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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 27.06.2001
Aktenzeichen: 5 WF 40/01
Rechtsgebiete: GKG, ZPO, DVO-EheG


Vorschriften:

GKG § 12 Abs. 2 Satz 1
GKG § 12 Abs. 2 Satz 2
GKG § 15
GKG § 19 Abs. 1 Satz 1
GKG § 19 Abs. 1 Satz 3
GKG § 25 Abs. 3
ZPO § 631 Abs. 2 Satz 3
DVO-EheG § 18 der 1.
1. Zum Streitwert in Ehesachen.

Maßgebend für die Bewertung der Einkommensverhältnisse ist grundsätzlich der Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung; Verbesserungen der Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Instanzbeendigung sind bei deren Bewertung zu berücksichtigen, nicht aber Verschlechterungen.

2. Ein außergewöhnlicher Umfang des Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vermag die Erhöhung des Regelstreitwerts zu begründen.

3. Die Streitwerte des Scheidungsverfahrens und des Verfahrens auf Aufhebung der Ehe sind zusammenzurechnen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 5 WF 40/01

In der Familiensache

wegen Aufhebung der Ehe und Ehescheidung,

hier: Streitwert für das Verfahren erster Instanz und das Berufungsverfahren

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoffmann, den Richter am Oberlandesgericht Geisert und die Richterin am Landgericht Orth auf die Gegenvorstellung des Antragsgegners vom 18./22. Mai 2001 gegen den Senatsbeschluss vom 24. April 2001 sowie die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Zweibrücken vom 31. Juli 2000 ohne mündliche Verhandlung am 27. Juni 2001

beschlossen:

Tenor:

I. Die Gegenvorstellung gegen die Festsetzung des Gebührenstreitwerts für das Berufungsverfahren gibt dem Senat keine Veranlassung, seinen Beschluss vom 24. April 2001 zu ändern.

II. Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Gebührenstreitwertes für das Verfahren erster Instanz gemäß Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Zweibrücken vom 31. Juli 2000 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die von dem Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners ausdrücklich in dessen Namen eingelegte Streitwertbeschwerde ist nach § 25 Abs. 3 GKG statthaft und begegnet keinen verfahrensrechtlichen Bedenken.

Der Antragsgegner begehrt sowohl mit seiner Gegenvorstellung gegen die Gebührenstreitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren durch den Senat als auch mit seiner Beschwerde gegen die Festsetzung des Gebührenstreitwertes erster Instanz durch das Familiengericht die Herabsetzung des jeweils auf 15 000,-- DM DM festgesetzten Streitwertes für jede der beiden Ehesachen - Verfahren auf Scheidung und Aufhebung der Ehe - auf zusammen höchstens 9 498,-- DM. Der für die im Berufungsverfahren abgetrennte Folgesache "Versorgungsausgleich" erstinstanzlich festgesetzte Wert von 2 867,88 DM ist nicht Gegenstand des Beschwerdeangriffs.

Die Gegenvorstellung gibt dem Senat keine Veranlassung, seine Streitwertfestsetzung zu ändern. Auch die Beschwerde führt in der Sache nicht zum Erfolg.

Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 GKG bestimmt sich in nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten der Wert des Streitgegenstandes nach Ermessen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien. Nach Satz 2 dieser Bestimmung ist in Ehesachen für die Einkommensverhältnisse das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute einzusetzen.

Hiervon ausgehend erachtet der Senat sowohl für das Scheidungsverfahren (Antrag der Antragstellerin) als auch das Verfahren auf Aufhebung der Ehe (Widerklage des Antragsgegners) einen Gebührenstreitwert von jeweils 15 000,-- DM als angemessen.

Maßgebend für die Bewertung der Einkommensverhältnisse ist nach § 15 GKG der Zeitpunkt der die Instanz einleitenden Antragstellung; Verbesserungen der Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt der Instanzbeendigung, nicht aber Verschlechterungen, sind zu berücksichtigen (vgl. OLG München, FamRZ. 1997, 34; Anders/Gehle, Streitwert-Lexikon, 3. Aufl., Stichwort "Ehesachen", Rdnr. 3 = S. 88/89; Schneider/Herget, Streitwertkommentar für den Zivilprozess, 11. Aufl., Rdnrn. 1046 ff sowie 1184 ff m. w. N.). Der Senat schätzt das Einkommen beider Parteien sowohl im Zeitpunkt der Stellung des Scheidungsantrags und der Erhebung der Widerklage als auch der Einlegung der Berufung auf zusammen mindestens 4 000,-- DM netto monatlich. Nach eigenem Vortrag erzielte der Antragsgegner schon im September 1995 ein monatliches Nettoeinkommen von 3 059,28 DM. Die Antragstellerin war im Verlaufe des Verfahrens zumindest weitgehend als Erzieherin erwerbstätig und bezog Anfang des Jahres 2001 immerhin ein wöchentliches Arbeitslosengeld von 271,39 DM. Ob ihr zwischenzeitlich ein Unterhaltsanspruch gegen ihren neuen Lebenspartner nach § 1615 l BGB zustand, bedarf danach keiner Aufklärung.

