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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 29.08.2002
Aktenzeichen: 4 U 52/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 3 n.F.
BGB § 779
BGB § 158 Abs. 2
BGB § 151
BGB § 145
1. Die Berücksichtigung von Beweismitteln, die nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz aufgefunden wurden oder entstanden sind, ist auch nach neuem Recht im Berufungsrechtszug möglich.

2. Haben die Parteien einen außergerichtlichen Vergleich unter der auflösenden Bedingung nicht rechtzeitiger Zahlung der Vergleichssumme geschlossen, und teilt der Gläubiger dem Schuldner nach Eintritt der Bedingung mit, es bleibe bei dem Vergleich, so liegt darin das Angebot, den Vergleich unabhängig vom Zeitpunkt des Zahlungseingangs aufrechtzuerhalten.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 52/02

Verkündet am: 29. August 2002

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung aus Außenwerbeverträgen,

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch die Richter am Oberlandesgericht Reichling, Friemel und Jenet

auf die mündliche Verhandlung vom 8. August 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Vorsitzenden der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 26. Februar 2002 geändert:

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil vom 26. Februar 2002 (Bl. 93 d.A.) hat der Vorsitzende der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) die Beklagte aus Außenwerbeverträgen zur Zahlung von 21.231,74 € nebst Zinsen verurteilt. Zur Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und der Entscheidungsgründe nimmt der Senat auf dieses Urteil Bezug.

Nach Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug schlossen die Parteien am Freitag, den 22. Februar 2002 einen außergerichtlichen Vergleich. Darin vereinbarten sie, dass die Beklagte an die Klägerin 17.500,-- € zahlen und die Klägerin die Klage zurücknehmen solle, Die Vereinbarung sollte hinfällig sein, wenn die Vergleichssumme bis zur Verkündung des erstinstanzlichen Urteils nicht gezahlt sein würde. Wegen der Einzelheiten wird auf die Vergleichsurkunde (Bl. 108 d.A.) verwiesen. Am Montag, den 25. Februar 2002 veranlasste die Beklagte die Überweisung, die am selben Tage um 12.34 Uhr von ihrem Konto abgebucht wurde (Bl. 132 d.A.). Auf dem Konto der Klägerin wurde die Zahlung am 26. Februar 2002 um 11.43 Uhr, nach der am selben Tage um 9.00 Uhr erfolgten Urteilsverkündung gutgeschrieben (Bl. 165 d.A.). Mit Faxschreiben vom 27. Februar 2002 (Bl. 133 d.A.) bestätigten die Klägervertreter der Beklagten den Eingang des Betrages von 17.500,-- € auf ihrem Konto. Weiter führten sie aus, das Urteil des Landgerichts sei zwar am 26. Februar 2002 ergangen. Nach Rücksprache mit der Klägerin bleibe es allerdings bei dem Vergleich vom 22. Februar 2002. In der Folgezeit nahm die Klägerin dann den Standpunkt ein, der außergerichtliche Vergleich sei wegen Verspätung der Zahlung der Vergleichssumme hinfällig.

Die Klägerin hat zwischenzeitlich vor dem Landgericht Frankenthal Klage erhoben mit dem Ziel, die Unwirksamkeit des Vergleichs feststellen zu lassen (Landgericht Frankenthal (Pfalz) - 2 HK O 104/02).

Am 1. März 2002 ist der Beklagten das im hier vorliegenden Rechtsstreit angefochtene Urteil zugestellt worden. Mit Schriftsatz, eingegangen am 25. März 2002 hat die Beklagte dagegen Berufung eingelegt, die sie mit weiterem Schriftsatz, eingegangen am 30. April 2002 begründet hat.

Die Beklagte ist der Auffassung, infolge des außergerichtlichen Vergleichs vom 22. Februar 2002 sei die Hauptsache erledigt. Auch wenn die Gutschrift der Vergleichssumme zeitlich nach der Verkündung des erstinstanzlichen Urteils erfolgt sei, liege jedenfalls in dem Faxschreiben vom 27. Februar 2002 eine Bestätigung des Vergleichs.

Vorsorglich sei darauf hinzuweisen, dass das erstinstanzliche Urteil der Klage zu Unrecht in vollem Umfang stattgegeben habe. Die Parteien hätten bei Vertragsschluss eindeutig besprochen, dass die Werbeschilder unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften aufgestellt werden sollten (Zeuge R...). Dies habe die Klägerin erst jetzt erfahren. Es liege somit ein Verstoß gegen § 134 BGB vor.

Die Beklagte habe im Oktober 2001 sämtliche Werbeschilder entfernt. Deshalb könne sie nicht für die Zeit von Juni 2001 bis Mai 2002, sondern allenfalls für vier Monate Miete fordern.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Abänderung des angefochtenen Urteils abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe Berufungserwiderung vom 23. Mai 2002 und vertritt die Ansicht, der Vergleich vom 22. Februar 2002 sei hinfällig, weil die Beklagte zu spät gezahlt habe. Soweit die Beklagte im Übrigen die Berufung auf neues Vorbringen zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 134 BGB und zu einer angeblichen Entfernung der Werbeschilder stütze, sei sie damit präkludiert.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes zweiter Instanz wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Berufung ist zulässig, §§ 511 Abs. 1, 513, 517, 519, 520 ZPO n.F. In der Sache führt das Rechtsmittel zum Erfolg.

