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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 12.11.2001
Aktenzeichen: 4 W 60/01
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 515 a.F.
ZPO § 519 Abs. 2 a.F.
ZPO § 519 a a.F.
Wird zur Fristwahrung gegen ein Urteil Berufung eingelegt, so kann dem Berufungsbeklagten grundsätzlich zugemutet werden, mit der Beauftragung eines Rechtsanwalts zuzuwarten, bis der Berufungskläger zu verstehen gegeben hat, dass er das Rechtsmittel tatsächlich durchführen will. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein entsprechendes Stillhalteabkommen geschlossen ist. Eine Pflicht zum Zuwarten besteht aber dann nicht mehr, wenn der Berufungskläger kommentarlos um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nachsucht, ohne den Vorbehalt der Fristwahrung zu wiederholen oder sonst auf das Stillhalteabkommen einzugehen.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 4 W 60/01

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes

hier: Kostenfestsetzung

hat der 4. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Staab sowie die Richter am Oberlandesgericht Reichling und Friemel

auf die am 12. September 2001 eingegangene, sofortige Beschwerde der Beklagten vom 11. September 2001

gegen den ihr am 10. September 2001 zugestellten Beschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 4. September 2001

ohne mündliche Verhandlung am 12. November 2001

beschlossen:

Tenor:

I. Die von dem Kläger an die Beklagten zu erstattenden Kosten werden auf weitere 3 822,43 DM nebst 4 % Zinsen seit 19. April 2001 festgesetzt.

II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

III. Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 3 822,43 DM festgesetzt.

Gründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte, nach §§ 11 Abs. 1 RpflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 2, 569 Abs. 2, 577 Abs. 1 und 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Beklagten ist begründet.

Der Kläger ist verpflichtet, den Beklagten die ihnen im Berufungsverfahren entstandenen Rechtsanwaltsgebühren zu erstatten, nachdem er seine Berufung zurückgenommen hat.

Dem steht entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin nicht entgegen, dass der Kläger seine Berufung nur zur Fristwahrung eingelegt hatte und die erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten der Parteien außergerichtlich übereingekommen waren, dass die Beklagten bis zum Ablauf der Berufungsbegründungsfrist (18. Juni 2001) keinen Rechtsanwalt beauftragen würden.

Nach § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten. Daraus folgt, dass der Berufungsbeklagte grundsätzlich berechtigt ist, einen bei dem Berufungsgericht zugelassenen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen, sobald ihm die Berufungsschrift zugestellt ist. Dieses Recht der Partei, sich anwaltlich vertreten zu lassen, gilt jedoch nicht uneingeschränkt, sondern findet seine Grenze da, wo die Einschaltung eines Rechtsanwalts ausnahmsweise für die Partei ersichtlich nutzlos und objektiv nur dazu angetan ist, dem Gegner Kosten zu verursachen (Pfalz. Oberlandesgericht Zweibrücken, JurBüro 1984, 1680 m.w.N.). Umstritten ist, ob das der Fall ist, wenn der Berufungsbeklagte einen Rechtsanwalt beauftragt, obwohl der Berufungskläger sein Rechtsmittel nur zur Wahrung der Rechtsmittelfrist eingelegt hat (vgl. zum Meinungsstand Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 57. Aufl., § 91, Rdnr. 159 ff m.w.N.). Nach überwiegender Auffassung kann in einem solchen Fall dem Gegner grundsätzlich zugemutet werden, mit der Beauftragung eines Anwalts für das Rechtsmittelverfahren abzuwarten, bis der Gegner ausdrücklich oder konkludent zu verstehen gegeben hat, er beabsichtige das Rechtsmittelverfahren durchzuführen. Das gilt insbesondere, wenn - wie hier - die Parteien ein "Stillhalteabkommen" geschlossen haben, weil solche Abmachungen zu beachten sind (OLG Frankfurt NJW-RR 1986, 1320; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, aaO, Rdnr. 160 m.w.N.).

Vorliegend haben die Beklagten diese bis 18. Juni 2001 (dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist) geltende Vereinbarung beachtet. Ihr für das Berufungsverfahren beauftragter Prozessbevollmächtigter hat sich erst mit Schriftsatz vom 6. Juli 2001 gemeldet. Sie waren an dessen Beauftragung insbesondere nicht deshalb gehindert, weil der Kläger am 13. Juni 2001 beantragt hatte, die Berufungsbegründungsfrist um einen Monat zu verlängern. Dabei kann dahinstehen, ob allein ein solcher Antrag als Beendigung des Stillhalteabkommens anzusehen ist (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Rpfleger 1997, 128; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, aaO). Die Beklagten durften hier für das Berufungsverfahren anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, weil der Kläger in seinem Verlängerungsantrag den Vorbehalt der Fristwahrung nicht wiederholt und das Stillhalteabkommen nicht mehr erwähnt hatte (vgl. hierzu auch OLG Nürnberg, JurBüro 1990, 1292). Der Antrag enthielt lediglich den Hinweis auf die noch ausstehende Besprechung mit dem Kläger. Das genügte nicht, weil es die Beklagten über den Fortgang des Rechtsmittels im Unklaren ließ. Es war auch nicht ihre Sache, sich durch (telefonische) Rückfrage beim Kläger bzw. seinen Prozessbevollmächtigten über den Stand des Entscheidungsprozesses beim Berufungsführer zu informieren (so aber OLG Köln, MDR 1992, 1087). Denn der Grundsatz, dass der Berufungsbeklagte wegen eines Stillhalteabkommens oder einer nur zur Fristwahrung eingelegten Berufung mit der Anwaltsbestellung zuwarten muss, stellt bereits die Ausnahme zu seinem Recht dar, einen beim Berufungsgericht zugelassenen Anwalt zu beauftragen, sobald ihm die Berufungsschrift zugestellt ist. Es ist deshalb Aufgabe des Berufungsführers, dem Berufungsbeklagten zweifelsfrei deutlich zu machen, wenn er mit der Anwaltsbestellung weiter zuwarten soll. Lässt er sich indes - wie hier - "kommentarlos" die Frist zur Begründung seiner Berufung verlängern, besteht für den Berufungsgegner Anlass zu der Annahme, dass das Rechtsmittel wahrscheinlich auch durchgeführt werde, wenn der Berufungsführer nicht klarstellt, dass das (ablaufende) Stillhalteabkommen weitergelten solle.

Die Beklagten haben deshalb Anspruch auf Erstattung folgender ihnen im Berufungsrechtszug entstandener Rechtsanwaltsgebühren aus einem Streitwert von 56 334,43 DM:

Um 7,8/10 erhöhte Prozessgebühr (3 Auftraggeber) gemäß

§§ 11, 31 Abs. 1 Nr. 1, 6 BRAGO 20,8/10 3 255,20 DM Post- und Telekommunikationspauschale 40,00 DM Summe 3 295,20 DM 16 % Umsatzsteuer, § 25 Abs. 2 BRAGO 527,23 DM Gesamtbetrag 3 822,43 DM.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Wert des Beschwerdegegenstandes entspricht den geltend gemachten Anwaltsgebühren.

Ende der Entscheidung

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