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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 10.09.2002
Aktenzeichen: 5 UF 48/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 704 | |
ZPO § 767 |
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil
Aktenzeichen: 5 UF 48/02
Verkündet am: 10. September 2002
In der Familiensache
wegen nachehelichen Unterhalts,
hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Hoffmann, den Richter am Oberlandesgericht Geisert und die Richterin am Amtsgericht Hense auf die mündliche Verhandlung vom 20. August 2002
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Neustadt an der Weinstraße vom 30. Januar 2002 geändert:
Die Zwangsvollstreckung aus dem Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Speyer vom 21. März 1996, Az. 4 a F 186/95, wird hinsichtlich des Unterhalts für die Zeit ab 24. Juli 2001 für unzulässig erklärt.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien sind geschiedene Eheleute.
In einem schriftlichen Anwaltsvergleich vom 18. Juli 1995 verpflichtete sich der Kläger zur Zahlung nachehelichen Unterhalts an die Beklagte ab 15. März 1995 in Höhe von 800,-- DM monatlich unter Anrechnung bereits bezahlter Beträge und unterwarf sich der sofortigen Zwangsvollstreckung. Mit Beschluss vom 21. März 1996 - 4 a F 186/95 - erklärte das Amtsgericht Speyer den Vergleich für vollstreckbar.
Im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses betreute die Beklagte den gemeinsamen Sohn B..., geboren am 21. Oktober 1991. Durch Beschluss des Amtsgerichts Neustadt vom 24. Februar 2000 - 1 F 18/00 - wurde der Beklagten die elterliche Sorge für B... gemäß § 1666 BGB entzogen und Vormundschaft angeordnet. Das Kind ist spätestens seit Mitte des Jahres 2000 in einem Heim untergebracht.
Der Kläger hat geltend gemacht, infolge der Beendigung der Kindesbetreuung durch die Beklagte sei deren Anspruch auf nachehelichen Unterhalt entfallen. Sie sei verpflichtet und in der Lage, ihren Unterhaltsbedarf durch eigene Erwerbstätigkeit zu decken. Außerdem führe sie ihrem neuen Partner W. S... den Haushalt.
Der Kläger hat beantragt, den Anwaltsvergleich vom 18.07.1995, vollstreckbar erklärt durch Beschluss des Amtsgerichts Speyer vom 21.03.1996 - 4 a F 168/95 -, dahingehend abzuändern, dass der Kläger nicht mehr verpflichtet ist, an die Beklagte Nachscheidungsunterhalt zu zahlen.
Die Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten und hat vorgetragen, sie sei infolge einer schizophrenen Psychose nicht in der Lage, erwerbstätig zu sein. Ab Beendigung der Kindesbetreuung beruhe ihr Unterhaltsanspruch daher auf § 1572 BGB. Sie führe S... nicht den Haushalt. Notwendigste Arbeiten verrichte die Mutter ihres Lebensgefährten.
Das Familiengericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Erwerbsfähigkeit der Beklagten die Klage abgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der weiter vorträgt, das Familiengericht habe verkannt, dass mit dem Sachverständigengutachten lediglich die Erwerbsfähigkeit zum Untersuchungszeitpunkt, nicht aber zum maßgeblichen Einsatzzeitpunkt festgestellt worden sei. Des weiteren habe das Familiengericht nicht eine Beschränkung des Unterhaltsanspruchs nach § 1578 Abs. 1 Satz 2 BGB geprüft. Dafür habe Veranlassung bestanden, da die Parteien lediglich 3 1/4 Jahre miteinander verheiratet gewesen seien. Er selbst sei wieder verheiratet und seine Ehefrau ohne Einkommen. Neben B... sei er zwei weiteren Kindern, J..., geboren 11. August 1994, und F..., geboren 16. Oktober 1998, unterhaltsverpflichtet. Er verfüge über ein monatliches Nettoeinkommen von rund 4 800,00 DM und habe Darlehensraten von 150,00 DM, 167,00 DM, 250,00 DM, 420,00 DM und 1 014,17 DM für die Finanzierung des ihm und seiner Ehefrau gehörenden Hausanwesens zu bedienen.
Die Beklagte lebe nun seit nahezu zwei Jahren mit einem anderen Mann zusammen. Ihre im Termin vom 26. September 2001 erklärte Heiratsabsicht habe sie lediglich im Hinblick auf ihren Unterhaltsanspruch gegen den Kläger nicht verwirklicht. Damit habe die Beklagte ihren Anspruch verwirkt.
Der Kläger, der zunächst einen Abänderungsantrag angekündigt hat, beantragt nunmehr,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Zwangsvollstreckung aus dem Anwaltsvergleich vom 18.07.1995, vollstreckbar erklärt durch den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Speyer vom 21.03.1996 - 4 a F 168/95 - ab Rechtshängigkeit für unzulässig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht noch geltend, aus dem Betreuungsverfahren für die Beklagte ergebe sich, dass ihre Erkrankung bereits bei Beendigung der Kindererziehung vorgelegen haben. Die Entziehung der elterlichen Sorge sei gerade wegen der Erkrankung der Beklagten erfolgt.
Die Voraussetzungen des § 1578 BGB seien wegen der Kindesbetreuung nicht gegeben. Zudem werde der Lebensbedarf durch den gezahlten Unterhalt ohnehin nicht gedeckt.
Die finanziellen Verhältnisse des Klägers seien mit Nichtwissen zu bestreiten. Der Vortrag sei infolge Nachlässigkeit des Klägers nicht bereits in erster Instanz erfolgt und somit verspätet.
Sie lebe mit ihrem neuen Partner erst 1 1/4 Jahre zusammen. Die Beklagte sei infolge ihrer Krankheit nicht in der Lage, einen Zusammenhang zwischen den Unterhaltszahlungen und deren möglichen Wegfall bei einer Heirat zu realisieren, so dass eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nicht in Betracht zu ziehen sei.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung des Klägers erzielt den - nach der in der Berufungsinstanz erfolgten Klageänderung - nunmehr erstrebten Erfolg.
Der Übergang des Klägers von der Abänderungsklage nach § 323 ZPO zur Vollstreckungsabwehrklage nach § 767 ZPO in der mündlichen Verhandlung des Senats ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht bedenkenfrei. Die Klageänderung ist sachdienlich, da der zugrunde liegende Vollstreckungstitel - der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Speyer vom 21. März 1996 - keinen vollstreckungsfähigen Inhalt hat, eine Abänderungsklage mithin von vornherein unzulässig ist (vgl. etwa Senat in FamRZ 2000, 681; Eschenbruch/Klinkhammer, Der Unterhaltsprozess, 2. Aufl., Rdnr. 4334 m.w.N.).
Der Kläger hat ein schutzwürdiges Interesse daran, die fehlende Vollstreckungsfähigkeit des Unterhaltstitels feststellen zu lassen. Hierfür steht ihm als prozessuale Gestaltungsklage die Vollstreckungsgegenklage analog § 767 ZPO zur Verfügung (BGH NJW 1994, 460; OLG Köln, NJW-RR 1999, 431).
Der Kläger verpflichtete sich in dem für vollstreckbar erklärten Anwaltsvergleich zu Unterhaltszahlungen an die Beklagte für die Zeit ab 15. März 1995 "unter Anrechnung bereits gezahlter Beträge". Dem Vollstreckungstitel lässt sich nicht entnehmen, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum Zahlungen geleistet wurden, so dass die zu vollstreckenden Forderungen nicht hinreichend bestimmt sind.
Der Grundsatz, dass ein Titel nicht vollstreckungsfähig ist, wenn die darin zu vollstreckende Forderung nicht hinreichend bestimmt genug bezeichnet wurde, ist in Literatur und Rechtsprechung an sich unstreitig (BGHZ 22, 54 = NJW 1957, 23; BGH WM 1971,165; OLG Köln, aaO; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz, 2. Aufl., vor §§ 704 - 707, Rdnr. 6; Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 704 Rdnrn. 4 ff m.w.N.). Nicht einheitlich - auch nicht bei den Familiensenaten des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken - ist hingegen die Auffassung zu der vorliegend entscheidungserheblichen Frage, ob eine Anrechnungsklausel der Vollstreckungsfähigkeit eines Titels entgegensteht.
