Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 13.03.2007
Aktenzeichen: 5 U 52/06
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 323
ZPO § 533 Nr. 2
ZPO § 767
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 5 U 52/06

Verkündet am: 13. März 2007

In dem Rechtsstreit

wegen Vollstreckungsabwehrklage u. a.,

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoffmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Geisert und Kratz auf die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2007

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 13. Juni 2006 teilweise geändert und insgesamt neu gefasst:

Die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. ... F... vom 30.12.1992, Urkundenrolle Nr.: .../92, wird für unzulässig erklärt, soweit die Beklagte Zahlungsrückstände bis einschließlich Juli 2004 geltend macht.

Die weitergehende Vollstreckungsabwehrklage wird abgewiesen.

Die notarielle Urkunde des Notars Dr. ... F... vom 30.12.1992, Urkundenrolle Nr.: .../92, wird in ihrer Ziff. VIII dahin abgeändert, dass der Kläger verpflichtet ist, anstatt 300 DM monatlich an die Beklagte für die Zeit ab Dezember 2005 monatlich 60 € zu zahlen.

Die weitergehende Abänderungsklage wird abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beklagte, die Mutter des Klägers, übertrug diesem mit Notarvertrag vom 30. Dezember 1992 im Wege vorweggenommener Nacherbfolge die zu einem Weingut in F... gehörenden Grundstücke.

In Teil VIII des Vertrages verpflichtete sich der Kläger u. a., an seine Mutter 300 DM monatlich für die Zeit ab 1. Januar 1997 zu zahlen, und zwar auf deren Lebenszeit. Dazu heißt es im Vertrag weiter: »Es handelt sich hierbei um eine Altenteilsvereinbarung. Gemäß § 323 ZPO sind die Beteiligten berechtigt, Anpassung an die veränderten wirtschaftlichen Verhältnisse zu verlangen, falls sich eine wesentliche wirtschaftliche Veränderungen ergeben sollte.« Der Kläger hat sich im Notarvertrag wegen der übernommenen Zahlungsverpflichtungen der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen unterworfen.

An dem mit übertragenen Hausgrundstück »...« in F... bestellte der Kläger der Beklagten vereinbarungsgemäß ein lebenslängliches und unentgeltliches Wohnungs-, Benutzungs- und Mitbenutzungsrecht am Erdgeschoss und zwei weiteren Zimmern im OG sowie Nebenräumen.

Der Kläger wendet sich gegen eine Vollstreckung aus der notariellen Urkunde wegen der übernommenen Zahlungsverpflichtungen in Höhe von 300 DM monatlich = 153,39 Euro für die Zeit ab Januar 2002.

Er hat geltend gemacht, bis September 2002 die Zahlungen erbracht zu haben und danach die Beklagte bis zur deren Aufnahme in ein Alten- und Pflegeheim im Dezember 2004 gemeinsam mit der Familie gepflegt zu haben.

Der Kläger hat beantragt,

die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde für unzulässig zu erklären und die notarielle Urkunde in Ziff. VIII dahin abzuändern, dass er nicht mehr verpflichtet sei, an die Beklagte monatliche Zahlungen in Höhe von 153,39 Euro zu erbringen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Einzelrichter des Landgerichts hat unter Abweisung der weitergehenden Klage die Zwangsvollstreckung für unzulässig erklärt wegen eines Betrages von 460,17 Euro für Januar bis März 2002 sowie eines Betrages in gleicher Höhe für die Zeit von Mai bis Juli 2004.

Der Kläger könne sich für die Zeit bis März 2002 mit Erfolg auf Erfüllung berufen, während weitere Zahlungen für die Zeit bis einschließlich September 2002 nicht bewiesen worden seien. Für Mai bis Juli 2004 sei die Inanspruchnahme des Klägers treuwidrig bzw. habe die Beklagte konkludent auf die Geltendmachung ihres Zahlungsanspruchs aus dem Notarvertrag verzichtet. Im Übrigen seien Vollstreckungsabwehrklage und Abänderungsklage unbegründet. Auf die weiteren Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung gegen das landgerichtliche Urteil noch vor:

Die Beklagte habe ihre Ansprüche über einen Zeitraum von 40 Monaten nicht geltend gemacht. Die Ansprüche seien deshalb verwirkt.

