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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 20.06.2000
Aktenzeichen: 5 UF 7/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 51
BGB § 1896
§§ 51 ZPO, 1896 BGB (Vermögenssorge erfasst keine Unterhaltsansprüche)

Auch bei einem Volljährigen werden Unterhaltsansprüche nicht von der Vermögenssorge erfasst; die von einem Betreuer mit diesem Wirkungskreis als Vertreter des Betreuten erhobene Unterhaltsklage ist deshalb unzulässig.


PFÄLZISCHES OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN Im Namen des Volkes! Urteil

5 UF 7/00 1 F 405/98 Amtsgericht Zweibrücken

Verkündet am 20. Juni 2000

Schöneberger, Justizhauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In der Familiensache

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Mörsch und die Richter am Oberlandesgericht Hoffmann und Weisbrodt auf die mündliche Verhandlung vom 23. Mai 2000

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Zweibrücken vom 14. Dezember 1999 geändert:

Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt vorbehalten, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1 700,-- DM abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Sicherheitsleistung kann auch in Form einer selbstschuldnerischen Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- oder Steuerbürge zugelassenen Bankinstituts erbracht werden.

IV. Die Revision wird für beide Parteien zugelassen.

Tatbestand:

Die am 13. August 1908 geborene Klägerin ist schwerst pflegebedürftig. Sie lebt im M - Zentrum der Arbeiterwohlfahrt in K., einem Pflegeheim, und wird dort als "Pflegefall" rund um die Uhr betreut.

Zur Betreuerin der Klägerin ist durch das Amtsgericht K. in dem Verfahren 52 XVII W 102/96 deren Tochter G. bestellt. Der Aufgabenkreis der Betreuung umfaßt:

a) Aufenthaltsbestimmung,

b) Sorge für die Gesundheit nebst Entscheidung über die Unterbringung,

c) Regelung der Vermögensangelegenheiten,

d) Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßrahmen,

e) Vertretung bei Behörden,

f) Entscheidung über Postkontrolle.

Die Klägerin, vertreten durch ihre Betreuerin, begehrt von dem Beklagten als ihrem Sohn Unterhalt und hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie ab 1. August 1998 Unterhalt in Höhe von monatlich 265,-- DM zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit Urteil vom 14. Dezember 1999 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Zweibrücken den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 265,-- DM an die Klägerin ab 1. August 1998 verurteilt.

Gegen dieses ihm am 17. Dezember 1999 zugestellte Urteil hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 17. Januar 2000, eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und diese am 17. Februar 2000 begründet.

Der Beklagte trägt unter anderem vor, es sei nicht feststellbar, ob die Klägerin ordnungsgemäß vertreten sei.

Der Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die durch ihre Betreuerin vertretene Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderungsschrift vom 20. April 2000, ergänzt durch den Schriftsatz vom 9. Mai 2000, worauf jeweils Bezug genommen wird. Sie vertritt hinsichtlich ihrer Vertretung die Auffassung, daß die Geltendmachung von Unterhalt zur Vermögenssorge gehöre.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und verfahrensrechtlich nicht zu beanstanden.

In der Sache führt das Rechtsmittel zum Erfolg. Die Klage ist unzulässig. Die Betreuerin der Klägerin ist zu deren Vertretung in vorliegendem Verfahren nicht berechtigt. Der Mangel der Ermächtigung zur Prozessführung ist gemäß § 56 Abs. 1 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen.

Über den Umfang der Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters im Prozess entscheidet das seine Bestellung beherrschende materielle Recht, dem zu entnehmen ist, ob die Vertretungsmacht besteht und auf welche einzelne Angelegenheit sie sich bezieht (vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., 51 Rdnr. 26). Die der Betreuerin der Klägerin übertragene "Regelung der Vermögensangelegenheiten" - eine andere Position aus dem hier bestimmten Aufgabenkreis der Betreuerin kommt als Grundlage für die Führung des vorliegenden Rechtsstreits nicht in Betracht - umfasst nicht die Geltendmachung gesetzlicher Unterhaltsansprüche.

