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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 23.01.2007
Aktenzeichen: 5 U 35/05
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
Zur Behebung eines Scheidenprolaps, einer Cystocele (Senkung der vorderen Scheidenwand und des Blasenbodens) sowie einer Rectocele (Vorwölbung der Scheidenhinterwand) stehen unterschiedliche operative Behandlungsmethoden mit unterschiedlichen Risiken und Heilungschancen zur Wahl (vaginales - abdominales Vorgehen; vordere - hintere Scheidenplastik; Sakropexie bzw. sakrale Kolpopexie; paravaginaler repair).

Über diese Behandlungsalternativen ist die Patientin umfassend aufzuklären. Ihr ist die Wahl der Methode zu überlassen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 5 U 35/05

Verkündet am: 23.1.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoffmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Geisert und Kratz auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Beklagten zu Ziffer 2) wird das Grundurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 16. November 2005 teilweise geändert:

Die Klage gegenüber der Beklagten zu 2) wird abgewiesen.

II. Die Berufung der Beklagten zu 1), 3) und 4) gegen das Grundurteil vom 16. November 2005 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat der Beklagten zu 2) die außergerichtlichen Auslagen der ersten Instanz zu erstatten. Im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung betreffend den ersten Rechtszug der Schlussentscheidung vorbehalten.

Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen den Beklagten zu 1), 3) und 4) zu 3/4 und der Klägerin zu 1/4 zur Last.

III. Die Parteien können eine Vollstreckung der Gegenseite wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht zuvor die Gegenseite Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die 1943 geborene Klägerin wurde im Februar 1999 von ihrem niedergelassenen Gynäkologen zur stationären Behandlung in das von der Beklagten zu 1) betriebene Krankenhaus mit der Diagnose: »Zustand nach abdomineller Totalextirpation mit Adnexen im Jahr 1992; Partialprolaps« eingewiesen.

Bei der Aufnahmeuntersuchung am 2. März 1999 gegen 11:20 Uhr diagnostizierte der Oberarzt Dr. St... eine ausgeprägte Cystocele (Senkung der vorderen Scheidenwand und des mit dem Scheidengewölbe verbundenen Blasenbodens), eine mäßiggradige Rectocele (Vorwölbung der Scheidenhinterwand) sowie einen mäßigen Scheidenprolaps ohne Inkontinenz. Gegen 17:00 Uhr desselben Tages wurde die Klägerin dem Beklagten zu 3), dem Chefarzt der gynäkologischen Abteilung, zur Untersuchung vorgestellt.

Die Beklagte zu 4) führte mit der Klägerin am Aufnahmetag ein Aufklärungsgespräch, dessen Inhalt zwischen den Parteien umstritten ist. Die Klägerin unterzeichnete den bei den Krankenunterlagen befindlichen Aufklärungsbogen und willigte darin in den vorgesehenen Eingriff ein. Auf dem verwendeten Merkblatt »Operationen bei Senkung (bzw. Vorfall) und Harninkontinenz« des perimed Compliance Verlages (1996) ist angekreuzt: »Behebung der Blasensenkung ("vordere Plastik")«; »Wiederherstellung von Beckenboden und Damm ("hintere Plastik")« und »Operation von der Bauchdecke aus«. Handschriftlich findet sich darunter der ergänzende Eintrag »Sakropexie«.

Am Morgen des 3. März 1999 wurde die Klägerin von der Beklagten zu 2), assistiert von zwei Ärzten im Praktikum, durch Re-Laparotomie mit Sakrofixation des Scheidenstumpfes unter Verwendung eines Gorotex-Implantates und »paravaginal repair« operativ versorgt. Verwachsungen des Bauchfells mit dem Darm mussten - teilweise scharf - gelöst werden.

