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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 19.06.2006
Aktenzeichen: 6 U 2/06
Rechtsgebiete: ProdHaftG


Vorschriften:

ProdHaftG § 4 Abs. 3

Entscheidung wurde am 17.01.2007 korrigiert: die Rechtsgebiete und die Vorschriften wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Hat der auf Schadensersatz verklagte Lieferant den Hersteller eines Produkts benannt und bestreitet Letzterer seine Herstellereigenschaft, setzt die Haftung des Lieferanten gemäß § 4 Abs. 3 ProdHaftG voraus, dass zunächst eine - gegebenenfalls gerichtlich zu führende - Auseinandersetzung mit dem benannten Hersteller ohne Erfolg geblieben ist.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 6 U 2/06

In dem Rechtsstreit

wegen Schadensersatzes aus Produkthaftung,

hat der 6. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Morgenroth, die Richterin am Oberlandesgericht Euskirchen und den Richter am Oberlandesgericht Hengesbach ohne mündliche Verhandlung am 19. Juni 2006 einstimmig beschlossen:

Tenor:

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 7. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 25.422,77 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten, ob die Beklagte als "Lieferant" im Sinne des § 4 Abs. 3 ProdHG für einen Wasserschaden haftet.

Die Klägerin, ein Versicherungsunternehmen, macht insoweit gemäß § 67 VVG nach Regulierung des Schadens ihres Versicherungsnehmers geltend, der von diesem bei der Beklagten, die Baumärkte betreibt, am 8. Oktober 2003 gekaufte Flexverlängerungsschlauch sei infolge eines Produktfehlers geplatzt; hierfür hafte die Beklagte gemäß § 4 Abs. 3 Satz 1 ProdHG als Hersteller. Zwar habe die Beklagte ihrerseits fristgerecht einen Namen des Herstellers genannt, die bezeichnete italienische Firma bestreite aber, Herstellerin zu sein. Dies gehe zu Lasten der Beklagten.

Die Beklagte ist hingegen der Auffassung, dass eine Herstellerhaftung ihrerseits schon deshalb nicht in Betracht komme, weil sie fristgerecht den Hersteller des angeblich bei ihr gekauften und später geplatzten Flexverlängerungsschlauchs genannt habe.

Die Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, eine Haftung der Beklagten nach § 4 Abs. 3 Satz 1 ProdHG scheitere daran, dass sie die Herstellerfirma rechtzeitig und ordnungsgemäß benannt habe. Soweit jene ihre Herstellereigenschaft bestritten habe, gehe es zu Lasten der Klägerin, dass sie bislang keine weiteren - notfalls auch gerichtliche - Schritte unternommen habe. Erst wenn sich herausstelle, dass die Beklagte einen falschen Hersteller angegeben habe, etwa weil sich deren Herstellereigenschaft nicht beweisen lasse, komme eine Haftung des Lieferanten in Betracht. Sonstige Ansprüche vertraglicher oder deliktischer Art scheiterten an einem fehlenden Verschulden der Beklagten.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Ziel weiter und macht insbesondere geltend, entgegen der Auffassung des Erstgerichts könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte den Hersteller des Produkts benannt habe. Zur Frage, ob die von der Beklagten benannte Firma tatsächlich Herstellerin sei, habe entsprechend den Beweisangeboten Beweis erhoben werden müssen. Die Beweislast treffe auf Grund der Formulierung des Gesetzes die Beklagte.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Landau in der Pfalz, Az.:2 O 487/04, vom 7. Dezember 2005 aufzuheben und dahin abzuändern, die Beklagte zu verurteilen, an sie 25.422,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Dezember 2003 zu zahlen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

II.

Die Berufung ist gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Das Rechtsmittel hat keine Aussicht auf Erfolg. Auch hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtssprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Dazu hatte der Senat mit Hinweisbeschluss vom 29. Mai 2006 ausgeführt:

"Die Einzelrichterin des Landgerichts hat der Klage mit Recht nicht stattgegeben. Die Erwägungen in der angegriffenen Entscheidung sind in jeder Hinsicht zutreffend und werden durch die Berufungsbegründung nicht in Frage gestellt.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Erstgericht zunächst davon aus, dass die Voraussetzungen der gem. § 15 Abs. 2 ProdHaftG grundsätzlich anwendbaren anderen Anspruchsgrundlagen nicht erfüllt sind. Sowohl hinsichtlich einer vertraglichen als auch einer deliktischen Haftung fehlt es an einem Verschulden der Beklagten.