1. Die Beklagte hat mit der Berufung neue Tatsachen vorgetragen, aufgrund derer das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage als unzulässig abzuweisen ist.

a. Soweit die Beklagte das angefochtene Urteil mit der Begründung angreift, sie habe sich mit der Klägerin über die Klageforderung außergerichtlich verglichen, liegt darin ein neues Tatsachenvorbringen i.S.v. § 531 Abs. 2 ZPO n.F. Dessen Berücksichtigung ist in der Berufungsinstanz zulässig, wenn die Geltendmachung im ersten Rechtszug nicht infolge grober Nachlässigkeit der Beklagten unterblieben ist (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO n.F.). Für die Beurteilung dieser Voraussetzung ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz maßgebend (vgl. Zöller/Gummer, ZPO 23. Aufl. § 531 Rdn. 22). Die Berücksichtigung von Beweismitteln, die nach diesem Zeitpunkt aufgefunden worden oder entstanden sind, ist auch nach neuem Recht im Berufungsrechtszug möglich (Zöller/Gummer aaO Rdn. 30).

Im hier vorliegenden Falle wurde die mündliche Verhandlung in erster Instanz am 29. Januar 2002 geschlossen (vgl. Bl. 85 d.A.). Der außergerichtliche Vergleich ist erst nach diesem Zeitpunkt vereinbart worden. Seine Berücksichtigung ist damit zulässig.

b. Entgegen der Ansicht der Beklagten führt der außergerichtliche Vergleich allerdings nicht zu einer Erledigung der Hauptsache. Er hat vielmehr die Unzulässigkeit der Klage zur Folge.

aa. Die Klägerin hat sich in Ziffer 1 Satz 2 des Vergleichs dazu verpflichtet, die Klage nach Eingang des Betrages von 17.500,-- € unverzüglich zurückzunehmen. Eine solche Verpflichtung zur Klagerücknahme kann im Wege eines außergerichtlichen Vergleichs wirksam getroffen werden. Hält sich der Kläger nicht an die Vereinbarung, so ist er im Prozess dem Einwand der Arglist ausgesetzt, und seine Klage ist durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen (vgl. dazu etwa BGH NJW 1964, 549, 560; BGH NJW-RR 1987, 307; Zöller/Greger aaO § 269 Rn. 3, jew. m.w.N.). So liegen die Dinge auch im hier zu entscheidenden Falle. Die Klägerin bestreitet die Wirksamkeit des außergerichtlichen Vergleichs. Sie verweigert die Klagerücknahme, die jederzeit zulässig ist, solange Rechtshängigkeit besteht und die auch zwischen den Instanzen hätte erklärt werden können (vgl. Zöller/Greger aaO § 269 Rdn. 7 m.w.N.).

bb. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist der außergerichtliche Vergleich wirksam.

Zwar hatten die Parteien unter Ziffer 1 Satz 5 des Vergleichs vom 22. Februar 2002 vereinbart, dass die Vereinbarung im ganzen hinfällig werden sollte, sofern die Vergleichssumme nicht bis zur Verkündung des erstinstanzlichen Urteils beim Landgericht Frankenthal - 1 HK.O 264/01 gezahlt werde. In der Sache hatten sie damit die Wirksamkeit des Vergleichs von der auflösenden Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) einer nicht rechtzeitigen Zahlung abhängig gemacht. Nach Ansicht der Klägerin ist diese Bedingung eingetreten, weil der Zusammenhang mit den übrigen Regelungen in Ziffer 1 des Vergleichs vom 22. Februar 2002 dafür spreche, dass hier abweichend vom gesetzlichen Grundsatz (vgl. dazu etwa BGHZ 44, 178/179; OLG Köln NJW-RR 1990, 284, 285; Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. § 270 Rdn. 6 m.w.N.) für die Rechtzeitigkeit der Zahlung nicht die Zahlungshandlung der Beklagten, sondern die Gutschrift der Zahlung als Leistungserfolg maßgebend sein sollte.

