Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 12.09.2000
Aktenzeichen: 5 U 5/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823
BGB § 830
BGB § 831
Leitsatz:

Zur Abgrenzung der Verantwortlichkeit im Rahmen einer Operation zweier nicht in Gemeinschaftspraxis verbundener Belegärzte.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Urteil

5 U 5/00 3 O 860/98 LG Frankenthal (Pfalz)

Verkündet am 12. September 2000

Sander, Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes aus Arzt- und Krankenhaushaftung,

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch die Richter am Oberlandesgericht Hoffmann, Goldstein und Weisbrodt auf die mündliche Verhandlung vom 29. August 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 13. März 2000 wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

4. Die Beschwer der Klägerin beträgt weniger als 60.000 DM.

Tatbestand:

Die damals 33 jährige Klägerin ließ sich wegen unklarer Unterbauchbeschwerden in die gynäkologische Abteilung der als Belegkrankenhaus betriebenen Einrichtung der Beklagten zu 3 überweisen. Bei Aufnahme unterzeichnete sie ein Formular, aus dem sich ergibt, dass in der gynäkologischen Abteilung die ärztlichen Leistungen keine Krankenhausleistungen sind. Am 19. März 1997 wurde sie von den Beklagten zu 1 und 2 operiert. Am Tag zuvor hatte die Klägerin bereits die mit dem Perimedbogen "Diagnostische Laparoskopie" verbundene Einwilligung in den Eingriff unterzeichnet. Dieser Bogen enthält außerdem handschriftliche und von der Ärztin Dr. H... unterzeichnete Eintragungen unter anderem über die Verletzbarkeit der Nachbarorgane, etwa von Gefäßen, und von Blutungen.

Die Laparoskopie wurde am 19.3.1997 unter Vollnarkose von den Beklagten zu 1) und 2) durchgeführt. Der Beklagte zu 2) begann die Operation, indem er am unteren Nabelpol einen kleinen Einschnitt (Inzisionsschnitt) vornahm und die Verresnadel einzuführen versuchte. Der Beklagte zu 1) setzte den Eingriff dann fort. Er führte die Verresnadel ein, ließ durch sie 3 bis 3,5 Liter Gas in den Bauchraum einströmen und führte dann den ersten Trokar ein. Beim Einsetzen des Laparoskops erkannte der Beklagte zu 1) eine starke Blutung. Die Optik wurde entfernt und sofort eine vital indizierte Notoperation eingeleitet, bei der die Bauchhöhle durch einen großen Längsschnitt geöffnet wurde. Die Beklagten zu 1 und 2 fanden die rechte Hüftschlagader (arteria iliaca communis) an der Vorder- und Hinterseite verletzt sowie eine Perforation des Dünndarms vor. Nach notfallmäßiger Versorgung der Klägerin durch die Beklagten zu 1 und 2 zusammen mit dem chirurgischen Oberarzt der Beklagten zu 3 übernahm ein hinzugezogener Gefäßchirurg des Klinikums M... die Operation an der Arterie.

Die Klägerin, die vor dem Eingriff bereits drei Kaiserschnitte mit anschließender Sterilisation und eine weitere Laparotomie sowie eine Blinddarmoperation hinter sich hatte, befand sich bis zum 24.3.1997 auf der Intensivstation des Krankenhauses und wurde am 31.3.1997 als geheilt entlassen.

Die Klägerin hat vorgetragen:

Der Trokar sei zu tief in den Bauchraum eingeführt worden sei.

Sie sei zudem zu spät und in unzureichendem Umfang über die Risiken des Eingriffs aufgeklärt worden. Auf die Möglichkeit einer Verletzung der Hüftarterie und die daraus resultierende Gefahr des Todes habe man sie nicht hingewiesen, obwohl es sich um eine typische Gefahr handele. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte sie die Operation nicht durchführen lassen.

