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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Zweibrücken
Urteil verkündet am 28.12.2004
Aktenzeichen: 8 U 109/04
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 426 Abs. 1
BGB § 426 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 533
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken IM NAMEN DES VOLKES Teilanerkenntnis- und Teilendurteil

Aktenzeichen: 8 U 109/04

Verkündet am: 28. Dezember 2004

In dem Rechtsstreit

wegen Freistellung von einer Darlehensverbindlichkeit

hat der 8. Zivilsenat des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Neumüller, den Richter am Oberlandesgericht Schunck und die Richterin am Oberlandesgericht Jahn-Kakuk auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2004

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern vom 23. Juli 2004 geändert:

1. Der Beklagte wird seinem Anerkenntnis gemäß verurteilt, die Klägerin in Höhe der Hälfte der von den Parteien gesamtschuldnerisch begründeten Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der Stadtsparkasse Hannover mit den Darlehenskontonummern 610 326 716, 610 326 724, 610 326 732 freizustellen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien können die Zwangsvollstreckung des Gegners jeweils durch Sicherheitsleistung abwenden, es sei denn, dass der Gegner zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet. Für den Beklagten beträgt die Sicherheitsleistung 72 000,00 €, für die Klägerin 5 000,00 €.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird für die Zeit bis zum 6. Dezember 2004 auf 67 675,28 € und für die Zeit danach auf 135 350,05 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Freistellung von einer gesamtschuldnerischen Haftung für eine Darlehensforderung der Stadtsparkasse Hannover. Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute, die Miteigentümer einer Eigentumswohnung zu je 1/2 sind. Zur Finanzierung des Wohnungseigentums haben sie Darlehen aufgenommen, für welche sie als Gesamtschuldner haften. Diese Darlehen wurden während der intakten Ehe und auch nach der Trennung zunächst noch vom Beklagten bedient. Die Gläubigerin kündigte die Darlehen mit Schreiben vom 8. April 2003 bei einem Valutastand von insgesamt 135 350,56 € (Bl. 12 d. A.).

Die Parteien haben beim Amtsgericht - Familiengericht - Dortmund (Az.: 181 F 3611/99) einen Rechtsstreit um Kindes- und Trennungsunterhalt geführt und beim Oberlandesgericht Hamm (Az.: 4 UF 324/99) am 31. August 2000 einen Vergleich geschlossen (Bl. 13 ff. d. A.). Darin hatte sich der Beklagte unter anderem verpflichtet, einen monatlichen Trennungsunterhalt für die Zeit ab Januar 2000 in Höhe von 1 500,00 DM zu zahlen. Grundlage des Vergleichs war unter anderem die Berücksichtigung einer "Unterdeckung aus der Finanzierung der Eigentumswohnung von 816,00 DM". Dieser Vergleich war Gegenstand eines Abänderungsverfahrens beim Amtsgericht - Familiengericht - Dortmund (Az.: 181 F 1085/01). Die Parteien haben beim Oberlandesgericht Hamm erneut am 11. März 2004 einen Vergleich bezüglich Kindes- und Trennungsunterhalts (Az.: 4 UF 199/03) geschlossen. Vergleichsgrundlage war unter anderem ein erzielbares monatliches Nettoeinkommen des Beklagten in Höhe von 2 570,00 €, wovon unter anderem abgesetzt wurde eine "Unterdeckung Eigentumswohnung von 235,16 €." Als bereinigtes Einkommen wurde ein Betrag von 2 263,89 € zugrunde gelegt. Des Weiteren ist ausgeführt, dass der Ermittlung des Rückstandes die tatsächlich geleisteten Zahlungen des Beklagten (Hausgeld, Darlehen und Unterhalt) zugrunde lägen (Bl. 151 ff. d. A.).