In der Literatur umstritten und von der neueren obergerichtlichen Rechtsprechung nicht beantwortet ist die Frage, welchem Aufgabenkreis eines Betreuers Unterhaltsangelegenheiten zuzuordnen sind. So vertritt Diederichsen (in Palandt, BGB, 59. Aufl., § 1896 Rdnr. 38) die Auffassung, dass Unterhalt zur Vermögenssorge gehöre, wenn auch ein diesbezüglicher gesonderter Aufgabenkreis empfehlenswert sei. Nach Schwab (in MünchKomm., BGB, 3. Aufl., § 1896 Rdnr. 37) muss, sollen auch Unterhaltsangelegenheiten vom Aufgabenkreis "Vermögensbetreuung" umfasst werden, dies ausdrücklich festgelegt sein. Unter Hinweis darauf, dass durch den Unterhalt der persönliche Lebensbedarf gesichert wird, ordnet van Els (in Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 7. Aufl., Rdnr. 2009) die gesetzliche Vertretung dessen, der einen Unterhaltsanspruch geltend macht, der Personensorge - nicht der Vermögenssorge - zu. Jedenfalls hinsichtlich der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen minderjähriger Kinder vertreten dies auch G und C-W (in Lehrbuch des Familienrechts, 4. Aufl., § 62 I.1.). Bienwald (Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1896 BGB, S. 189 "Vermögenssorge") erachtet wegen der nicht immer eindeutigen Zuordnung einzelner Angelegenheiten zu der Vermögens- und/oder Personensorge Differenzierungen als empfehlenswert und schlägt eine Betreuung für Vermögens- und Unterhaltsangelegenheiten vor.

Der Senat sieht Unterhaltsangelegenheiten als Teil der Personensorge und folgt damit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gemäß Beschluss vom 3. Juni 1953 (NJW 1953, 1546, 1547; a. A.: RG in DR 45, 52; KG, NJW 1951, 318; OLG Celle, NdsRpfl. 1948, 243). Hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs eines Kindes wird in der Entscheidung ausgeführt:

"Das Gesetz unterscheidet in §§ 1627 ff BGB zwischen der Sorge für die Person und der Sorge für das Vermögen des Kindes. Bei beiden Bereichen handelt es sich aber nicht um voneinander streng zu scheidende, sondern um sich überschneidende Gebiete. Betrachtet man den Unterhaltsanspruch rein als Anspruch auf Zahlung einer Geldrente, dann gehört seine Verwaltung zwar in das Gebiet der Vermögensfürsorge. Wollte man ihn aber ausschließlich diesem Gebiet zurechnen, dann würde man dem eigentlichen Wesen dieses Anspruchs nicht gerecht. Der Unterhaltsanspruch soll nicht dazu dienen, das Vermögen des Kindes zu vermehren. Zweck der für den Unterhalt gezahlten Geldmittel ist es nicht, angesammelt und als Vermögen des Kindes erhalten zu werden. Der Unterhaltsanspruch dient seiner wesenseigenen Zweckbestimmung nach dazu, die Befriedigung der persönlichen Bedürfnisse des Kindes zu ermöglichen. Mit den als Unterhalt gezahlten Mitteln sollen die im Interesse der persönlichen Entwicklung des Kindes notwendigen Aufwendungen wie Nahrung, Kleidung, Unterkunft, Ausbildungsmittel und dergleichen mehr bestritten werden. Seinem Zweck nach ist der Unterhaltsanspruch ausschließlich auf den Bereich der Sorge für die Person des Kindes gerichtet. Dieser Zweck bestimmt sein eigentliches Wesen, so dass es notwendig ist, in der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs eine Aufgabe aus dem Gebiet der Personensorge zu erblicken. Die gegenteilige Ansicht des RG, die darin eine Aufgabe der Vermögensverwaltung sah, kann nur vertreten werden, wenn man die Mutter als Frau grundsätzlich für unfähig hält, irgendwelche Vermögensstücke des Kindes zu verwalten. Diese Ansicht, die zur Zeit der Entstehung des BGB vielleicht allgemein vertreten worden ist, trifft nach der Entwicklung der Lebensverhältnisse jedenfalls jetzt nicht mehr zu."

