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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 09.10.2003
Aktenzeichen: 5 UF 28/03
Rechtsgebiete: BGB, VAHRG


Vorschriften:

BGB § 1587 a Abs. 3
VAHRG § 1 Abs. 3
Zur Beurteilung der Dynamik eines Anrechts aus der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst.

Die Anrechte aus der Versorgung bei der Bayerischen Versorgungskammer - Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden - sind in der Anwartschaftsphase statisch, im Leistungsstadium aber dynamisch.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen 5 UF 28/03

In der Familiensache

betreffend die Regelung des Versorgungsausgleichs (abgetrennte Folgesache) der geschiedenen Eheleute

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoffmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Geisert und Kratz auf die befristete Beschwerde der Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden vom 13. Februar 2003, eingegangen und zugleich begründet am 18. Februar 2003, gegen den ihr am 24. Januar 2003 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankenthal (Pfalz) vom 30. Dezember 2002 nach schriftlicher Anhörung der Beteiligten

ohne mündliche Verhandlung am 9. Oktober 2003

beschlossen:

Tenor:

I. Das durch Beschluss des Senats vom 1. April 2003 ausgesetzte Verfahren wird wieder aufgenommen.

II. Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankenthal (Pfalz) vom 30. Dezember 2002 wird in seiner Ziffer II. (Ausgleich der Zusatzversorgung) geändert:

Auf dem Versicherungskonto des Antragsgegners Nr. 16 ... bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Berlin, werden monatliche Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 2,09 EUR, bezogen auf den 30. Juni 2002, zu Lasten der Anwartschaft der Antragstellerin auf eine Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der Bayerischen Versorgungskammer, Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden, München, Vers.Nr. G ... begründet.

III. Die Kosten der ersten Instanz sowie die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den beteiligten Ehegatten gegeneinander aufgehoben.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.

IV. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahren wird auf 500,00 EUR festgesetzt.

V. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Die befristete Beschwerde der Bayerischen Versorgungskammer - Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden - (künftig: ZVK) ist gemäß den §§ 621 a, 621 e, 621 Abs. 1 Nr. 6 ZPO statthaft und begegnet auch im Übrigen keinen verfahrensrechtlichen Bedenken.

Das Beschwerdeverfahren war mit Rücksicht auf die seit 1. Januar 2003 nicht mehr anwendbare Barwertverordnung (vgl. BGH FamRZ 2001,1695) durch Senatsbeschluss vom 1. April 2003 ausgesetzt worden. Die Bundesregierung hat mit Zustimmung des Bundesrats am 26. Mai 2003 die Zweite Verordnung zur Änderung der Barwertverordnung (BGBl. I, S. 728) rückwirkend zum 1. Januar 2003 erlassen. Mit Rücksicht hierauf war das Verfahren wieder aufzunehmen. Die Beschwerde ist begründet. Die Anwendung der neuen Barwertverordnung ergibt allerdings einen höheren dynamisierten Wert der Zusatzversorgung als der Beschwerde zugrunde gelegt wurde.

Das Familiengericht hat die von den beteiligten Ehegatten vom 1. Dezember 1998 bis 30. Juni 2002 (Ehezeit gemäß § 1587 Abs. 2 BGB) bei der weiter Beteiligten zu 1) erworbenen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung im Wege des Splittings nach § 1587 b Abs. 1 BGB ausgeglichen (Ziffer 1 der Entscheidung vom 30. Dezember 2002). Hiergegen werden Einwendungen nicht erhoben.

Die insgesamt ausgleichspflichtige Antragstellerin hat darüber hinaus in der Ehezeit ein Anrecht auf Leistungen aus der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in Höhe von 18,12 EUR monatlich erlangt. Das Familiengericht hat dieses Anrecht für die gemäß § 1587 a Abs. 3 Nr. 2 BGB erforderliche Umrechnung (Dynamisierung) unter Hinweis auf den Aufsatz von Glockner, FamRZ 2002, 287, als volldynamisch im Anwartschaftsstadium behandelt.

