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Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 03.08.2000
Aktenzeichen: 6 UF 33/00
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 1570 |
§ 1570 BGB
Im Fall der Betreuung von 3 Kindern im Alter von 9 bzw. 12 Jahren besteht grundsätzlich noch keine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Ehegatten. Anderes gilt nur dann, wenn der Unterhaltsschuldner Umstände dartut und beweist, die die Aufnahme einer (Teil-)Erwerbstätigkeit ausnahmsweise als zumutbar erscheinen lassen (im Anschluss an BGH FamRz 1983, 456 f.).
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Urteil
Aktenzeichen: 6 UF 33/00 1 F 255/98 Amtsgericht Landstuhl
Verkündet am: 3. August 2000
Bernd, Justizobersekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
In der Familiensache
wegen Ehescheidung und Folgesachen,
hier: wegen nachehelichen Unterhalts
hat der 6. Zivilsenat - Familiensenat - des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Morgenroth und die Richterinnen am Oberlandesgericht Schlachter und Geib-Doll auf die mündliche Verhandlung vom 20. Juli 2000
für Recht erkannt:
Tenor:
I. Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Landstuhl vom 3. Februar 2000 geändert:
1. Der Antragsgegner wird verurteilt, ab dem 28. Oktober 1999 an die Antragstellerin nachehelichen Unterhalt in Höhe von 900,-- DM monatlich zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die auf Zahlung nachehelichen Unterhalts gerichtete Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des ersten Rechtszugs werden gegeneinander aufgehoben.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Antragsgegner 7/10 und die Antragstellerin 3/10 zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe:
Das - zulässige - Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend Erfolg.
1. Zur Anspruchsgrundlage des § 1570 BGB:
Entgegen der Auffassung des Familiengerichts steht der Antragstellerin ein Anspruch auf Zahlung nachehelichen Unterhalts gemäß § 1570 BGB dem Grunde nach zu, weil sie die drei gemeinsamen minderjährigen Töchter der Parteien - S geboren am 1987, und die Zwillinge L und J geboren am 1990 - betreut.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats - im Einklang mit derjenigen des Bundesgerichtshofs - besteht im Fall der Betreuung von drei Kindern im Alter von 9 bzw. 12 Jahren grundsätzlich noch keine Erwerbsobliegenheit des betreuenden Ehegatten (vgl. BGH NJW-RR 1997, 897, 899 m.w.N.; siehe auch die Übersicht bei Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, Rdnrn. 3157 ff). Anderes gälte nur dann, wenn der Antragsgegner - wie aber nicht der Fall - Umstände dargetan hätte, die die Aufnahme einer (Teil-)Erwerbstätigkeit ausnahmsweise als zumutbar erschienen ließen (vgl. BGH FamRZ 1983, 456, 458).
Da sich der Antragsgegner nur auf die pauschale Behauptung beschränkt, angesichts des Alters der Kinder könne die Antragstellerin einer Teilerwerbstätigkeit nachgehen, bewendet es angesichts der Anzahl und des Alters der von der Antragstellerin betreuten Kindern bei dem Grundsatz der Unzumutbarkeit einer Erwerbsaufnahme.
2. Zum eheangemessenen Lebensbedarf der Antragstellerin im Sinne von § 1578 Abs. 1 BGB:
Die ehelichen Lebensverhältnisse waren geprägt durch die Nettoeinkünfte des Antragsgegners bei der Firma K in S und durch den Vorteil des mietfreien Wohnens im eigenen Haus in L, dem aber andererseits die Hausverbindlichkeiten gegenüber standen. Dass Darlehensschulden auf dem Hausanwesen lasteten, ergibt sich schon aus dem Schreiben des Notars S vom 10. Dezember 1998; zum anderen ergibt sich dies aus dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 7. Januar 1999 in Verbindung mit dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 25. September 1998 betreffend Trennungsunterhalt, den er zum Gegenstand seines Vorbringens in vorliegendem Verfahren gemacht hat (Bl. 68 u. Bl. 48 Hauptband).
Berücksichtigt man die dort erwähnten Kredite und die Bauspareinzahlung in Höhe von 300,-- DM, gelangt man zu Kreditverbindlichkeiten in Höhe von insgesamt 1.430,75 DM. Der Wohnvorteil soll - auch dies hat die Antragstellerin nicht bestritten - 1.500,-- DM betragen haben.
Da sich der Vorteil einerseits und der Nachteil andererseits rechnerisch fast aufheben, lässt der Senat beide Positionen unberücksichtigt.
Anhand der Gehaltsabrechnungen des Antragsgegners für den Zeitraum Dezember 1997 bis einschließlich August 1998 errechnen sich durchschnittliche Nettoeinkünfte des Antragsgegners für diesen 9-monatigen Zeitraum in Höhe von 5.934,77 DM. Dieser Betrag ermittelt sich einschließlich des geldwerten Vorteils für die private Nutzung des Firmen-Kfz.
Außerdem zahlte der Antragsgegner freiwillige Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von zuletzt monatlich 418,20 DM und zur Pflegeversicherung in Höhe von monatlich 52,28 DM (Eigenanteil); als vermögenswirksame Leistung wurden monatlich 78,-- DM abgeführt. Bereinigt man die Nettoeinkünfte des Antragsgegners um diese Positionen, verbleibt ein Nettoeinkommen in Höhe von monatlich 5.386,29 DM.
Kürzt man diese Nettoeinkünfte um die Pauschale für berufsbedingte Aufwendungen in Höhe von 5 % - es sind dies 269,32 DM - verbleibt ein bereinigtes Nettoeinkommen von gerundet 5.117,-- DM.
Diese Einkünfte sind um den Tabellenunterhalt für die drei Kinder zu kürzen.
Zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung gehörte S der dritten Altersstufe und die Zwillinge L und J jeweils der zweiten Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle an.
Der Antragsgegner ist in die Einkommensgruppe 9 der Düsseldorfer Tabelle einzustufen; in die Berechnung sind daher 2 x 690,-- DM sowie 816,-- DM einzustellen.
Es errechnen sich so um den Kindesunterhalt bereinigte Einkünfte des Antragsgegners in Höhe von monatlich 2.921,-- DM; 3/7 davon betragen 1.251,86 DM, gerundet 1.250,-- DM.
3. Zur Bedürftigkeit der Antragstellerin:
3.1. Auf diesen Bedarf hat sich die Antragstellerin das von ihr bezogene Wohngeld in Höhe von monatlich 344,-- DM anrechnen zu lassen. Wohngeld ist bei der Unterhaltsbemessung wie Einkommen zu berücksichtigen, weil die Wohnkosten dem allgemeinen Lebensbedarf zuzuordnen sind. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Leistung des Wohngeldes einen erhöhten Wohnkostenbedarf ausgleichen soll (vgl. Eschenbruch aaO. Rdnrn. 3436 und 3437).
Da die Antragstellerin, die in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 20. Juli 2000 die Gewährung von Wohngeld in Höhe von monatlich 344,-- DM ausdrücklich eingeräumt hat, einen erhöhten Wohnkostenbedarf nicht geltend gemacht hat, bewendet es bei der Anrechnung.
Der Unterhaltsanspruch der Antragstellerin ermittelt sich daher mit 1.250,-- DM abzüglich 344,-- DM, das sind 906,-- DM, gerundet 900,-- DM.
3.2. Die an die Antragstellerin vom Arbeitsamt geleistete Aufwandsentschädigung in Höhe von gerundet 1.000,-- DM monatlich ist dagegen nicht bedarfsmindernd anzurechnen, weil ihr ein entsprechender tatsächlicher finanzieller Aufwand der Antragstellerin (Fahrtkosten, Hortkosten, Essensgeld für die drei Kinder) gegenüber steht.
Einer Anrechnung stünde im Übrigen auch die Bestimmung des § 1577 Abs. 2 Satz 1 BGB entgegen.
3.3. Ebenso hat eine Anrechnung fiktiver Zinseinkünfte aus dem der Antragstellerin im Dezember 1998 zugeflossenen anteiligen Verkaufserlös für das frühere gemeinsame Hausanwesen der Parteien, in L , in Höhe von rd. 54 000,-- DM zu unterbleiben. Die Antragstellerin hat nämlich nachvollziehbare Gründe für den Verbrauch des Geldes dargetan; ihr Verhalten ist daher nicht als unterhaltsbezogen leichtfertig anzusehen. So musste die Antragstellerin den Kapitalbetrag u.a. zum Bestreiten ihres Lebensunterhalts während der Trennungszeit aufbrauchen, nachdem der Antragsgegner keinen Unterhalt zahlte.
4. Zur Leistungsfähigkeit des Antragsgegners im Sinne von § 1581 BGB:
Der Senat rechnet dem Antragsgegner den Verlust seiner Arbeitsstelle bei der Firma in S nicht als unterhaltsbezogen leichtfertiges Verhalten an, weil das Beschäftigungsverhältnis durch seine Arbeitgeberin mit ordentlicher Kündigung vom 26. März 1999 zum 30. Juni 1999 einseitig beendet worden ist. Darüber hinaus hat die Antragstellerin konkrete Umstände, die für ein schuldhaftes Verhalten des Antragsgegners sprechen könnten, nicht dargetan.
Eine fiktive Zurechnung der früher erzielten - überdurchschnittlich hohen - Einkünfte kommt daher rechtlich nicht in Betracht.
Der Antragsgegner hat allerdings keine Erwerbsbemühungen unternommen, solche sind jedenfalls nicht vorgetragen; der Senat rechnet ihm daher fiktive Einkünfte in Höhe von bereinigt 4.500,-- DM netto monatlich zu, über die er bei Erfüllung seiner Erwerbsobliegenheit bei gutem Willen verfügen könnte. Diese Einkünfte erlaubten es ihm, sowohl den mit gerichtlich protokolliertem Vergleich vom 4. Februar 1999 (Az.: 1 F 256/98 AG Landstuhl) titulierten Kindesunterhalt in Höhe von insgesamt 1.230,-- DM monatlich als auch Ehegattenunterhalt in Höhe von 900,-- DM monatlich bei Wahrung seines angemessenen Selbstbehalts zu leisten.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 93 a Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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