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Gericht: Oberverwaltungsgericht Brandenburg
Beschluss verkündet am 17.10.2003
Aktenzeichen: 4 B 59/03
Rechtsgebiete: VwGO, SGB IX, InsO, ZPO, BGB, SchwbG


Vorschriften:

VwGO § 80 Abs. 1
VwGO § 80 Abs. 2
VwGO § 80b Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz, Satz 2
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 3
VwGO § 146 Abs. 4 Satz 6
SGB IX § 85
SGB IX § 89
SGB IX § 89 Abs. 1
SGB IX § 89 Abs. 1 Satz 1
InsO § 113
ZPO § 148
BGB § 315 Abs. 1
SchwbG § 15
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERVERWALTUNGSGERICHT FÜR DAS LAND BRANDENBURG BESCHLUSS

4 B 59/03

In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren

wegen Schwerbehindertenrechts;

hier: Beschwerde,

hat der 4. Senat

am 17. Oktober 2003

durch

den Richter am ..., die Richterin am ... und den Richter am ...

beschlossen:

Tenor:

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 25. Februar 2003 wird abgeändert und der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 24. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2003 zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten beider Instanzen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selber trägt. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und auf der Grundlage des fristgemäß vorgebrachten und nach § 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO maßgeblichen Beschwerdevortrages auch begründet.

I. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Zustimmung des Antragsgegners zur ordentlichen Kündigung durch den Beigeladenen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (noch) zulässig war.

a. Dem steht entgegen der Auffassung des Antragsgegners zunächst nicht entgegen, dass zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung am 25. Februar 2003 über den Widerspruch des Antragstellers bereits entschieden (Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2003), eine Anfechtungsklage gegen den Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides aber noch nicht erhoben worden war. Denn die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs ist grundsätzlich nicht bis zum Erlass der Entscheidung der Widerspruchsbehörde befristet, sondern endet (vorbehaltlich hier nicht vorliegender Fallkonstellationen) gem. § 80b Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz, Satz 2 VwGO erst mit dem Eintritt der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts, und zwar auch dann, wenn die aufschiebende Wirkung durch das Gericht wiederhergestellt oder angeordnet worden ist. Die Regelung trägt dem Interesse an einem effektiven und lückenlosen Rechtsschutz Rechnung, da andernfalls ein anfechtbarer Verwaltungsakt in der Zeit zwischen dem Ergehen der Widerspruchsentscheidung und der Erhebung einer Anfechtungsklage vollzogen und bereits vor Abschluss des Rechtsschutzverfahrens vollendete Tatsachen geschaffen werden könnten (in diesem Sinne für die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 80b VwGO bereits Sächsisches OVG, Beschluss v. 23. Januar 1997 - 3 S 522/96 -, SächsVBl. 1997, 214 f.). Davon ausgehend kann ein gerichtlicher Aussetzungsbeschluss aber auch in der Zeit zwischen Erlass des Widerspruchsbescheides und Erhebung der Anfechtungsklage ergehen, denn durch einen solchen Beschluss wird nur die dem Widerspruch gem. § 80 Abs. 1 VwGO regelmäßig kraft Gesetzes bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit zukommende, gem. § 80 Abs. 2 VwGO ausnahmsweise entfallene aufschiebende Wirkung wieder hergestellt (vgl. auch § 80 Abs. 5 Satz 2 VwGO, wonach der Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig ist).

b. Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs war auch nicht deshalb zum Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung unzulässig geworden, weil das Rechtsschutzbedürfnis wegen der besonderen Umstände des konkreten Falles nach Ausspruch der Kündigung entfallen wäre.

Das Verwaltungsgericht hat das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers hier unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg (Beschluss vom 11. Februar 1997 - Bs IV 312/96 -, DVBl. 1997, 1446 f.) bejaht, in der - in Auseinandersetzung mit abweichenden Auffassungen in Rechtsprechung und Literatur - eine für das Bestehen eines Rechtsschutzbedürfnisses erforderliche und hinreichende Verbesserung der Position des Antragstellers darin gesehen wird, dass die vom dafür zuständigen Fachgericht aufgrund ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Kündigungszustimmung angeordnete aufschiebende Wirkung die tatsächliche Rechtsposition des gekündigten Arbeitnehmers im zeitgleich laufenden Kündigungsschutzprozess verbessern könne und dass der Arbeitnehmer auf Grund der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des weiteren einen während des Kündigungsschutzprozesses ggf. bestehenden arbeitsrechtlichen Anspruch auf Weiterbeschäftigung möglicherweise bereits im Eilverfahren vor den Arbeitsgerichten durchsetzen könne.

