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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 29.04.2004
Aktenzeichen: 5 WF 60/04
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 232 Abs. 1
ZPO § 232 Abs. 4
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1
1. Zur Abänderung eines Unterhaltsvergleichs durch Neufestsetzung bzw. Neuberechnung des Unterhalts - nicht durch Anpassung unter Bindung an Grundlagen - im Wege der Abänderungsklage.

2. Bei einer Neuberechnung des Unterhalts ohne Bindung an Grundlagen des abzuändernden Vergleichs trägt der Unterhaltsgläubiger als Abänderungsbeklagter die Darlegungs- und Beweislast für seinen Unterhaltsbedarf und seine Bedürftigkeit.

3. Durch eine gegen die Abänderungsklage zu erhebende Auskunftswiderklage in Form einer widerklagend erhobenen Abänderungs-Stufenklage vermag sich der Unterhaltsgläubiger als Abänderungsbeklagte Kenntnis von der Höhe des unterhaltsrelevanten Einkommens des Abänderungsklägers zu verschaffen.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen 5 WF 60/04

In der Familiensache

wegen Abänderung eines Unterhaltstitels (nachehelicher Ehegattenunterhalt),

hier: Prozesskostenhilfe für das Verfahren erster Instanz

hat der 5. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken als Familiensenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Hoffmann sowie die Richter am Oberlandesgericht Geisert und Kratz auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 5. April 2004, eingegangen am 6. April 2004, gegen den ihm am 10. März 2004 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Pirmasens vom 2. März 2004

ohne mündliche Verhandlung am 29. April 2004

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Pirmasens vom 02. März 2004 wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Die Parteien sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Im Scheidungs-Verbundverfahren vor dem Amtsgericht Pirmasens - 1 F 139/97 - haben sie die Zahlung des nachehelichen Ehegattenunterhalts wie folgt vergleichsweise geregelt:

"Die Parteien sind sich im übrigen darüber einig, dass der Antragsteller an die Antragsgegnerin als nachehelichen Unterhalt einen monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 800,-- DM zahlt.

Bei künftigen Abänderungsverfahren ist der Unterhalt völlig neu zu berechnen, ohne Berücksichtigung des jetzt festgelegten Unterhaltsbetrages und der zugrunde liegenden Voraussetzungen."

Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage betreffend die Abänderung dieses Vergleichs dahingehend, wonach er der Antragsgegnerin keinen bzw. hilfsweise nur noch nachehelichen Ehegattenunterhalt in Höhe von monatlich höchstens 200,00 € schuldet.

Zur Begründung der beabsichtigten Klage hat der Antragsteller vorgetragen, mittlerweile wieder geheiratet zu haben. Seine Ehefrau gehe keiner Erwerbstätigkeit nach. Er sei seiner aus dieser Ehe hervorgegangenen Tochter unterhaltspflichtig und erbringe zudem einer weiteren Tochter seiner Ehefrau Unterhaltsleistungen. Nach alledem sei er in seinem Leistungsvermögen erheblich eingeschränkt, zumal er auch seinem Sohn aus erster Ehe zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet sei. Hiervon abgesehen habe die Antragsgegnerin nach der Ehescheidung ihre Erwerbstätigkeit in zeitlicher Hinsicht erheblich ausgeweitet.

Mit Beschluss vom 2. März 2004 hat das Amtsgericht - Familiengericht - Pirmasens dem Antragsteller die nachgesuchte Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung verweigert. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der schriftsätzliche Vortrag des Antragstellers den Anforderungen an eine Abänderungsklage nicht genüge. Zwar habe er nicht die Grundlagen des abzuändernden Vergleichs darzustellen, da solche nach dem Willen der Parteien dem Vergleich nicht zugrunde lagen. Nach dessen Inhalt solle der Unterhalt vielmehr neu berechnet werden. Aber auch in diesem Fall habe der Antragsteller Angaben zu seinen derzeitigen Einkommensverhältnissen zu machen. Es könne ansonsten nicht beurteilt werden, ob die Voraussetzungen für eine Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers aufgrund mangelnder Leistungsfähigkeit nicht mehr gegeben sei.