Nach zunächst unauffälligem Verlauf erfolgte wegen anhaltender Beschwerden am 7. März 1999 eine Re-Re-Laparotomie, bei welcher eine kotige Peritonitis infolge der Perforation des Sigmas festgestellt wurde. In der Folgezeit waren weitere Eingriffe, u. a. zur Anlage eines Anus praeter, sowie eine Tracheotomie zur Beatmung während eines künstlichen Komas erforderlich. Nach Abschluss der stationären Krankenhausbehandlung Mitte Juli 1999 war eine Rehabilitationsmaßnahme erforderlich. Die Klägerin bezieht seither eine Erwerbsunfähigkeitsrente.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie sei über das angewandte Operationsverfahren und die damit verbundenen Risiken nicht aufgeklärt worden.

Die gewählte Operationsmethode sei in ihrem Fall ungeeignet gewesen und zudem behandlungsfehlerhaft durchgeführt worden. Insbesondere sei es versäumt worden, nach Beendigung der Operation eine optische Kontrolle des Darms durchzuführen. Die Peritonitis hätte bei der erforderlichen Zuziehung von ärztlichem Personal früher erkannt und behandelt werden können.

Die Klägerin hat ein angemessenes Schmerzensgeld, eine Schmerzensgeldrente ab dem Monat nach Rechtshängigkeit in angemessener Höhe, materiellen Schadensersatz in Höhe von 26.271,77 Euro nebst Zinsen sowie eine monatliche Geldrente in Höhe von 566,72 Euro, beginnend ab 1. Februar 2003 bis 6. Oktober 2008, Feststellung der weiteren Ersatzpflicht und weiteren materiellen Schadensersatz von 1.311,94 Euro nebst Zinsen, zu zahlen an ihre Rechtsschutzversicherung, gegenüber den Beklagten als Gesamtschuldnern geltend gemacht.

Die Beklagten sind den Anträgen entgegengetreten.

Zur Aufklärung der Klägerin haben sie sich auf die schriftliche Dokumentation in der Krankenakte berufen. Die Beklagte zu 4) habe in diesem Zusammenhang auch über die Gefahr einer Darmverletzung gesprochen, weil infolge vorangegangener Operationen mit Verwachsungen zu rechnen gewesen sei. Darüber hinaus sei die Klägerin auch durch Oberarzt Dr. St... und den Beklagten zu 3) hinreichend über den vorzunehmenden Eingriff aufgeklärt worden.

Die Operation vom 3. März 1999 sei ohne Behandlungsfehler durchgeführt worden.

Das Landgericht hat nach Erhebung von Sachverständigenbeweis die Klage als dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Die Beklagten machen mit der Berufung geltend:

Das Landgericht habe verkannt, dass die Aufklärung der Klägerin durch die Beklagte zu 4) mündlich umfassender erfolgt sei, als sich der schriftlichen Dokumentation entnehmen lasse. Die Kammer habe es versäumt, den Inhalt des Aufklärungsgesprächs vollständig zu ermitteln. Insbesondere hätte dem Beweisantrag auf Vernehmung der Beklagten zu 4) als Partei gem. § 448 ZPO nachgegangen werden müssen. Der Aufklärungsbogen biete ausreichende Anhaltspunkte für eine Aufklärung auch über die zur Verfügung stehenden unterschiedlichen Operationsmethoden (vaginales oder abdominales Verfahren) durch gleichzeitiges Ankreuzen »vordere und hintere Plastik« und »Operation von der Bauchdecke aus«.

Die Beklagte zu 4) sei im Termin vom 3. Dezember 2003 zwar angehört worden, ohne aber das Ergebnis der Anhörung im Sitzungsprotokoll fest zu halten. Auch in den Entscheidungsgründen des Urteils sei dies weder dargestellt noch erkennbar berücksichtigt worden.

Die Kammer habe den Vortrag außer Acht gelassen, dass eine Aufklärung der Klägerin sowohl durch Dr. St... als auch durch den Beklagten zu 3) erfolgt sei, indem ihr zunächst ein vaginales Operationsverfahren, sodann vom Beklagten zu 3) ein abdominales Verfahren unter Darlegung der verschiedenen Operationsmethoden und der damit verbundenen Risiken vorgeschlagen worden sei.