Die Abweisung der Abänderungsklage verkenne, dass die Beklagte überhaupt nicht bereit sei, dem Sohn des Klägers einen Bezug der Wohnung zu gestatten. Aus der Vermietung der mit dem Wohnrecht belasteten Wohnung könne er daher keine Einnahmen erzielen.

Der Kläger beantragt,

1. die Zwangsvollstreckung aus der notariellen Urkunde des Notars Dr. ... F... vom 30.12.1992, Urkundenrolle Nr.: .../92, für unzulässig zu erklären, soweit die Beklagte Zahlungsrückstände bis einschließlich Juni 2005 geltend macht;

2. die notarielle Urkunde des Notars wird unter Ziff. 8. dahingehend abzuändern, dass er ab 1.12.2005 nicht mehr verpflichtet ist, an die Beklagte monatliche Zahlungen in Höhe von 300 DM = 153,39 Euro zu erbringen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers führt - nach teilweiser Änderung des Klagebegehrens in eine Abänderungsklage - zu einem Teilerfolg. Für den Zeitraum bis einschließlich Juli 2004 ist eine Vollstreckung der Beklagten aus der notariellen Urkunde wegen des Leibrentenversprechens insgesamt unzulässig. Für die Zeit ab Dezember 2005 führt die im Berufungsverfahren erhobene Abänderungsklage zu einer Herabsetzung der Zahlungsverpflichtung des Klägers.

1. Die Abänderungsklage betreffend die Leibrentenverpflichtung ab Dezember 2005 begegnet keinen verfahrensrechtlichen Bedenken. Eine in der Antragsänderung liegende Klageänderung ist insbesondere nach § 533 Nr. 2 ZPO deshalb zulässig, weil neuer Tatsachenstoff damit nicht erstmals ins Berufungsverfahren eingeführt wird.

Der Kläger hat ursprünglich nebeneinander Vollstreckungsabwehrklage und Abänderungsklage die gleichen Zeiträume betreffend erhoben. Den Zulässigkeitsbedenken insoweit hat der Kläger nach Hinweis des Senats Rechnung getragen und für den Zahlungszeitraum bis einschließlich Juni 2005 seinen Klageantrag auf § 767 ZPO, für die Zeit ab Dezember 2005 auf § 323 ZPO gestützt. Insoweit sind die beiden Klagen nebeneinander statthaft und verfahrensrechtlich unproblematisch. Da sich die Abänderungsklage nicht gegen ein Urteil richtet, ist es hinsichtlich der Abänderungsklage wegen der Zahlung für Dezember 2005 auch nicht erheblich, dass die Zustellung der Klage erst am 7. Dezember 2005 erfolgte (§§ 323 Abs. 4, Abs. 3 Satz 1 ZPO).

2. Der Kläger kann sich zur Begründung der Vollstreckungsabwehrklage nicht nur auf die vom Landgericht berücksichtigten Einwendungen - Erfüllung und Verzicht - berufen. Betreffend die Leibrente für die Zeit bis einschließlich Juni 2004 hat die Beklagte ihre Ansprüche wegen illoyal verspäteter Geltendmachung verwirkt (§ 242 ZPO).

Für die Anwendung dieser Grundregel von Treu und Glauben auf das Leibrentenversprechen des Klägers zieht der Senat unterhaltsrechtliche Maßstäbe heran. Hierfür ist maßgeblich, dass die Vereinbarung in erster Linie die Unterhaltssicherung für die Beklagte, nicht aber den vermögensrechtlichen Leistungsaustausch zwischen den Parteien bezweckt. Die Übertragung des Weinbaubetriebes im Wege vorweggenommener Erbfolge gegen die Bestellung eines lebenslangen Wohnungsrechtes verbunden mit einem gestaffelten Leibrentenversprechen spricht hierfür. Insbesondere die Bezeichnung als Altenteilsvereinbarung und die Vereinbarung der Abänderbarkeit sind Belege gegen einen vorrangig bezweckten Vermögensaustausch und für den Versorgungscharakter als maßgebende Grundlage (vgl. dazu etwa Münchner Kommentar/Habersack, BGB, 4. Aufl., § 759 Rdnr. 18).

Es spricht nichts entscheidend dagegen, die Grundsätze zur Verwirkung rückständigen Unterhalts vorliegend entsprechend anzuwenden. Die Interessenlage beider Parteien ist einer Vereinbarung von Unterhaltszahlungen vergleichbar. Ein der Unterhaltssicherung dienender Anspruch ist zeitnah geltend zu machen, da andernfalls der berechtigte Eindruck entsteht, der Unterhaltsbedarf sei anderweitig gedeckt. Ein erhebliches Anwachsen der Ansprüche im Laufe der Zeit soll zum Schutz des Pflichtigen weitgehend vermieden werden. Aus dem Einwand der Beklagten, hier handle es sich im Gegensatz zu Unterhaltsansprüchen um vertraglich vereinbarte Forderungen, lässt sich nichts anderes herleiten. Insbesondere die aus steuerrechtlichen Gründen erforderliche Abgrenzung zwischen Leibrente und Unterhaltsrente (vgl. Münchner Kommentar/Habersack a. a. O., Rdnr. 17) steht einer entsprechenden Anwendung dieser - gegenüber den allgemeinen Verwirkungsvoraussetzungen strengeren - Maßstäben ebenfalls nicht entgegen.

Für die Verwirkung wird maßgebend auf den Ablauf einer Mindestzeit ohne eine Geltendmachung des Anspruchs abgestellt. Für Unterhaltsansprüche ist dabei ein Zeitraum von mehr als einem Jahr ausreichend (BGH FamRZ 2004,531). An das Umstandsmoment sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Eine Titulierung des Anspruchs rechtfertigt insoweit keine anderen Maßstäbe (BGH a. a. O.). Seit der Zahlungseinstellung im Jahr 2002 hat die Beklagte erstmals im Juli 2005 den Kläger zur Wiederaufnahme der Zahlungen aufgefordert. Sie hat somit rund drei Jahre verstreichen lassen, ohne ihren Anspruch geltend zu machen. Der Verwirkungseinwand ist daher begründet, soweit die Ansprüche länger als ein Jahr vor dem Zahlungsverlangen fällig wurden.

3. Die für die Zeit ab Dezember 2005 erhobene Abänderungsklage ist zulässig und teilweise begründet.

Die Möglichkeit der Erhebung der Abänderungsklage nach § 323 ZPO ist in der notariellen Vereinbarung der Parteien ausdrücklich eröffnet worden.

Die Auffassung des Landgerichts, der Kläger könne Mieteinnahmen erzielen, weil die Beklagte ihr Wohnungsrecht nicht ausübe, trägt die Klageabweisung insoweit nicht. Der Kläger bezieht entsprechende Einkünfte nicht. Es war in der Berufungsverhandlung auch unstreitig, dass er die Erdgeschosswohnung, für welche das persönliche Gebrauchsrecht der Beklagten u. a. besteht, nur nach einem Umbau zur Herstellung der Abgeschlossenheit und Renovierungsmaßnahmen fremdvermieden kann. Eine in Aussicht gestellte Anmietung durch den Sohn des Klägers kam nicht zu Stande.