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte verpflichtet sei, sie von den fällig gestellten Verbindlichkeiten freizustellen und hat hierzu geltend gemacht:

Es sei von einer anderweitigen, nicht einseitig abänderbaren Bestimmung im Sinne des § 426 Abs. 1 BGB auszugehen. Diese sei darin zu sehen, dass die Tatsache der Zahlung der Verbindlichkeiten an die Sparkasse in dem vor dem Oberlandesgericht Hamm geschlossenen früheren Vergleich über Trennungsunterhalt zur Vergleichsgrundlage gemacht worden. Eine hiervon abweichende Einigung sei später nicht - auch nicht gemäß Vergleich vom 11. März 2004 - zustande gekommen. Die ursprüngliche Vereinbarung könne insbesondere nicht dadurch geändert werden, dass Gerichte später Darlehensraten berücksichtigten oder nicht.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, sie von den gesamtschuldnerischen Darlehensforderungen der Sparkasse Hannover gegen sie und den Beklagten mit den Darlehensnummern 610 326 716, 610 326 724, 610 326 732 freizustellen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht,

die Klägerin könne von ihm nicht verlangen, dass er sie freistelle, da er keine Raten mehr bezahlen könne, was auch bei den neuen Unterhaltsberechnungen im Abänderungsverfahren berücksichtigt worden sei.

Der Einzelrichter der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kaiserslautern hat der Klage mit Urteil vom 23. Juli 2004 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: In die zunächst im Vergleich vom 31. August 2000 zustande gekommene Ausgleichsvereinbarung im Sinne des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB könne im Hinblick auf die Regelung dieses Vergleichs nicht einseitig eingegriffen werden. Um zu einer Änderung der einmal getroffenen anderweitigen Bestimmung zu kommen, hätte es einer einverständlichen Änderungsabrede bedurft, die hier nicht gegeben sei. Eine solche ergebe sich insbesondere auch nicht aus dem Vergleich vom 11. März 2004. Dieser enthalte hierzu nichts Ausdrückliches. Außerdem sei in die Grundlagen dieses späteren Vergleichs aufgenommen, dass von dem erzielbaren Nettoeinkommen des Beklagten unter anderem eine Unterdeckung der Eigentumswohnung in Höhe von 235,16 € in Abzug gebracht werde.

Der Beklagte hat gegen das ihm am 29. Juli 2004 zugestellte Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel zugleich begründet.

Er macht geltend:

Die ursprüngliche Unterhaltsvereinbarung gemäß Vergleich vom 31. August 2000 sei durch den späteren Vergleich ersetzt worden. Darin sei nicht mehr enthalten, dass er Raten bezahlen müsse. Es könne ihm nicht zugemutet werden, die Klägerin von ihren Verpflichtungen freizustellen und zudem noch Unterhalt zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Kaiserslautern Az.: 3 O 872/03 vom 23. Juli 2004 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen.

2. Hilfsweise,

den Beklagten zu verurteilen, sie in Höhe der Hälfte der von den Parteien gesamtschuldnerisch bei der Sparkasse Hannover eingegangenen Darlehensverbindlichkeiten mit den Darlehenskontonummern, wie in dem angefochtenen Urteil aufgeführt, freizustellen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass es sich bei dem im Senatstermin von der Klägerin gestellten Hilfsantrag um eine Klageänderung handele, welcher widersprochen werde. Hilfsweise hat er den mit dem Hilfsantrag eingeführten Anspruch unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist zulässig und führt auch in der Sache zu dem erstrebten Erfolg der Abweisung des Freistellungsbegehrens der Klägerin hinsichtlich des intern auf sie entfallenden Haftungsanteils. Bei dem von der Klägerin im Senatstermin vom 7. Dezember 2004 gestellten Hilfsantrag handelt es sich um eine - wie eine Klageänderung zu behandelnde - nachträgliche Eventualklagenhäufung (Musielak/Ball, ZPO, 4. Aufl., § 533 Rdnr. 6). Diese ist gemäß § 533 ZPO zulässig, da sie aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit sachdienlich ist und auf der ohnehin im Berufungsverfahren zu prüfenden Tatsachengrundlage beruht. Entgegen der Auffassung der Klägerin war der jetzt gestellte Hilfsantrag nicht von vornherein als Minus im Verhältnis zum Hauptantrag bereits Klagegegenstand. Es geht nicht um eine bloße quotenmäßige Beschränkung, sondern der hälftige Freistellungsanspruch wird im Gegensatz zum Anspruch auf vollständige Freistellung gerade auf die gesetzliche Regel des § 426 Abs. 1 BGB gestützt. Darüber hinaus war zunächst nicht ersichtlich, dass die Klägerin an dem Anspruch auf hälftige Freistellung, den der Beklagte nie bestritten hat, überhaupt ein Interesse hatte (vgl. zum Ganzen etwa BGH NJW 1984, 2295 f. und BGHZ 154, 342 ff.). Dem zulässigen Hilfsantrag war dem Anerkenntnis des Beklagten entsprechend stattzugeben.

