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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 19.02.2009
Aktenzeichen: 4 U 69/08
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 434 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 437 Nr. 2
BGB § 441 Abs. 1
BGB § 441 Abs. 4 Satz 1
BGB § 812
BGB § 813
BGB § 910 Abs. 2
1. Ein zunächst bestehendes Zurückbehaltungsrecht begründet keinen Bereicherungsanspruch des Schuldners mehr, wenn er die Gegenleistung bereits in vollem Umfang erbracht hat, da ein "Zurückbehalten" in diesem Fall bereits begrifflich ausgeschlossen ist.

2. Ein erstmals im Berufungsverfahren geltend gemachter Minderungsanspruch ist gemäß § 533 ZPO zuzulassen, wenn diese Klageänderung sachdienlich ist und auch auf Tatsachen gestützt werden kann, die ohnehin zugrunde zu legen sind.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 69/08

Verkündet am: 19. Februar 2009

In dem Rechtsstreit

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Petry, den Richter am Oberlandesgericht Friemel und die Richterin am Oberlandesgericht Simon-Bach auf die mündliche Verhandlung vom 29. Januar 2009

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 24. April 2008 geändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 1 000,-- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. Oktober 2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

3. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um die Rückzahlung eines Teiles des von den Klägern gezahlten Kaufpreises für ein Grundstück. Trotz des in § 7 des notariellen Kaufvertrages vereinbarten Zurückbehaltungsrechtes hatten die Kläger am 10. Oktober 2007 den gesamten vereinbarten Kaufpreis von 145 000,-- € an die Beklagte gezahlt, um die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch zu erreichen und eine mögliche Zwangsvollstreckung aus der Notarurkunde zu vermeiden. Soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung enthält der Vertrag in § 7 und § 8 folgende Vereinbarung:

"§ 7 Verpflichtung des Verkäufers

Der Verkäufer verpflichtet sich, auf eigene Kosten den Überhang der auf dem Nachbargrundstück nahe der Grenze stehenden Tanne sowie das in das vertragsgegenständliche Grundstück ragende Gestrüpp und Wurzelwerk bis zum 1. Oktober 2007 soweit zu entfernen bzw. entfernen zu lassen, dass das Grundstück uneingeschränkt genutzt werden kann. Solange diese Verpflichtung nicht erfüllt ist, darf der Käufer einen Kaufpreisteilbetrag von 15 000,-- € zurückbehalten.

§ 8 Rechts- und Sachmängel

...

Der Grundbesitz wird in dem Zustand verkauft, in dem er sich heute befindet, abgesehen von dem Überhang, sh. § 7

..."

Unter Berufung darauf haben die Kläger mit Anwaltsschreiben vom 10. Oktober 2007 erklären lassen, der Betrag von 15 000,-- € werde nur unter Vorbehalt bezahlt und die Beklagte aufgefordert, diesen Betrag bis 18. Oktober 2007 wieder zurückzuzahlen. Zugleich wurde der Beklagten zur Erfüllung ihrer in § 7 des notariellen Vertrages übernommenen Verpflichtung eine Frist bis zum 31. Oktober 2007 gesetzt und angekündigt, für den Fall des fruchtlosen Fristablaufes ggf. im Rahmen der Ersatzvornahme vorzugehen.

Das Gestrüpp wurde inzwischen beseitigt. Unstreitig ist der Überhang der Tanne bislang nicht entfernt. Deshalb begehren die Kläger die Rückzahlung eines nach ihrer Auffassung zuviel gezahlten Betrages in Höhe von 15 000,-- €.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 24. April 2008 und auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 15 000,-- € nebst Zinsen verurteilt und im Wesentlichen ausgeführt, in der Klageschrift sei zumindest konkludent die Geltendmachung eines Minderungsrechtes enthalten. Das Grundstück habe bei Gefahrübergang der in § 7 des notariellen Vertrages vereinbarten Beschaffenheit nicht entsprochen. Das Minderungsrecht des Käufers sei im Ergebnis nichts anderes als ein endgültiges Zurückbehaltungsrecht. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit welcher sie die Abweisung der Klage erstrebt. Sie macht im Wesentlichen geltend, es habe bereits an der für die Minderung erforderlichen entsprechenden Gestaltungserklärung gefehlt. Ungeachtet dessen stelle § 7 des Notarvertrages keine Beschaffenheitsvereinbarung dar. Die Regelung sei auch nicht hinreichend bestimmt und daher unwirksam. Jedenfalls müsse ihre Auslegung unter Berücksichtigung des § 910 BGB erfolgen. Überdies sei sie nicht mehr Eigentümerin des Grundstücks und könne daher auch gegenüber dem Nachbarn den Anspruch auf Beseitigung des Überhangs nicht mehr geltend machen.