Der Antragsgegner rügt demgegenüber, dass es an einem Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers gefehlt habe, weil hier - anders als in dem Fall, der der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg zugrunde lag - von der Möglichkeit einer Verbesserung seiner Rechtsposition für den arbeitsgerichtlichen Kündigungsprozess, insbesondere für einen möglichen Anspruch auf Weiterbeschäftigung, nicht auszugehen sei. Eine Weiterbeschäftigung des Antragstellers komme nicht mehr in Betracht. Denn am 1. Januar 2003 sei das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft (i.F.: Schuldnerin) eröffnet und der Geschäftsbetrieb zum 31. Dezember 2002 vollständig eingestellt worden. Alle Arbeitnehmer seien von der Arbeit freigestellt worden. Aufgrund der inzwischen nochmals gem. § 85 SGB IX erteilten Zustimmung des Antragsgegners - gegen die der Antragsteller ebenfalls Widerspruch erhoben habe - sei dem Antragsteller mit Schreiben vom 24. Februar 2003 gem. § 113 InsO zum 31. Mai 2003 erneut gekündigt worden.

Dieses Vorbringen vermag der Beschwerde des Antragsgegners jedoch nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn jedenfalls die - vom Oberverwaltungsgericht Hamburg (a.a.O.) wohl allein bereits als ausreichend für die Annahme eines Rechtsschutzbedürfnisses angesehene - Möglichkeit einer Verbesserung der tatsächlichen Rechtsposition des Antragstellers im arbeitsgerichtlichen Verfahren, die sich insbesondere aus einer Stärkung seiner Position im Rahmen der vom Arbeitsgericht gem. § 148 ZPO nach Ermessen zu treffenden Entscheidung über eine Aussetzung des Kündigungsschutzverfahrens bis zur Rechtskraft einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung über die Kündigungszustimmung ergeben könnte, wird durch die vom Antragsgegner dargelegten Umstände nicht beseitigt.