Grundlage des Leibrentenversprechens ist die Übertragung des Weinbaubetriebes von der Beklagten auf den Kläger. Die Beklagte soll auf Lebenszeit an dem wirtschaftlichen Ertrag des Betriebes - ohne wesentliche wirtschaftliche Veränderung in der vereinbarten Höhe - weiter teilhaben. Diesem Interesse der Vertragsparteien entsprechend ist eine Anpassung an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse in Bezug auf den betrieblichen Ertrag vorzunehmen. Denn sonstige Grundlagen für ein Abänderungsverlangen nach § 323 ZPO - insbesondere sonstige wirtschaftliche Verhältnisse der Vertragsparteien - wurden im Notarvertrag nicht vereinbart und sind auch im Übrigen nicht erkennbar.

Der Kläger erzielte im Jahr 1992, in welchem auch die Übergabe des Betriebes erfolgte, Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von rund 50.000 DM. Seit seiner Erwerbsunfähigkeit betragen seine Einkünfte aus der Verpachtung von Betriebsflächen 4.034,38 Euro, aus eigenem Weinbau ca. 5.250 € und aus Brennrechten zirka 800 €, zusammen rund 10.000 € jährlich. Bei einer Anpassung der Leibrente an den Rückgang der betriebsbezogenen Einkünfte auf rund 39 Prozent (10.000 €/50.000 DM = 25.565 €) verbleibt ein Anspruch der Beklagten in Höhe von 60 € monatlich (300 DM*39 Prozent = 117 DM).

Der Kläger kann eine weitergehende Änderung nicht unter Hinweis auf seine fehlende Leistungsfähigkeit beanspruchen.

Die Leistungsfähigkeit ist bei einem Leibrentenversprechen - anders als bei einem Anspruch auf Unterhalt - keine tatbestandliche Voraussetzung für eine Geltendmachung durch den Berechtigten (Bamberger/Roth/Litzenburger, BGB, § 759 Rdnr. 4). Gleichwohl kommt, wenn wie hier die Unterhaltssicherung im Vordergrund steht, dem Interesse des Schuldners an einer Schonung seiner Existenzgrundlage größeres Gewicht zu und kann den Rentenanspruch auch gänzlich entfallen lassen (Senat, Urteil vom 11. 7. 2006, 5 UF 25/06, mit weiteren Nachweisen).

Hier ist die Existenzgrundlage des Klägers und seiner (gegenüber der Beklagten auch vorrangig) unterhaltsberechtigten Ehefrau bei seinem jetzigen Einkommen und nach einer Herabsetzung der Zahlungsverpflichtung auf 60 € nicht tangiert.

Seit November 2005 bezieht der Kläger eine Erwerbsunfähigkeitsrente in Höhe von 427 € monatlich. Insgesamt verfügt der Kläger mit den oben angegebenen gewerblichen Einkünften über ein monatliches Einkommen von rund 1267 €. Auch wenn Vorsorgeaufwendungen, zu denen nichts vorgetragen ist, unberücksichtigt bleiben, reichen diese Einkünfte zusammen mit denen seiner Ehefrau von 130 € in Monatsdurchschnitt (390 € monatlich in den Sommermonaten) und dem Gebrauchswert des ihm übertragenen Wohnhauses aus, den notwendigen (unterhaltsrechtlichen) Eigenbedarf des nicht erwerbstätigen Klägers und seiner teilweise erwerbstätigen Ehefrau in Höhe von 1370 € monatlich (770 € plus einem Mittelwert von 600 € für die Ehegattin) zu decken. Insgesamt stehen ihnen 1397 € zuzüglich des Wohnwertes des Hauses, jedenfalls des von ihnen genutzten Teilbereichs, zur Verfügung. Damit besteht die Gefahr einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Existenz nicht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1,97 Abs. 1, 269 Abs. 3 ZPO.

Das Urteil ist nach §§ 708 Nr. 10,713 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Gründe, nach § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.651,71 Euro festgesetzt (89*153,39 €, einschließlich 47 Monate Rückstand bei Klageeinreichung) § 9 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück