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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 21.08.2002
Aktenzeichen: 4 W 56/02
Rechtsgebiete: ZPO, ZSEG, BRAGO


Vorschriften:

ZPO § 567
ZPO § 569
ZPO § 104
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 2
ZSEG § 2 Abs. 2
ZSEG § 2Abs. 3 Satz 1
BRAGO § 52
BRAGO § 54 Satz 1
1. Entschädigung für Verdienstausfall ist bei selbständigen Gewerbetreibenden immer dann zu gewähren, wenn die Lebensstellung der Partei und ihre regelmäßige Erwerbstätigkeit die Vermutung rechtfertigen, dass etwas versäumt wurde. Im Hinblick darauf bestehen keine Bedenken, einer selbständigen Maklerin, die ihr Büro alleine betreibt, den Höchstsatz von 13,-- € je angefangene Stunde zuzubilligen.

2. Für die Teilnahme an dem von einem Sachverständigen anberaumten Besichtigungstermin entsteht keine Beweisgebühr.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 4 W 56/02

In dem Rechtsstreit

wegen Forderung aus Werkvertrag

hier: Kostenfestsetzung

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Richter am Oberlandesgericht Friemel als Einzelrichter (§ 526 Abs. 1 Nr. 1 ZPO n.F.)

auf die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 22. Mai 2002 gegen den ihr am 8. Mai 2002 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 23. April 2002

ohne mündliche Verhandlung am 21. August 2002

beschlossen:

Tenor:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Rechtspflegers des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 23. April 2002 in Verbindung mit dem Nichtabhilfebeschluss vom 24/Juli 2002 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Die nach dem Beschluss des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 21. Februar 2002 von der Klägerin an die Beklagte zu erstattenden Kosten werden auf 9 957,53 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungsgesetz vom 9. Juni 1998 seit dem 3. April 2002 festgesetzt.

Die weitergehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

II. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 1 541,38 € festgesetzt.

Gründe:

In dem zugrunde liegenden Rechtsstreit hat der Senat durch Beweisbeschluss die Einholung eines Sachverständigengutachtens über Mängel angeordnet, welche die Beklagte der Werklohnforderung der Klägerin entgegengehalten hatte. An dem von dem Sachverständigen anberaumten Ortstermin hatte der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte der Beklagten teilgenommen. Durch den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Rechtspfleger der Beklagten einen Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 9 905, 53 € zuerkannt, jedoch abgelehnt, auch die von dem Rechtsanwalt für seine Teilnahme an dem Ortstermin begehrten Gebühren festzusetzen. Ferner sind von der Beklagten als "Zeitversäumnis/Verdienstausfall" geltend gemachte Kosten unberücksichtigt geblieben.

Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer sofortigen Beschwerde, welcher der Rechtspfleger insoweit abgeholfen hat, dass er ihr einen Betrag von 8,20 € als Verdienstausfall zuerkannt hat.

Das nach §§ 567 Abs. 1, Abs. 2, 569 ZPO n.F. zulässige Rechtsmittel führt zu einem geringen Erfolg.

1. Zu Unrecht hat der Rechtspfleger die Kosten der Zeitversäumnis der Beklagten für ihre Teilnahme an dem Beweistermin vor dem Senat vom 21. Februar 2002, zu dem das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet war, gemäß §§ 91 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 3 Satz 1 ZSEG auf nur 2,05 € pro Stunde festgesetzt. Nach dieser Vorschrift erhält eine Partei den Mindestsatz, wenn ein Verdienstausfall nicht eingetreten ist. Davon kann jedoch entgegen der Auffassung des Rechtspflegers nicht ausgegangen werden.

Die Beklagte hat ausgeführt, dass sie als selbständige Maklerin ihr Büro alleine betreibt, sodass es durch die Terminsteilnahme nicht besetzt war. Dadurch seien ihr "möglicherweise" Aufträge entgangen. Das genügt. Die Gewährung einer Entschädigung für Verdienstausfall ist nicht von der Führung eines entsprechenden Nachweises abhängig. Insbesondere bei selbständig Gewerbetreibenden wäre andernfalls die Führung eines Verdienstausfallnachweises nur sehr schwer oder überhaupt nicht möglich. Eine Entschädigung für Verdienstausfall ist daher immer zu gewähren, wenn die Lebensstellung der Partei und ihre regelmäßige Erwerbstätigkeit - wie hier - die Vermutung rechtfertigen, dass etwas versäumt wurde. Die Höhe der Entschädigung ist unter freier Beurteilung der Erwerbstätigkeit der Partei zu bemessen (Meyer/Höver/Bach, ZSEG, 22. Aufl., § 2 Rdnr. 10 m.w.N.).