Durch die Notoperationsnarbe sei sie körperlich entstellt. Als Folge der Operation leide sie an einem Hörsturz im linken Ohr und unter heftigen Depressionen und Angstzuständen. Im Bereich der Narben habe sie Schmerzen und verspüre Juckreiz. Dauerschäden könnten nicht ausgeschlossen werden.

Die Klägerin hat beantragt:

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4% Zinsen seit Zustellung der Klage zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus der Operation der Klägerin im Krankenhaus der Beklagten zu 3 am 19.3.1997, entstanden und nicht auf Sozialversicherungsträgerübergegangen seien.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Passivlegitimation der Beklagten zu 2 gerügt und vorgetragen:

Die Entfernung zwischen der Bauchdecke und der Arterie hänge u.a. davon ab, inwieweit sich nach dem Einströmen des Gases die Bauchdecke von den Organen abhebe. Verwachsungen infolge von früheren Operationen o.ä. könnten dies nachteilig beeinflussen, ohne das der Operateur dies erkennen könne.

Der zunächst zuständige Einzelrichter hat die Klägerin persönlich angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Privatdozent Dr. H... nebst dessen mündlicher Erläuterung, letztere vor der erkennenden Einzelrichterin. Den Beklagte zu 2 als Partei sowie die Zeugin Dr. H... hat der vorher zuständige Einzelrichter vernommen. Die Klage ist sodann abgewiesen worden. Die Begründung lautet im Wesentlichen:

Die Klägerin habe einen Behandlungsfehler bei der Anlage des Pneumoperitonaeums bzw. beim Einführen des Arbeitstrokars nicht bewiesen.

Nach den Feststellungen der Sachverständigen sei die Perforatin der Arterie und des Darms mit größter Wahrscheinlichkeit - wegen des Ausmaßes der Verletzungen - durch den Trokar verursacht worden, indem er zu tief in den Bauchraum hineingedrückt worden sei. Der Sachverständige Dr. H... habe erklärt, dass es auch bei äußerster Vorsicht passieren könne, dass der Trokar, der mit Druck durch die Bauchdecke, deren Beschaffenheit von Mensch zu Mensch völlig verschieden ist, geschoben werden müsse, bei Erreichen des mit Gas gefüllten Bauchraumes plötzlich durchrutschen könne, weil der bisherige Widerstand entfalle. Eine noch so schnelle Gegenreaktion könne nicht immer verhindern, dass innenliegende Organe oder Gefäße hierdurch verletzt werden, zumal durch den ausgeübten Druck auf die Bauchdecke der Abstand zwischen ihr und den Organen verringert werde. Demzufolge könne das Vorgehen des Beklagten zu 1), beim Einführen des Trokars nicht als schuldhafter Behandlungsfehler qualifiziert werden. Vielmehr habe sich eine aus den Unwägbarkeiten des lebenden Organismus resultierende, nicht beherrschbare Gefahr verwirklicht. Nicht ganz auszuschließen sei, dass bereits beim Durchstechen der Bauchdecke mit der Verresnadel zunächst durch den Beklagten zu 2), sodann durch den Beklagten zu 1) die Perforationen verursacht wurden. Wegen der fehlenden Sicht auf die innenliegenden Organe wäre dies aber kein Behandlungsfehler. Zwar sei nicht dokumentiert, ob die zur Verfügung stehenden Tests zur richtigen Lage der Nadel hier durchgeführt wurden. Doch sei das Gericht der Ansicht, dass es hierauf nicht ankomme, da selbst für den Fall, dass schon die Nadel die Arterie und den Darm beschädigte, die Tests hieran nichts mehr hätten ändern können, da sie nach den Angaben der Sachverständigen nur den Sitz nach dem Einführen kontrollieren würden. Im übrigen habe der Sachverständige Dr. H... bei seiner Anhörung angegeben, dass es in der Praxis als ausreichend angesehen werde, wenn - wie hier - von einem "unproblematischen" Einführen berichtet werde.