2. Die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten gem. § 4 Abs. 3 ProdHaftG liegen nicht vor, weil sie rechtzeitig und ordnungsgemäß den Hersteller des Flexverlängerungsschlauchs benannt hat. Daher kann die Beklagte (jedenfalls derzeit) nicht selbst - wie vom ProdHaftG fingiert - als Herstellerin auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden.

a) Nach § 4 Abs. 3 ProdHaftG haftet für Produktschäden auch der Lieferant, wenn und soweit er - trotz Aufforderung durch den Geschädigten - nicht in der Lage ist, den tatsächlichen Hersteller oder den Vorlieferanten dem Geschädigten bekannt zu geben. Ziel und Zweck dieser Haftung ist es, dem Geschädigten in jedem Fall einen Schuldner im Rahmen einer "Auffanghaftung" zur Verfügung zu stellen (vgl. BT-Drucks. 11/2447, 20; Graf von Westphalen, Produkthaftungshandbuch, Band 2, 2. Aufl. § 75 Rdnr. 67; Staudinger/Oechsler [2003] § 4 ProdHaftG Rdnr. 93). Sinn der Regelung ist, dem Lieferanten die Sanktion der Schadensersatzpflicht aufzuerlegen, sofern er - aus welchen Gründen auch immer - dem Geschädigten nicht innerhalb der vorgesehenen Monatsfrist den Hersteller des fehlerhaften Produkts benennt. Im Vordergrund steht also nicht die Schadensersatzhaftung als solche, sondern die Offenlegung der tatsächlichen Verhältnisse, wobei die Haftungssanktion als Druckmittel eingesetzt wird (Graf von Westphalen aaO. § 75 Rdnr. 68 m.w.Nw.).

b) Wird der Hersteller rechtzeitig, vollständig und inhaltlich richtig benannt, hat der Lieferant seine Verpflichtung erfüllt; Sache des Geschädigten ist es dann, gegebenenfalls gerichtlich gegen den primär verantwortlichen Hersteller vorzugehen (vgl. MünchKomm./Wagner, BGB 4. Aufl. § 4 ProdHaftG Rdnr. 39 m.w.Nw.). Erst wenn der gegebenenfalls gegen die vom Lieferanten genannte Partei eingeleitete Prozess scheitert, weil deren Herstellereigenschaft nicht bewiesen werden kann, lebt die Haftung des Lieferanten wieder auf (MünchKomm./Wagner aaO., Rdnr. 39; Mayer VersR 1990, 661, 664; Staudinger/Oechsler aaO., § 4 ProdHaftG Rdnr. 116; Graf von Westphalen aa0 § 75 Rdnr. 89). Nur dann geht es zu Lasten des Lieferanten, dass die Herstellereigenschaft der benannten Person nicht beweisbar ist (Staudinger/Oechsler aaO., § 4 ProdHaftG Rdnr. 116). Zuvor bleibt es beim Grundsatz, dass der Geschädigte als Anspruchssteller nachzuweisen hat, dass der Hersteller des Produkts nicht festgestellt werden kann (Roland, Produkthaftungsrecht Teil 1 Rdnr. 98).

