Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 24.10.2002
Aktenzeichen: 4 U 48/02
Rechtsgebiete: UWG


Vorschriften:

UWG § 1
UWG § 3
UWG § 13 Abs. 2
Enthalten die auf Farbeimern für Dispersionsfarbe aufgedruckten Verwendungshinweise zum einen die Angabe "1 Liter für 10 m2", zum anderen aber auch die Angabe "Deckvermögen DIN EN 13300 Klasse 1 (bei einer Ergiebigkeit von ca. 8 m2/Liter)"; so liegt darin keine Irreführung des Verbrauchers. Für den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher ist erkennbar, dass Deckvermögen und Ergiebigkeit einer Farbe nicht immer gleich sind, sondern von der Art ihrer Verwendung abhängen.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen 4 U 48/02

Verkündet am 24. Oktober 2002

In dem Rechtsstreit

wegen irreführender Werbung

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab, den Richter am Oberlandesgericht Friemel und den Richter am Oberlandesgericht Prof. Dr. Dr. Ensthaler auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 19. Februar 2002 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger beanstandet ein Werbeetikett der Beklagten, die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Bau- und Gartenmärkte betreibt.

Die Beklagte vertreibt dort Dispersionsfarbe unter der Bezeichnung "Meisterpolar-Weiß matte Dispersionsfarbe Doppeldecker für innen" in Plastikeimern. Auf dem Deckeletikett jedes Gebindes finden sich die Angaben:

"1 Liter für 10 m2" und "Deckvermögen DIN EN 13300 Klasse 1 (bei einer Ergiebigkeit von ca. 8 m2/Liter").

Auf dem Frontetikett findet sich gesondert herausgehoben folgende Angabe:

"Inhalt: 10 Liter ausreichend für ca. 100 m2" bzw. "5 Liter ausreichend für ca. 50 qm" sowie die weitere Angabe "Deckvermögen DIN 13300 Klasse 1 (bei einer Ergiebigkeit von ca. 8 m2/Liter)".

Der Kläger hält diese Bezeichnungen für widersprüchlich und deshalb irreführend, weil der Verbraucher nicht erkennen könne, wie viel Farbe er für welche Fläche benötige.

Ferner verlangt er Schadensersatz für seine Aufwendungen.

Er hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes auf Farbeimern der Marke Meister Polar-Weiß wie folgt zu werben:

Inhalt 10 Liter, ausreichend für ca. 100 qm und Deckvermögen DIN EN 13300 Klasse 1 (bei einer Ergiebigkeit von ca.8 qm/Liter);

2. den Beklagten für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die unter Ziff. 1 ausgeführte Verpflichtung ein Zwangsgeld bis zu 500 000,00 DM anzudrohen, ersatzweise Zwangshaft bis zu 6 Monaten, oder Zwangshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Vorstandsvorsitzenden der Beklagten;

3. die Beklagte weiterhin zu verurteilen, an sie einen Betrag von 342,60 DM inkl. 7 % Mehrwertsteuer in Höhe von 22,40 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatzüberleitungsgesetzes vom 9. Juni 1988 zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Landau in der Pfalz hat die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Das Werbeetikett sei nicht irreführend. Der vernünftige, durchschnittlich aufmerksame Käufer könne die unterschiedlichen Ergiebigkeiten erkennen. Auf das angefochtene Urteil wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Der Kläger, der das Urteil in vollem Umfang bekämpft, rügt insbesondere, dass die Kammer ohne Einholung eines Meinungsumfragegutachtens entschieden habe. Im Übrigen vertieft er im Wesentlichen seine erstinstanzlichen Ausführungen.

Er beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach seinen erstinstanzlichen Klageanträgen zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt im Wesentlichen ihre erstinstanzlichen Ausführungen.

Auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig (§§ 517, 520 Abs. 2 Nr. 2 ZPO n.F.). Der Kläger hat insbesondere entsprechende Gründe angegeben, aus denen er nach seiner Ansicht eine für die angefochtene Entscheidung erheblich Rechtsverletzung herleitet (§ 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO n.F.). Er rügt einen Verstoß gegen § 144 ZPO, weil die Kammer für Handelssachen über die Frage einer Irreführung ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens entschieden hat.

In der Sache bleibt dem Rechtsmittel der Erfolg versagt.

I.

Die klagende Z... z... B... u... W... ist verbandsklagebefugt im Sinne von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG (vgl. auch BGH GRUR 1995, 122; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 22. Aufl. Einl. UWG Rdnr. 36).

II.

Der Kläger kann von den Beklagten nicht verlangen, die beanstandete Werbung zu unterlassen (§ 13 Abs. 2 UWG), weil die auf den Farbeimern aufgedruckten Verwendungshinweise nicht irreführend sind. Auch der Kläger bezweifelt nicht, dass beide Angaben - jede für sich - zutreffend sind. Soweit sie sich hinsichtlich der Ergiebigkeit zu widersprechen scheinen, sind sie gleichwohl richtig.

1. Zur Entscheidung dieser Frage bedurfte es nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens. Nach der Rechtsprechung des EuGH hat das Gericht die Frage, ob eine Werbung irreführend ist, selbst anhand der Erwartung der Verbraucher zu prüfen, an die sich die Werbung richtet. Nur wenn die Beurteilung besondere Schwierigkeiten bereitet, muss es in Ermangelung einer einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung nach Maßgabe seines nationalen Rechtes entscheiden, ob es das durch ein Sachverständigengutachten oder eine Verbraucherbefragung ermittelt (EuGH WRP 1999, 307; 2000, 289). Solche besonderen Schwierigkeiten sieht der Senat hier nicht. Seine Mitglieder sind selbst gelegentlich als Heimwerker tätig, Sie können diese Frage aufgrund ihrer eigenen Sachkunde entscheiden.