Eine Haftung lasse sich weiterhin nicht daraus herleiten, dass in den Operationsberichten der Beklagten nicht im Einzelnen beschrieben sei, inwieweit sich die Bauchdecke nach Einströmen des Gases abgehoben habe. Der Sachverständige Dr. H... habe bei seiner Anhörung angegeben, dass für den Fall, dass das Pneumoperitonaeum nicht ausreichend ausgebildet gewesen sei (Dellen, kein sichtbares Aufblähen), der Einsatz des Trokars unter Druckanwendung hätte unterbleiben müssen, weil dies deutlich auf Verwachsungen hinweise, die das Risiko der Beschädigung der Bauchorgane stark erhöht hätten. Unter dieser Voraussetzung sei von einer vermeidbaren Komplikation und damit von einem Behandlungsfehler auszugehen. Hiervon sei aber nach den genügenden Angaben in dem Operationsbericht des Beklagten zu 1), wonach das Pneumoperitonaeum "problemlos" angelegt worden sei und das Gas, dessen Menge er für völlig ausreichend erachtete, ohne Widerstand einströmen konnte nicht auszugehen, vielmehr davon, dass sich ein genügendes Gaspolster zwischen den Organen und der Bauchdecke gebildet hatte. Die Dokumentation ergebe, dass die Gaspolsterdicke tatsächlich geprüft worden sei.

Die anschließende Notoperation einschließlich des zu ihrer Durchführung nötigen Bauchschnitts sei nach den Feststellungen der Sachverständigen ordnungsgemäß ausgeführt worden. Die Klägerin wende sich hiergegen nicht.

Die Einwilligung der Klägerin in den Eingriff sei wirksam. Ihr sei zum einen der Aufklärungsbogen zur Kenntnisnahme ausgehändigt, in dem auf die Möglichkeit der Verletzung von Blutgefäßen beim Einführen der Untersuchungsinstrumente und auf die Erhöhung des Risikos bei Verwachsungen hingewiesen werde. Des weiteren sei mit der Klägerin nach der Aussage des Beklagten zu 2) bei der Aufnahmeuntersuchung die Gefahr, dass wegen der Voroperationen Verwachsungen vorliegen und deshalb Bauchorgane (Magen, Darm, Gefäße) verletzt werden könnten, besprochen, wobei allerdings eine Verletzung des Darms im Vordergrund gestanden habe. Auf die Möglichkeit lebensgefährlicher Blutungen sei hier hinzuweisen gewesen. Denn nach Angabe der Sachverständigen in dem Gutachten handele es sich hierbei um ein typisches, wenn auch sehr seltenes Risiko der Laparoskopie. Für einen medizinischen Laien sei ein solches Risiko nicht ohne weiteres erkennbar. Das Wissen um eine derartige Gefahr sei auch entscheidend für die Willensentschließung eines Patienten, jedenfalls wenn es wie hier um einen nicht vital indizierten Eingriff zu diagnostischen Zwecken gehe. Das Gespräch am 18.3.1997 genüge dem. Die Zeugin habe bekundet, üblicherweise, wenn sie über die Möglichkeit der Verletzung von Gefäßen und des Auftretens von Blutungen spreche, auf Lebensgefahr hinzuweisen. Die Aufklärung sei auch rechtzeitig erfolgt.

Die Klägerin habe ihre Entscheidung durchaus eigenverantwortlich getroffen und etwa andere im Raum stehende Methoden abgelehnt.

Auf dieses Urteil wird Bezug genommen.

Gegen dieses ihr von Amts wegen am 18. März 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 17. April 2000 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel am 16. Juni 2000 innerhalb gewährter Fristverlängerung begründet. Sie verfolgt ihr erstinstanzliches Begehren weiter.

Die Klägerin rügt die tatsächliche und rechtliche Würdigung im angefochtenen Urteil:

Die Beklagten hätten aus dem Anamnesebogen von Verwachsungen gewusst und daher das erhöhte Eingriffsrisiko gekannt. Daher sei die Laparoskopie nicht die Methode der Wahl gewesen.