Daher werde lediglich hilfsweise wie bereits in erster Instanz geltend gemacht, dass das abdomale Operationsverfahren beim Befund der Klägerin das Verfahren der Wahl darstelle. Die Auffassung des Sachverständigen Prof. Dr. A..., wonach eine rein vaginale Behebung von Senkungszuständen der Scheide und des Beckenbodens Methode der Wahl sei, entspreche nicht dem neuesten wissenschaftlichen und medizinischen Standard. Dies sei erstinstanzlich durch entsprechende Literaturhinweise belegt worden.

Im Übrigen würden sich auch die Risiken von Darmverletzungen bei den verschiedenen Operationsverfahren nicht wesentlich unterscheiden. Die Wahl der Operationsmethode sei deshalb Sache des Arztes gewesen.

Die Kammer habe den Einwand einer hypothetischen Einwilligung der Klägerin ohne deren persönliche Anhörung über einen Entscheidungskonflikt verfahrensfehlerhaft zurückgewiesen.

Die Ursächlichkeit der Methodenwahl für den eingetretenen Schaden und dessen Höhe blieben bestritten.

Die Beklagten beantragen,

auf ihre Berufung das Grundurteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 16. November 2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Hilfsweise stellen sie den Antrag,

das vorbezeichnete Urteil aufzuheben und die Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor,

eine Risikoaufklärung sei ausschließlich durch die Beklagte zu 4) zwischen 11:20 Uhr und 12:00 Uhr erfolgt. Dabei sei erklärt worden, es werde operativ über die Bauchdecke vorgegangen. Mit keinem Wort sei erwähnt worden, dass ein rein vaginales Verfahren möglich sei. Der Beklagte zu 3) habe zwar von einer leicht abgeänderten Vorgehensweise gesprochen, diese aber nicht näher erklärt und auch nicht erkennen lassen, dass es sich dabei um eine völlig andere Methode handle als die von Dr. St... vorgeschlagene vordere und hintere Plastik. Auch von dem Beklagten zu 3) seien verschiedener Operationsmethoden nicht angesprochen worden.

Eine Aufklärung am Vorabend der Operation, die tags darauf um 7:45 Uhr vorgenommen worden sei, sei ohnehin als verspätet anzusehen.

Der Einwand des fehlenden Entscheidungskonflikts sei erstmals im Berufungsverfahren erhoben worden.

Sie hätte sich für ein rein vaginales Vorgehen entschieden, wenn ein Bauchschnitt zu vermeiden gewesen wäre.

Ergänzend wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils erster Instanz sowie die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Der Senat hat die Beklagten zu 3) und 4) sowie die Klägerin persönlich angehört und Dr. St... als Zeugen vernommen. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschriften vom 9. Mai 2006 (Blatt 338 folg. der Akten) und vom 12. Dezember 2006 (Blatt 423 der Akten) Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig.

Das Rechtsmittel der Beklagten zu 2) führte zur Klageabweisung. Der Berufung der Beklagten zu 1), 3) und 4) bleibt ein Erfolg versagt.

Der von der Beklagten zu 2) vorgenommene Eingriff war rechtswidrig, da die Einwilligung der Klägerin in die Operation mangels ausreichender Selbstbestimmungsaufklärung nicht wirksam war. Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg auf eine hypothetische Einwilligung der Klägerin berufen.

1. Die Beklagte zu 2), die die Operation vorgenommen hat, haftet nicht für die unzureichende Aufklärung der Klägerin. Im Rahmen zulässiger ärztlicher Arbeitsteilung war die Aufklärung der Beklagten zu 4) übertragen worden. Ein schriftlicher Aufklärungsbogen nebst schriftlicher Einwilligungserklärung der Patientin lagen im Zeitpunkt des Eingriffs vor. Mängel der Aufklärung musste die Beklagte zu 2) daraus nicht erkennen.