Gegen diese ihm am 10. März 2004 zugestellte Entscheidung hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 5. April 2004, eingegangen am 6. April 2004, sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses antragsgemäß Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich aus den beigefügten Unterlagen seine durchschnittlichen monatlichen Bezüge ergeben, so dass seine aktuellen Einkommensverhältnisse beurteilt werden könnten.

II.

Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde des Antragstellers begegnet verfahrensrechtlich keinen Bedenken.

In der Sache führt das Rechtsmittel zu einem vorläufigen Erfolg. Die Begründung des angefochtenen Beschlusses trägt die Entscheidung des Familiengerichts, die nachgesuchte Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu verweigern (§ 114 ZPO), nicht.

Der Antragsteller begehrt zunächst zutreffend die Abänderung des prozessualen Unterhaltsvergleichs im Wege der Abänderungsklage nach §§ 323 Abs. 1 und 4, 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Zwar ist in dem Unterhaltsvergleich sachlich geregelt, dass die Neuberechnung des Unterhalts nicht nach Abänderungsgrundsätzen unter Bindung an die Grundlagen des Alttitels, sondern nach den Regeln einer Erstklage zu geschehen hat. Dies betrifft indes allein die materiell-rechtliche Bewertung des Unterhaltsanspruchs, nicht aber die als solche ebenfalls angesprochene prozessuale Verfahrensweise. Der Vergleich ist auch nicht etwa durch ein - inzwischen eingetretenes - außerprozessuales Ereignis befristet und demgemäß einer Abänderungsklage nicht zugänglich (vgl. dazu etwa OLG Zweibrücken, FamRZ 2000, 681). Folgerichtig und prozessual zutreffend ist in dem Vergleich die Verfahrensweise bei künftigen Abänderungsverfahren angesprochen.

Ob die Abänderung des Unterhaltsvergleichs nur bei einer tatsächlichen Veränderung der für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Verhältnisse, wenn auch ohne Bindung an jedwede Grundlagen, eröffnet ist, kann vorliegend dahinstehen. Eine jederzeitige und in keinem Zusammenhang mit einer Veränderung der für die Unterhaltsbemessung maßgebenden Umstände stehende Abänderungsmöglichkeit des Unterhaltsvergleichs und damit das Nichtgegebensein jedweder Bestandskraft vergleichbar bei einer einstweiligen Anordnung nach § 620 Nr. 6 ZPO mag im Einzelfall nicht dem Willen der Parteien entsprechen. Nach dem nicht bestrittenen Vorbringen des Antragstellers haben sich jedenfalls einzelne für die Unterhaltsbemessung maßgebende Umstände in erheblicher Weise verändert.

Der Antragsteller erstrebt auch zu Recht eine völlige Neuberechnung des Unterhalts ohne Bindung an jedwede Grundlagen des abzuändernden Titels. Zwar ermöglicht das Abänderungsverfahren grundsätzlich keine freie, von der bisher festgesetzten Höhe unabhängige Neubemessung des Unterhalts und keine abweichende Beurteilung der zugrunde liegenden Verhältnisse. Vielmehr kann die Abänderungsentscheidung regelmäßig nur in einer unter Wahrung der Grundlagen des Unterhaltstitels vorzunehmenden Anpassung des Unterhalts an veränderte Verhältnisse bestehen. Den Parteien ist es freilich unbenommen, von vornherein eine Änderung durch Neufestsetzung - nicht durch bloße Anpassung unter Bindung an Grundlagen - zu vereinbaren (vgl. Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rdnr. 1346; FA-FamR/Gerhardt, 4. Aufl., 6. Kapitel, Rdnr. 661 jeweils m.w.N.).

Die beabsichtigte Abänderungsklage ist mithin eröffnet. Sie ist auch nicht etwa deshalb nicht schlüssig begründet, weil der Antragsteller sein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen nicht nachvollziehbar und substantiiert dargelegt hat. Er ist als Abänderungskläger insoweit nicht darlegungs- und beweispflichtig.