Wenn es durch ein Durchrutschen des Trokars zu einer Verletzung kommen könne, sei ein solcher Vorfall zu dokumentieren. Da dies nicht geschehen sei, sei insbesondere auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen davon auszugehen, dass dieses Gerät einfach zu tief in den Bauchraum gedrückt worden sei.

Der Schaden könne auch durch eine unsachgemäße Verwendung der Verresnadel entstanden sein.

Im Aufklärungsbogen fehle der Hinweis einer möglichen Lebensgefahr.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil der Einzelrichterin der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 13. März 2000 abzuändern und

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4% Zinsen seit Zustellung der Klage zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, die aus der Operation der Klägerin im Krankenhaus der Beklagten zu 3 am 19.3.1997, entstanden und nicht auf Sozialversicherungsträgerübergegangen seien.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und meinen unter anderem:

Die Auffassung, die Laparoskopie sei wegen des leicht erhöhten Risikos nicht Methode der Wahl gewesen, sei abwegig. Weltweit werde diese auch bei den hier maßgeblichen Verhältnissen angewandt.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze, Protokolle und die anderen Unterlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klägerin hat weder gegen die behandelnden Ärzte, die Beklagten zu 1 und 2, noch gegen die Beklagte zu 3 als Trägerin des Krankenhauses einen Anspruch auf Schadensersatz.

1. Der Anspruch gegen die Beklagte zu 3 scheitert schon daran, dass diese im Rahmen eines gespaltenen Krankhausvertrags als Belegkrankenhaus nicht die ärztlichen Leistungen im Fachbereich Gynäkologie schuldete (allgem. Meinung, vgl. nur Senat, OLGR 1999, 153 (nur LS) oder Geiß, Die Haftung des Belegarztes, in: Das Belegarztsystem, 1994, S. 91, 102, 104). Der Abschluss eines gespaltenen Krankenhausvertrags ergibt sich aus dem von der Klägerin unterschriebenen Aufnahmeantrag vom 18. März 1997. Auch für die Klägerin deutlich erkennbar steht dort, dass sich die Verpflichtung der Beklagten zu 3 nicht auf belegärztliche Leistungen erstreckte. Soweit bei der Notversorgung der Klägerin ein Oberarzt der Beklagten zu 3 aus deren chirurgischer Abteilung mitwirkte, ist dessen von der Klägerin auch nicht beanstandetes Vorgehen nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

2. Die Klägerin hat auch gegen die Beklagten zu 1 und 2 keinen Anspruch auf Schadensersatz.

a) Hinsichtlich eines vertraglichen Anspruchs ergibt sich allein aus den Angaben des Beklagten zu 2 bei dessen Parteivernehmung, dass er in vertraglicher Beziehung zur Klägerin stand. Aus diesen Angaben ergibt sich des Weiteren, dass er und der Beklagte zu 1 keine Gemeinschaftspraxis (vgl. zu diesem Aspekt im Zusammenhang mit belegärztlicher Tätigkeit BGH, Urteil vom 16. Mai 2000, VI ZR 321/98) betrieben haben, der Beklagte zu 1 - so auch der OP-Bericht - ihm bei der Operation lediglich assistiert hat. Ein vertraglicher Anspruch gegen den Beklagten zu 1 besteht schon aus diesem Grund nicht. Der Beklagte zu 2 haftet aus den nachfolgenden Erwägungen zur deliktischen Haftung ebenfalls nicht vertraglich.

b) Die Beklagten zu 1 und 2 haften der Klägerin auch nicht gemäß §§ 823, 847 BGB hinsichtlich des Beklagten zu 2 in Verbindung mit § 831 BGB.

aa) Die Klägerin stellt in der Berufung unstreitig, dass die Verresnadel nicht den Schaden herbeigeführt hat. Mit diesem Vortrag macht sie ihre Klage gegen den Beklagten zu 2 unschlüssig, soweit diese auf ein eigenes fehlerhaftes Vorgehen gestützt ist.