Danach bestehen hier keine Bedenken, der Beklagten nach § 2 Abs. 2 ZSEG eine Entschädigung nach dem Höchstsatz von 13,00 € für jede angefangene Stunde zuzubilligen. Ein weitergehender Anspruch - wie von der Beklagten begehrt - besteht indes nicht, weil der in § 2 Abs. 2 ZSEG vorgesehene Höchstsatz auch dann nicht überschritten werden darf, wenn der tatsächlich eingetretene Verdienstausfall höher ist (OLG Stuttgart, Beschluss vom 30. April 1999 - 8 W 365/98 - bei Juris; Meyer/Höver/Bach, aaO, Rdnr. 9.1 m.w.N.).

Die Beklagte kann mithin für einen zeitlichen Aufwand von insgesamt 4 Stunden eine Vergütung von 52,00 € beanspruchen.

2. Zutreffend hat der Rechtspfleger dem erstinstanzlichem Prozeßbevollmächtigten die Anerkennung als Verkehrsanwalt (§ 52 BRAGO) für das Berufungsverfahren versagt. Auf die Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss, welche die Beschwerde auch nicht näher angreift, wird Bezug genommen.

Auch im Übrigen hat der Rechtspfleger der Beklagten zu Recht keine Kostenerstattung für die Teilnahme ihres erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten an der von dem Sachverständigen anberaumten Ortsbesichtigung zugebilligt.

Zutreffend ist er davon ausgegangen, dass dem Rechtsanwalt dadurch keine Beweisgebühr nach § 54 Satz 1 BRAGO entstanden ist. Nach einhelliger Meinung in der Rechtsprechung (OLG Köln Beschluss vom 21. Januar 1987 - 17 W 709 u. 710/86 -; Schleswig Holst. OLG Beschluss vom 14. Januar 1983 - 9 W 193/82 - bei Juris; OLG Stuttgart JurBüro 1986, 1837; OLG Düsseldorf, JurBüro 1985, 93, jew. m.w.N.) und der überwiegenden Auffassung im Schrifttum (Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., S. 322; Riedel/Sußbauer/Keller, BRAGO, 8. Aufl., § 54 Rdnr.12 jew. m.w.N.; a.M. Gerold/Schmidt/van Eycken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 54 Rdnr. 4) ist ein Beweisaufnahmeverfahren im Sinne dieser Vorschrift nur das vom Gericht geleitete Verfahren zur unmittelbaren, endgültigen Feststellung von Tatsachen, nicht jedoch ein von einem Sachverständigen anberaumter Besichtigungstermin.

Auch kann der Rechtsanwalt keine Gebühr nach § 56 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO verlangen. Dabei kann dahinstehen, ob eine solche Ortsbesichtigung als Termin im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist (vgl. hierzu OLG Stuttgart, aaO; OLG Düsseldorf, aaO, jew. m.w.N.; Riedel/Sußbauer/Keller, aaO, § 56 Rdnr. 4, 5). Die Teilnahme des erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Beklagten war jedenfalls zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig i. S. von § 91 Abs. 1 ZPO, weil das zu den Aufgaben des zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten gehörte (vgl. OLG Frankfurt OLGR 1993, 172).

3. Der geltend gemachte Anspruch auf Vergütung von 12 Fotokopien (§ 27 BRAGO) ist unbegründet, weil insoweit eine Erstattungsfähigkeit nicht dargetan ist. 4. Danach ergibt sich insgesamt folgender Kostenerstattungsanspruch:

Bereits festgesetzt mit Beschluss vom 23. April 2002 9 905,53 € Verdienstentgang der Beklagten 52.00 € 9 957,53 €.

5. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Den Beschwerdewert hat der Senat am Interesse der Beklagten an der Änderung der angefochtenen Entscheidung bemessen.

Ende der Entscheidung

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