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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 03.03.2000
Aktenzeichen: 5 WF 5/00
Rechtsgebiete: ZPO, RpflG, SGB VIII, BGB, GKG


Vorschriften:

ZPO § 652
ZPO § 646
ZPO § 646 Abs. 2
ZPO § 652 Abs. 2
ZPO § 648 Abs. 1 Nr. 3 c
ZPO § 650 Satz 2
ZPO § 649
ZPO § 651 Abs. 4
ZPO § 654
ZPO § 321 Abs. 1
ZPO § 539
ZPO § 540
RpflG § 11
SGB VIII § 59 Abs. 1 Nr. 3
SGB VIII § 59 Abs. 1 Nr. 9
BGB § 1612 b
GKG § 8
Leitsatz

1. Auch der Antragsteller kann mit der sofortigen Beschwerde gemäß § 652 ZPO nur die in dieser Vorschrift abschließend bezeichneten Einwendungen geltend machen.

2. Wird nach Einleitung des vereinfachten Verfahrens vom Unterhaltspflichtigen wegen eines Teilbetrags ein Unterhaltstitel (hier: Jugendamtsurkunde) errichtet, hindert dies die weitere Durchführung des vereinfachten Verfahrens wegen des noch nicht titulierten Spitzenbetrags nicht. Erhebt der Unterhaltspflichtige diesbezüglich im weiteren Verfahren keine an der Unterhaltsfestsetzung hindernden Einwände, kann diese noch wegen der Mehrforderung stattfinden.

3. Wird auf diese Weise nur ein Spitzenbetrag festgesetzt, ist wie bei der Tenorierung einer Zusatzklage zu verfahren.


5 WF 5/00 1 FH 3/99 AmtsG -FamG- Zweibrücken

PFÄLZISCHES OBERLANDESGERICHT ZWEIBRÜCKEN

Beschluss

In der Familiensache

des minderjährigen Kindes E... L...,...,..., vertreten durch die Jugendamtsmitarbeiterin..., Stadtjugendamt... als Unterhaltsbeistand,

gegen

wegen Festsetzung von Unterhalt im vereinfachten Verfahren

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Mörsch sowie die Richter am Oberlandesgericht Goldstein und Weisbrodt auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 29. Dezember 1999, eingegangen am 30. Dezember 1999, gegen den Unterhaltsfestsetungsbeschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Zweibrücken vom 9. Dezember 1999, der Antragstellerin nicht zugestellt, ohne mündliche Verhandlung am 3. März 2000

beschlossen:

Tenor:

1. Auf die sofortige Beschwerde wird der angefochtene Beschluss aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Amtsgericht zurückverwiesen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500 DM (12 x 125 DM) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin hat im vereinfachten Verfahren zunächst am 24. März 1999 Festsetzung des Unterhalts in Höhe von 150 % des Regelbetrags der dritten Altersstufe beantragt. Nachdem sich der Antragsgegner am 2. August 1999 durch Jugendamtsurkunde zur Zahlung eines Teils des verlangten Unterhalts verpflichet hatte - neben Rückständen zu 110,5 % des Regelbetrags abzüglich 125 DM kindbezogener Leistungen - hat die Antragsstellerin ihren Antrag im Umfang des durch Jugendamtsurkunde titulierten Unterhalts zurückgenommen und verlangt neben einem Unterhaltsrückstand für März 1999 nur noch weitere 39,5 % des Regelbetrags der dritten Altersstufe. Der daraufhin nochmals angehörte Antragsgegner hat dagegen Einwendungen nicht erhoben. Im Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 9. Dezember 1999 hat das Familiengericht für März 1999 den rückständigen Unterhalt auf 198 DM sowie den laufenden Unterhalt für die Zeit vom 1. April 1999 bis zum 30. Juni 1999 auf 323 DM abzüglich 125 DM kindbezogener Leistungen und für die Zeit seit 1. Juli 1999 auf 39,5 % des Regelbetrags der dritten Altersstufe abzüglich 125 DM kindbezogener Leistungen festgesetzt. Wegen des nochmaligen Abzugs kindbezogener Leistungen und weil aus dem Unterhaltsfestsetzungsbeschluss nicht hervorgehe, dass eine weitere Unterhaltsverpflichtung aus einer anderen Urkunde bestehe, hat die Antragstellerin gegen den ihr nicht förmlich zugestellten Beschluss einen als Erinnerung bezeichneten Rechtsbehelf eingelegt.