Die Beklagte zu 2) haftet auch nicht wegen ärztlicher Behandlungsfehler. Einen Fehler bei Durchführung des operativen Eingriffs hat die Klägerin in erster Instanz nicht zu beweisen vermocht. Beweiserleichterungen, insbesondere wegen unterbliebener Dokumentation einer Untersuchung des Darms auf Verletzungen vor Abschluss des Eingriffs, kommen ihr nach dem Ergebnis des erstinstanzlichen Sachverständigengutachtens nicht zugute. Danach wäre lediglich ein positiver Befund zu dokumentieren gewesen.

2. Das Landgericht ist bei seiner Entscheidung zu Recht davon ausgegangen, dass es Nebenpflicht des Arztes aus dem Behandlungsvertrag ist, den Patienten über das Bestehen echter Behandlungsalternativen umfassend aufzuklären. Stehen für den Behandlungsfall mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zur Verfügung, mit denen wesentlich unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen verbunden sind, hat der Arzt diese darzulegen und dem Patienten die Wahl der Methode zu überlassen (BGH VersR 2005,836, 227; VersR 2000,725).

Die Richtigkeit dieses rechtlichen Ausgangspunktes für den vorliegenden Fall wird von der Berufung auch nicht in Zweifel gezogen.

Zwar wenden sich die Beklagten gegen das Gutachten des erstinstanzlichen Sachverständigen Prof. A... insoweit, als er ein rein vaginales Vorgehen im Falle der Klägerin als Methode der Wahl angesehen hat. Sie sind der Auffassung, dass es sich dabei um eine veraltete Meinung handle und mit der neueren Literatur das gewählte abdominale Verfahren zur Behebung von Senkungszuständen der Scheide als zeitgemäß angesehen werden müsse. Abgesehen davon, dass diese Angriffe nicht zu überzeugen vermögen, da die angeführten Literaturmeinungen sich ausschließlich mit Operationsmethoden zur Behebung von Senkungsbefunden mit Inkontinenz befassen, wie sie bei der Klägerin nicht vorlag, besteht die umfassende Aufklärungspflicht über Behandlungsmethoden nicht nur, wenn der Arzt eine nicht dem Standard entsprechende Behandlung wählt, sondern auch wenn mehrere ärztlichen Methoden zur Verfügung stehen, die wesentlich unterschiedliche Chancen und Risiken bieten.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Frauenheilkunde Prof. Dr. med. ... A... vom 17. August 2004 und dessen mündlicher Erläuterung in der Sitzung des Landgerichts vom 16. März 2005 steht auch zur Überzeugung des Senats fest, dass zur Behebung des mäßiggradigen Scheidenprolaps bei der Klägerin auch ein rein vaginales Vorgehen - wenn nicht Methode der Wahl, so jedenfalls - medizinischem Standard entsprochen hätte. Der Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten überzeugend dargelegt, dass es sich bei dem vaginalen Vorgehen um einen risikoärmeren Eingriff handele, der zusätzliche Risiken des abdominalen Vorgehens, hier insbesondere Längsschnittnarbe bei adipöser Bauchdecke, Adhäsiolyse mit dem Risiko von Darmverletzungen und weitergehender Präparation zur Fixierung des Scheidenpols bei Zustand nach Hysterektomie und Endometriose, vermieden hätte. Die Beklagten berufen sich demgegenüber darauf, dass bei rein vaginalem Vorgehen die Rezidivgefahr größer sei und sich erhebliche Beeinträchtigungen für eine Ausübung des Geschlechtsverkehrs ergeben können. Die Klägerin hätte daher über die unterschiedlichen Operationsrisiken, Heilungschancen und Folgen umfassend aufgeklärt werden müssen. Ihr wäre auch zu erläutern gewesen, dass ein fortbestehender Kohabitationswunsch Auswirkungen auf die Entscheidung über das zu wählende Vorgehen haben kann. Insbesondere hätte ihr die Wahl eröffnet werden müssen, welche Operationsmethode vorliegend zur Anwendung kommen soll.