Nur wenn nicht vollends geklärt wäre, ob die Gefäßverletzung vom Beklagten zu 1 oder vom Beklagten zu 2 verursacht worden ist, ginge die Unklarheit gemäß § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zu Lasten der Klägerin. Der Sachverständige hat sich nicht sicher im Stande gesehen, das Einführen der Verresnadel durch den Beklagten zu 2 als auch durch den Beklagten 1 als Ursache auszuschließen. Lediglich hat er das Einführen des Trokars durch letzteren als wahrscheinliche Ursache für die Verletzung des Gefäßes angesehen. Eine verlässliche Feststellung hat der Sachverständige hierzu aber nicht treffen können.

Die Vorschrift des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB will dem Geschädigten Beweisschwierigkeiten zur Kausalität allein für solche Fälle einer Nebentäterschaft abnehmen, bei denen sich mehrere Personen deliktisch in dem Sinne verhalten haben, dass bis auf die Ursächlichkeit für den Verletzungserfolg sämtliche haftungsbegründenden Voraussetzungen erfüllt sind; es muss also der Tatbeitrag jedes einzelnen von ihnen zu einer rechtswidrigen Gefährdung der Schutzsphäre des Betroffenen geführt haben und er muss zur Herbeiführung der Verletzung geeignet gewesen sein. Die Norm des § 830 Abs. 1 Satz 2 BGB überbrückt also nicht auch Zweifel darüber, ob einem auf Schadensersatz in Anspruch Genommenen überhaupt eine rechtswidrige Handlung zur Last fällt, ob also (auch) er unerlaubt und mit Verletzungseignung in die Schutzsphäre des Betroffenen eingegriffen hat (vgl. BGHZ 55, 86, 92 f.; 89, 383, 399 f; BGHR BGB § 830 Abs. 1 Satz 2, Arzthaftung 1. Diese Unklarheit hat die Klägerin nun selbst beseitigt, in dem sie unstreitig gestellt hat, dass ihr Gefäß nicht von der Verresnadel verletzt worden ist.

Haften für den Beklagten zu 1 könnte der Beklagte zu 2 daher lediglich gemäß § 831 BGB. Auch wenn beide Ärzte Fachärzte im selben Fachgebiet sind, könnte hier von einer vertikalen Arbeitsteilung auszugehen sein, bei der der Beklagte zu 2 als behandelnder Arzt die Leitungsfunktion über den eigenverantwortlich handelnden Beklagten zu 1 hatte. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt ist der Sachverhalt zwar bisher nicht beurteilt worden. Es bedarf hierzu aber auch keines Hinweises gemäß § 278 Abs. 3 ZPO, weil ein Behandlungsfehler des Beklagten zu 1, für den der Beklagte zu 2 haften würde, nicht festgestellt werden kann.

bb) Die Klägerin hat ein gegen die Regeln der ärztlichen Kunst verstoßendes Vorgehen des Beklagten zu 1 nicht bewiesen.

Der Sachverständige hat dargelegt, dass eine Gefäßverletzung durch eine Verresnadel oder den ersten Trokar eine typische, insgesamt seltene, gleichwohl aber bekannte Komplikation einer Laparoskopie darstellt, die auch bei aller Sorgfalt nicht vermieden werden kann, weil diese Instrumente ohne Sichtkontrolle eingeführt werden müssen (vgl. außer die von den Beklagten angeführten Judikate des OLG Hamm AHRS 2240/2; OLG Düsseldorf, AHRS 2240/6 und OLG Saarbrücken, AHRS 2240/103 auch OLG München, OLGR 1999, 55). Die Verletzung eines Gefäßes indiziert daher kein fehlerhaftes Vorgehen des Arztes. Infolgedessen genügt der im Wesentlichen aufgrund einer vom Urteil abweichenden, keinesfalls aber zwingenden eigenen Beweiswürdigung gezogene Schluss der Klägerin, wenn das Pneumoperitonaeum ausreichend angelegt sei, wovon mit dem Sachverständigen auszugehen sei, könne die Verletzung nur durch ein zu tiefes Einführen des Trokars verursacht worden sein, nicht zum Beweis eines Fehlers.

