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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 19.11.2003
Aktenzeichen: 5 WF 138/03
Rechtsgebiete: GKG, BRAGO, ZPO


Vorschriften:

GKG § 12 Abs. 2 Satz 1
GKG § 12 Abs. 2 Satz 2
GKG § 12 Abs. 2 Satz 4
GKG § 25 Abs. 3
BRAGO § 9 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 114
ZPO § 115
Für die Bemessung des Streitwerts in Ehesachen ist es grundsätzlich ohne Belang, ob den Ehegatten Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlungen bewilligt worden ist. Dies allein rechtfertigt nicht die Annahme nur des Mindestwertes.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen 5 WF 138/03

In der Familiensache

wegen Ehescheidung und Folgesachen,

hier: Streitwertfestsetzung,

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoffmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Geisert und Kratz auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 23. September 2003 gegen den Streitwertbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Pirmasens vom 17. September 2003 nach schriftlicher Anhörung des Bezirksrevisors beim Landgericht Zweibrücken

ohne mündliche Verhandlung am 19. November 2003

beschlossen:

Tenor:

I. Der Beschluss vom 17. September 2003 wird geändert:

Der Streitwert für die Ehescheidung wird auf 3 779,79 EUR festgesetzt.

II. Die Rechtsbeschwerde wird für die Landeskasse zugelassen.

Gründe:

Das Familiengericht hat beiden Parteien Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungsanordnungen für das Scheidungsverfahren bewilligt. Nach Abtrennung des Versorgungsausgleichs wurde mit Urteil vom 17. September 2003. Die Scheidung ausgesprochen und mit Beschluss vom gleichen Tage der Streitwert hierfür auf 2 000,00 EUR festgesetzt.

Hiergegen richtet sich de Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, der auf der Grundlage eines monatlichen Nettoeinkommens des Antragsgegners vor Antragstellung eine Streitwertfestsetzung auf 3 779,79 EUR erstrebt.

Der Bezirksrevisor beim Landgericht Zweibrücken ist dem unter Hinweis auf die Zahlung von Kindesunterhalt durch den Antragsteller in Höhe von 379,00 EUR monatlich, eine Ratenverpflichtung in Höhe von 179,00 EUR (richtig: 172,00 EUR) monatlich und auf den geringen Umfang des Verfahrens nach übereinstimmendem Scheidungsantrag beider Parteien entgegengetreten.

Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten ist gemäß den §§ 9 Abs.2 Satz 1 BRAGO, 25 Abs. 3 GKG statthaft und begegnet keinen verfahrensrechtlichen Bedenken.

Das Rechtsmittel ist begründet.

Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 GKG ist der Streitwert in nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 GKG ist in Ehesachen für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute einzusetzen.

Der vom Familiengericht gewählte Ansatz, im Regelfall sei unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen nur der Mindestwert nach § 12 Abs. 2 Satz 4 GKG in Höhe von 2 000,00 EUR anzusetzen, wenn beiden Parteien ratenfreie Prozesskotenhilfe bewilligt wurde, lässt sich mit dieser gesetzlichen Regelung nicht vereinbaren (ebenso HansOLG Hamburg, FamRZ 2003,1681= OLGR 2003, 252; OLG Celle, OLGR 2002, 153; OLG Karlsruhe FamRZ 2002,1135; 2. Zivilsenat des Pfalz. OLG Zweibrücken, JurBüro 1984, 900 = Kostenrechtsprechung GKG, § 12 Nr. 73; a. A.: OLG Stuttgart FamRZ 2000, 1518; AGS 2001, 12, zitiert nach juris). Für die Festsetzung von Ratenzahlungen im Rahmen der Prozesskostenhilfe sind nach § 115 ZPO Gesichtspunkte maßgeblich, auf die es für die Streitwertfestsetzung nicht ankommt, etwa die Kosten der Unterkunft und Heizung oder die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (§§ 115 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 ZPO, 76 Abs. 2 Nr. 4 BSHG).

