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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 20.04.2004
Aktenzeichen: 5 UF 7/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 1587 a Abs. 1
BGB § 1587 a Abs. 2
BGB § 1587 b Abs. 1
BGB § 1587 c Nr. 1
Rentenanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung, für deren Erwerb in der Ehezeit freiwillige Beiträge für voreheliche Zeiten nachentrichtet worden sind, unterfallen nach dem sog. "In-Prinzip" dem Versorgungsausgleich.

Dies gilt auch für sog. "Wiederauffüllungsbeiträge", die geleistet werden, um eine durch den Versorgungsausgleich im Rahmen einer früheren Ehescheidung eingetretene Minderung der Rentenanwartschaften auszugleichen.

Werden die Beitragszahlungen aus einem dem Zugewinnausgleich nicht unterliegenden Vermögen erbracht, kann insoweit Unbilligkeit nach § 1587 c Nr. 1 BGB anzunehmen sein.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 5 UF 7/04

In der Familiensache

betreffend die Regelung des Versorgungsausgleichs der geschiedenen Ehegatten hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoffmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Geisert und Kratz auf die befristete Beschwerde der Antragstellerin vom 7. Januar 2004, eingegangen und sogleich begründet am 12. Januar 2004, gegen das ihr am 16. Dezember 2003 zugestellte Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Kaiserslautern vom 3. Dezember 2003 nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten

ohne mündliche Verhandlung

am 20. April 2004

beschlossen:

Tenor:

I. Das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Kaiserslautern vom 3. Dezember 2003 wird in seiner Nr. II. teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:

Von dem Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in ..., Vers.Nr. ..., werden Anwartschaften aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 123,03 €, bezogen auf den 30. Juni 2003, auf das Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz, Vers.Nr. ..., übertragen.

II. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges verbleibt es bei der Kostenentscheidung in dem angefochtenen Urteil.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden zwischen den beteiligten Eheleuten gegeneinander aufgehoben. Außergerichtliche Kosten der beteiligten Versorgungsträger sind nicht zu erstatten.

III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1 476,36 € festgesetzt.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Die befristete Beschwerde der Antragstellerin ist nach §§ 629 a Abs. 2 Satz 1, 621 Abs. 1 Nr. 6, 621 e Abs. 1 und 3, 517, 520 ZPO zulässig und begegnet verfahrensrechtlich keinen Bedenken.

Dem steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin mit ihrer Beschwerdeschrift vom 7. Januar 2004 lediglich die Aufhebung des angefochtenen Urteils betreffend die Entscheidung zum Versorgungsausgleich und die Zurückweisung des Rechtsstreits an das erstinstanzliche Gericht zur Neuberechnung des Versorgungsausgleichs beantragt. Unter Berücksichtigung der Begründung des Rechtsmittels wird hinreichend deutlich, welche Abänderung des Urteils die Antragstellerin begehrt (nämlich die Einbeziehung nachentrichteter Beiträge in den Versorgungsausgleich). Der ausdrücklichen Formulierung eines dahingehenden Sachantrages bedarf es nicht (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 24. Aufl., § 520 Rdnr. 28).

In der Sache führt das Rechtsmittel zu dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg.

Für die während der vom 1. Juli 1981 bis 30. Juni 2003 dauernden Ehezeit erworbenen Anwartschaften der Parteien aus der gesetzlichen Rentenversicherung ist der öffentlich-rechtliche Versorgungsausgleich durch Splitting durchzuführen (§§ 1587 a Abs. 1 und 2 Nr. 2, 1587 b Abs. 1 BGB).

Nach der Auskunft der Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz vom 30. Oktober 2003 hat die Antragstellerin ehezeitbezogene Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich 395,97 € erworben. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in ... hat - erkennbar als Vertreterin der verfahrensbeteiligten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in S... - ehezeitbezogene Anwartschaften des Antragsgegners in der gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich 642,03 € unter Berücksichtigung geleisteter Wiederauffüllungsbeiträge festgestellt. Die Auskünfte lassen im Rahmen richterlicher Nachprüfbarkeit keine Unrichtigkeiten erkennen.