Ob bei der Bemessung des Gebührenstreitwerts einer Ehesache Zahlungen auf Darlehensschulden überhaupt und wenn ja auf welche Weise einkommensmindernd zu berücksichtigen sind, kann vorliegend dahinstehen (vgl. zum Streitstand nur OLG Celle, FamRZ 1999, 604; OLG Karlsruhe, FamRZ 1992, 707; Anders/Gehle, aaO, Stichwort "Ehesachen", Rdnr. 6 m. w. N.; Schneider/Herget, aaO, Rdnrn. 1079 ff m. w. N.). Der Antragsgegner mag nach der Trennung der Parteien einen regelmäßigen monatlichen Schuldendienst auf ehegemeinschaftliche Verbindlichkeiten geleistet sowie trennungsbedingte Kosten getragen haben. Die Parteien lebten indes weder in beengten oder gar schwierigen finanziellen Verhältnissen, noch können die Tilgungsleistungen und Kosten als außergewöhnlich hoch bezeichnet werden. Nach eigenem Vortrag des Antragsgegners steht dem jedenfalls ein ehegemeinschaftliches Haus als Vermögenswert gegenüber; des Weiteren soll die Antragstellerin "außereheliche Konten" verheimlicht haben. Angesichts dessen erscheint es angemessen, das Einkommen beider Parteien weder um Vermögenswerte noch um Tilgungsleistungen zu bereinigen.

Das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Parteien beläuft sich auf (mindestens) 3 x 4 000,-- DM = 12 000,-- DM. Der Umfang der Sache rechtfertigt einen Zuschlag von 20 - 30 %, so dass sich ein Streitwert der Ehesache von rund 15 000,-- DM errechnet. Ebenso wie ein geringer Umfang und eine geringe Problematik die Annahme eines Abschlags von bis zu 30 % des ansonsten anzunehmenden Streitwertes rechtfertigen (vgl. dazu OLG Koblenz, FamRZ 1999, 1678), ist ein außergewöhnlicher Umfang des Verfahrens in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht bei der Bemessung des Streitwertes zu berücksichtigen und vermag dessen Erhöhung zu begründen (vgl. OLG Zweibrücken, JurBüro 1984, Sp. 899; Anders/Gehle, aaO, Stichwort "Ehesachen", Rdnrn. 13 ff m. w. N.; Schneider/Herget, aaO, Rdnrn. 1142 ff m. w. N.; siehe auch Hartmann, Kostengesetze, 30. Aufl., § 12 GKG Rdnrn. 23 ff m. w. N.). Die dahingehende Annahme ist vorliegend offenkundig und bedarf keiner weiteren Begründung (die Akte weist derzeit einen Umfang von über 700 Blatt auf, wobei der Folgesache Versorgungsausgleich nur eine relativ untergeordnete Bedeutung zukommt).

Die Streitwerte des Scheidungsverfahrens und des Verfahrens auf Aufhebung der Ehe sind nach § 19 Abs. 1 Satz 1 GKG zusammenzurechnen. Dem steht Absatz 1 Satz 3 dieser Vorschrift nicht entgegen. Danach ist nur der Wert des höheren Anspruchs maßgebend, wenn die Ansprüche von Klage und Widerklage denselben Gegenstand betreffen. Dies ist bei einem Antrag auf Ehescheidung und einer Klage auf Aufhebung der Ehe nicht der Fall. Zwar ist eine Nämlichkeit der Streitgegenstände insoweit gegeben, als der Anspruch auf Scheidung und derjenige auf Aufhebung der Ehe nicht nebeneinander bestehen können, sich also gegenseitig ausschließen (vgl. § 631 Abs. 2 Satz 3 ZPO und damit übereinstimmend § 18 der 1. DVO-EheG des bis zur Neuordnung des Eheschließungsrechts geltenden Rechts). Klage (Scheidungsantrag) und Widerklage betreffen indes nicht dasselbe Interesse bzw. denselben Gegenstand im Sinne des § 19 Ab.s 1 Satz 3 GKG. Nach - mittlerweile wohl - unbestrittener Auffassung sind die prozessualen Streitgegenstände von Scheidungs- und Eheaufhebungsantrag verschieden; im Verhältnis von Eheaufhebungsklage und Scheidungsantrag ist Verschiedenheit der Streitgegenstände anzunehmen (vgl. MüKo/Bernreuther, ZPO, 2. Aufl., § 611 Rdnr. 3; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 21. Aufl., § 611 Rdnr. 4; Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 606 Rdnr. 15). Die aus § 616 ZPO a. F. früher hergeleiteten Gründe für die Annahme eines alle denkbaren Scheidungs- und Aufhebungsgründe umfassenden einheitlichen Streitgegenstandes sind nach heute geltendem Recht entfallen (überholt angesichts dessen auch KG, AnwBl BE 1994, 38). Der Zusammenrechnung des Wertes des Scheidungs- und Eheaufhebungsverfahren nach § 19 Abs. 1 Satz 1 GKG steht auch nicht etwa entgegen, dass es sich beim Übergang vom Antrag auf Aufhebung der Ehe zum Scheidungsantrag innerhalb desselben Verfahrens um eine Angelegenheit im Sinne des § 13 Abs. 2 BRAGO handelt (zu Letzterem vgl. Schneider/Herget, aaO, Rdnr. 1057; Madert/Müller-Rabe, Kostenhandbuch Familiensachen., 1. Aufl., Teil B II. Nr. 10. = Rdnr. 25 = S. 15). Die "Angelegenheit" im Sinne dieser Bestimmung ist nicht identisch mit dem "Gegenstand" im Sinne des § 19 Abs. 1 BRAGO. Zwar wird sich vielfach die Angelegenheit mit dem Gegenstand decken; jedoch kann eine Angelegenheit auch aus mehreren Gegenständen bestehen mit der Folge, dass die Gebühren insgesamt nur einmal entstehen (vgl. Riedel/Sußbauer-Fraunholz, BRAGO, 8. Aufl., § 13 Rdnrn. 5 ff).

Nebenentscheidungen sind gemäß § 25 Abs. 4 GKG nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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