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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 13.12.2006
Aktenzeichen: 5 WF 166/06
Rechtsgebiete: FGG, ZPO, RPflegerG, RVG, VV RVG


Vorschriften:

FGG § 13a Abs. 1
ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 104 Abs. 3
RPflegerG § 11 Abs. 1
RVG § 13
VV RVG Nr. 3200
VV RVG Nr. 3201
Wird die befristete Beschwerde ohne mündliche Verhandlung schon vor Ablauf der dem Beschwerdegegner gesetzten Frist zur Beschwerdeerwiderung und vor deren Eingang zurückgewiesen, so kann dann, wenn der Beschwerdegegner schon vor der Begründung der befristeten Beschwerde deren Zurückweisung beantragt hat und die befristete Beschwerde später tatsächlich begründet wurde, der Beschwerdegegner eine 1,6-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV RVG - nicht nur eine ermäßigte Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG - erstattet verlangen.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 5 WF 166/06

In der Familiensache

wegen Übertragung der elterlichen Sorge, hier: Kostenfestsetzung,

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoffmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Geisert und Kratz auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 21. November 2006, eingegangen am selben Tag, gegen den ihr am 16. November 2006 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Amtsgerichts - Familiengericht - Landau in der Pfalz - Zweigstelle Bad Bergzabern - vom 8. November 2006

ohne mündliche Verhandlung am 13. Dezember 2006

beschlossen:

Tenor:

1. Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 373,98 EURO festgesetzt.

4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien, aus deren Ehe zwei gemeinsame Kinder hervorgegangen sind, sind seit dem Jahr 2000 geschieden. Mit dem vorliegenden, selbständigen Verfahren hat die Antragstellerin in erster Instanz erfolglos die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für eine ehegemeinsame Tochter begehrt. Gegen den ihren Antrag zurückweisenden Beschluss hat sie am 2. August 2006 befristete Beschwerde eingelegt. Mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 22. August 2006 hat der Antragsgegner die Zurückweisung der bis dahin noch nicht begründeten Beschwerde beantragt. Mit am 5. September 2006 bei dem Beschwerdegericht eingegangenem Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten hat die Antragstellerin ihre Beschwerde sodann begründet. Mit Verfügung vom 6. September 2006 wurde dem Antragsgegner Gelegenheit zur Stellungnahme hierauf bis zum 10. Oktober 2006 gegeben. Bereits mit Beschluss des Senats vom 12. September 2006 und vor Eingang eines weiteren Schriftsatzes des Antragsgegners wurde die Beschwerde ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Nach der Kostenentscheidung des Beschlusses hat die Antragstellerin die dem Antragsgegner im Beschwerdeverfahren entstandenen Auslagen zu erstatten.

Mit dem angegriffenen Beschluss hat der Rechtspfleger die von der Antragstellerin dem Antragsgegner zu erstattenden Rechtsanwaltsgebühren antragsgemäß auf 373,98 € festgesetzt. Dabei ist aus einem Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens in Höhe von 3.000 € eine Verfahrensgebühr nach § 13 Nr. 3200 VV RVG zugrunde gelegt.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die meint, es sei überhaupt keine, allenfalls aber eine 1,1-fache Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 VV RVG zu erstatten.

Dagegen verteidigt der Antragsgegner die angegriffene Entscheidung. Sein Verfahrensbevollmächtigter trägt vor, er sei zum - überraschenden - Zeitpunkt der Zustellung des Senatsbeschlusses gerade dabei gewesen, die Beschwerdeerwiderung zu verfassen.

II.

Die nach §§ 104 Abs. 3 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.

Zu Recht hat der Rechtspfleger die von der Antragstellerin dem Antragsgegner zu erstattenden Kosten auf 373,98 € festgesetzt. In dieser Höhe sind dem Antragsgegner Auslagen in Form von Anwaltskosten entstanden, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Beschwerdeverfahren erforderlich waren (§§ 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG, 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Im Einzelnen gilt Folgendes:

Es entspricht inzwischen der einhellig vertretenen Auffassung, dass der Rechtsmittelgegner die Kosten eines sogleich nach Rechtsmitteleinlegung beauftragten Anwalts für das Rechtsmittelverfahren erstattet verlangen kann (BGH, AGS 2003, 219; Schneider/Wolf, RVG, 3. Aufl., Rnr. 23 zu VV 3201; Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., Anm. 6 zu VV 3201). Das gilt nach überwiegender Auffassung selbst dann, wenn - wie hier nicht - das Rechtsmittel nach der ausdrücklichen Erklärung des Rechtsmittelführers nur zur Fristwahrung eingelegt worden ist (Hartmann a.a.O.).