Daneben konnte aber auch die Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung des Antragstellers über den Ablauf der aufgrund der Kündigung vom 5. November 2002 bis zum 31. Juni 2003 geltenden Kündigungsfrist hinaus entgegen der Auffassung des Antragsgegners zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung jedenfalls nicht mit der gebotenen Eindeutigkeit ausgeschlossen werden. Denn der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin war nach den im Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2003 wiedergegebenen Ermittlungsergebnissen keineswegs bereits zum 31. Dezember 2002 vollständig eingestellt worden, sondern zumindest der Winterdienst, der nach den dortigen Angaben Beschäftigung für acht bis neun Personen bot, sollte noch bis zum 31. März 2003 durchgeführt werden. Wegen der danach gerade noch nicht erfolgten vollständigen Einstellung des Betriebes wäre eine Weiterbeschäftigung des Antragstellers bis zu diesem Zeitpunkt durchaus noch möglich gewesen, und diese - ggf. im arbeitsgerichtlichen Eilverfahren zu verfolgende - Möglichkeit wäre auch nicht wegen der bereits im November 2002 durch den vorläufigen Insolvenzverwalter vorgenommenen Freistellung des Antragstellers ausgeschlossen gewesen. Denn abgesehen davon, dass die Zulässigkeit einer Freistellung von Mitarbeitern durch den (vorläufigen) Insolvenzverwalter in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht eindeutig geklärt ist (vgl. einerseits LAG Hamm, Urteil vom 27. September 2000 - 2 Sa 1178/00 -, und Urteil vom 6. September 2001 -4 SA 1276/01 -, andererseits ArbG Kaiserslautern, Urteil vom 4. Mai 2001 - 7 CA 193/01 -, alle zit. nach Juris), wäre ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf Weiterbeschäftigung trotz einer solchen Freistellung nicht von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg, da der Insolvenzverwalter bei der Ausübung seines Freistellungsrechts jedenfalls an die Grenzen des billigen Ermessens gem. § 315 Abs. 1 BGB und damit an die Berücksichtigung nicht nur insolvenzspezifischer oder betrieblicher, sondern auch sozialer Gesichtspunkte - zu denen auch die Schwerbehinderteneigenschaft eines Arbeitnehmers gehören kann (LAG Hamm, Urteil vom 27. September 2000 - 2 Sa 1178/00 -, zit. nach Juris) - gebunden sein soll (LAG Hamm, Urteile vom 27. September 2000 - 2 Sa 1178/00 - und vom 6. September 2001-4 SA 1276/01 -, zit. nach Juris). Angesichts dessen konnte das Verwaltungsgericht aber auch für die Zeit nach dem 31. März 2003 nicht von der offensichtlichen Erfolglosigkeit eines möglichen Weiterbeschäftigungsanspruchs des Antragstellers ausgehen. Zwar hielt die Schuldnerin nach den Feststellungen im Widerspruchsbescheid auch im Dezember 2002 an der im Antrag auf Erteilung der Zustimmung vom 16. September 2002 für den 31. März 2003 angekündigten vollständigen Einstellung des Betriebes zum 31. März 2003 fest. Da der Antragsteller ausweislich seiner Ausführungen im vom Verwaltungsgericht durchgeführten Erörterungstermin jedoch gerade bestritten hatte, dass die Voraussetzungen für die Einstellung des Betriebes der Schuldnerin vorlägen und eine solche Einstellung möglich sei, konnte das Verwaltungsgericht zum maßgeblichen Zeitpunkt seiner Entscheidung jedenfalls nicht ohne nähere, den Rahmen der Zulässigkeitsprüfung und des Rechtsschutzbedürfnisses sprengende Prüfung davon ausgehen, dass die endgültige Einstellung des Geschäftsbetriebes zum 31. März 2003 sicher sei und eine Weiterbeschäftigung des Antragstellers dadurch unmöglich werden würde.

II. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs jedoch zu Unrecht als begründet angesehen.

a. Zunächst erscheint bereits die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Voraussetzungen des vom Antragsgegner noch im Widerspruchsbescheid zur Grundlage der Zustimmungsentscheidung gemachten § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB IX nicht vorgelegen hätten, durchaus problematisch. Das Verwaltungsgericht hat insoweit darauf abgestellt, dass zwischen dem Tage der Kündigung und dem Tag, bis zu dem Gehalt oder Lohn gezahlt werde, nicht mindestens drei Monate gelegen hätten, weil der Antragsteller trotz der sechsmonatigen Kündigungsfrist (Kündigung zum 30. Juni 2003) tatsächlich bereits seit November 2002, dem Monat der Kündigung, keinen Lohn mehr erhalten habe, sondern Arbeitslosengeld. Der Antragsgegner meint demgegenüber, dass die dreimonatige Lohnfortzahlung durch die sechsmonatige Kündigungsfrist abgedeckt worden sei.

Die damit aufgeworfene Frage nach der Konkretisierung dieser in § 89 Abs. 1 SGB IX (bzw. dem bis zum 31. Juni 2001 geltenden und insoweit gleichlautenden § 19 SchwbG) enthaltenen Voraussetzung, d.h. danach, ob die erforderliche "Zahlung" von Lohn oder Gehalt einer vertraglichen Verpflichtung des Arbeitgebers gleichzusetzen ist, ob auf die tatsächliche Fortgewährung der Vergütung abzustellen ist, ob die Voraussetzung der Fortzahlung der Vergütung zwar an sich gegeben ist, wenn die einzuhaltende individuelle Kündigungsfrist die Dreimonatsfrist umspannt oder eine entsprechende vertragliche Zusage des Arbeitgebers vorliegt, die Zustimmung aber gleichwohl ihre Wirksamkeit verliert, wenn feststeht, dass der Arbeitgeber nicht zahlen kann oder will, oder ob es für die Erfüllung der Bedingung genügt, wenn die Verpflichtung des Arbeitgebers, das Arbeitsentgelt für drei Monate fortzuzahlen, erst im Klagewege durchgesetzt wird, ist höchstrichterlich bisher nicht geklärt und wird auch in der einschlägigen Literatur unterschiedlich beurteilt (vgl. den Überblick in BAG, Urteil vom 12. Juli 1990 - 2 AZR 35/90, BB 1991, 1122 ff; ähnlich Dörner, SchwbG, Stand 15. April 2001, § 19 Rn 16 ff, jeweils mit zahlreichen Nachweisen). Auch die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen ggf. an die Stelle des Lohns tretende Lohnersatzleistungen beachtlich sind, ist bisher nicht abschließend geklärt (für Kranken- und Urlaubsgeld wird dies überwiegend angenommen, vgl. z.B. Dörner, SchwbG, § 19 Rn 27, Neumann, in: Neumann/Pahlen/Majerski-Pahlen, SGB IX, 10. Aufl. München 2003, § 89 Rn 17; für Insolvenzgeld demgegenüber - ohne nähere Begründung - abgelehnt, Neumann, a.a.O. § 89 Rn 17).