Ob dieser Auslegung zu folgen wäre, kann offen bleiben. Dahinstehen kann insbesondere, ob unter den gedrängten zeitlichen Umständen des hier vorliegenden Falles nicht jedenfalls ein Verschulden der Beklagten an einer nicht rechtzeitigen Zahlung zu fordern wäre, das hier zweifelhaft erscheint (vgl. für die vergleichbare Lage bei Verfallklauseln etwa BGH NJW 1957, 1759, 1760; BGH NJW 1985, 2329, 2330; Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl. § 271 Rdn. 15). Selbst wenn man nämlich davon ausgeht, dass die auflösende Bedingung zunächst eingetreten war, ist jedenfalls infolge des Faxschreibens der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 27. Februar 2002 ein neuer Vergleich zustande gekommen. In dem Faxschreiben vom 27. Februar 2002 hat die Klägerin den Eingang der Zahlung bestätigen lassen. Sie hat des weiteren ausführen lassen, es sei in der Zwischenzeit ein klagestattgebendes Urteil ergangen. Zahlungseingang und Urteilserlass waren ihr somit bekannt. In Kenntnis dieser Umstände hat die Klägerin weiter ausführen lassen, es bleibe bei dem Vergleich vom 22. Februar 2002. Dies konnte bei einer am Horizont eines verständigen Erklärungsempfängers ausgerichteten Auslegung (§§ 133, 157 BGB) nur so aufgefasst werden, dass die Klägerin sich mit der Zahlung des Betrages von 17.500,-- € zufrieden geben und nicht auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil abstellen wollte. Dafür spricht auch die gewählte Formulierung, es bleibe "allerdings" bei dem Vergleich. Sie stellt Vergleich und Urteil in einen Gegensatz. Aus dem Zusammenhang heraus ist sie in dem Sinne zu verstehen, dass mit Blick auf die erfolgte Zahlung der Vergleichssumme und ungeachtet des der Klage stattgebenden und der Klägerin günstigeren Urteils nunmehr der Vergleich gelten soll. Auch die sonstigen Umstände lassen ernsthaft ein anderes Verständnis des Faxschreibens vom 27. Februar 2002 nicht zu. Die von der Klägerin im Termin vom 8. August 2002 und in ihrem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 9. August 2002 vertretene Auffassung, es sei auf den Vergleich mit sämtlichen Wirksamkeitsbedingungen "vollinhaltlich" verwiesen, und damit seien auch die Regelungen zur Hinfälligkeit des Vergleichs in Bezug genommen, lässt den objektiven Inhalt des Faxschreibens vom 27. Februar 2002 nachgerade widersinnig erscheinen: Wenn die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung hinfällig gewesen wäre, hätte gerade kein Vergleich mehr vorgelegen, bei dem es hätte bleiben können.

Der Sache nach hat die Klägerin mit dem Faxschreiben das Angebot abgegeben, den Vergleich unabhängig vom Zeitpunkt des Zahlungseinganges aufrechtzuerhalten. Dieses Angebot hat die Beklagte stillschweigend angenommen. Zwar ist das bloße Schweigen auf ein Angebot in der Regel nicht als Zustimmung zu werten. Im hier zu entscheidenden Falle waren aber sämtliche Einzelheiten der bei einem neuen Vergleichsschluss aufrechtzuerhaltenden Regelungen schon in der Vereinbarung vom 22. Februar 2002 enthalten. Zudem hatte die Klägerin die Vergleichssumme bereits gezahlt und dadurch ihre Zustimmung verdeutlicht. Jedenfalls unter diesen Umständen ist ihn ihrem Schweigen eine stillschweigende Annahme zu sehen (vgl. dazu etwa BGH NJW 1995, 1281; Palandt/Heinrichs aaO § 148 Rdn. 3 jew. m.w.N.).

Aus dem Schriftsatz der Beklagten an das Landgericht vom 28. Februar 2002 ergibt sich kein Anlass zu einer anderen Beurteilung. Es ist schon nicht erkennbar, ob dem Beklagtenvertreter beim Abfassen des Schriftsatzes das darin nicht erwähnte Faxschreiben vom 27. Februar 2002 überhaupt vorgelegen hat. Im Übrigen ergibt sich aus dem Schriftsatz nichts, was dafür spräche, dass die Beklagte an einem Vergleichsschluss nicht festhalten wollte.

Soweit die Klägerin später - erstmals in ihrem Schreiben vom 11. März 2002 (Bl. 134 d.A.) - unter Hinweis auf den Zeitpunkt des Zahlungseingangs den Standpunkt eingenommen hat, der Vergleich sei hinfällig, nutzte ihr dies nichts mehr. Insbesondere konnte sie ihre vorangegangene, im Schreiben vom 27. Februar 2002 enthaltene Erklärung nicht mehr wirksam anfechten. Für das Vorliegen eines Inhalts- oder Erklärungsirrtums i.S.v. § 119 Abs. 1 BGB ist weder etwas dargetan noch sonst ersichtlich. Ein Irrtum über den Zeitpunkt der Gutschrift der Überweisung müsste als bloßer Motivirrtum unbeachtlich bleiben.

2. Zu der von Klägerseite angeregten Aussetzung des Prozesses im Hinblick auf die vor dem Landgericht Frankenthal (Pfalz) rechtshängige Feststellungsklage sieht der Senat keinen Anlass. Der hier vorliegende Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Parallelprozesses verbietet sich eine Verzögerung.

3. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Klägerin vom 9. August 2002 gibt dem Senat keinen Anlass, die mündliche Verhandlung gemäß § 156 ZPO wieder zu eröffnen.

4. Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO ist nicht veranlasst. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Revisionsgerichts.

Ende der Entscheidung

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