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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 28.10.2004
Aktenzeichen: 4 U 35/04
Rechtsgebiete: BGB, WEG


Vorschriften:

BGB § 313 Abs. 2
BGB § 313 Abs. 3
BGB § 433 Abs. 1
BGB § 985
WEG § 31 Abs. 2
WEG § 31 Abs. 3
1. Regelt eine notarielle Urkunde über den Verkauf eines Dauernutzungsrechts zum einen, dass dieses Recht den Rang vor verschiedenen anderen Belastungen, "mindestens jedoch vorerst nächst offene Rangstelle" erhalten soll und bestimmt sie zum anderen, dass der Kaufpreis erst mit der Eintragung an erster Stelle fällig wird, so liegt darin eine Risikoverteilung, nach der den Käufern das Dauernutzungsrecht als rangschlechteres Recht bereits vor Kaufpreisfälligkeit zustehen kann.

2. Zu den Voraussetzungen einer Korrektur dieser Risikoverteilung nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 35/04

Verkündet am: 28. Oktober 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Herausgabe u.a.

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Reichling als Einzelrichter mit Zustimmmmung der Parteien im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 14. Januar 2004 geändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gläubiger zu je 1/2 die Garage links im Untergeschoss des Anwesens A... M... in ..., welche in der der Klageschrift beigefügten Bauzeichnung (Aufteilungsplan gemäß Anlage K 1) mit der Ziffer I gekennzeichnet ist, auf dem Grundstück Flurstück Nr. ..., Gebäude- und Freifläche, A... M... zu 0,034 ha., eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Grünstadt für die Steuergemeinde N..., Blatt ..., nebst sämtlicher Schlüssel herauszugeben und zur Nutzung zu überlassen sowie einen normgerechten Stromanschluss 220 Volt nebst Beleuchtung und eine zusätzliche Steckdose für einen elektrischen Torantrieb (Deckenmontage) an vorbenannter Garage herzustellen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Kläger verlangen von der Beklagten die Herausgabe und Nutzungsüberlassung einer Garage sowie die Herstellung von elektrischen Anschlüssen in dem Garagengebäude.

Mit notariellen Kaufvertrag vom 9. Dezember 2002 verpflichtete sich die Beklagte den Klägern an ihrem Grundstück in N... ein Dauernutzungsrecht i. S. v. § 31 Abs. 2 WEG für eine Garage einzuräumen. Die Kläger sollten dafür einen Kaufpreis von 9.600 € zahlen, der bei Eintragung des Rechts an erster Rangstelle in Abteilung III des Grundbuchs fällig werden sollte. Das Recht wurde im Grundbuch eingetragen. Allerdings erfolgte die Eintragung nicht an erster, sondern nur an nächst bereiter Rangstelle. Mit ihrer Klage haben die Kläger beantragt, die Beklagte zur Herausgabe der Garage und deren Überlassung zur Nutzung zu verurteilen. Ferner haben sie Verurteilung der Beklagten zur Herstellung einer Garagebeleuchtung begehrt. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat sich auf Unmöglichkeit berufen.

Mit Urteil vom 14. Januar 2004, auf das zur näheren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie wegen der Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, hat die Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Urteil wenden sich die Kläger mit ihrer Berufung, die sie innerhalb gesetzlicher Frist eingelegt und zugleich begründet haben.

Die Kläger machen geltend, das angefochtene Urteil sei rechtsfehlerhaft. Die Erstrichterin verkenne, dass hier ein dinglicher Anspruch geltend gemacht werde, auf den § 313 BGB weder nach seinem Wortlaut noch nach der angeordneten Rechtsfolge anwendbar sei. Die von der Erstrichterin vorgenommene ergänzende Auslegung des notariellen Vertrages sei fehlerhaft. Aus den darin getroffenen Regelungen ergebe sich gerade nicht, dass die Parteien davon ausgegangen seien, dem streitigen Recht werde unproblematisch der Vorrang eingeräumt. Die Möglichkeit, dass die ...kasse eine Vorrangeinräumung verweigern würde, habe allein im Risikobereich der Beklagten liegen sollen.

Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie als Gläubiger zu je 1/2 die Garage links im Untergeschoß des Anwesens A... M... in ... N..., welche in der der Klageschrift beigefügten Bauzeichnung (Aufteilungsplan gemäß Anlage K 1) mit der Ziffer I gekennzeichnet ist, auf dem Grundstück Flurstück Nr. ..., Gebäude- und Freifläche, A... M... zu 0,034 ha., eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts Grünstadt für die Steuergemeinde N..., Blatt ..., nebst sämtlicher Schlüssel herauszugeben und zur Nutzung zu überlassen sowie einen normgerechten Stromanschluss 220 Volt nebst Beleuchtung und eine zusätzliche Steckdose für einen elektrischen Torantrieb (Deckenmontage) an vorbenannter Garage herzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung und die erweiterte Klage zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung vom 7. April 2004. Unter Beweisantritt (Zeugen M..., Z... und K...) trägt sie noch vor, die Annahme der Erstrichterin treffe zu, sämtliche Beteiligten seien bei der Beurkundung davon ausgegangen, dass dem streitigen Recht unproblematisch der Vorrang eingeräumt werden solle. Der Sachbearbeiter der ...kasse M... habe den Zeugen K... gegenüber vor der notariellen Beurkundung erklärt, damit gebe es keine Schwierigkeiten (Zeugen K..., Sch...).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der Sitzung vom 19. August 2004 Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, §§ 511 Abs. 1 und 2 Nr.1, 519, 520 ZPO. In der Sache führt das Rechtsmittel zum Erfolg. Die Erstrichterin hat die Klage zu Unrecht als derzeit unbegründet abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger ist das angefochtene Urteil zu ändern und gemäß den Klageanträgen zu erkennen.

1. Die Beklagte hat sich in dem notariellen Kaufvertrag vom 9. Dezember 2002 verpflichtet, den Klägern ein Dauernutzungsrecht an der streitgegenständlichen Garage einzuräumen. Das Dauernutzungsrecht ist am 24. Juli 2003 ins Grundbuch eingetragen worden. Somit können die Kläger sowohl aus dem notariellen Kaufvertrag (§ 433 Abs. 1 BGB) als auch aus dinglichem Recht (§§ 985 BGB, 34 Abs. 2, 31 Abs. 2 und 3 WEG) von der Beklagten die Herausgabe der streitgegenständlichen Garage und deren Überlassung zur Nutzung verlangen.

Darüber hinaus haben die Kläger gemäß § 631 Abs. 1 BGB i.V.m. Ziffer IV des notariellen Kaufvertrages vom 9. Dezember 2002 Anspruch auf Herstellung eines Stromanschlusses nebst Beleuchtung und zusätzlicher Steckdose. Soweit sie hinsichtlich der Herstellungsarbeiten ihr Klagebegehren in zweiter Instanz erweitert haben, handelt es sich um eine gemäß §§ 263, 264 Nr. 2 ZPO sachdienliche Klageänderung, über die auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstands in der Sache entschieden werden kann. Sie ist gemäß § 533 Nr. 1 und 2 ZPO noch in der Berufungsinstanz zulässig.

2. Der Umstand, dass die Voraussetzungen für die Fälligkeit des Kaufpreises noch nicht vorliegen, ist für die Ansprüche der Kläger ohne Belang. Entgegen der Ansicht der Erstrichterin ist das Klagebegehren fällig. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage i.S.v. § 313 Abs. 2 und 3 BGB liegt nicht vor. Ob seine Wirkungen überhaupt auf eine zeitweise Hinderung der Durchsetzbarkeit der Forderung beschränkt werden könnten, bedarf keiner Entscheidung.