Umstritten ist hingegen, unter welchen näheren Voraussetzungen nur diejenigen anwaltlichen Tätigkeiten, die mit der gegenüber der 1,6-fachen Verfahrensgebühr ermäßigten 1,1-fachen Verfahrensgebühr abgegolten sind, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich sind. Der Ermäßigungstatbestand der VV 3201 entfällt unter anderem dann, wenn der Rechtsanwalt einen Schriftsatz bei Gericht einreicht, der einen Sachantrag enthält. Nach wohl überwiegender Auffassung ist ein solcher, also ein zur Entstehung der 1,6-fachen Verfahrensgebühr führender Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels, dann nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich, wenn und solange die Gegenseite das Rechtsmittel noch nicht begründet hat.

Der vorliegende Fall zeichnet sich nun durch die Besonderheit aus, dass zwar einerseits der Antrag auf Zurückweisung des Rechtsmittels vor dessen Begründung gestellt wurde, nach der vorgenannten Auffassung also nicht zur Erstattungsfähigkeit der 1,6-fachen Verfahrensgebühr führen würde, dass aber andererseits die befristete Beschwerde später tatsächlich begründet worden ist. Die Auffassung, dass auch in diesem Fall lediglich die 1,1-fache Verfahrensgebühr nach VV 3201 erstattungsfähig ist, vertritt das OLG München (FamRZ 2006, 221). Die Gegenauffassung, also die Erstattungsfähigkeit der 1,6-fachen Gebühr nach VV 3200, vertritt hingegen das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (MDR 2003, 1318; ebenso Schneider/Wolf, RVG, 3. Aufl., Rnr. 27 zu VV 3201). Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an.

Ob eine - höhere Gebühren auslösende - Tätigkeit des Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war oder nicht, beurteilt sich nach den Erkenntnissen zum Zeitpunkt der Entscheidung über eben diese Frage. Es mag sein, dass die Stellung eines Abweisungsantrages zu dem Zeitpunkt, als sie vorgenommen wurde, (noch) nicht sachdienlich war. Die Stellung des Abweisungsantrages hat sich aber jedenfalls nach Eingang der Beschwerdebegründung als sachdienlich herausgestellt. Es geht dabei nicht um die Frage, ob die Tatsache eines ursprünglich ohne sachlichen Hintergrund gestellten Antrages durch die spätere Rechtsmittelbegründung "geheilt" werden kann (so aber OLG München a.a.O.), sondern alleine darum, dass sich die Stellung eines Abweisungsantrages inzwischen als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich erwiesen hat. Es wäre auch eine unangebrachte Förmelei, von dem Rechtsanwalt, der - unter dem Gesichtspunkt der Erforderlichkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung verfrüht, aber immerhin - einen Antrag gestellt hat, nunmehr, nachdem eben jene Erforderlichkeit sich eingestellt hat, die Wiederholung des Antrages zu verlangen.

Eine vergleichbare Situation liegt entgegen der Auffassung des OLG München (a.a.O.) auch nicht der Entscheidung des BGH in NJW 1992, 840 zugrunde. In dieser Entscheidung ging es alleine um die Frage, ob Gebühren auslösende Tätigkeiten eines Rechtsanwalts vor dem - ggf. rückwirkenden - Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Bewilligung von Prozesskostenhilfe aus der Staatskasse zu vergüten sind. Diese Frage hat der Bundesgerichtshof verneint. Dies lässt indes keinen Rückschluss auf die hier alleine interessierende Frage zu, ob die Gebühren auslösende Handlung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlich war.

Im Hinblick auf die zitierte divergierende, obergerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Erstattungsfähigkeit einer 1,6-fachen Gebühr in der vorliegenden Fallkonstellation hat der Senat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Die Kostenentscheiduung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO

Ende der Entscheidung

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