3. Die Beklagten haben eine diesen Anforderungen entsprechende Aufklärung der Klägerin schon nicht hinreichend dargelegt, im Übrigen nicht zu beweisen vermocht.

a. Die Beklagten rügen allerdings zu Recht, dass die Kammer zum Inhalt des Aufklärungsgespräches keine Feststellungen getroffen hat. Der verwendete Aufklärungsbogen, der allein Grundlage für die Beurteilung durch den Sachverständigen war, ist lediglich Hilfsmittel und Dokumentation des für die ärztliche Aufklärung wesentlichen Gespräches mit dem Patienten.

Der Senat hat die Beklagten zu 3) und 4) sowie die Klägerin zum Inhalt der Aufklärung angehört (die beiden letzteren sowohl im Termin vom 9. Mai 2006 als auch im Termin vom 12. Dezember 2006) und auf Antrag der Beklagten den Zeugen Dr. St... vernommen.

b. Die Beklagten haben erstinstanzlich vorgetragen, nach der Aufnahmeuntersuchung habe Dr. St... der Klägerin ein vaginales Operationsverfahren vorgeschlagen und dessen Risiken mit ihr erörtert. Hierauf beziehen sich die Beklagten in der Berufungsbegründung.

Dies wurde von dem Zeugen Dr. St... so nicht bestätigt.

Der Zeuge hat vielmehr angegeben, er habe zusätzlich zu dem Vorschlag des einweisenden Arztes, sowohl eine vordere als auch hintere Scheidenplastik vorzunehmen, eine Fixierung des Scheidenpols für erforderlich angesehen. Dafür stehe zwar auch ein rein vaginales Vorgehen zur Verfügung. Ihm sei jedoch bekannt gewesen, dass der Beklagte zu 3) dafür ein abdominales Vorgehen bevorzugt habe und dies deshalb im Klinikum der Beklagten zu 1) regelmäßig zur Anwendung gekommen sei.

Dies steht in Übereinstimmung mit den Angaben der Klägerin in ihren Anhörungen durch den Senat, wonach sie von ihrem einweisenden Gynäkologen auf eine vaginal durchzuführende Operation vorbereitet gewesen sei. Nach der Aufnahmeuntersuchung sei jedoch lediglich noch von einem operativen Vorgehen durch Bauchschnitt die Rede gewesen. Eine Wahlmöglichkeit unter verschiedenen Vorgehensweisen sei ihr nicht eröffnet worden.

Die Beklagten haben weder vorgetragen noch in ihren Anhörungen (Beklagte zu 3) und 4)) dargelegt, der Klägerin die Wahl der Behandlungsmethode nach erfolgter Aufklärung überlassen zu haben.

Die Beklagte zu 4) hat dazu angegeben, der Klägerin anhand des bei den Akten befindlichen perimed-Aufklärungsbogens die in Betracht kommenden Behandlungsmethoden, vordere und hintere Plastik sowie Sakropexie, erläutert und insbesondere die unterschiedlichen Rezidivgefahren dargelegt zu haben. Die Operationsrisiken, die Möglichkeit einer Verletzung benachbarte Organe, seien jeweils in etwa vergleichbar, da in beiden Fällen organnah operiert werde. Im Zeitpunkt des von ihr geführten Aufklärungsgespräches habe noch nicht endgültig festgestanden, welches operative Vorgehen zur Anwendung kommen sollte.

Der Beklagte zu 3) hat im Rahmen seiner Anhörung erklärt, dass er die Entscheidung betreffend das ärztliche Vorgehen getroffen habe, nachdem die Klägerin zuvor durch Dr. St... und die Beklagte zu 4) aufgeklärt worden sei.