Im Ausgangspunkt zutreffend geht die Erstrichterin davon aus, dass die Bereitschaft eines Grundpfandrechtsgläubigers zur Löschungsbewilligung im Einzelfall Geschäftsgrundlage eines Grundstückskaufvertrages sein kann (vgl. BGH NJW 1993,1641; Palandt/Heinrichs, BGB 63. Aufl. § 313 Rdn. 21 m.w.N.). Dies setzt aber voraus, dass diese Bereitschaft den bei Vertragsschluss zu Tage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien oder doch jedenfalls der erkennbaren und von der Gegenseite nicht beanstandeten Vorstellung des Veräußerers entsprach (vgl. BGH aaO m.w.N.). Daran fehlt es im hier zu entscheidenden Fall.

a. Entgegen der Auffassung des Landgerichts enthält der notarielle Kaufvertrag vom 9. Dezember 2002 keine Anhaltspunkte für eine entsprechende gemeinsame Vorstellung beider Parteien. Aus der Urkunde ergibt sich eine eindeutige Risikoverteilung. Die Urkunde geht an zwei Stellen auf den Rang des Dauernutzungsrechts ein. Zum einen bestimmt sie unter ihrer Ziffer II, das Dauernutzungsrecht erhalte den Rang "... vor den Belastungen Abteilung III laufende Nummer 2, 3 und 4 ..., mindestens jedoch vorerst nächstoffene Rangstelle". Zum anderen bestimmt sie unter Ziffer III, dass der Kaufpreis fällig wird, wenn "... der Eintragung des Rechts an erster Rangstelle in Abteilung III des Grundbuchs ... keine Hindernisse entgegenstehen ...". Diese beiden Regelungen besagen nach ihrem objektiven Inhalt, dass das Dauernutzungsrecht bereits mit der Eintragung an nächst bereiter Stelle entsteht und lediglich die Fälligkeit des Kaufpreisanspruchs davon abhängt, dass die Eintragung auch an erster Rangstelle erfolgt. In der Sache bedeutet dies, dass das Dauernutzungsrecht den Klägern als gegenüber dem Grundpfandrecht rangschlechteres Recht bereits vor der Kaufpreisfälligkeit zustehen kann. Für den Eintritt der Fälligkeit des Kaufpreises trägt dabei die Beklagte das alleinige Risiko. Im Ergebnis ist es ihre Sache, die gesicherten Ansprüche der Grundpfandrechtsgläubiger abzulösen, um die Voraussetzungen für die Abgabe einer Löschungsbewilligung durch die Grundpfandrechtsgläubiger und damit für die erstrangige Eintragung des Dauernutzungsrechts zu schaffen.

b. Aus den außerhalb der Urkunde liegenden Umständen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Parteien hinsichtlich der Bereitschaft der ...kasse M... zur Abgabe einer Löschungsbewilligung gemeinsam von falschen Vorstellungen ausgegangen sind.

Die Beklagte hat in ihrem Schriftsatz vom 25. Juni 2004 vorgetragen, ihr Ehemann habe im Vorfeld der notariellen Beurkundung ein Gespräch mit den Zeugen Sch... von der ...kasse M... geführt und diesem angeboten, von der Gesamtverbindlichkeit der Beklagten in Höhe von 161.675,97 € einen Betrag von rund 20.000 € zurückzuzahlen. Dagegen habe der Zeuge Sch... keine Einwände erhoben. Erst daraufhin sei der Notartermin vereinbart worden.

Diese Behauptungen mögen dafür sprechen, dass sich die Beklagte über die Bereitschaft der Grundpfandrechtsgläubigerin zur Abgabe einer Löschungsbewilligung einseitig falsche Vorstellungen gemacht hat. Allein daraus folgt aber nichts für die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien. Nach den für die Beklagte im Termin vom 19. August 2004 abgegebenen Erklärungen ihres Ehemannes ist über die Bereitschaft der ...kasse zum Rangrücktritt beim Notartermin "nicht groß" geredet worden. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Vorstellungen der Beklagten zu einem anderen Zeitpunkt vor der notariellen Beurkundung gegenüber den Klägern zutage getreten sein könnten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Schon deshalb besteht für eine Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage kein Raum. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Kläger sich auf die Berücksichtigung der Vorstellungen der Beklagten über die Löschungsbereitschaft der Grundpfandrechtsgläubigerin überhaupt hätten einlassen müssen.

3. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.

Eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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