Die ZVK macht mit ihrer befristeten Beschwerde zu Recht geltend, dass die Anrechte aus der Zusatzversorgung in der Anwartschaftsphase statisch sind.

Nach § 1587 a Abs. 3 BGB kommt es für die Beurteilung eines Anrechts als dynamisch darauf an, ob dessen Wert in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt wie die Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung. Ist das nicht der Fall, sind die Anrechte unter Heranziehung der Barwertverordnung in dynamische Werte umzurechnen. Andernfalls ist die Versorgung mit ihrem Nennwert auszugleichen.

Nach der seit 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Neufassung der Satzung der ZVK ist für die Höhe der Betriebsrente die Summe der erworbenen Versorgungspunkte maßgebend (§ 33 Abs. 1 der Satzung). Die Anzahl der auf der Grundlage des Zusatzversorgungspflichtigen Entgelts erworbenen Versorgungspunkte ist auch altersabhängig. Der in die Berechnung eingehende Altersfaktor in der Pflichtversicherung enthält eine jährliche Verzinsung von 3,25 % während der Anwartschaftsphase (§ 34 Abs. 3 der Satzung). Dieser Verzinsungsfaktor wirkt sich jedoch lediglich bei der Ermittlung der Versorgungspunkte für ein bestimmtes Kalenderjahr aus. In der Anwartschaftsphase bleibt der Wert der jeweils erworbenen Versorgungspunkte unverändert. Hiermit kann somit eine Dynamik in der Anwartschaftsphase nicht gestützt werden (gegen Thüringer OLG, Beschluss vom 20. 8 2003, 1 UF 366/02).

Gemäß §§ 34 Abs. 1 d, 66 der Satzung können zwar auch Bonuspunkte zur Überschussverteilung erworben werden. Danach werden im Rahmen der versicherungstechnischen Bilanz für die Pflichtversicherung die Überschüsse jährlich aus der vorhandenen Kapitaldecke festgestellt und durch Entscheidung des Verwaltungsrats als Bonuspunkte zugeteilt. Soweit keine Kapitaldecke vorhanden ist, wird die durchschnittlich laufende Verzinsung der zehn nach den Bilanzsummen größten Pensionskassen zugrunde gelegt. Seit der Neufassung der Satzung der ZVK wurden bislang Bonuspunkte nicht zugeteilt; im Hinblick auf die gegenwärtige wirtschaftliche Ertragslage der Finanzmärkte ist eine solche Zuteilung auch nicht absehbar.

Insgesamt fehlt daher eine ausreichende Grundlage, um von einer Wertsteigerung der Anrechte der Antragstellerin in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes auszugehen. Das Anrecht ist daher in der Anwartschaftsphase statisch.

Der Senat ist im Übrigen jedoch der Auffassung, dass die jährliche Erhöhung der Betriebsrenten um 1 % (§ 37 der Satzung der ZVK) die Annahme einer Dynamik im Leistungsstadium rechtfertigt. Zwar ergibt ein langjähriger Vergleich mit den Anpassungen in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung (vgl. dazu Versorgungsausgleichstabelle nach Gutdeutsch in FamRZ 2003, 737) noch deutlich höhere Steigerungsraten. Im Zeitraum 1988 bis 2002 ist die gesetzliche Rentenversicherung jährlich im Durchschnitt um gerundet 2,27 %, die Beamtenversorgung im Jahresdurchschnitt um 2,24 % angehoben worden. Gegenüber einer Anpassung von 1 % jährlich liegt darin eine wesentliche Abweichung.