Wenn die Behandlungsseite auf Grund des erhobenen Aufnahmebefundes der Auffassung war, dass eine Fixation des Scheidenblindsackes bei der Klägerin erforderlich oder auch nur sinnvoll war, wäre eine Aufklärung darüber zu erteilen gewesen, dass neben dem vorgesehenen und dann auch durchgeführten Verfahren der sakralen Kolpopexie ein vaginal durchzuführendes Verfahren (sakrale Kolpopexie) zur Verfügung stand. Eine entsprechende Aufklärung hätte spätestens im Rahmen des Aufklärungsgespräches nach der Aufnahmeuntersuchung erfolgen müssen. Im Rahmen des Gesprächs mit dem Beklagten zu 3) um 17:00 Uhr des Vortrages der Operation wäre eine entsprechende Aufklärung der Klägerin, wenn sie denn erfolgt wäre, wohl auch nicht mehr rechtzeitig gewesen.

Nach den Aufzeichnungen über die Aufnahmeuntersuchung äußerte die Klägerin einen fortbestehenden Kohabitationswunsch. Die Beklagte zu 4) konnte nicht mehr angeben, ob die Klägerin insoweit gefragt worden war. Eine aufklärende Erläuterung der Klägerin über mögliche Auswirkungen auf die Entscheidung über die Operationsmethode wurde von den Beklagten nicht behauptet.

c. Die Aufklärung der Klägerin über die Risiken der in Betracht kommenden Operationsmethoden war ebenfalls nicht ausreichend.

Nach dem Sachverständigengutachten erster Instanz steht zur Überzeugung des Senats fest, dass mit dem abdominalen Vorgehen größere Risiken verbunden waren, über die ausdrücklich aufzuklären gewesen wäre. Im Hinblick auf die Gefahr, wegen der Voroperation bei bestehender Endometriose in erheblichem Maße Verwachsungen vorzufinden, war insbesondere das Risiko zu erwähnen, das mit einer umfangreichen Adhäsiolyse verbunden ist. Die allgemeine Verletzungsgefahr für benachbarte Organe durch Sakropexie und Scheidenplastik mag bei abdominalem Vorgehen sogar wegen besserer Sichtverhältnisse geringer sein. Es muss jedoch dem Patienten jeweils überlassen bleiben, welchem Risiko er sich im Einzelfall aussetzen will. Der Sachverständige selbst hätte der Klägerin zu dem aus seiner Sicht im konkreten Fall risikoärmeren vaginalen Vorgehen geraten.

4. Die Beklagten können sich auch nicht mit Erfolg auf eine hypothetische Einwilligung für den Fall ordnungsgemäßer Aufklärung berufen. Die Klägerin hat einen Entscheidungskonflikt nachvollziehbar dargelegt. Ob sie sich nach einer ausreichenden Risikoaufklärung und Aufklärung über die bestehende Behandlungsalternative tatsächlich - wie von ihr behauptet - für ein rein vaginales Vorgehen entschieden hätte, ist dafür letztlich nicht entscheidend.

5. Wegen des Streits der Parteien über die zurechenbaren Folgen des somit rechtswidrigen Eingriffs ist der Rechtsstreit für eine Endentscheidung durch den Senat nicht reif.

6. Die Entscheidung über eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2) für die erste Instanz, die bereits im vorliegenden Urteil getroffen werden kann, beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Kostenentscheidung betreffend das Berufungsverfahren folgt aus den §§ 97 Abs. 1 ,92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10,711 ZPO.

Gründe, nach § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.

Beschluss

Der Streitwert für daas Berufungsverfahren wird au 201.586,91 Euro festgesetzt (zu den Klageanträgen 1 bis 5 entsprechend der vorläufigen, nicht beanstandeten Streitwertfestsetzung durch Beschluss des Landgerichts Kaiserslautern vom 4. März 2003; Klageerweiterung durch Antrag 6: 1311,94 Euro).

Ende der Entscheidung

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