Eine danach notwendige grundlegende Klärung der hier mit Blick auf Relevanz und Durchsetzbarkeit eines trotz Insolvenz bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortbestehenden arbeitsvertraglichen Lohnanspruchs sowie auf die Zahlung von Insolvenzgeld durch das Arbeitsamt für die in § 89 SGB IX vorausgesetzte dreimonatige Lohnzahlung zu prüfenden Fragen ist im Rahmen des hiesigen, die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes betreffenden Beschwerdeverfahrens nicht möglich. Sie ist aber auch nicht erforderlich, denn die angegriffene Entscheidung erweist sich aus den im Folgenden unter b. weiter auszuführenden Gründen selbst dann als unzutreffend, wenn die Voraussetzungen des § 89 Abs. 1 SGB IX im Fall der vom Antragsgegner am 24. Oktober 2002 erteilten Zustimmung zur Kündigung des Antragstellers tatsächlich nicht erfüllt sein sollten.

b. Denn die als gebundene Entscheidung erteilte Zustimmung vom 24. Oktober 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2003 ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis rechtmäßig, weil - wie dem Beschwerdevorbringen des Antragsgegners gerade noch hinreichend deutlich zu entnehmen ist - wegen der eingeleiteten Liquidation der Schuldnerin und der Stillegung ihres Betriebes auch eine bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 89 SGB IX gem. § 85 SGB IX zu treffende Ermessensentscheidung in diesem Fall nicht anders hätte ausfallen können. Zwar weist das Verwaltungsgericht zutreffend daraufhin, dass die für eine Entscheidung gem. § 85 SGB IX gebotene Ermessensbetätigung nicht im gerichtlichen Verfahren geheilt oder gar durch Ermessenserwägungen des Gerichts ersetzt werden könne. Ein Ermessensmangel führt aber ausnahmsweise dann nicht zur Aufhebung eines angefochtenen Verwaltungsakts, wenn auch bei Ausübung von Ermessen keine andere als die getroffene Regelung rechtsfehlerfrei hätte getroffen werden können (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Februar 1975 - IV C 30.83 -, BVerwGE 48, 81 ff.; BSG, Urteil vom 9. September 1998 - B 13 RJ 41/97 R -, zit. nach Juris). Hier war das Fehlen der in § 85 SGB IX vorgeschriebenen Ermessensbetätigung im Ergebnis unschädlich, denn angesichts der vom Antragsteller geltend gemachten oder sonst ersichtlichen Umstände des konkreten Falles wäre jede andere Entscheidung als die Erteilung der beantragten Zustimmung zur Kündigung des Antragstellers ermessensfehlerhaft gewesen (sog. Ermessensreduzierung auf Null bzw. Eins).