Wenn der Gesetzgeber in § 12 Abs. 2 Satz 2 GKG für die maßgeblichen Einkommensverhältnisse auf das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute verweist, sind hierzu Einkünfte aller Einkommensarten zu rechnen, bei Einkünften aus Erwerbstätigkeit einschließlich 13. Monatsgehalt, vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers und Naturalleistungen abzüglich gesetzlicher Steuern und Vorsorgeaufwendungen (vgl. zu dem Begriff des Nettoeinkommens etwa Internet-Seite des Bundesamtes für Statistik, Wiesbaden, 2003). Dagegen sind Abzüge für Ratenzahlungen und Unterhaltslasten für die Ermittlung des Nettoeinkommens außer acht zu lassen.

Soweit in Rechtsprechung und Literatur vertreten wird, dass im Einzelfall weitere Abzüge für Unterhaltsverpflichtungen und für Verbindlichkeiten bei der Wertfestsetzung beachtlich sein können (vgl. dazu etwa OLG Hamburg aaO; OLG Brandenburg FamRZ 2003; 1676, Markl/Meyer, GKG, 5. Aufl., § 12 Rdnr. 20; Hartmann, Kostengesetze, 32. Aufl., § 12 GKG Rdnrn. 39 f) kann dies hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls rechtfertigt im vorliegenden Fall eine Ratenverpflichtung von monatlich 172,00 EUR und die Unterhaltslast für drei minderjährige Kinder der Parteien eine Streitwertverminderung nicht. Bei Einreichung des Antrags zahlte der Antragsteller mit 347,00 EUR monatlich einen Gesamtunterhalt, welcher noch deutlich unterhalb des von der Antragsgegnerin bezogenen staatlichen Kindergeldes lag, welches nicht gesondert als Einkommen angesetzt wird. Zahlungsverpflichtungen in einem den Einkommensverhältnissen entsprechenden Umfang, etwa für Verbraucherkredite, vermögen die Bedeutung einer Ehesache nicht mit zu bestimmen. Eine unterhaltsrechtliche Einkommensbestimmung ist nach der gesetzlichen Regelung nicht vorzunehmen.

Der nach dem dreifachen Nettoeinkommen des Antragstellers zu bemessende Wert der Ehesache beläuft sich auf 3 779,79 EUR.

Der Senat sieht keine Veranlassung, im Hinblick auf den Umfang und die Bedeutung der Sache hiervon einen Abschlag vorzunehmen. Insbesondere waren die Voraussetzungen einer einverständlichen Ehescheidung gemäß § 630 ZPO vorliegend nicht erfüllt. Der Antragsteller hat zwar in seinem Entwurf eines Scheidungsantrags vom 16. Juni 2003 vorgetragen, hinsichtlich Kindes- und Trennungsunterhalts sei zwischen den Parteien eine einverständliche Regelung erfolgt, das dazu vorgelegte Schreiben des Stadtjugendamtes ... am 30. April 2003 (Bl. 12 d. A.) belegt allerdings lediglich eine vorläufige Regelung zum Kindesunterhalt bis nach einem Urlaub des Unterhaltsbeistandes. Im Scheidungsantrag vom 4. Juli 2003 sind sodann die nach § 630 Abs. 1 ZPO erforderlichen Angaben nicht enthalten. Allein der Umstand, dass beide Parteien einen Scheidungsantrag gestellt haben, rechtfertigt keinen generellen Abschlag (ebenso OLG Dresden, FamRZ 2003, 1677), so dass der Senat den Gegenstandswert antragsgemäß festsetzt.

Gemäß § 25 Abs. 4 GKG werden notwendige Auslagen im Beschwerdeverfahren nicht erstattet.

Im Hinblick auf die unterschiedliche Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zur Bedeutung der Bewilligung ratenfreier Prozesskostenhilfe für die Streitwertbemessung hat der Senat zur Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung die Rechtsbeschwerde für die Landeskasse zugelassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Ende der Entscheidung

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