Nach der Neufassung des § 1629 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 BGB gehört die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen des Kindes gegen den anderen Elternteil zur Personensorge. Es entscheidet der mit der Geltendmachung verfolgte Zweck (den persönlichen Bedarf des Kindes zu decken), nicht die formale Anknüpfung an das Vermögen des Kindes (vgl. Peschel-Gutzeit in Staudinger, BGB (1997), § 1626 Rdnrn. 58 und 69 m. w. N.). Dem steht die Neufassung des § 1666 BGB durch Art. 1 Nr. 17 KindRG mit Wirkung vom 1. Juli 1998, wonach gemäß Abs. 2 in der Regel anzunehmen ist, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind verletzt, nicht entgegen (allerdings problematisiert von Bienwald, FamRZ 1998, 1567, 1568 Fn. 4); denn der Vermögenssorgeberechtigte kann - etwa als barunterhaltspflichtiger Elternteil - seine Unterhaltspflicht auch und gerade dann verletzen, wenn die Personensorge für das Kind nicht ihn, sondern beispielsweise dem anderen Elternteil zusteht.

Auch in Ansehung des unterschiedlichen dogmatischen Ansatzes kann für Unterhaltsansprüche von unter Betreuung stehenden Volljährigen nichts anderes gelten. Auch diese Ansprüche sind nicht dazu bestimmt, das Vermögen des Unterhaltsberechtigten zu vermehren, und es ist nicht Zweck der gezahlten Geldmittel, angesammelt und als Vermögen erhalten zu werden. Auch wenn die "Personensorge" für den unter Betreuung stehenden Volljährigen nicht wie bei der Sorge für ein minderjähriges Kind mit dessen Erziehung verknüpft ist, so sind doch maßgebende, das Unterhaltsverhältnis bestimmende Übereinstimmungen gegeben, die eine unterschiedliche Bewertung nicht nur unzweckmäßig erscheinen lassen, sondern verbieten. So weisen insbesondere die gesetzlichen Bestimmungen zum Unterhaltsbedarf und zur Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten sowie zur Befreiung des Unterhaltsverpflichteten wegen Leistungsunfähigkeit Parallelen auf, die einer Bewertung von Unterhaltsangelegenheiten als Teil der - bloßen und rein finanziell ausgerichteten - Vermögenssorge entgegenstehen. Dies gilt gleichermaßen für die gesetzliche Rangfolge der Unterhaltsberechtigten wie auch der Unterhaltsverpflichteten. Sowohl bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüche als auch der Verteilung der vorhandenen Mittel auf die einzelnen Lebensbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten kann der Sorgeberechtigte bzw. Betreuer zwar auch über Bestandteile des Vermögens befinden, dies aber - wenn auch in unterschiedlicher Intensität - evident personenbezogen (s. dazu Gernhuber, FamRZ 1976, 189, 192 ff; zur vergleichbaren Problematik betreffend die Beantragung von Sozialhilfe für den Betreuten vgl. LG Köln, FamRZ 1998, 919 - der Personensorge zuordnend - mit kritischer Besprechung von Bienwald in FamRZ 1998, 1567 und Kommentierung in Staudinger (1999), § 1896 BGB Rdnr. 79; s. auch OLG Köln, FamRZ 1993, 850).

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung nicht um Vertagung zwecks Behebung des Mangels der fehlenden Vertretungsmacht durch Änderung bzw. Ausweitung des Umfangs der Betreuung sowie Neuformulierung der Aufgabenkreise der Betreuerin gebeten. Es bestand vielmehr Einigkeit, die im Termin mit den Parteivertretern erörterte Rechtsfrage einer höchstrichterlichen Klärung zuzuführen. Will denn die Klägerin keiner Rechte verlustig gehen, ist dies zwingend. Mängel der Klageerhebung mögen rückwirkend zu beseitigen sein. Der Geltendmachung von Unterhalt für die Vergangenheit steht indes die Unwirksamkeit der Mahnung des vollmachtlosen Vertreters entgegen (§ 1613 Abs. 1 BGB).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Betreuerin der Klägerin ist auch als vollmachtlose Vertreterin mit den Kosten des Rechtsstreits nicht belastet, da sie jedenfalls nicht im Bewusstsein fehlender Legitimation gehandelt hat (vgl. BGHZ 121, 397, 400). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1, 108 Abs. 1 ZPO.

Der Senat lässt die Revision nach §§ 621 d Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 4, 546 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO zu. Die Rechtsache hat grundsätzliche Bedeutung. Durch die Klageabweisung als unzulässig im Wege eines Prozessurteils statt einer Sachabweisung ist auch der Beklagte beschwert.

Ende der Entscheidung

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