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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Beschluss verkündet am 05.02.2004
Aktenzeichen: 6 UF 27/03
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 233
ZPO § 236
ZPO § 520 Abs. 2 Satz 1

Entscheidung wurde am 24.03.2004 korrigiert: Vorschriften geändert, amtlicher Leitsatz und eine Anmerkung hinzugefügt
1. Stellt eine Partei die Begründung einer eingelegten Berufung zurück, weil sie die Entscheidung über ihr Prozesskostenhilfegesuch abwarten will, so hat ihr Anwalt grundsätzlich durch einen rechtzeitigen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist dafür zu sorgen, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht notwendig wird (BGH VersR 1993, 1125).

2. Etwas anderes gilt nur, wenn der Auftrag der Partei an den Anwalt - in Kenntnis der rechtlichen Folgen - ausdrücklich nicht die Stellung eines Verlängerungsantrages umfasste (BGHZ 38, 376) bzw. wenn der Anwalt der Partei gegenüber unzweifelhaft zum Ausdruck bringt, dass er mit der Rechtsmitteleinlegung und der Stellung des Prozesskostenhilfeantrages seine Tätigkeit als beendet ansieht und es ablehnt, die Einhaltung der Begründungsfrist weiter zu überwachen (BGHZ 7, 280).

3. Abgrenzung zu BGH FamRZ 2003, 1462.


Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Beschluss

Aktenzeichen: 6 UF 27/03

In der Familiensache

wegen Kindes- und Ehegattenunterhalts

hat der 6. Zivilsenat - Familiensenat - des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Morgenroth und die Richterinnen am Oberlandesgericht Euskirchen und Schlachter gemäß § 522 Abs. 1 Satz 3 ZPO

ohne mündliche Verhandlung am 5. Februar 2004

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Germersheim vom 25. November 2002 wird als unzulässig verworfen.

Gründe:

A.

Das erstinstanzliche Urteil ist den Klägervertretern am 17. Januar 2003 zugestellt worden. Die Frist zur Begründung der am 17. Februar 2003 "zunächst nur zur Fristwahrung" eingelegten Berufung lief deshalb bis 17. März 2003.

Mit gesondertem Schriftsatz vom 17. Februar 2003 beantragte die Klägerin Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlich abgewiesenen Antrag auf Auskunftserteilung weiter verfolgen wollte. Hilfsweise begehrte sie Zahlung des Regelbetrages als Kindesunterhalt. Die nachgesuchte Prozesskostenhilfe wurde der Klägerin mit Beschluss des Senats vom 15. Mai 2003, zugestellt am 26. Mai 2003, bewilligt.

Mit Schriftsatz vom 5. Juni 2003, bei Gericht eingegangen am 6. Juni 2003, hat die Klägerin sodann ihre Berufung im Umfang der bewilligten Prozesskostenhilfe begründet und um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist nachgesucht.

B.

Das Rechtsmittel der Klägerin ist unzulässig, da es nicht innerhalb der gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO bis 17. März 2003 laufenden Berufungsbegründungsfrist begründet worden ist.

1. Der Klägerin kann nicht darin gefolgt werden, dass ihre Berufung mit Schriftsatz vom 17. Februar 2003 nicht "unbedingt" (soll heißen: (noch) nicht wirksam) eingelegt worden sei. Die Klägerin hat ihr Rechtsmittel nach eigener Erklärung "zur Fristwahrung" eingelegt, lediglich die (weitere) Durchführung von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe abhängig gemacht. Davon ist sie offensichtlich auch selbst ausgegangen, denn sie hat mit Schriftsatz vom 5. Juni 2003 nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe lediglich wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist um Wiedereinsetzung nachgesucht, nicht auch wegen Versäumung der Berufungsfrist. Würde man ihrer Ansicht folgen, das Rechtsmittel sei nicht schon mit Schriftsatz vom 17. Februar 2003 eingelegt worden, wäre ihre Berufung schon deshalb unzulässig, weil sie zu keinem späteren Zeitpunkt wirksam eingelegt und kein Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden ist.

2. Die Berufungsbegründung der Klägerin ist erst am 6. Juni 2003 bei Gericht eingegangen. Der Schriftsatz vom 17. Februar 2003 stellt entgegen der Auffassung der Klägerin eine Berufungsbegründung nicht dar. Dieser Schriftsatz dient allein der Begründung des Prozesskostenhilfeantrages der Klägerin. Dies ergibt sich rein äußerlich schon daraus, dass der Schriftsatz mit "Prozesskostenhilfeantrag" überschrieben ist. Die Klägerin ist selbst auch davon ausgegangen, dass dieser Schriftsatz eine Berufungsbegründung nicht darstellt, denn sie hat mit Schriftsatz vom 5. Juni 2003 wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Darauf, ob der Inhalt des Schriftsatzes vom 17. Februar 2003 inhaltlich den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO genügen würde, kommt es deshalb nicht an (vgl. BGH VersR 1986, 91).

3. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Fristversäumnis kann der Klägerin nicht bewilligt werden, da sie nicht ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten, § 233 ZPO.

Dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, dessen Verschulden sich die Klägerin zurechnen lassen muss, ist nämlich vorzuwerfen, dass er nicht um Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist nachgesucht hat.

Stellt eine Partei die Begründung einer eingelegten Berufung zurück, weil sie die Entscheidung über ihr Prozesskostenhilfegesuch abwarten will, so hat ihr Anwalt grundsätzlich durch einen rechtzeitigen Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist dafür zu sorgen, dass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht notwendig wird (BGH VersR 1993, 1125). Etwas anderes gilt nur, wenn der Auftrag der Partei an den Anwalt - in Kenntnis der rechtlichen Folgen - ausdrücklich nicht die Stellung eines Verlängerungsantrages umfasste (BGHZ 38, 376) bzw. wenn der Anwalt der Partei gegenüber unzweifelhaft zum Ausdruck bringt, dass er mit der Rechtsmitteleinlegung und der Stellung des Prozesskostenhilfeantrages seine Tätigkeit als beendet ansieht und es ablehnt, die Einhaltung der Begründungsfrist weiter zu überwachen (BGHZ 7, 280). Beides ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall.

Aus der pflichtgemäßen Stellung eines Antrages auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist erwachsen der Partei keine zusätzlichen Kosten, das Unterlassen dieses Antrages kann folglich nicht auf die Mittellosigkeit der Partei zurückzuführen sein. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass der Klägerin dennoch Prozesskostenhilfe für das unzulässige Rechtsmittel bewilligt wurde.

3. Diesem Ergebnis steht die Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Juli 2003 (FamRZ 2003, 1462) zur Frage, innerhalb welcher Frist eine versäumte Berufungsbegründung nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe nachzuholen ist, nicht entgegen. Jener Entscheidung liegt der Fall zugrunde, dass schon die Einlegung des Rechtsmittels wegen der Mittellosigkeit unterblieben ist. Dann hat die Partei aber nicht die Möglichkeit, um Verlängerung der Begründungfrist nachzusuchen, da es ein Rechtsmittel, welches begründet werden könnte, überhaupt nicht gibt. Das Interesse der Partei an verfassungsgemäßem effektivem Rechtsschutz erfordert es dann, den Zeitpunkt des Fristbeginns für die Begründung des - erst nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe eingelegten - Rechtsmittels verfassungskonform zu definieren.

Vorliegend war jedoch das Rechtsmittel bereits eingelegt, die Kosten hierfür entstanden und der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beauftragt und bereit, das Verfahren bis zur Entstehung weiterer Kosten zu betreiben, wozu dann aber auch die Fristenüberwachung gehört. Unter diesen Umständen hatte die Klägerin die prozessuale Möglichkeit, um Fristverlängerung nachzusuchen, die ihr auch ohne Einwilligung des Gegners wegen Vorliegens erheblicher Gründe - gegebenenfalls auch wiederholt oder mehrfach (§ 225 Abs. 2 ZPO) -gemäß § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO bewilligt worden wäre. Einer verfassungskonformen Auslegung des § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO bedarf es hierzu nicht.

Anmerkung: Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Das Aktenzeichen des Rechtsmittelverfahrens lautet XII ZB 34/04.

Ende der Entscheidung

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