II.

Der Rechtsbehelf der Antragstellerin ist gemäß § 652 ZPO i.V.m. § 11 RpflG zulässig. Er ist als sofortige Beschwerde im Sinne der erstgenannten Vorschrift auslegbar und als solche statthaft. Die sofortige Beschwerde ist auch dem Antragsteller im vereinfachten Verfahren eröffnet, dessen Antrag zulässig im Sinne von § 646 ZPO ist, sofern dieser eine Einwendung im Sinne von § 652 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 648 Abs. 1 ZPO hat (vgl. BT-Drucksache 13/7338, S. 42 zu § 652 Abs. 2). Zwar kann im erstinstanzlichen Verfahren nur der Antragsgegner solche Einwendungen erheben. Deren unrichtige Behandlung bei der Unterhaltsfestsetzung kann aber, abgesehen von der Einwendung, dass höherer Unterhalt als beantragt festgesetzt worden ist (Nr. 3 b), auch den Antragsteller beschweren (vgl. FamRefK-Bäumel, § 652 ZPO, Rdn. 5; a.A. Zöller-Philippi, ZPO, § 652, Rdn. 3). Aus § 652 ZPO ergibt sich daher auch die Beschwerdeberechtigung des Antragstellers (vgl. BT-Drucksache 13/7338, zu § 652 Abs. 1). Dagegen betrifft § 646 Abs. 2 ZPO nur den Fall der Anfechtung der einen Antrag als unzulässig behandelnden Entscheidung.

Allerdings wäre die Rüge, dass ein Hinweis auf die Titulierung des Unterhalts gemäß der Jugendamtsurkunde fehle, als eine Einwendung im Sinne von § 648 Abs. 1 ZPO unzulässig.

Nach der Verpflichtung des Antragsgegners in besagter Urkunde, betrieb die Antragstellerin das vereinfachte Verfahren ausdrücklich nur noch wegen des nicht titulierten Spitzenbetrags weiter. Das war zulässig. Zwar findet das vereinfachte Verfahren nicht statt, soweit über den Unterhaltsanspruch des Kindes ein Gericht entschieden hat, ein gerichtliches Verfahren anhängig oder ein zur Zwangsvollstreckung geeigneter Schuldtitel errichtet worden ist (§ 645 Abs. 2 ZPO). Dazu mag es auch genügen, dass nur ein Teil des Anspruchs tituliert worden ist (vgl. Göppinger/Wax-van Els, Unterhaltsrecht, Rdn. 2170). Im maßgeblichen Zeitpunkt - das ist die Einleitung des vereinfachten Verfahrens - war dies aber noch nicht geschehen. Ein erst während des Verfahrens freiwillig errichteter Schuldtitel steht der Durchführung des vereinfachten Verfahrens nicht entgegen (vgl. Göppinger/Wax-van Els aaO; Heiß/Heiß-Born, II, 22. Kap., Rdn. 434; Gerhardt FuR 1998, 145). Lediglich kann in diesem - wie auch sonst bei einer Unterhaltszusatzklage (wegen dieser im Zusammenhang mit einer Jugendamtsurkunde vgl. PfOLG Zweibrücken, 2. Zivilsenat, FamRZ 1992, 840; siehe auch Senat, FamRZ 1992, 440) - dann nur noch der Spitzenbetrag tituliert werden. Der Antrag der Antragstellerin richtet sich dementsprechend auch auf die Festsetzung "der noch verbleibenden 39,5 % des Regelbetrags". Dem vereinfachten Verfahren ist die Titulierung eines Teilanspruchs nicht fremd. Gemäß § 650 Satz 2 ZPO kann der vom Unterhaltsschuldner anerkannte Sockelbetrag festgesetzt werden. Stellt der Unterhaltsberechtigte den dazu verlangten Antrag nicht, kann der Unterhaltspflichtige gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 und 9 SGB VIII beim Jugendamt einen Unterhaltstitel über diesen Teilbetrag errichten lassen. Wird wegen des Spitzenbetrags weder die Durchführung des streitigen Verfahrens beantragt (§ 651 ZPO), noch Einwendungen vom Unterhaltspflichtigen erhoben, findet insoweit noch die Festsetzung gemäß § 649 ZPO statt. Lediglich ist dann nicht gemäß § 651 Abs. 4 ZPO ein Gesamtbetrag zu bestimmen und die vorherige Teilfestsetzung aufzuheben. Letzteres geschieht nur, wenn wegen des Sockelbetrags eine Festsetzung im vereinfachten Verfahren stattgefunden hat. Ist eine Jugendamtsurkunde errichtet worden, ist aber auch im vereinfachten Verfahren im Interesse der Bestimmtheit des Vollstreckungstitels in der klarzustellen, dass (nur) dieser weitere Unterhaltsbetrag tituliert wird. Ist in einem vorangegangenen Verfahren nur ein Teilbetrag des Unterhalts tituliert worden und wird sodann eine Zusatzklage erhoben, ist dies in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen, indem nicht "in Abänderung des früheren Urteils", sondern über den bereits ausgeurteilten Teilbetrag hinaus zu dem für Recht erkannten Mehrbetrag verurteilt wird (BGH FamRZ 1991, 925). Dies ist auch bei der Festsetzung im vereinfachten Verfahren zu beachten und auf die Existenz eines weiteren Unterhaltstitels sowie den Sockelbetrag hinzuweisen.

