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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 20.06.2000
Aktenzeichen: 5 UF 20/00
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1821 Abs. 1 Nr. 5
BGB § 1828
Leitsatz:

Der familiengerichtliche Genehmigungsvorbehalt ist eine Ausnahme vom Grundsatz der elterlichen Autonomie, welche die ungeschmälerte Vertretungsmacht beinhaltet. Die Genehmigung darf daher nur versagt werden, wenn das in Aussicht genommene Geschäft nach den im Zeitpunkt der Entscheidung zu beurteilenden Gesamtumständen, das sind alle möglichen Vor- und Nachteile, nicht dem Interesse des Kindes entspricht. Vorteile, Risiken, Erträge und Aufwendungen sind abzuwägen. Den Eltern verbleibt dabei eine Dispositionsbefugnis, die nur beschränkt zur Überprüfung des Familiengerichts steht. Nicht jedes Risiko von dem unter elterlicher Sorge stehenden Kind ferngehalten werden: Zur Anwendung dieses Grundsatzes beim Erwerb von Wohnungseigentum für das Kind, das die Eltern finanzieren und sich dazu die Mieterträge abtreten lassen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

5 UF 20/00 42 FH 19/99 AmtsG -FamG- Speyer

In der Familiensache

betreffend die familiengerichtliche Genehmigung eines auf den entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks gerichteten Vertrags durch das minderjährige Kind

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch die Richter am Oberlandesgericht Hoffmann, Goldstein und Weisbrodt auf die befristete Beschwerde der Eltern des Kindes vom 29. Juni 1999, beim Beschwerdegericht am 4. August 1999 eingegangen, begründet am 4. August 1999, gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Speyer vom 16. Juni 1999 ohne mündliche Verhandlung am 20. Juni 2000

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die Beschwerde wird der angefochtene Beschluß geändert:

Für die Eltern des Kindes..., wird der durch Urkunde des Notars Beklagte... geschlossene Kaufvertrag familiengerichtlich genehmigt.

2. Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 125.000 DM festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Eltern des betroffenen Kindes wollen für dieses ein eigentumsgleiches Recht an einer in B. belegenen Wohnanlage (im Folgenden: Miteigentumsanteil), die bereits seit mehreren Jahren dem Betrieb eines Wohnstiftes dient, kaufen und haben um familiengerichtliche Genehmigung der im Tenor bezeichneten notariellen Urkunden, die der Ergänzungspfleger genehmigt hat, gebeten.

Auf dem Miteigentumsanteil, den das Kind erwerben will, sollen nur in Abteilung II des Grundbuchs eingetragene Dienstbarkeiten bestehenbleiben. Der Verkäufer hat sich verpflichtet, für die Löschung der noch eingetragenen Grundschuld auf seine Kosten zu sorgen.

Der Kaufpreis von 125.000 DM soll durch ein Darlehen aufgebracht werden, das die Eltern, die für den Kaufpreis gesamtschuldnerisch neben dem Kind haften, eigenen Namens aufgenommen haben. Dieses Darlehen ist durch eine auf dem im Grundbuch von Waldsee Blatt 431 eingetragenen Grundstück lastende Grundschuld über 350.000 DM gesichert.

Das Kaufpreisdarlehen soll in monatlichen Annuitäten von 900 DM aus dem Reinertrag der Nutzung des zu erwerbenden Miteigentumsanteils, das ist die aus einer Miete von derzeit 1.017,94 DM nach Abzug des Wohngeldvorschusses von derzeit monatlich 82,54 DM und der anteiligen Kosten der Verwaltung von derzeit monatlich 26,68 DM verbleibende Nettomiete von derzeit 908,72 DM, getilgt werden. Reicht der Mietzins hierfür nicht aus, haben sich die Eltern des Kindes als Darlehensnehmer diesem gegenüber verpflichtet, unter Verzicht auf das Recht der Rückforderung das Darlehen aus eigenem Vermögen zu tilgen.

Die Abtretung der Mietzinsforderung des Kindes an seine Eltern wurde für den zu diesem Zwecke bestellten Ergänzungspfleger vormundschaftsgerichtlich genehmigt (7b VIII 22/99 Amtsgericht -Vormundschaftsgericht- Speyer mit Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 20. April 2000, 5 T 42/00).

Das Familiengericht hat durch Beschluß vom 16. Juni 1999 die Genehmigung des Kaufvertrags versagt, weil auf längere Zeit keine Prognose dafür gestellt werden könne, dass die Mieteinnahmen in der erwarteten Höhe zur Verfügung stünden. Dann falle aber ins Gewicht, dass das Kind für den Kaufpreis hafte. Für eigene Zwecke könne das Kind den Vertragsgegenstand nicht nutzen. Unklar sei auch, woraus die in § 5 des Vertrags vom Käufer zu tragenden Erschließungskosten aufgebracht würden. Auf diesen Beschluss, der den Eltern des Kindes nur formlos bekannt gemacht worden ist, wird Bezug genommen.

Mit ihrem als Widerspruch bezeichneten und beim Familiengericht eingelegten Rechtsbehelf bitten die Eltern des Kindes weiterhin um Erteilung der beantragten Genehmigung. Das Familiengericht hat das Verfahren am 22. Juli 1999 dem Landgericht Frankenthal (Pfalz) vorgelegt. Dieses hat es sodann an das Pfälzische Oberlandesgericht weitergeleitet. Hier ist es am 4. August 1999 eingegangen.

II.

Gemäß § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO i. V. m. § 621 e ZPO ist die Verweigerung der gemäß §§ 1643 Abs. 1, 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB erforderlichen familiengerichtlichen Genehmigung zu einem Vertrag, der auf den entgeltlichen Erwerb eines Grundstücks, eines eingetragenen Schiffs oder Schiffsbauwerks oder eines Rechts an einem Grundstück durch ein minderjähriges Kind gerichtet ist, mit der befristeten Beschwerde anfechtbar. Die Genehmigung des Familiengerichts zu einer Maßnahme im Sinne von § 1643 BGB ist eine Familiensache im Sinne des § 621 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 21. Aufl., Rdn. 33 c; FamRefK/Hoffmann, § 621 ZPO, Rdn. 4 a.E.). Die hierauf gerichtete Entscheidung ist als Endentscheidung mit der befristeten Beschwerde anfechtbar (vgl. Zöller/Philippi aaO, § 621 e, Rdn. 5 ff). Das als "Widerspruch" bezeichnete Rechtsmittel der Eltern des Kindes ist - die Fehlbezeichnung ist unschädlich - als befristete Beschwerde auszulegen und nach Weiterleitung an den Senat am 4. August 2000 (Eingang beim Oberlandesgericht) eingelegt worden. Die Einlegung des Rechtsbehelfs geschieht Namens des Kindes (vgl. nur Palandt-Diederichsen, BGB, § 1828, Rdn. 8).

Die Eltern sind gegen die Versäumung der gemäß §§ 621 e Abs. 3, 516 ZPO einzuhaltenden Beschwerdefrist gemäß § 236 ZPO auch ohne Antrag in den vorigen Stand zu setzen. Die Partei darf darauf vertrauen, dass eine Schriftsatz noch fristgerecht beim Rechtsmittelgericht eingehen werde, wenn dieser dem bis dahin mit der Sache befasst gewesenen Gericht so zeitig vorlag, dass die rechtzeitige Weiterleitung an das Gericht, bei dem das Rechtsmittel zulässigerweise eingelegt werden kann, im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres zu erwarten war (Senat, Beschluss vom 7. Juli 1999, 5 WF 70/99). Dass dies nicht rechtzeitig geschah, hatte hier seinen Grund darin, dass der Rechtspflegerin unklar war, welches Gericht über die befristete Beschwerde zu entscheiden hat und sie deshalb das Verfahren dem dafür unzuständigen Landgericht vorgelegt hat. Verzögerungen, die nur durch den Geschäftsgang des Gerichts verursacht sind, gereichen der betroffenen Partei regelmäßig nicht zum Nachteil (vgl. BGH BGHR ZPO § 270 Abs. 3, demnächst 3, 10; Senat, Urteil vom 8. Dezember 1998, 5 U 14/98).

Die Beschwerde ist begründet.

Den Eltern ist gemäß §§ 1821 Abs. 1 Nr. 5, 1828 BGB die familiengerichtliche Genehmigung für die im Tenor näher bezeichneten Verträge zu erteilen. Diese ist vom Familiengericht mit nicht tragenden Erwägungen versagt worden.

Der familiengerichtliche Genehmigungsvorbehalt ist eine Ausnahme vom Grundsatz der elterlichen Autonomie, welche die ungeschmälerte Vertretungsmacht beinhaltet. Die Genehmigung darf daher nur versagt werden, wenn das in Aussicht genommene Geschäft nach den im Zeitpunkt der Entscheidung zu beurteilenden Gesamtumständen, das sind alle möglichen Vor- und Nachteile, nicht dem Interesse des Kindes entspricht. Vorteile, Risiken, Erträge und Aufwendungen sind abzuwägen. Den Eltern verbleibt dabei eine Dispositionsbefugnis, die nur beschränkt zur Überprüfung des Familiengerichts steht. Sie entscheiden, ob und welche Maßnahme für das Kind getroffen werden soll (BVerfGE 24, 144). Durch den Genehmigungsvorbehalt soll auch nicht jedes Risiko von dem unter elterlicher Sorge stehenden Kind ferngehalten werden (vgl. nur Soergel-Damrau, BGB § 1828, Rdn. 8; MüKommSchwab, BGB, § 1828, Rdn. 15 f, Palandt-Diederichsen, BGB, 1828, Rdn. 4; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 60, IV S. 956).

Die Sorge, der beabsichtigte Kauf diene nicht dem Interesse des Kindes, ist hier nicht begründet.

Nach der Gestaltung des Kaufvertrags werden von dem Kind für die Aufbringung des Kaufpreises keine eigenen Mittel, außer den nebenkostenbereinigten Erträgnissen aus dem Kaufgegenstand, verlangt. Es ist kein der Genehmigung entgegenstehender Belang, dass das Kind gesamtschuldnerisch für den Kaufpreis mithaftet. Die persönliche Haftung ist für sich allein kein Grund, die familiengerichtliche Genehmigung zu versagen (vgl. OLG Hamm, BB 1983, 791; BayObLG, Rpflg 1977, 60, beide zur Haftung gemäß § 176 Abs. 2 HGB). Hier wird der Kaufpreis mit Erteilung der familiengerichtlichen Genehmigung fällig und ist mit dem Darlehen, das die Eltern aufgenommen haben und für das diese allein haften, zu erfüllen. Bei vertragsgerechter Abwicklung wird die gesamtschuldnerische Haftung des Kindes gegenüber dem Verkäufer nicht zum Tragen kommen, weil der Kaufpreisanspruch durch die Tilgung der Eltern erlischt. Im Innenverhältnis soll das Kind gegenüber den Eltern nur mit den bereinigten Mietzinseinnahmen haften (§ 4 des Vertrags). Die insoweit bestehenden und den Eltern des Kindes in der Zwischenverfügung vom 20. August 1999 geäußerten Bedenken wegen der fehlenden Vertretungsbefugnis betreffend die Abtretung der Mietzinsforderung sind durch die Beteiligung eines Ergänzungspflegers, dessen Handeln hier auf das Abtretungsgeschäft beschränkt und gemäß § 1812 Abs. 3 BGB vormundschaftsgerichtlich genehmigt ist, ausgeräumt. Nachteile für das Kind sind auch nicht aus der Kaufpreisfinanzierungsvollmacht zu erwarten. Das Kaufpreisdarlehen ist nicht durch eine Belastung des Kaufgegenstandes gesichert, sondern durch die Belastung eines anderen Grundstücks. Wer Eigentümer dieses Grundstücks ist, ist hier unerheblich. Wäre das Kind Eigentümer, wäre in einem anderen Verfahren eine Genehmigung erforderlich. Im übrigen ist die Belastung eines Grundstücks vor dem Übergang des Eigentums auf das Kind genehmigungsfrei (BGH, FamRZ 1998, 24). Das Kind kann daher Eigentum an einem grundstücksgleichen Recht erwerben, ohne eigenes Vermögen einsetzen zu müssen. Demgegenüber ist das Risiko, bei einem Wertverlust der Mietgarantie oder einer in weiter Zukunft unsicheren Vermietungsgelegenheit, so gering zu bewerten, dass die Beschränkung der elterlichen Autonomie nicht gerechtfertigt ist. Dass das Kind in dem Vertragsgegenstand nicht wohnen kann, hindert nicht die Nutzbarkeit zu anderen Zwecken, etwa der Vermögensbildung.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 13 a FGG, 131 Abs. 3 KostO. Der Wert des Beschwerdeverfahrens ist gemäß § 95 KostO festgesetzt worden.

Ende der Entscheidung

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