Die Kläger verteidigen das Urteil und tragen vor, durch die Nichtbeseitigung des Überhanges sei eine wesentliche Beeinträchtigung eingetreten. Sie hätten ursprünglich beabsichtigt, in diesem Bereich auf der Grenze eine Garage zu errichten. Weil der Überhang jedoch nicht beseitigt worden sei, habe die Planung geändert werden und das Anwesen quasi in sich "gespiegelt" werden müssen. Die hierdurch angefallenen Mehrkosten beliefen sich allein im Hinblick auf die Planung auf etwa 13 000,-- €, der Gesamtschaden belaufe sich auf deutlich über 15 000,-- €.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung führt in der Sache zu einem weit überwiegenden Erfolg.

Den Klägern steht lediglich ein Anspruch auf Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 1 000,-- € auf der Grundlage der jedenfalls nunmehr geltend gemachten Kaufpreisminderung zu.

Entgegen der Auffassung der Kläger sind die Voraussetzungen für einen Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht erfüllt. Denn ein solcher Anspruch ist vorliegend auf der Grundlage des § 813 BGB ausgeschlossen. Danach kann das zum Zweck der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete dann nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung zurückgefordert werden, wenn dem Anspruch im Zeitpunkt der Leistung eine nur vorübergehende, die Geltendmachung des Anspruches nicht dauernd ausschließende Einrede entgegenstand. Ausgehend hiervon begründen nur dauernde Einreden einen Bereicherungsanspruch, sofern sie dem Anspruch schon zur Zeit der Leistung entgegengesetzt werden konnten (vgl. BGH NJW 1982, 1587). Die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechtes setzt voraus, dass die Gegenleistung noch nicht erbracht ist und damit der Schuldner noch etwas hat, was er zurückhalten könnte (vgl. LAG Köln, NZA-RR 2006, 660 f). Daran fehlt es hier. Ein "Zurückbehalten" ist bereits begrifflich ausgeschlossen. Denn die Kläger haben den Kaufpreis und damit die Gegenleistung in vollem Umfang gezahlt. Demnach steht ihnen kein Zurückbehaltungsrecht mehr zu. Dies gilt entgegen der von den Klägern im Schriftsatz vom 5. Februar 2009 geäußerten Auffassung auch unabhängig davon, ob sie zur Abwendung der Zwangsvollstreckung gezahlt haben oder nicht (vgl. LAG Köln aaO m.w.N.). Deshalb kann letztlich auch dahinstehen, ob die Kläger zur Abwendung der Zwangsvollstreckung aus der Notarurkunde oder aber deshalb gezahlt haben, weil sie als Eigentümer im Grundbuch eingetragen werden wollten.

Dennoch steht den Klägern - wie bereits ausgeführt - ein Zahlungsanspruch in Höhe von 1 000,-- € auf der Grundlage der §§ 437 Nr. 2, 434 Abs. 1 Satz 1, 441 Abs. 1, Abs. 4 BGB zu. Nach § 441 Abs. 4 Satz 1 BGB ist in dem Fall, dass der Käufer mehr als den geminderten Kaufpreis gezahlt hat, der Mehrbetrag vom Verkäufer zu erstatten. Die Voraussetzungen des § 441 BGB sind insbesondere auch erfüllt, wenn der Käufer bei streitigem Umfang der Minderung den Kaufpreis unter Vorbehalt zunächst voll zahlt, um einen Rechtsstreit zu vermeiden (vgl. Palandt/Weidenkaff, BGB 68. Aufl. § 441 Rdnr. 20). Es kann dahinstehen, ob die Kläger erstmals im Berufungsverfahren (hilfsweise) die Minderung erklärt haben, oder ob - wovon das Landgericht ausgegangen ist - eine solche Erklärung bereits ihrem erstinstanzlichen Vorbringen zu entnehmen war. Denn selbst ein erstmals in der Berufung geltend gemachter Minderungsanspruch ist gemäß § 533 ZPO zuzulassen, da diese Klageänderung sachdienlich ist und auch auf Tatsachen gestützt werden kann, die ohnehin zugrunde zu legen sind. Ausgehend hiervon steht den Klägern ein Anspruch auf Minderung des Kaufpreises zu. Ein Sachmangel i. S. d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB liegt vor, wenn die Sache bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit hatte. Entgegen der Auffassung der Beklagten haben die Parteien in dem notariellen Kaufvertrag vom 16. Juli 2007 eine Beschaffenheit des Grundstückes vereinbart. Nach § 7 des notariellen Kaufvertrages hat sich die Beklagte verpflichtet, auf eigene Kosten den Überhang der auf dem Nachbargrundstück nahe der Grenze stehenden Tanne sowie das in das vertragsgegenständliche Grundstück ragende Gestrüpp und Wurzelwerk bis zum 1. Oktober 2007 soweit zu entfernen bzw. entfernen zu lassen, dass das Grundstück uneingeschränkt genutzt werden kann. Es kann dahinstehen, ob in dieser Regelung für sich betrachtet lediglich eine Nebenleistungspflicht der Beklagten zu sehen sein könnte. Denn jedenfalls im Kontext mit § 8 Abs. 2 des Kaufvertrages erschließt sich, dass die Parteien damit die Beschaffenheit des Grundstückes vereinbart haben. Danach wurde der Grundbesitz in dem Zustand verkauft, in dem er sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses befand, abgesehen von dem Überhang, siehe § 7. Damit steht zur Überzeugung des Senates fest, dass die Parteien vereinbart haben, dass das Grundstück - soweit im Berufungsverfahren noch von Bedeutung - ohne den Überhang der Tanne verkauft wird. Entgegen der Auffassung der Kläger ergibt sich aus dem Vertragsinhalt aber kein Anhaltspunkt dafür, dass der Wert der Übernahme dieser Verpflichtung durch die Beklagte auf 15 000,-- € festgeschrieben war und dieser Betrag im Falle der Nichtbeseitigung des Überhanges sowie des Gestrüpps und Wurzelwerkes endgültig vom Kaufpreis in Abzug gebracht werden dürfe. Denn in § 7 des Vertrages ist ausdrücklich nur von einem Zurückbehaltungsrecht die Rede, nicht jedoch von einer endgültigen Reduzierung des Kaufpreises um diesen Betrag.