c) Ausgehend von diesen Grundsätzen kann die Beklagte (noch) nicht in Anspruch genommen werden. Sie hat nämlich ihre Verpflichtung aus § 4 Abs. 3 ProdHaftG, den Hersteller ordnungsgemäß und fristgerecht zu benennen, erfüllt (vgl. zu dem Auskunftsanspruch auch BGH NJW 2005, 2695, 2697 f.). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt steht nicht fest, dass die genannte Firma entgegen der Mitteilung der Beklagten nicht Hersteller des Flexschlauches ist. Es gibt auch keinen Grund, die Herstellereigenschaft der benannten Firma (vorab) in einem gegen den Lieferanten angestrengten Verfahren zu klären. Dagegen spricht - wie bereits ausgeführt - dass es sich nach dem Zweck der Regelung lediglich um einen Auffangtatbestand handelt, der daran anknüpft, dass die Entlastung durch die Benennung des Herstellers scheitert. Abweichendes lässt sich auch dem Wortlaut des § 4 Abs. 3 ProdHaftG nicht entnehmen. Die Anfügung in Abs. 3 "es sei denn, dass er dem Geschädigten innerhalb eines Monats benennt", beinhaltet lediglich die Entlastungsmöglichkeit durch Benennung des Herstellers. Zwar führt die Benennung eines falschen Herstellers zur Haftung des Lieferanten, jedoch nur dann, wenn feststeht, dass die Herstellereigenschaft der benannten Partei nicht nachzuweisen ist. Aufgrund der bloßen Auffangfunktion gehen auch sonstige Risiken im Prozess gegen den Hersteller, wie etwa die Durchsetzbarkeit des Anspruchs bzw. die fehlende Solvenz, nicht zu Lasten des Lieferanten (MünchKomm./Wagner aaO. Rdnr. 39; zur Insolvenz ausdrücklich BT-Drucksache 11/2447, 20, rechte Spalte unten).

d) Mit der Zielrichtung der gesetzlichen Regelung, für den Fall eines nicht identifizierbaren anonymen Herstellers einen Auffangtatbestand zu schaffen, ließe sich nicht in Einklang zu bringen, wenn die Klägerin - wie hier beabsichtigt - ohne vorherige vorprozessuale Auseinandersetzung mit dem benannten Hersteller zugleich den Lieferanten - die Beklagte - in Anspruch nehmen könnte. Hierbei ist die Parteirolle in den jeweiligen Prozessen von entscheidender Bedeutung. Während die Beklagte die Klägerin in einem Verfahren gegen den Hersteller unterstützen könnte (nicht muss!), ist sie vorliegend trotz erteilter Auskunft einem gerichtlichen Verfahren ausgesetzt, in dem der Hersteller als der eigentlich für den Schaden Verantwortliche die Position eines Zeugen einnehmen könnte, ein Umstand also, der das Haftungsrisiko für die Beklagte wesentlich erhöht. Eine solche Vorgehensweise ist jedoch weder nach den Materialien zur Gesetzgebung noch den dazu ergangenen Kommentierungen gewollt. Denn Ziel des Produkthaftungsgesetzes ist es primär, den Hersteller als Verursacher in Anspruch zu nehmen (vgl. zuletzt EuGH NJW 2006, 1409, 1410). Das führt im Ergebnis nicht zu einer erheblichen Risikoverlagerung zu Lasten des Verbrauchers, insbesondere was eine Insolvenz des Herstellers angeht. Wie die Beklagte mit Recht geltend macht, ist die Frist, innerhalb derer sie verpflichtet war, den Hersteller zu benennen, mit nur einem Monat sehr kurz bemessen.

e) Angesichts der dargestellten Rechtslage hat die Sache weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts veranlasst. Die aufgeworfene Rechtsfrage ist vielmehr anhand der gesetzlichen Regelung unter Heranziehung der in der Rechtsprechung anerkannten Auslegungshilfen eindeutig i. S. der erstinstanzlichen Entscheidung zu beantworten."

Die Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 13. Juni 2006 rechtfertigen keine andere Beurteilung. Da sich - wie aufgezeigt - die von der Berufung angeführten Zweifelsfragen nicht stellen, ist es unerheblich, ob insoweit bereits andere obergerichtliche Urteile ergangen sind. Das Grundgesetz garantiert keinen Instanzenzug, durch eine Entscheidung gem. § 522 Abs. 2 ZPO wird auch nicht der grundgesetzlich garantierte Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt (vgl. BVerfG NJW 2005, 659, 660; WM 2006, 879, 880)

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO; den Streitwert für das Berufungsverfahren hat der Senat gem. §§ 63 Abs. 2, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. 3 ZPO festgesetzt.

Ende der Entscheidung

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