Die Darlegungs- und Beweislast für eine wesentliche Veränderung der Umstände trägt grundsätzlich der Abänderungskläger. Steht aber fest, dass der dem abzuändernden Titel zugrunde liegende Unterhaltstatbestand aufgrund veränderter Verhältnisse weggefallen ist, trägt der Abänderungsbeklagte die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, die aufgrund anderer Unterhaltstatbestände die Aufrechterhaltung des Titels rechtfertigen. Es bleibt mithin insoweit bei der allgemeinen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast (vgl. BGH, FamRZ 1990, 496; OLG Hamm, FamRZ 2000, 904; OLG Brandenburg, FamRZ 2002, 1216; Göppinger/Wax/van Els, aaO, Rdnr. 1819; FA-FamR/Gerhardt, aaO, 6. Kapitel, Rdnr. 658).

Es steht vorliegend zwar nicht fest, dass der dem abzuändernden Unterhaltsvergleich zugrunde liegende Unterhaltstatbestand aufgrund veränderter Verhältnisse weggefallen ist. Gegenstand des abzuändernden Vergleichs ist nach Sachlage Betreuungsunterhalt nach § 1570 BGB sowie Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB zugunsten der den damals 8 Jahre alten gemeinsamen Sohn E... betreuenden und teilschichtig erwerbstätigen Antragsgegnerin. Ob bzw. inwieweit die Antragsgegnerin weiterhin durch Pflege oder Erziehung dieses Kindes eine vollschichtige Erwerbstätigkeit nicht aufzunehmen vermag, ist ebenso umstritten wie die finanzielle Situation des Antragstellers. Angesichts dessen, dass bei einer Veränderung der Verhältnisse, wie sie unstreitig in Teilbereichen gegeben ist, der Unterhaltsanspruch ohne Bindung an Grundlagen völlig neu zu berechnen ist, beurteilt sich die Darlegungs- und Beweislast aber jedenfalls entsprechend dem Wegfall des dem abzuändernden Titel zugrunde liegenden Unterhaltstatbestandes aufgrund veränderter Verhältnisse.

Die Antragsgegnerin trägt mithin nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe ihres Unterhaltsbedarfes und ihre Bedürftigkeit (vgl. Wendl/Staudigl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6 Rdnr. 703). Bei der Bedarfsbemessung hat der Unterhaltsberechtigte Ehegatte alle Tatsachen vorzutragen, nach denen der Unterhaltsanspruch der Höhe nach bemessen wird, also vor allem auch die Gestaltung der ehelichen Lebensverhältnisse und mithin unter anderem die Höhe des beiderseitigen Erwerbseinkommens.

Durch eine gegen die Abänderungsklage zu erhebende Auskunftswiderklage (s. dazu OLG München, FamRZ 1994, 310) und zwar in Form einer widerklagend erhobenen Abänderungs-Stufenklage (s. dazu MünchKomm/Gottwald, ZPO, 2. Aufl., § 323 Rdnr. 58) vermag sich die Antragsgegnerin Kenntnis von der Höhe des unterhaltsrelevanten Einkommens des Antragstellers zu verschaffen (sollte denn die Auskunft nicht ohnehin freiwillig im Abänderungsverfahren erteilt werden). Diese Widerklage ist nicht nur eröffnet, wenn der titulierte Unterhalt abändernd erhöht werden soll (s. dazu Göppinger/Wax/van Els, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rdnr. 2066), sondern auch mit dem bloßen Klageziel, den Alttitel aufrechtzuerhalten, mithin allein die Abänderungsklage des Prozessgegners abzuweisen. Sie ist als in derselben Prozessart erhoben wie die Klage prozessual bedenkenfrei, prozessökonomisch und trägt einem praktischen, schutzwürdigen Interesse der Unterhaltsgläubigerin Rechnung (s. dazu allg. BGHZ 149, 222 = NJW 2002, 751 = MDR 2002, 406).

Nebenentscheidungen sind nicht veranlasst, § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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