Die Beweisnot der Klägerin wird nicht durch Beweiserleichterungen gelindert. Das Einbringen einer Verresnadel und des Trokars zur Durchführung einer Laparoskopie ist ein routiniertes und standardisiertes Verfahren, das üblicherweise nicht dokumentiert werden muss (vgl. OLG Hamm aaO). Die Dokumentation eines einzelnen Schritts ist daher nur dann erforderlich, wenn aus der Behandlungssituation heraus von der medizinisch gebotenen Regel abgewichen werden musste. Nicht die Regel, sondern die Ausnahme ist daher zu dokumentieren (vgl. BGH VersR 1989, 512; Senat VersR 1997, 1281).

Die gynäkologische Laparoskopie dient insbesondere der Inspektion der Beckenorgane. Das ein- oder mehrfach vorlaparotomierte Abdomen gilt keineswegs mehr als Kontraindikation, es stellt heute geradezu die klassische Indikation für den endoskopischen Eingriff dar. Der Verdacht auf Verwachsungen gehört zu den Indikationen für die diagnostische Laparoskopie (vgl. OLG München, OLGR 1999, 55).

Der Beklagte zu 1 haftet der Klägerin nicht für eine - nur unterstellt - ungenügende Aufklärung. Die Klägerin tritt dem Vorbringen des Beklagten zu 2 nicht entgegen, dass er der für die Behandlung der Klägerin zuständige Belegarzt gewesen sei. Dann war der Beklagte zu 1 aber nur zur Operation - in welchem arbeitsteiligem Verhältnis auch immer - hinzugezogen worden und konnte, die Einwilligung der Klägerin lag vor, von deren ordnungsgemäßer Aufklärung ausgehen. Anlass zu Zweifel oder zur Überprüfung brauchte er hier nicht zu haben.

Letztlich ist aber auch die Aufklärung durch den Beklagten zu 2 nicht zu beanstanden. Es kann dahinstehen, ob es über die Information der bloßen Möglichkeit einer solchen Organverletzung hinaus einer zusätzlichen vertiefenden Information möglicherweise dann bedurft hätte, wenn derartige Verletzungen sich in einer bedeutsamen Anzahl von Fällen ereignen und damit ein gewichtiges nachteiliges Merkmal derartiger Eingriffe darstellen (OLG München, OLGR 1994, 242) oder weil das Risiko, das sich verwirklichen konnte, bekanntermaßen lebensbedrohliche Ausmaße annehmen konnte. Mit auch den Rügen der Berufung standhaltender Beweiswürdigung hat die Einzelrichterin festgestellt, dass die der Klägerin von dem Beklagten zu 2 und der Assistenzärztin Dr. H... zu Teil gewordene Aufklärung genügend, insbesondere auch das Risiko einer eventuellen Lebensgefahr durch die Verletzung wichtiger Gefäße angesprochen worden war. Soweit die Einzelrichterin, die den Beklagten zu 2 und die Zeugin Dr. H... nicht selbst gehört hat, bei Verwendung der vom zuvor zuständigen Einzelrichter protokollierten Aussagen auch den Begriff der Glaubwürdigkeit gebraucht hat, handelt es sich nicht um eine Würdigung der Persönlichkeit der Beweisperson, sondern um die Auswertung objektiver Umstände, die mit der Aussage einhergehen, etwa, dass der Beklagte zu 2 auch auf für ihn ungünstige Umstände hingewiesen hat. Ebenfalls aufgrund des objektiven Aussagewertes vermag sich auch der Senat von Umfang und Inhalt der Aufklärung zu überzeugen und beanstandet diese nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar. Die Beschwer der Klägerin ist gemäß § 546 Abs. 2 Satz 1 ZPO festgesetzt worden.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 30.000 DM festgesetzt.

Ende der Entscheidung

Zurück