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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 10.04.2003
Aktenzeichen: 4 U 98/02
Rechtsgebiete: ZPO, HOAI


Vorschriften:

ZPO § 531 Abs. 2
HOAI § 8 Abs. 1
Behauptet der Beklagte erstmals im Berufungsrechtszug, die Schlussrechnung des klagenden Architekten sei nicht prüffähig, weil ihr keine Kostenermittlungen beigefügt worden seien, so handelt es sich um ein neues Verteidigungsmittel, das nur unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zugelassen werden kann.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 4 U 98/02

Verkündet am: 10. April 2003

In dem Rechtsstreit

wegen Architektenhonorars

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Friemel

auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 24. April 2002 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des nach dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Zahlung restlichen Architektenhonorars wegen dreier für den Beklagten durchgeführter Baumaßnahmen in Anspruch, die er dem Beklagten mit Schlussrechnungen vom 26. Mai 2000 in Rechnung stellte und mit weiteren Schlussrechnungen vom 15. Mai 2001 (nach unten) korrigierte.

Das Landgericht hat gegen den Beklagten zunächst ein Versäumnisurteil erlassen. Auf den Einspruch des Beklagten hat es ihn verurteilt, an den Kläger ein Honorar von 21 597,48 Euro nebst Zinsen zu bezahlen. Auf das Urteil wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Mit seiner Berufung bekämpft der Beklagte das Urteil in vollem Umfang. Er macht geltend, dass das Landgericht dem Kläger mehr zugesprochen habe, als ihm nach seinem eigenen Vorbringen zustehe. Im Übrigen sei die Honorarforderung des Klägers nicht fällig; sie sei nicht nachprüfbar, weil den Rechnungen die Kostenermittlung nicht beigefügt gewesen sei.

Er beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern, das Versäumnisurteil der Kammer vom 23. Januar 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das Urteil unter Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und vorgelegten Urkunden wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung führt nicht zum Erfolg. Nachdem der Kläger die Klage in Höhe von 238,71 Euro zurückgenommen hat, steht ihm der noch geltend gemachte Honoraranspruch aufgrund des mit dem Beklagten geschlossenen Architektenvertrages zu.

Der im Berufungsverfahren erstmals erfolgte Vortrag des Beklagten, die Schlussrechnungen des Klägers seien nicht prüffähig, weil ihnen die Kostenermittlungen, insbesondere die Kostenfeststellungen nicht beigefügt gewesen seien, beinhaltet ein neues Verteidigungsmittel im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO, das nicht zugelassen werden kann. Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Sinne dieser Vorschrift sind alle zur Verteidigung vorgebrachten tatsächlichen und rechtlichen Behauptungen, Einwendungen, Bestreiten, Einreden, nicht aber Angriff und Verteidigung selbst (herrschende Meinung: vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 531, Rdnr. 22; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 531, Rdnr. 14, § 530, Rdnr. 11, § 282, Rdnr. 2).

Der Beklagte meint, dass seine Ausführungen im Berufungsverfahren zur fehlenden Prüffähigkeit lediglich Rechtsausführungen zur Schlüssigkeit der Klage darstellten, die bereits das Landgericht von Amts wegen hätte prüfen müssen.

Das trifft im Ergebnis nicht zu.

Zwar gehört die Prüfbarkeit der Architektenschlussrechnung als Voraussetzung für die Fälligkeit schon zur Schlüssigkeit des geltend gemachten Architektenhonoraranspruchs; sie ist deshalb von Amts wegen zu beachten. Zur Prüffähigkeit gehören als Mindestangaben grundsätzlich das Leistungsbild, die Honorarzone, der Gebührensatz, die anrechenbaren Kosten, die erbrachten Leistungen und die "von Hundertsätze" sowie die erbrachten Abschlagszahlungen (vgl. Werner/Pastor, Der Bauprozess, 10. Aufl., Rdnr. 969 m.w.N.). Die Prüfbarkeit der Honorarrechnung ist aber kein Selbstzweck. Das Erfordernis ihrer Prüffähigkeit soll den Auftraggeber in die Lage versetzen, die Rechnung zu prüfen und die Richtigkeit der einzelnen Ansätze zu beurteilen. Sein Informations- und Kontrollinteresse bestimmt und begrenzt die Anforderungen an die Prüfbarkeit (BGH BauR 1998, 1108; Werner/Pastor, aaO, Rdnr. 971 b m.w.N.). Es kommt nicht darauf an, ob die Rechnung formal richtig ist, entscheidend ist ihre materielle Richtigkeit (Pastor, aaO). Die Schlussrechnungen des Klägers entsprechen dem System der HOAI. Sie enthalten die Leistungsbilder, die Honorarzone, den Gebührensatz, die erbrachten Leistungen, die "vom Hundertsätze" und die Abschlagszahlungen; ferner ist in ihnen ausgeführt, dass die Baukosten "gemäß Kostenfeststellung (DIN 276)" ermittelt worden seien. Damit musste der Beklagte konkret vortragen, weshalb und unter welchem Gesichtspunkt die Rechnungen gleichwohl nicht prüffähig sein sollen (Pastor, aaO).

Erstinstanzlich hat der Beklagte lediglich vorgetragen, dass der Sachvortrag des Klägers wegen rechnerischer Ungereimtheiten "nicht nachvollziehbar" sei, insbesondere habe der Kläger Überzahlungen nicht richtig verrechnet. Der Vorwurf der rechnerischen Unrichtigkeit betrifft aber nicht die Frage der Prüffähigkeit. Auch eine falsche Schlussrechnung, die das System der HOAI einhält, kann prüffähig sein (vgl. BGH BauR 1999, 1318; Pastor, aaO, Rdnr. 971 m.w.N.). Auch die weitere erstinstanzliche Behauptung des Beklagten, der Kläger könne sein Honorar nicht in voller Höhe verlangen, weil er die hinsichtlich der Objektüberwachung abgerechneten Leistungen allenfalls zur Hälfte erbracht und u. a. die Kostenfeststellung nicht durchgeführt habe, bezog sich nicht darauf, dass der Beklagte die Rechnung nicht überprüfen könne (und sie deshalb nicht fällig sei), sondern stellte lediglich den Umfang des geltend gemachten Anspruchs in Frage. Das Landgericht musste deshalb nicht von Amts wegen überprüfen, ob der Kläger die in seiner Rechnung ausgewiesenen Stationen der HOAI richtig "durchlaufen" hatte, insbesondere musste es nicht die Kostenermittlung von Amts wegen prüfen (vgl. Pastor, aaO, Rdnr. 971). Die Frage der Prüfbarkeit der Rechnung ist somit im ersten Rechtszug weder übersehen noch ist ihr Fehlen aufgrund eines Verfahrensmangels nicht geltend gemacht worden (§ 531 Abs. 2 Nr. 1, 2 ZPO).

Der Beklagte trägt deshalb neu im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO vor, wenn er nunmehr im Berufungsverfahren behauptet, die Rechnungen des Klägers seien für ihn nicht prüffähig, weil ihnen die Kostenermittlungen nicht beigefügt gewesen seien. Dass dies im ersten Rechtszug nicht geltend gemacht worden ist, beruht auf einer Nachlässigkeit des Beklagten (§ 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 709 Abs. 1, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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