Der 6. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts hat die Vollstreckungsfähigkeit eines Titels mit unbestimmter Anrechnungsklausel verneint (MDR 2002, 541 = OLG-Report 2002, 307).
Der 2. Zivilsenat hat sich in einem Beschluss vom 1. März 2002 - 2 UF 35/02 - mit dieser Frage auseinandergesetzt und bei einer Titulierung durch gerichtlichen Vergleich die Vollstreckungsfähigkeit bejaht, solange die Beweislast für die anzurechnenden Beträge beim Schuldner liege. Zur Begründung wird ausgeführt, die Anrechnungsklausel stelle in Fällen dieser Art lediglich klar, dass die Parteien bei der Festlegung der Leistungen mögliche Zahlungen des Schuldners, die schon vor Vergleichsabschluss geflossen sein könnten, noch nicht berücksichtigt hätten. Der mögliche Streit um solche Zahlungen bleibe damit dem Verfahren der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 vorbehalten. Dies gebe nur die bestehende allgemeine Rechtslage wieder, nach welcher die Ausschlussvorschrift des § 767 Abs. 2 ZPO auf Prozessvergleiche ohnehin nicht anwendbar sei.
Der Senat vermag dieser letzteren Auffassung nur eingeschränkt zu folgen.
Für den Fall, dass der Vereinbarung der Parteien mit der erforderlichen Klarheit zu entnehmen ist, dass die Anrechnungsklausel lediglich eine materiell-rechtliche Vereinbarung außerhalb des Vollstreckungstitels bildet, ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass sich Bedenken gegen die Vollstreckbarkeit hieraus nicht ergeben (vgl. BGH NJW 1996, 2165, 2166). Entgegen der vom 2. Zivilsenat in dem angeführten Beschluss vertretenen Auffassung kann es einem Vollstreckungsorgan aber nicht überlassen bleiben, durch Auslegung des Vollstreckungstitels zu ermitteln, ob eine Anrechnungsklausel lediglich materiell-rechtliche Wirkung entfalten oder auch die Vollstreckbarkeit des titulierten Anspruchs beschränken soll. Das Vollstreckungsverfahren ist von Auslegungsfragen dieser Art freizuhalten, zumal wenn hierfür außerhalb des Vollstreckungstitels liegende Umstände und Unterlagen zu berücksichtigen wären.
Den Bedürfnissen der Praxis, an denen die Entscheidung des 2. Zivilsenats orientiert ist, lässt sich ohne weiteres dadurch Rechnung tragen, dass eine Anrechnungsvereinbarung mit lediglich materiell-rechtlicher Wirkung und eine für vollstreckbar zu erklärende Vereinbarung eindeutig getrennt werden.
Im vorliegenden Fall beseitigt die unbestimmte Anrechnungsklausel im Vollstreckungstitel dessen Vollstreckbarkeit. Dem für vollstreckbar erklärten Vergleich ist auch nicht zu entnehmen, dass eine Anrechnung nur auf einen Teil der titulierten Ansprüche, etwa die bei Vergleichsschluss bereits fällig gewordenen Unterhaltsansprüche, erfolgen solle. Die Anrechnungsklausel steht einer Vollstreckungsfähigkeit daher insgesamt entgegen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 ZPO (Kostenentscheidung) und §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO (vorläufige Vollstreckbarkeit).
Im Hinblick auf die abweichende Entscheidung des 2. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken ist die Revision gemäß § 522 Abs. 2 Nr. 2 und 3 ZPO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) zuzulassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 4 908,40 € (800,00 DM x 12 = 9 600,00 DM) festgesetzt, § 17 Abs. 1 GKG.
Ende der Entscheidung
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