Wenn indes lediglich auf einen Vergleichszeitraum von 1994 bis 2003 abgestellt wird, ergibt sich eine durchschnittliche Steigerung für die gesetzliche Rentenversicherung von nur 1,398 % im Jahresdurchschnitt (1993 bis 2002 insgesamt 12,94 zuzüglich 1.04 % in 2003, vgl. Gutdeutsch in FamRZ 2003, 737). Die Abweichung beträgt für diesen Zeitraum somit weniger als einen Prozent-Punkt. Der Bundesgerichtshof hat es als möglich angesehen, bei einem Abweichen der Wertsteigerungen in diesem Bereich bereits eine Dynamik anzunehmen (BGH FamRZ 1992, 1051). Bei dem dort zu beurteilen Versorgungsrecht belief sich der durchschnittliche Anstieg allerdings auf 2,78 %, während im Vergleichszeitraum die Beamtenversorgung um 3,27 % anstieg. Damit erreichte die Dynamik der dortigen Anwartschaft rund 85 % derjenigen der Beamtenversorgung, im vorliegenden Fall beträgt die Wertsteigerung rund 71,5 % des Vergleichswertes. Der relative Abstand der Wertsteigerungen rechtfertigt es im vorliegenden Fall daher nach Auffassung des Senats nicht, von einem im Leistungsstadium statischen Anrecht auszugehen.

Bei der Beurteilung der Dynamik der Zusatzversorgung ist auch zu berücksichtigen, welche Wertsteigerungen in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Beamtenversorgung voraussichtlich künftig eintreten werden. In der gesetzlichen Rentenversicherung kann mit keinen deutlichen Erhöhungen ab 2004 gerechnet werden, vielmehr wird nach der derzeit in der politischen Diskussion befindliche "Nullrunde" eine Verschiebung oder allenfalls eine Anhebung entsprechend derjenigen des laufenden Jahres zu erwarten sein. Die durchschnittliche Steigerungsrate in der gesetzlichen Rentenversicherung wird somit voraussichtlich - unter 1,2 % absinken (vgl. Glockner in FamRZ 2003,1233,1235 ). Die Zusatzversorgung ist demzufolge als dynamisch im Leistungsstadium zu behandeln (a. A. unter Bezugnahme auf die bisherige Rechtssprechung: 2. Senat des Pfälzischen OLG Zweibrücken, Beschluss vom 9. Mai 2003, 2 UF 96/03).

Das Anrecht der Antragstellerin in der Zusatzversorgung ist unter Anwendung der neu gefassten Barwertverordnung wie folgt zu dynamisieren:

217,44 EUR Jahresbetrag multipliziert mit dem Barwertfaktor 4,125 nach Tabelle 1 (für Alter der Antragstellerin bei Ehezeitende 37 Jahre: 2,5 * 165 % gemäß Anmerkung 2 zu Tabelle 1) ergibt den Barwert von 896,94 EUR. Nach Umrechnung mit der amtlichen Rechengröße für das Ende der Ehezeit von 0,0001835894 ergeben sich hieraus 0,1647 Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung. Die Multiplikation mit dem für das Ende der Ehezeit aktuellen Rentenwert von 25,31406 EUR ergibt einen dynamisierten Wert der Versorgung von 4,17 EUR.

Der Ausgleich der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst ist vom Familiengericht zutreffend nach § 1 Abs. 3 VAHRG durch Quasi-Splitting durchgeführt worden. Demgemäß ist der dynamisierte Wert der Zusatzversorgung hälftig mit gerundet 2,09-EUR monatlich durch Begründung einer entsprechenden Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung für den Antragsgegner zu übertragen.

Die Anordnung der Umrechnung in Entgeltpunkte (§ 1587 b Abs. 6 BGB) wurde bereits vom Familiengericht getroffen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 93 a ZPO, 13 a Abs. 1 FGG. Der Wert des Beschwerdegegenstandes hat der Senat gemäß § 17 a Nr. 1 GKG festgesetzt.

Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung hinsichtlich der Beurteilung der Zusatzversorgung bei der Zusatzversorgung der Bayerischen Gemeinden als teildynamisch hat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen (§§ 621 e Abs. 2, 543 Abs.2 Nr. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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