Der Festsetzungsbeschluss vom 9. Dezember 1999 entspricht dem - worauf die Antragstellerin zutreffend hinweist - nicht. Diese Einwendung unterfällt aber nicht dem abschließenden Katalog des § 648 ZPO. Gleichwohl muss deswegen nicht notwendigerweise eine Korrekturklage gemäß § 654 ZPO zu erheben sein. Dem Begehren der Antragstellerin kann möglicherweise im Wege einer Ergänzung des Festsetzungsbeschlusses gemäß § 321 Abs. 1 ZPO, diese die Ergänzung eines Urteils regelnde Norm ist auf Beschlüsse entsprechend anwendbar (vgl. Zöller-Vollkommer, ZPO, § 321, Rdn. 1), entsprochen werden, wenn das insoweit eindeutige Begehren der Antragstellerin versehentlich übergangen worden ist. Die "Erinnerungsschrift" der Antragstellerin ist als ein auf eine solche Verfahrensweise gerichtetes Begehren auslegbar. Einem verfahrensrechtlichen Begehren ist, wenn die sachlichen Voraussetzungen erfüllt sind, nach dem Grundsatz der materiellrechtsfreundlichen Auslegung (vgl. dazu statt vieler BGHZ 113, 228, 231) tunlichst der Inhalt beizulegen, der es gestattet, das materielle Recht auf einem zweckmäßigen Verfahrensweg zu verwirklichen.

Die Antragstellerin hat mit der Beschwerde jedoch eine Einwendung im Sinne von § 648 Abs. 1 Nr. 3 c ZPO geltend gemacht, als sie den nochmaligen Abzug der kindbezogenen Leistungen gemäß § 1612 b BGB rügt.

Aufgrund dieser Einwendung ist die sofortige Beschwerde begründet.

Der angefochtene Unterhaltsfestsetzungsbeschluss beruht auf einem wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne von § 539 ZPO und ist aufzuheben.

Die Rechtspflegerin hat wesentlichen unstreitigen Vortrag der Antragstellerin übergangen. Diese hat im Schreiben vom 13. September 1999 nochmals im Einzelnen dargelegt, wie sich die nach der Teiltitulierung verbleibende Mehrforderung errechnet, insbesondere, dass - was sich auch bereits aus der vorgelegten Jugendamtsurkunde vom 2. August 1999 ergibt - die kindbezogenen Leistungen schon vom Unterhalt, der nach dieser Jugendamtsurkunde zu leisten ist, abgezogen werden.

Auf diesem Verfahrensfehler beruht der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss.

Der Senat sieht davon ab, gemäß § 540 ZPO selbst zu entscheiden. Dies wäre nicht sachdienlich. Da das Familiengericht noch über den Antrag gemäß § 321 ZPO zu befinden hat, ist es nicht zuletzt im Hinblick auf klare Verhältnisse für den Fall einer Zwangsvollstreckung zweckmäßig, wenn sich die maßgeblichen Verhältnisse aus einer Entscheidung ergeben.

Angesichts des danach nur vorläufigen Ausgangs des Beschwerdeverfahrens verbietet sich derzeit eine Kostenentscheidung. Diese ist dem Gericht der ersten Instanz zu übertragen. Allerdings sind die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 8 GKG niederzuschlagen. Dieser Ausspruch kann jetzt schon erfolgen (vgl. OLG Zweibrücken JurBüro 1979, Spalte 248).

Ende der Entscheidung

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