§ 7 des notariellen Vertrages ist im Hinblick auf die Beseitigung des Überhanges auch hinreichend bestimmt. Die Beklagte hat sich als Verkäuferin verpflichtet, diesen Überhang soweit zu entfernen bzw. entfernen zu lassen, dass das Grundstück uneingeschränkt genutzt werden kann. Dennoch hat sie den Überhang der Tanne unstreitig nicht beseitigt bzw. beseitigen lassen. Die Kläger haben der Beklagten auch mit Anwaltsschreiben vom 10. Oktober 2007 eine Nacherfüllungsfrist bis zum 31. Oktober 2007 gesetzt und die Ersatzvornahme angedroht. Dass die Beklagte dem Verlangen mit dem Argument nicht nachgekommen ist, sie habe nicht gewusst, was zu beseitigen sei, ändert am Minderungsanspruch der Kläger nichts. Denn im notariellen Vertrag ist ausdrücklich von Überhang die Rede, also von den über die Grenze ragenden Ästen und Zweigen der Tanne. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Inhalt des Beseitigungsanspruches auch nicht auf der Grundlage des § 910 Abs. 2 BGB zu bestimmen. Die dort enthaltene Begrenzung des Anspruches auf die Fälle einer Beeinträchtigung der Benutzung des Grundstückes gilt im vorliegenden Fall nicht. Denn die Beklagte hat sich vertraglich weitergehend, nämlich dahin verpflichtet, dass eine uneingeschränkte Nutzung des Grundstückes möglich ist. Ob eine Beeinträchtigung desselben gegeben ist, war bei der vertraglichen Vereinbarung nicht von Bedeutung. Ebenso kommt es nicht darauf an, ob die Beklagte den den Klägern vertraglich zugebilligten Beseitigungsanspruch gegenüber dem Grundstücksnachbarn hätte durchsetzen können bzw. jetzt noch kann.

Den sich somit zugunsten der Kläger ergebenden Anspruch auf Minderung des Kaufpreises schätzt der Senat auf 1000,-- €, § 441 Abs. 3 Satz 2 BGB, § 287 Abs. 2 ZPO. Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung kann der Minderungsbetrag hier nicht in Höhe der dargelegten Umplanungskosten gesehen werden. Es kann dahinstehen, ob das Haus tatsächlich, wie die Kläger behaupten, deshalb "gespiegelt" werden musste, weil der Überhang den Bau der Garage am ursprünglich vorgesehen Ort gehindert hätte. Denn ein sich daraus ergebender Minderungsanspruch würde allenfalls in Höhe der Kosten bestehen, die sie hätten aufwenden müssen, um ihrerseits durch die bereits angedrohte Ersatzvornahme den vertragsgemäßen Zustand an dem Grundstück zu schaffen bzw. schaffen zu lassen, so dass der Bau der Garage auf der ursprünglich vorgesehenen Seite möglich gewesen wäre. Auf dieser Grundlage ist mangels anderweitiger tatsächlicher Anhaltspunkte auch der Minderwert zu schätzen. Minderwert ist der Unterschied zwischen dem Wert der mangelhaften zu dem einer mangelfreien Sache. Wäre das Grundstück hier mangelfrei gewesen, würden die zur Beseitigung des Überhanges erforderlichen Kosten für die Kläger nicht anfallen. Diese Kosten schätzt der Senat gemäß § 287 Abs. 2 ZPO unter Berücksichtung der für eine Hebebühne und der Arbeitszeit der Gärtner sowie den Abtransport der abzuschneidenden Äste anfallenden Kosten auf einen Betrag von 1 000,-- €.

Auch ein etwaiger Schadensersatzanspruch beliefe sich entgegen der Auffassung der Kläger keinesfalls auf die behaupteten Kosten für die Umplanung des Hauses. Denn ein solcher Anspruch wäre jedenfalls wegen deren Verstoßes gegen ihre Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 2. Alt. BGB) auf die Kosten der Beseitigung des Überhanges beschränkt.

Der zuerkannte Zinsanspruch beruht auf §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB. III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO. IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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