rücknahme der Einsprüche durch eine Falschberatung im Rahmen des Steuerberatervertrages veranlasst hätte. Aus dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien, aber auch dem gesamten vorgelegten Schriftwechsel, ergibt sich, dass einzig und allein die Größe der Produktionsverluste bei der Herstellung des Grillschinkens im Betrieb des Klägers im Streit war. Dass es sich dabei nicht um ein steuerrechtliches Problem handelt, liegt auf der Hand. Steuerrechtliche Fragen, für die der Kläger auf die Fachkompetenz des Gemeinschuldners angewiesen gewesen wäre, waren nicht im Streit. Die Frage, ob es sinnvoll war, die Auseinandersetzung mit dem Finanzamt mittels der Einholung eines entsprechenden Privatgutachtens eines Nahrungsmittelsachverständigen weiterzuführen oder die Festsetzung zu akzeptieren, war daher in erster Linie an den Kläger selbst gerichtet. Im Übrigen ist es nicht zu beanstanden, dass seitens der Firma i... und des Gemeinschuldners zunächst Verhandlungen mit dem Finanzamt zur Vermeidung der Einholung des in Frage stehenden Gutachtens geführt wurden. Dies gilt auch dann noch, wenn - wie der Kläger behauptet - durch ihn tatsächlich bereits ein Vorschuss für einen entsprechenden Gutachtenauftrag gezahlt worden sein sollte. Die Frage nach dem Verwendungszweck der in dem Schreiben vom 23. Februar 1996 erwähnten 6 000,-- DM kann deshalb offen bleiben.

2. Nach alledem kommt es auf die Frage, ob ein Schaden tatsächlich entstanden ist, nicht mehr an. Die Klage war auch hinsichtlich des in zweiter Instanz geänderten Antrags in vollem Umfang unbegründet und die Berufung des Klägers deshalb zurückzuweisen.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Festsetzung des Wertes der Beschwer des Klägers war nach § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO geboten.

Ende der Entscheidung

Zurück