Betreffend die erste Ehezeit des Antragsgegners vom 1. November 1953 bis 31. August 1979 wurden zu dessen Lasten Rentenanwartschaften von monatlich 236,90 DM, bezogen auf den 31. August 1979, übertragen. Die dadurch bedingte Minderung seiner Rentenanwartschaften aufgrund des seinerzeit durchgeführten Versorgungsausgleichs hat der Antragsgegner durch die Zahlung von Wiederauffüllungsbeiträgen während der zweiten Ehezeit vom 1. Juli 1981 bis 30. Juni 2003 vollständig ausgeglichen. Die Beitragszahlungen erfolgten in der Zeit von Juli 1986 bis August 1989 in unterschiedlich hohen Raten und beliefen sich auf insgesamt 59802,21 DM bzw. 30 576,38 €. Bei Einbeziehung der Entgeltpunkte aus diesen gezahlten Wiederauffüllungsbeiträgen errechnen sich bezogen auf den 30. Juni 2003 monatliche Rentenanwartschaften des Antragsgegners aus der gesetzlichen Rentenversicherung von 642,03 €. Die diesbezüglichen Ausführungen der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin gemäß Auskunft vom 11. März 2004 werden von den verfahrensbeteiligten Eheleuten nicht angezweifelt oder in Abrede gestellt.

Nach dem so genannten In-Prinzip sind in der Ehezeit aus dem Vermögen geleistete Beiträge auch dann der Ehezeit zuzurechnen, wenn sie für Zeiten vor der Ehe gezahlt wurden. Es sind mithin auch solche Rentenanwartschaften in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, die in der Ehezeit durch Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für voreheliche Zeiten begründet worden sind (vgl. BGH, FamRZ 1993, 292; 1981, 1169; OLG Köln, FamRZ 2000, 157; OLG Thüringen, FamRZ 2000, 234; Johannsen/Henrich/Hahne, EheR, 4. Aufl., § 1587 Rdnrn. 18 ff m.w.N.; Wick, Der Versorgungsausgleich, 1. Aufl., S. 60 = 3.2.5.4; FA-FamR/Gutdeutsch, 4. Aufl., 7. Kap., Rdnr. 17; Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl., § 1587 Rdnr. 19). So liegt der Fall hier.

Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner lediglich so genannte "Wiederauffüllungsbeiträge" geleistet hat. Dem lag zugrunde, die durch den Versorgungsausgleich im Rahmen der Scheidung seiner ersten Ehe eingetretene Minderung seiner Rentenanwartschaften auszugleichen. Der Senat vermag indes keine abweichende Interessenlage betreffend die Fälle zu erkennen, in denen die Ehegatten freiwillige Beiträge oder Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt haben. Der dem so genannten In-Prinzip zugrunde liegende Gedanke betrifft all diese Fallgestaltungen in gleicher Weise. Ob anderes dann gilt, wenn gezahlte Wiederauffüllungsbeiträge in einem Härtefall nach § 8 VAHRG auf Antrag an den Ausgleichspflichtigen zurückzuzahlen sind, mag dahinstehen. Ein solcher Härtefall ist nicht gegeben.

Die Inanspruchnahme des Antragsgegners unter Berücksichtigung geleisteter Wiederauffüllungsbeiträge ist auch nicht etwa unbillig im Sinne des § 1587 c Nr. 1 BGB. Dies könnte dann zweifelhaft sein, wenn die Beitragszahlungen aus einem dem Zugewinnausgleich nicht unterliegenden Vermögen erbracht worden wären. Dafür indes fehlt jeglicher Hinweis. Wie oben dargelegt erfolgten die Zahlungen über einen längeren Zeitraum, nämlich in der Zeit von Juli 1986 bis August 1989, und zwar in 37 unterschiedlich hohen Raten, also erkennbar wohl aus laufenden ehezeitlichen Einnahmen.

Die monatlichen Anwartschaften des Antragsgegners belaufen sich auf 642,03 €, diejenigen der Antragstellerin auf 395,97 €. Die Hälfte des Wertunterschiedes von 246,06 €, mithin 123,03 €, stehen der Antragstellerin als Versorgungsausgleich zu.

In diesem Umfang sind Rentenanwartschaften für die Antragstellerin auf deren Konto bei der Landesversicherungsanstalt Rheinland-Pfalz zu übertragen.

Die Anordnung der Umrechnung der zu übertragenden Rentenanwartschaften in Entgeltpunkte gemäß § 1587 b Abs. 6 BGB ist in Nr. III. des angefochtenen Urteils angeordnet. Hierbei hat es sein Bewenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 93 a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG. Der Beschwerdewert ist nach § 17 a Nr. 1 GKG festgesetzt.

Im Hinblick auf die von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte geäußerten Zweifel betreffend die Geltung des In-Prinzips auch für geleistete Wiederauffüllungsbeiträge erachtet es der Senat als angezeigt, nach §§ 621 e Abs. 2, 621 Abs. 1 Nr. 6, 543 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO die Rechtsbeschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache und zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Der Bundesgerichtshof hat sich bislang - soweit ersichtlich - zu dieser Problematik noch nicht geäußert.

Ende der Entscheidung

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