Soweit die Klägerin darüber hinaus mit ihrem Hauptantrag die Freistellung hinsichtlich des sie intern treffenden Haftungsanteils begehrt, ist ihr Klagebegehren unbegründet. Im Einzelnen gilt hierzu:

§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB gibt jedem Gesamtschuldner gegen die anderen Gesamtschuldner einen Anspruch, dessen Inhalt unterschiedlich ist, je nach dem, ob der Gläubiger bereits befriedigt ist oder nicht. Vor der Befriedigung des Gläubigers hat jeder Gesamtschuldner gegenüber dem anderen Gesamtschuldner lediglich einen Mitwirkungsanspruch des Inhalts, dass der andere Gesamtschuldner entsprechend seiner Beteiligung im Innenverhältnis seinen Beitrag zur Befriedigung des Gläubigers leistet. Im vorliegenden Fall einer noch offen stehenden Gesamtschuld nach Kündigung der Darlehensverträge hat sonach grundsätzlich jeder Gesamtschuldner einen Mitwirkungsanspruch des Inhalts, dass der andere entsprechend seiner Beteiligung im Innenverhältnis zur Befriedigung des Gläubigers mitwirkt. Die Ausgleichspflicht beschränkt sich demgemäß auf den vom Ausgleichsschuldner zu tragenden Anteil. Als Grundregel ist hierzu in § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Haftung zu gleichen Anteilen vorgesehen, die indessen nur eingreift, wenn ein anderer Verteilungsmaßstab fehlt. Ein besonderer Ausgleichsmaßstab kann sich aus der ehelichen Lebensgemeinschaft ergeben. Nach dem Scheitern der Ehe, das heißt nach endgültiger Trennung oder Stellung des Scheidungsantrages, ist im Innenverhältnis der Ehegatten - ungeachtet des während der intakten Ehe bestehenden Ausgleichsmaßstabes - wieder von der Grundregel des § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB auszugehen, es sei denn, es bestehen nun anstatt der ehelichen Lebensgemeinschaft andere besondere Umstände, aus denen sich ein vom Regelfall abweichender Verteilungsmaßstab ergibt (BGH NJW 1995, 652 ff., 653). Ausgleichsmaßstab ist grundsätzlich das Verhältnis der Miteigentumsanteile, d.h. die dingliche Berechtigung ist maßgebend (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB 61. Aufl., Rdnr. 9 a zu § 426 m.Nachw.). Eine vom gesetzlichen Regelfall abweichende Ausgleichsregelung kann etwa in der Weise getroffen werden, dass sich ein Unterhaltsanspruch des Ausgleichspflichtigen gemäß dem Umfang seiner Ausgleichspflicht mindert. Darin kann entweder eine unmittelbare Regelung des Ausgleichs nach § 426 Abs. 1 BGB oder eine Verrechnungsvereinbarung gesehen werden, die aber nur dann ihre Wirkung entfaltet, soweit die Schuld im Außenverhältnis getilgt wird (Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 426 Rdnr. 26 am Ende).

Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Ausgleichspflicht der Klägerin nicht durch die im familiengerichtlichen Verfahren geschlossenen Unterhaltsvergleiche ausgeschlossen. Grundlage des ersten Vergleichs - ob dies beim zweiten ebenso war, kann aus den nachfolgenden Erwägungen für die Entscheidung dahinstehen - war eine beiderseitige Beteiligung der Parteien an der Tilgung der gemeinsam begründeten Darlehensverbindlichkeiten. Der Beitrag der Klägerin lag darin, dass sie wegen der - im Rahmen der Feststellung der Leistungsfähigkeit des Beklagten - zu berücksichtigenden Tilgungsverpflichtung eine Unterhaltskürzung hinnahm. Der im Prozessvergleich getroffenen Vereinbarung lag sonach der übereinstimmende Wille der Parteien zugrunde, gemeinsam zur Tilgung der Gesamtschuld beizutragen, wenn auch möglicherweise nicht mit betragsmäßig völlig identischen Anteilen. Die gebotene interessengerechte Absprache der Parteien kann demgemäß vernünftigerweise nur dahin verstanden werden, dass die ohnehin lediglich den Trennungsunterhalt betreffende vorläufige Regelung nur so lange Bestand haben sollte, als die gemeinsame Tilgung funktionierte. Dies ist infolge einer Veränderung der der Absprache zugrunde liegenden tatsächlichen Situation nicht mehr gegeben. Durch die Kündigung der Darlehensverträge ist die gesamte Restschuld fällig gestellt, so dass die Gläubigerin nunmehr jeden Gesamtschuldner auf Zahlung von 135 350,56 € zuzüglich Zinsen und Kosten in Anspruch nehmen kann. Auf der Grundlage dieser geänderten tatsächlichen Verhältnisse ist der geltend gemachte Ausgleichsanspruch der Klägerin nicht gerechtfertigt. Die antragsgemäße Verurteilung des Beklagten auf der jetzt gegebenen Tatsachengrundlage würde dazu führen, dass dieser möglicherweise ohne weiterhin die Möglichkeit zu besitzen, die Klägerin über Unterhaltsminderungen an der Tilgung zu beteiligen, die gesamte Schuld allein tragen müsste. Die Feststellung einer solchen Verpflichtung trägt die zwischen den Parteien getroffene ursprüngliche Absprache nicht. Sie würde auch zu einer unzumutbaren Benachteiligung des Beklagten führen, da er allein im Innenverhältnis die gesamte Restschuld tragen müsste, während die Klägerin ohne jegliche Gegenleistung weiterhin ihre dingliche Berechtigung behalten und auch an einem etwaigen Veräußerungserlös partizipieren würde.

Auf die Berufung des Beklagten war daher das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage bezüglich des Hauptsantrages abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 91, 93 ZPO. Der Beklagte hat durch sein Verhalten keine Veranlassung zur gerichtlichen Durchsetzung der ihn intern treffenden Mitwirkungspflicht gegeben. Er zu keinem Zeitpunkt in Abrede gestellt, für den hälftigen Anteil der Schuld zu haften und hat demgemäß den in der Berufungsinstanz in den Prozess eingeführten Anspruch sofort anerkannt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Das Urteil geht bezüglich der Grundlagen der Ausgleichspflicht von dem nach der Rechtsprechung maßgebenden Grundsatz aus, dass nach Scheitern der Ehe die Grundregel des § 426 Abs. 1 BGB bzw. die dingliche Berechtigung maßgebend ist. Die Frage einer abweichenden Regelung mit Blick auf die vorläufige Unterhaltsvereinbarung der Parteien war anhand der konkreten Umstände des hier gegebenen Falles zu beurteilen, so dass keine Frage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war, § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Weiterhin ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts auch nicht aus Gründen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich, § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

Ende der Entscheidung

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