Umstritten ist allerdings, anhand welchen Verbraucherbildes die Irreführungsgefahr zu beurteilen ist. Während der Bundesgerichtshof überwiegend der Auffassung ist, dass insoweit als Maßstab auf den flüchtigen und unkritischen Verbraucher abzustellen ist, kommt es nach der Rechtsprechung des EuGH auf die mutmaßliche Erwartung eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers an, der aufgrund ausreichender Information in der Lage sein muss, seine Entscheidung auf dem Markt frei zu treffen (vgl. z. Meinungsstand, Baumbach/Hefermehl, aaO, Einl. UWG Rdnr. 647 m.w.N. zur Rechtsprechung). Die Frage bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Der Werbehinweis auf den von der Beklagten in ihren Baumärkten vertriebenen Farbeimern richtet sich an Kunden, die in der Regel Hand- oder Heimwerker sind, also an Personen, die erfahrungsgemäß die benötigten Streichmittel nicht aufgrund einer nur flüchtigen Betrachtung erwerben, sondern genau überlegen, welche Streichmittel sie benötigen, insbesondere welche Farbe für ihre Zwecke am besten geeignet ist.

Die Entscheidung, ob auf den flüchtigen und unkritischen Verbraucher oder auf den aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, hängt von der jeweiligen Situation ab. Die Aufmerksamkeit ist im allgemeinen dort eher flüchtig, wo es um den Erwerb geringwertiger Gegenstände des täglichen Bedarfs oder das erste Durchblättern von Werbebeilagen oder Zeitungsanzeigen geht. Der Verbraucher schenkt indes einer Werbung größere Aufmerksamkeit, wenn er von vorneherein einer bestimmten Ware ein Interesse entgegenbringt oder solches bei (zunächst) flüchtiger Durchsicht einer Werbung geweckt worden ist. Dann wird er der Werbung mit einer kritischerer Sorgfalt begegnen. Diese situationsadäquate Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers ist auch im vorliegenden Fall für die Ermittlung des Verkehrsverständnisses maßgebend. Mögliche Missverständnisse flüchtiger oder uninteressierter Leser müssen zurücktreten (BGH WRP 2000, 517). Auch wenn es sich bei Streichmitteln der hier interessierenden Art eher um Gegenstände des täglichen Bedarfs handelt, ist doch auf die vorgenannte (größere) situationsadäquate Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers abzustellen, weil eben Hand- und Heimwerker Streichmittel regelmäßig erst nach entsprechenden Vorbereitungen und Überlegungen erwerben und erfahrungsgemäß dem Kauf erst näher treten, wenn sie sich entsprechend informiert haben (vgl. auch BGH WPR aaO). Sie werden deshalb durch die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinenden Angaben auf dem Etikett zur Ergiebigkeit der Farbe nicht irregeführt oder zu unzutreffenden Schlüssen veranlasst. Die Werbung ist so gestaltet, dass der Kunde die in Frage kommenden Möglichkeiten selbst in Betracht ziehen kann, ohne dabei eine von ihnen vorzuziehen oder zu vernachlässigen. Das schließt eine Irreführung aus (vgl. BGH GRUR 1989, 754).

Der Senat tritt der Auffassung des Landgerichts bei, dass die Werbung der Beklagten dem Verbraucher zwar eine gewisse Überlegung abverlange, beide Angaben aber "gleichwertig" nebeneinander stünden und ihr Unterschied ohne Weiteres ersichtlich sei. Die erste Aussage "1 Liter für 10 qm" beinhaltet eine eindeutige und uneingeschränkte Ergiebigkeitsbeschreibung. Der zweite Hinweis "Deckvermögen DIN EN 13300 Klasse 1 - bei einer Ergiebigkeit von ca. 8 qm/Liter -" ist ebenso eindeutig. Der Kunde kann den Widerspruch zur ersten Aussage ohne Weiteres erkennen. Der Verweis auf die DIN-Vorschrift, der bei der ersten Beschreibung fehlt, macht deutlich, dass die geringere Ergiebigkeit "etwas mit dem genormten Deckvermögen zu tun hat". Selbst wenn der Kunde meist nicht wissen wird, welche Anforderungen die DIN-Norm in einzelnen an das Deckvermögen stellt, kann er dennoch erkennen, dass die Ergiebigkeit der Farbe nicht beliebig bzw. nicht immer gleich, sondern von der Art ihrer Verwendung abhängig ist. Damit wird der durchschnittlich informierte und verständige Verbraucher - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht dazu verleitet, zuviel oder zu wenig Farbe zu kaufen, sondern allenfalls veranlasst, sich von einem Verkäufer näher beraten zu lassen, wie viel Farbe er für den von ihm verfolgten Zweck voraussichtlich benötigen wird.

Eine Irreführung kann auch nicht allein damit begründet werden, dass der Zusatz über die geringere Ergiebigkeit nach der DIN-Norm kleiner geschrieben ist, als der übrige Text des Etiketts. Denn der Zusatz ist deutlich lesbar unmittelbar unter den Hinweis auf das Deckvermögen nach der DIN-Norm gesetzt und wird dadurch sofort erkennbar.

III.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 709 Abs. 1, 711 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO n.F.).

Beschluss:

Der Streitwert für den Klageantrag zu Ziff. 1 wird auf 15 000,00 €, für den Antrag zu Ziff. 2 auf 1 000.00 € festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück