Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 18.11.2003
Aktenzeichen: 5 UF 200/02 (1)
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 323
ZPO § 524 Abs. 2 Satz 2
Eine Anschlussberufung kann auch nach Ablauf der Anschließungsfrist noch in zulässiger Weise eingelegt werden, wenn aufgrund eingetretener Veränderungen zugunsten des sich Anschließenden die Voraussetzungen einer Abänderungsklage vorliegen.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil

Aktenzeichen: 5 UF 200/02

Verkündet am: 18. November 2003

In der Familiensache

wegen nachehelichen Unterhalts (abgelehnte Folgesache),

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoffmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Geisert und Kratz

auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Antrasgegners und die Anschlussberufung der Antragstellerin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Speyer vom 4. November 2002 teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Der Antragsgegner wird verurteilt, an die Antragstellerin als nachehelichen Unterhalt monatlich, künftig monatlich im Voraus, folgende Renten zu zahlen:

a) ab Rechtskraft der Ehescheidung (18. Juli 2002) bis einschließlich Januar 2d03: 465,- EUR;

b) für Februar 2003 bis Juni 2003: 567,- EUR;

c) ab Juli 2003: 630,- EUR:

Der weitergehende Unterhaltsantrag der Antragstellerin wird abgewiesen.

II. Im Übrigen wird die Berufung des Antragsgegners zurückgewiesen.

III. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges bleibt es bei der Entscheidung des Familiengerichts.

Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Antragsgegner zu 95 % und die Antragstellerin zu 5 % zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beiden Parteien wird nachgelassen, eine Vollstreckung des Gegners durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet wird.

V. Gegen das Urteil wird die Revision für den Antragsgegner zugelassen betreffend die mit der Anschlussberufung verfolgten Unterhaltsansprüche.

Tatbestand:

Die am 22. Februar 1985 geschlossene und kinderlos gebliebene Ehe der Parteien ist seit 18. Juli 2002 rechtskräftig geschieden.

Die Antragstellerin beansprucht im vorliegenden, aus dem Scheidungsverbund abgetrennten Verfahren nachehelichen Unterhalt.

Die Parteien haben sich im November 2000 getrennt.

Die Antragstellerin war als staatlich anerkannte Diplom-Fachkosmetikerin bis einschließlich Februar 2002 nicht selbständig berufstätig. Nach kurzer Arbeitslosigkeit hat sie sich zum 1. Juli 2002 in ihrem Beruf selbständig gemacht. Sie bezog zu Anfang ein Überbrückungsgeld des Arbeitsamts in Höhe von 1 126,25 EUR monatlich. In dieser Höhe lässt sie sich Erwerbseinkünfte auch weiterhin (zumindest fiktiv) anrechnen.

Die Antragstellerin war Alleineigentümerin des Anwesens ... in ..., in welchem sich neben der Ehewohnung eine weitere Mietwohnung und Geschäftsräume befanden. Die bestehenden Ratenverpflichtungen auf Finanzierungsdarlehen überstiegen die von der Antragstellerin bezogenen Miet- und Pachteinnahmen. Auf einen vom Antragsgegner in der Ehe aufgenommenen Kredit bei der Hypo-Vereinsbank zahlt die Antragstellerin monatlich 255,65 EUR ab. Für ihre Krankenversicherung wendet sie monatlich 306,02 EUR auf. Sie hat PKH-Raten im Scheidungsverbundverfahren und im Verfahren wegen Trennungsuntemalts zu zahle.

Der Antragsgegner war Geschäftsführer der ... GmbH sowie der Firma ... Handelsgesellschaft mbH, über deren Vermögen im November 1999 Insolvenzverfahren eröffnet wurden. Mit Strafbefehl vom 15. Januar 2002 wurde gegen den Antragsgegner eine Freiheitsstrafe u. a. wegen Insolvenzverschleppung und Beitragsvorenthaltung verhängt. Im Rahmen der Bewährungsauflagen hat er an verschiedene Krankenkassen monatlich insgesamt 225,- EUR zu zahlen. Die Antragstellerin hat den Antragsgegner wegen Missbrauchs einer Vollmacht auf Rückzahlung von rund 375 000,- EUR gerichtlich in Anspruch genommen. Der Antragsgegner hat in diesem Verfahren und im Scheidungsverbundverfahren sowie im Trennungsunterhaltsverfahren PKH-Raten in unterschiedlicher Höhe zu zahlen. Auf darlehensweise gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt zahlt er seit Oktober 2001 monatlich 25,56 EUR ab. Seit April 2001 ist der Antragsgegner bei einer E... Firma erwerbstätig.

Die Antragstellerin hat vorgetragen, der Antragsgegner beziehe unter Berücksichtigung eines 13. Monatsgehalts monatlich durchschnittlich 2 169,- EUR netto; nach Abzug einer Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen von 5 % betrage das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen 2 060,55 EUR. Ihr selbst verbleibe nach Bedienung der die Mieteinnahmen übersteigenden Hauslasten und des Kredits bei der Hypo-Vereinsbank kein positives Einkommen.

Auf dieser Grundlage hat die Antragstellerin einen Nachscheidungsunterhalt in Höhe von 790,-- EUR monatlich ab Rechtskraft der Ehescheidung geltend gemacht.

Der Antragsgegner ist dem entgegengetreten und hat die Bedürftigkeit der Antragstellerin bestritten. Insbesondere sei sie verpflichtet, die hoch verschuldete Immobilie zu veräußern, wodurch sie in der Lage sei, ihren Unterhaltsbedarf selbst zu decken. Er selbst sei für Ehegattenunterhalt nicht leistungsfähig. Er habe für eine Lebensversicherung 141,59 EUR, für ein Privatdarlehen zum Ausgleich von betrieblichen Rückständen bei Krankenkassen monatlich 100,- EUR und 200,- EUR monatlich ab Oktober 2002 an das Finanzamt zu zahlen.

Das Familiengericht hat den Antragsgegner unter Abweisung des weitergehenden Antrags zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts in Höhe von 567,- EUR ab Rechtskraft der Ehescheidung verurteilt. Der ungedeckte eheangemessener Bedarf betrage nach den beiderseitigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen 537,-- EUR zuzüglich eines trennungsbedingten Mehrbedarfs von 30,- EUR wegen zu zahlender Prozesskostenhilfe-Raten. In dieser Höhe sei der Antragsgegner auch leistungsfähig.

Der Antragsgegner hat gegen dieses ihm am 8. November 2002 zugestellte Urteil am 5. Dezember 2002 Berufung eingelegt und diese am 6. Januar 2003 begründet.

Der Antragsgegner trägt zur Begründung vor, die Antragstellerin habe ihre Bedürftigkeit bislang nicht schlüssig dargelegt, da sie die Einkünfte aus dem von ihr nunmehr betriebenen Kosmetikstudio nicht ausreichend dargelegt habe. Wenn die Antragstellerin entsprechend ihrer unterhaltsrechtlichen Obliegenheit das Anwesen ... in ... Anfang des Jahres 2003 für lediglich 461 000,- EUR veräußert habe, sei darin eine Verschleuderung von Vermögenswerten zu sehen. Nach den eigenen Angaben der Antragstellerin sei von einem Grundstückswert von 650 000,- EUR auszugehen, so dass auch nach Begleichung der von der Antragstellerin angegeben Darlehenslasten ein Überschuss von rund 250 000,- EUR hätte erzielt werden können. Die Antragstellerin müsse sich fiktive Zinseinkünfte hieraus zurechnen lassen. Auch die Eigentumswohnungen, die er der Antragstellerin 1998 schenkungsweise übertragen habe, habe die Antragstellerin weit unter Wert an ihre Tochter veräußert und auch hierdurch vorhandenes Vermögen verschwendet.

Das Familiengericht habe darüber hinaus zu Unrecht die von ihm zu leistenden Ratenzahlungsverpflichtungen, Lebensversicherungsprämie und Bewährungsauflage außer Acht gelassen.

In einem gerichtlichen Vergleich beim Landgericht Frankenthal (Pfalz) habe er sich gegenüber der Antragstellerin zur Zahlung von insgesamt 70 000,- EUR in halbjährlich zu erbringenden Raten in Höhe von 5 000,- EUR verpflichtet (unstreitig). Die Ratenzahlungen von März und September 2003 in dieser Höhe würden sowohl die Bedürftigkeit der Antragstellerin als auch seine Leistungsfähigkeit jeweils beeinflussen.

Der Antragsgegner beantragt,

das angefochtene Urteil in seiner Ziffer 1. abzuändern und die Klage auf Zahlung nachehelichen Unterhalts abzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nach Zustellung der Berufungsbegründung am 8. Januar 2003 und teilweiser Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Beschluss des Senats vom 19. September 2003 beantragt die Antragstellerin gemäß Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 26. September 2003 im Wege der Anschlussberufung, das angefochtene Urteil zu ändern und den Antragsgegner zu verurteilen, an sie ab Juli 2003 monatlich, jeweils im Voraus, 630,-- EUR zu zahlen.

Sie trägt dazu vor, sie habe nach den vorliegenden betriebswirtschaftlichen Auswertungen für ihr Unternehmen bisher keinen unterhaltsrechtlich relevanten Gewinn erzielt. Sie habe bis zu ihrem Auszug aus dem Anwesen ... für die Nutzung der früheren Ehewohnung ab Februar 2003 Miete an den Käufer gezahlt. Ein höherer Verkaufserlös als die erzielten 461 000,- EUR sei nicht zu realisieren gewesen. Mit dem Verkaufserlös habe sie die Grundstückslasten sowie weitere Verbindlichkeiten, u. a. Bankverbindlichkeiten zum Ausgleich von Steuerrückständen, beglichen.

Aus dem Verkauf der Eigentumswohnung an die Tochter habe sie 190 000,- DM erhalten, die zur Ablösung der Grundstückslasten verwendet worden seien. Sie sei damals in finanzieller Bedrängnis gewesen, so dass eine Ablösung der Darlehen erforderlich gewesen sei. Die Tochter habe die Wohnung mit ihrem Ehemann bereits in der Vergangenheit mietfrei genutzt. Durch den Bau von Sozialbauten in der Nachbarschaft sei in der Vergangenheit ein Wertverlust dieser Wohnungen eingetreten.

Das Familiengericht habe das unterhaltsreichtliche Einkommen des Antragsgegners insoweit unzutreffend ermittelt, als es für die private Nutzung eines Firmenfahrzeugs allein den steuerlichen Nachteil zugrunde gelegt habe. Dem Antragsgegner sei darüber hinaus ein Nutzungsvorteil von 150,- EUR monatlich anzurechnen. Die weiteren Zahlungsverpflichtungen des Antragsgegners habe das Familiengericht zu Recht außer Ansatz gelassen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Er trägt noch vor, seit Juni 2003 monatlich 100,- EUR auf Steuerrückstände an das Finanzamt zu zahlen und ab Oktober 2003 Ratenzahlungen an den Insolvenzverwalter in Höhe von 200,- EUR und weitere 100,- EUR an die Sparkasse ... zum Ausgleich restlicher Sollstände auf Konten der insolventen Gesellschaften aufzunehmen.

Die Antragstellerin hat entsprechende Ratenzahlungen des Antragsgegners bestritten.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung des Antragsgegners begegnet keinen verfahrensrechtlichen Bedenken.

Auch die Anschlussberufung der Antragstellerin ist zulässig. Zwar war die Monatsfrist nach § 524 Abs. 2 ZPO zur Einlegung der Anschlussberufung nach Zustellung der Berufungsbegründung am 8. Januar 2003 sowohl bei Einreichung des Prozesskostenhilfeantrags durch die Antragstellerin am 8. Mai 2003 als auch dann bei Einlegung des Anschlussrechtsmittels am 26. September 2003 abgelaufen.

Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 19. September 2003 über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Anschlussberufung ausgeführt hat, ist eine Anschlussberufung nach § 524 ZPO aber auch nach Fristablauf zulässig, wenn zusätzlich die Voraussetzungen des § 323 ZPO vorliegen.

Die Befristung der Anschlussberufung durch Art. 2 des ZPO-Reformgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1887) ändert nichts an der Befugnis, aufgrund eingetretener tatsächlicher Veränderungen statt der Erhebung einer selbständigen Abänderungsklage in einem noch laufenden Berufungsverfahren einen höheren Unterhaltsanspruch geltend zu machen (vgl. Zöller/Philippi, ZPO 23. Aufl., vor § 621 e, Rdnr. 12; zur Problemstellung umfassend: Born, FartiRZ2003, 1245f). Hierfür spricht sowohl die Prozesswirtschaftlichkeit als auch der Gesichtspunkt, dass die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen vermindert wird.

Der Bundesgerichtshof hat eine Befugnis des Unterhaltsgläubigers zur Einlegung einer Anschlussberufung in dem Fall bejaht, dass ein Kläger mit einem Teil seines1 Rentenanspruchs rechtskräftig abgewiesen worden war und nach einer auf die Revision des Gegners erfolgten Zurückverweisung der Sache im Wege der Anschlussberufung einen Anspruch auf eine erhöhte Rente beim Berufungsgericht geltend gemacht hatte (BGH LM, § 323 ZPO Nr. 4; zur Befugnis des Berufungsklägers zur Erweiterung seines Berufungsantrags bei einer ihn betreffenden entsprechenden Fallkonstellation: BGH FamRZ 1985, 691; OLG Koblenz, FamRZ 1988, 302). Maßgebend hierfür war, dass der jeweilige Rechtsmittelantrag an die Stelle einer selbständigen Abänderungsklage treten konnte.

Mit der Neuregelung zur Befristung der Anschlussberufung wird vom Gesetzgeber eine Beschleunigung und Konzentration des Berufungsverfahrens bezweckt. Dies steht nach Auffassung des Senats einer Anwendung dieser BGH-Rechtsprechung auf Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht entgegen. Neben dem Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit spricht hierfür auch, dass vor Abschluss des Berufungsverfahrens eine Abänderungsklage nicht zulässig erhoben werden kann und die veränderten Tatsachen in getrennten Verfahren mehrfach - zur Verteidigung gegen die Berufung, später zur Begründung des Erhöhungsverlangens - vorgebracht und mit der Gefahr des Widerspruchs beurteilt werden müssten.

Die Antragstellerin kann im vorliegenden Fall mit Rücksicht auf die mit dem Verkauf ihres Hausanwesens und Auszug aus ihrem Haus eingetretenen Veränderungen eine Erhöhung ihres Unterhaltsanspruchs durch Anschlussberufung geltend machen.

2. Die Berufung des Antragsgegners erzielt in der Sache lediglich einen Teilerfolg, während die Anschlussberufung der Antragstellerin zu einer Erhöhung des vom Familiengericht ausgeurteilten Unterhalts für die Zeit ab Juli 2003 führt.

Die Antragstellerin stützt ihren Anspruch auf § 1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt). Andere Anspruchsgrundlagen sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.

Die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien, die gemäß § 1578 Abs. 1 BGB das Maß des Unterhalts bestimmen, werden geprägt durch das Erwerbseinkommen des Antragsgegners sowie die Einkünfte der Antragstellerin aus ihrer selbständigen Berufstätigkeit, zuletzt auch das bezogene Unterhaltsgeld, und für die Zeit bis Januar 2003 durch einen der Antragstellerin verbleibenden Mietvorteil.

Im Einzelnen gilt hierzu folgendes:

Das monatliche durchschnittliche Nettoerwerbseinkommen des Antragsgegners beläuft sich unstreitig auf 2 238,79 EUR. Die Antragstellerin macht zu Recht geltend, dass der hierin enthaltene Steuerabzug für die private Nutzung eines Firmenfahrzeugs nicht ausreicht, um den vom Arbeitgeber gewährten Gebrauchsvorteil angemessen zu erfassen (vgl. etwa OLG München FamRZ 1999, 1350, 1351; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rdnr. 717). Bei Schätzung des Nutzungsvorteils ist der steuerliche Nachteil allerdings mit zu berücksichtigen. Ausgehend vom Steueransatz in Höhe von einem Prozent des Neuwertes monatlich ist dem Antragsgegner ein Fahrzeug mit einem Nettoneuwert von 31 200,00 EUR überlassen, so dass von einem Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse ausgegangen werden kann. Der Senat schätzt den Wert der Gebrauchsüberlassung unter Berücksichtigung des Steuernachteils auf weitere 150,00 EUR monatlich.

Damit ist von einem bedarfsprägenden Erwerbseinkommen auf Seiten des Antragsgegners (unbereinigt) in Höhe von 2 388,79 EUR (2 238,79 EUR Nettozahlungen + 150,00 EUR Gebrauchsvorteil Pkw) auszugehen.

Dieses Einkommen ist unstreitig zu bereinigen um eine 5 % Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen.

Seine weiteren Zahlungsverpflichtungen macht der Antragsgegner zwar lediglich zur Begründung seiner Leistungsunfähigkeit geltend, sie sind aber teilweise bereits bei der Bedarfsermittlung zu berücksichtigen.

Die Zahlungen des Antragsgegners im Rahmen der Bewährungsauflage zur Schadenswiedergutmachung wurden zuletzt auch von der Antragstellerin selbst bereits bei der Bedarfsermittlung einkommensmindernd angesetzt. Allgemein werden Zahlungen im Rahmen von Strafverfahren nach einer Einzelfallabwägung unterhaltsrechtlich beurteilt (vgl. Kalthoener/Büttner, aaO, Rdnr. 1019). Hier ist entscheidend, dass der Antragsgegner Zahlungen zur Schadenswiedergutmachung leistet, die ebenso zu behandeln sind wie Zahlungen zum Ausgleich vorhandener Rückstände aufgrund des zivilrechtlichen Rechtsverhältnisses. Die Verbindlichkeiten sind im Rahmen des Gewerbebetriebes während des Zusammenlebens entstanden, so dass sie sich die Antragsgegnerin auch bei der Bedarfsbestimmung entgegenhalten lassen muss.

Ratenzahlungen von 100,00 EUR monatlich zur Rückführung eines Privatkredits sind hingegen nicht abzusetzen. Dabei kommt es nicht auf die Streitfrage an, ob der Antragsgegner die Zahlungen tatsächlich regelmäßig leistet. Der hierzu angebotene Zeugenbeweis ist schon deshalb nicht zu erheben, weil der Verwendungszweck der Darlehenssumme zum Ausgleich rückständiger Krankenkassenbeiträge weder substantiiert dargelegt noch widerspruchsfrei belegt wurde.

Der privatschriftliche Kreditvertrag zwischen der Zeugin D... und dem Antragsgegner vom 15. November 2001 belegt die Verauslagung rückständiger Krankenkassenbeiträge bei der ... in Höhe von 14 100,00 DM im Jahr 1998. Da es sich um Schulden der Gesellschaften handelte, liegt eine Darlehenshingabe an diese, nicht aber an den Antragsgegner persönlich nahe. Die Übernahme der Rückzahlungsverpflichtung müsste sich die Antragstellerin unterhaltsrechtlich nicht entgegenhalten lassen. Darüber hinaus ist die im Kreditvertrag dokumentierte Kreditverwendung nicht belegt. Der Antragsgegner hat lediglich eine an einen J... S... gerichtete Bestätigung der Betriebskrankenkasse vorgelegt, wonach dem Beitragskonto der Fa. ... Handels GmbH am 8. April 1999 ein Betrag in Höhe von rd. 8 730,00 DM gutgeschrieben wurde. Weder die Höhe der Zahlung noch der Zahlungszeitpunkt stimmen mit den Angaben im Kreditvertrag nachvollziehbar überein.

Das Familiengericht hat die vom Antragsgegner geltend gemachte Lebensversicherungsprämie von 141,59 EUR zu Recht nicht berücksichtigt. Es ist weder belegt, dass es sich dabei um eine angemessene Altersvorsorge in Form einer Lebensversicherung auf Rentenbasis handelt noch, dass eine damit betriebene Vermögensbildung bereits die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt hat.

Ratenzahlungen des Antragsgegners für Prozesskostenhilfe und gewährte Sozialhilfe sind unstreitig nicht bedarfsprägend.

Das monatliche Nettoeinkommen des Antragsgegners von 2 388,79 EUR ist somit zu bereinigen um die 5 % Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 119,44 EUR und die im Rahmen der Bewährungsauflage erbrachte Rate von 225,00 EUR, so dass von einem bereinigten bedarfsprägenden Einkommen von 2 044,35 EUR, noch zu vermindern um den Erwerbstätigenbonus, auszugehen ist.

Für die Zeit ab 1. Juni 2003 vermindert sich dieses Einkommen um eine Ratenzahlung des Antragsgegners in Höhe von 100,00 EUR zur Rückführung von Steuerschulden. Ratenzahlungen in Höhe von 200,00 EUR monatlich bereits ab Oktober 2002 gemäß dem Bescheid des Finanzamts ... vom 9. September 2002 über Vollstreckungsaufschub sind weder substantiiert behauptet noch belegt.

Weitere Ratenzahlungen, die der Antragsgegner nach seiner Behauptung ab Oktober 2003 aufnehmen will (200,00 EUR insgesamt an den Insolvenzverwalter, 100,00 EUR an die Sparkasse ...), können jedenfalls derzeit keine Berücksichtigung finden, da solche im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nicht aufgenommen waren und hinsichtlich der Einhaltung der eingegangenen Ratenverpflichtungen durch den Antragsgegner eine ausreichend sichere Prognose nicht möglich ist. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob entsprechende Ratenzahlungen den Unterhaltsbedarf künftig verändern können.

Die Antragsgegnerin lässt sich durchgängig ein Einkommen in Höhe des bezogenen Übergangsgeldes von 1126,25 EUR monatlich als Erwerbseinkommen zurechnen.

Der Antragsgegner beruft sich ohne Erfolg darauf, die Antragstellerin habe neben dem Überbrückungsgeld bereits Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezogen bzw. ihre tatsächlichen Einkünfte nicht ausreichend dargelegt. Die Antragstellerin hat bislang betriebswirtschaftliche Auswertungen vorgelegt, die für den Zeitraum Juli bis Dezember 2002 einen Verlust in Höhe von 1 940,32 EUR ausweisen und für das erste Quartal 2003 einen Überschuss in Höhe von 1 761,89 EUR. Diese vorläufigen Gewinnermittlungen sind keine ausreichende Grundlage für die Feststellung positiver unterhaltsrechtlich relevanter Einkünfte der Antragstellerin in diesem Zeitraum oder für eine Prognose hinsichtlich der künftigen Einkommensentwicklung. Der Ermittlung von Einkommen aus selbständiger Erwerbstätigkeit sind in der Regel längere Zeiträume von mindestens drei Wirtschafts- bzw. Kalenderjahren zugrunde zu legen, um unabhängig von üblichen Schwankungen eine ausreichend verlässliche Grundlage zu bilden. Ein Einnahmeüberschuss in dem bislang dokumentierten Zeitraum lässt sich ohnehin nicht feststellen.

Für den Zeitraum Juli 2002 bis einschließlich Januar 2003 muss sich die Antragstellerin einen bereinigten Wohnvorteil in Höhe von 375,00 EUR (nach Rundung) zurechnen lassen, der bedarfsprägend ist. Mieteinnahmen von rd. 493,00 EUR und 790,00 EUR sowie einem objektiven Mietwert der Ehewohnung von 700,00 EUR stehen monatliche Zinsbelastungen in Höhe von rd. 865,00 EUR und 741,00 EUR gegenüber.

Der Antragsgegnerin sind keine fiktiven Zinseinkünfte aus höheren Erlösen der Grundstücksveräußerungen zuzurechnen.

Die Antragstellerin hat den Verbrauch der durch Verkauf des Hausanwesens ... in ... erzielten 461 000,00 EUR zur Tilgung von Darlehen ebenso substantiiert dargelegt wie die Verwendung des Veräußerungserlöses aus dem Verkauf der Eigentumswohnung in Höhe von 190 000,00 DM zur Ablösung der Grundschulddarlehen. Dem ist der Antragsgegner nicht entgegengetreten.

Die Antragsgegnerin traf zwar die Obliegenheit, beim Verkauf der Immobilien nicht leichtfertig auf einen erzielbaren höheren Erlös zu verzichten und dadurch ihre unterhaltsrechtliche Bedürftigkeit zu erhöhen (vgl. etwa BGH NJW 2001, 1789, 1791). Ein unterhaltsrechtlicher Vorwurf in diesem Sinne könnte ihr aber nur dann gemacht werden, wenn sie beim Verkauf ein Verhalten an den Tag gelegt hätte, das sich in Verantwortungslosigkeit und Rücksichtslosigkeit gegen den Antragsgegner über die erkannten möglichen nachteiligen Folgen für ihre Bedürftigkeit hinweggesetzt und sie dadurch ihr Vermögen auf sinnlose Art eingebüßt hätte (BGH aaO m.w.N.). Das Verhalten der Antragstellerin erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Sie hat im Senatstermin vom 30. September 2003 im Einzelnen dargelegt, in welcher Weise sie sich bei ihrer Sparkasse und ihrem Rechtsanwalt und unter Heranziehung von Maklern hinsichtlich des erzielbaren Erlöses betreffend das Anwesen in der ... erkundigt hat. Hinsichtlich des Verkaufs der Eigentumswohnung an die Tochter hat die Antragstellerin eingeräumt, auf dem Immobilienmarkt wohl einen um ca. 60 000,00 DM höheren Verkaufserlös hätte erzielen können. Der Verkauf zur Entlastung von den Darlehensverpflichtungen war schon deshalb gerechtfertigt, weil die Wohnung mit Einverständnis des Antragsgegners von der gemeinsamen Tochter mietfrei genutzt wurde. Wenn die Wohnung zudem deshalb an die Tochter zu einem niedrigeren Preis verkauft wurde, weil diese durch finanzielle Transaktionen des Antragstellers ebenfalls benachteiligt worden war, steht dies der Annahme unterhaltsrechtlicher Leichtfertigkeit ebenfalls entgegen.

Unstreitig ist das Einkommen der Antragstellerin zu bereinigen um den Vorsorgeaufwand für die Krankenversicherung, eine 5 % Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen und die Kreditrate in Höhe von 255,65 EUR. Dies ergibt ein bereinigtes Erwerbseinkommen von monatlich 523,57 EUR.

Der Unterhaltsbedarf der Antragstellerin errechnet sich daraus wie folgt:

Bis einschließlich Januar 2003:

6/7 Erwerbseinkommen des Antragsgegners: 1 752,30 EUR 6/7 Erwerbseinkommen der Antragstellerin 448,77 EUR + bereinigte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 375,00 EUR = 823,77 EUR Einkommensdifferenz x 1/2: 464,27 EUR

Februar 2003 bis Mai 2003:

6/7 Erwerbseinkommen des Antragsgegners: 1 752,30 EUR 6/7 Erwerbseinkommen der Antragstellerin: 448,77 EUR Einkommensdifferenz x 1/2: 651,77 EUR

Juni 2003:

6/7 Erwerbseinkommen Antragsgegner: 1 666,59 EUR 6/7 Erwerbseinkommen Antragstellerin: 448,77 EUR Einkommensdifferenz x 1/2: 691,00 EUR

Ab Juli 2003:

9/10 Erwerbseinkommen Antragsgegner: 1 749,92 EUR 9/10 Erwerbseinkommen Antragstellerin: 471,30 EUR Einkommensdifferenz x 1/2 639,31 EUR

Die halbjährlich vom Antragsgegner zu erbringenden Ratenzahlungen in Höhe von 5 000,00 EUR zum Schadensausgleich gemäß dem gerichtlichen Vergleich der Parteien verringern nicht die Unterhaltsbedürftigkeit der Antragstellerin, da sie nicht als Einkommen gelten können. Die Zahlungen des Antragsgegners dienen dem Ausgleich des erlittenen Vermögensschadens und können von der Antragstellerin ohne unterhaltsrechtlichen Nachteil zur Rückführung von Schulden verwendet werden. Nach deren vollständiger Rückführung können allenfalls in Zukunft auf Seiten der Antragstellerin Zinseinkünfte aus gebildetem Vermögen zur Verringerung der Bedürftigkeit einzustellen sein.

Da die Parteien nur über eheprägende Einkünfte verfügen, kommt eine Erhöhung des Unterhalts wegen Mehrbedarfs nicht in Betracht.

Soweit sich der Antragsgegner für seine Leistungsunfähigkeit in der vorstehend errechneten Höhe auf weitere Ratenverpflichtungen berufen will, hat er damit nur in geringem Umfang Erfolg.

Prozesskostenhilferaten des Antragsgegners sind insoweit nicht zu berücksichtigen, da diese sämtlich in Verfahren des Antragsgegners gegen die Antragstellerin zu erbringen sind (Trennungsunterhalt, Scheidungsverbundverfahren, zivilrechtliche Auseinandersetzung). Die Antragstellerin müsste eine Kürzung ihres Unterhaltsanspruchs hinnehmen wegen gerichtlicher Verfahren zur Durchsetzung der Unterhalts- bzw. Schadensersatzansprüche gegen den Antragsgegner. Dies erscheint nicht billig. Der Antragsgegner hat i. ü. nicht nachvollziehbar dargelegt, zumutbare Maßnahmen zur Verminderung seiner Ratenverpflichtung unternommen zu haben. Eine entsprechende Obliegenheit drängt sich nicht zuletzt im Hinblick auf die erhebliche Differenz der festgesetzten PKH-Raten ohne weiteres auf.

Lediglich soweit der Antragsgegner monatlich 25,56 EUR auf darlehensweise gewährte Sozialhilfe zurückzahlt, ist dies zwar nicht bei der Bedarfsbemessung, jedoch bei der Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Es ist nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner die Sozialhilfe aufgrund unterhaltsrechtlicher Leichtfertigkeit in der Vergangenheit in Anspruch genommen hat, die vereinbarte geringe Ratenhöhe ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin ist auf Grund dessen nach Billigkeit (§ 1581 BGB) lediglich geringfügig auf monatliche Beträge in Höhe 450,00 EUR für die Zeit bis Januar 2003 und auf 630,00 EUR ab Juli 2003 herabzusetzen. Für den Zeitraum Februar bis Juni 2003 verbleibt es bei den vom Familiengericht ausgeurteilten 567,00 EUR monatlich.

Demgemäß erzielt die Berufung des Antragsgegners lediglich für den Unterhaltszeitraum bis einschließlich Januar 2003 einen Teilerfolg. Die von der Antragstellerin für den Unterhaltszeitraum ab Juli 2003 erhobene Anschlussberufung hat hingegen vollen Erfolg.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 93 a, 92 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Senat hat die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zugelassen, weil die Frage der Zulässigkeit der Anschlussberufung trotz Fristablaufs nach § 524 Abs. 2 ZPO zur Geltendmachung von Abänderungsgründen unter den Voraussetzungen des § 323 ZPO grundsätzliche Bedeutung hat.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird für den Zeitraum bis 25. September 2003 auf 6 804,00 EUR (567,00 EUR x 12), für den Zeitraum ab 26. September 2003 auf 7 560,00 EUR (630,00 EUR x 12) festgesetzt, § 17 Abs. 1 GKG.

Ende der Entscheidung

Zurück