Nach der - noch zu § 15 SchwbG ergangenen - Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur Urteil vom 2. Juli 1992 - 5 C 51.90 -, Buchholz 436.61 § 15 SchwbG 1986 Nr. 6) ist es Zweck des besonderen Kündigungsschutzes für Schwerbehinderte, diese vor den besonderen Gefahren, denen sie wegen ihrer Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, zu bewahren und sicherzustellen, dass sie gegenüber den gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen geraten. Da dies auch Leitlinie der Ermessensentscheidung über die Zustimmung zu einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Schwerbehinderten zu sein hat, erfordert diese Entscheidung eine Abwägung des Interesses des Arbeitgebers an der Erhaltung seiner Gestaltungsmöglichkeiten gegen das Interesse des schwerbehinderten Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes. Die Entscheidung hat die Grenzen dessen zu bestimmen, was zur Verwirklichung der dem Schwerbehinderten gebührenden weitgehenden Fürsorge dem Arbeitgeber zugemutet werden darf. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners ist dabei allerdings nur der der Kündigung zugrunde liegende historische Sachverhalt maßgeblich. Tatsachen und Umstände, die erst nach der Kündigung eingetreten sind und nicht zu dem dieser zugrunde liegenden Sachverhalt gehören, sind nicht zu berücksichtigen (BVerwG, Beschluss vom 7. März 1991 - 5 B 114.89 -, Buchholz 436.61 § 12 SchwbG 1986 Nr. 4).

Davon ausgehend kam eine andere Entscheidung als die Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung des Antragstellers zum 31. März 2003 nicht in Betracht, denn die im Interesse der Schwerbehindertenfürsorge gebotene Sicherung des Arbeitsplatzes findet auf jeden Fall dort ihre Grenze, wo eine Weiterbeschäftigung des Schwerbehinderten allen Gesetzen wirtschaftlicher Vernunft widersprechen würde (i.d.S. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12. Mai 1998 - 12 A 12950/97 -, FEVS 49, 326 ff.; Knittel, SGB IX, § 85 Rn 21). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn - wie hier - wegen vollständiger Stilllegung eines Betriebes ausnahmslos alle Arbeitsplätze wegfallen und alle Arbeitnehmer gekündigt werden. Ermessensrelevante Gesichtspunkte, die ein anderes Ergebnis als rechtlich zumindest möglich erscheinen lassen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Dass der Antragsgegner hier etwa zu Unrecht vom Vorliegen des geltend gemachten Kündigungsgrundes der vollständigen Stilllegung des Betriebs der Schuldnerin zum 31. März 2003 ausgegangen wäre, ist ebenfalls nicht ersichtlich, denn ausweislich der in Kopie bei der Verwaltungsakte befindlichen Unterlagen hatte die Gesellschafterin der Schuldnerin am 9. September 2002 deren Auflösung und die Bestellung eines Liquidators beschlossen, am 10. September 2002 die Eintragung des Auflösungsbeschlusses und des Liquidators im Handelsregister beantragt, am 25. September 2002 dem Arbeitsamt die Entlassung sämtlicher Mitarbeiter zum 31. März 2003 angezeigt und bis Ende September allen Mitarbeitern eine Kündigung zum 31. März 2003 übergeben, in der auf die Auflösung der Gesellschaft und Stilllegung des Betriebes zum 31. März 2003 als Kündigungsgrund verwiesen wurde. Am 29. Oktober 2002 und damit ebenfalls noch vor der am 5. November 2002 erfolgten Kündigung des Antragstellers war zudem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Schuldnerin beim zuständigen Amtsgericht gestellt worden.

Soweit der Antragsteller demgegenüber geltend gemacht hat, dass sein Arbeitsplatz nicht wegfallen könne, da die Pflichtaufgaben der Stadt auch in Zukunft weiter durchgeführt werden müssten und Gerüchten zufolge ein der Schuldnerin ähnlicher städtischer Betrieb neu aufgebaut werden solle, vermag dies keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit der beabsichtigten und im Kündigungszeitpunkt durch die Kündigung aller Mitarbeiter bereits eingeleiteten Stilllegung des Betriebs der Schuldnerin (zur Indizwirkung der Entlassungsanzeige und des Ausspruchs aller Kündigungen für eine Betriebsstilllegung vgl. BAG, Beschluss vom 29. Juni 2000 - 8 ABR 44/99 -, DB 2000, 2021 f.) zu begründen. Insbesondere ergeben sich daraus keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kündigung nicht wegen der Einstellung des Betriebs der Schuldnerin, sondern wegen eines Übergangs des Betriebes auf einen neuen Betreiber (gem. § 613a BGB) ausgesprochen worden sein könnte. Denn ein solcher Betriebsübergang wird nicht schon durch eine bloße Funktionsnachfolge begründet, sondern setzt die - hier weder behauptete noch sonst ersichtliche - Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit als organisierter Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung voraus (BAG, Urteil vom 3. September 1998 -8 AZR 306/97 -, zit. nach Juris). Ob der Gesellschafterbeschluss über die Liquidation der Schuldnerin (dem gem. § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens ohnehin keine eigenständige Bedeutung mehr zukommen dürfte) unwirksam war, wie der Antragsteller erstmals im Erörterungstermin vor dem Verwaltungsgericht und ohne nähere Begründung behauptet hat, kann dahinstehen, denn im Unterschied zum Beschluss der Auflösung einer Gesellschaft erfordert die für die Kündigung maßgebliche Entscheidung, den von einer GmbH geführten Betrieb stillzulegen, keinen Beschluss der Gesellschafter, sondern kann von den Geschäftsführern formlos getroffen werden (BAG, Urteil vom 3. September 1998 - 8 AZR 439/97 -, zit. nach Juris). Selbst ein fehlerhafter Auflösungsbeschluss hätte der ebenfalls beabsichtigten und mit der Kündigung aller Arbeitnehmer bereits eingeleiteten Einstellung des Betriebs zum 31. März 2003 damit nicht entgegengestanden. Angesichts der durch die Einleitung des Insolvenzverfahrens am 29. Oktober 2002 manifestierten finanziellen Schwierigkeiten der Schuldnerin fehlt auch jeder Anhaltspunkt dafür, dass allein wegen eines formellen Mangels des Auflösungsbeschlusses von der beabsichtigten Betriebsstillegung Abstand genommen werden würde. Nach der Sachlage im Zeitpunkt der Kündigung spricht schließlich auch nichts dafür, dass eine wirksame Kündigung oder einverständliche Aufhebung bestehender vertraglicher Verpflichtungen der Schuldnerin bis zum vorgesehenen, ein halbes Jahr später liegenden Stilllegungstermin nicht möglich sein würde. Soweit der Antragsteller ebenfalls erstmals im Erörterungstermin am 24. Februar 2003 bezweifelt hat, dass die Kündigungen formell wirksam und fristgerecht erfolgt seien, ist bereits nicht ersichtlich, dass die damit geltend gemachten Umstände im maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigung bereits vorlagen. Im Übrigen hätte eine nicht fristgemäße Kündigung von Aufträgen entgegen der Auffassung des Antragstellers einer Stilllegung des Betriebs zum vorgesehenen Termin aber auch nicht zwingend entgegengestanden. Wegen der in einem solchen Fall drohenden Schadensersatzansprüche des Gläubigers könnte die nicht ordnungsgemäße Auflösung bestehender Verträge zwar als Indiz gegen die Ernsthaftigkeit der Stilllegungsabsicht angesehen werden. Angesichts des bereits eingeleiteten Insolvenzverfahrens und der sich mit dessen Eröffnung ergebenden Sonderrechte des Insolvenzverwalters (§ 103 ff. InsO) war hier allerdings davon auszugehen, dass eine Abwicklung etwa noch bestehender Vertragsverhältnisse zum vorgesehenen Termin im Zweifel jedenfalls auf diesem Wege möglich werden würde. Davon, dass die bereits eingeleitete Betriebseinstellung wegen des Insolvenzverfahrens nicht weiter verfolgt werden würde, wäre jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der Kündigung nur dann auszugehen gewesen, wenn die Schuldnerin mit dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auch einen als Grundlage für den Erhalt des Unternehmens im Rahmen eines Insolvenzverfahrens erforderlichen Insolvenzplan vorgelegt (vgl. § 1 Satz 1, § 218 Abs. 1 InsO) oder sonstige Maßnahmen ergriffen hätte, die Anlass zu der Annahme hätten geben können, dass die Schuldnerin oder der vorläufige Insolvenzverwalter an der Absicht zur Betriebseinstellung nicht festhalten würden. Auch dies ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 und § 188 Satz 2 VwGO. Im Hinblick darauf, dass der Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt und sich daher nach § 154 Abs. 3 VwGO keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat, sind seine etwaigen außergerichtlichen Kosten dem Antragsteller nicht aufzuerlegen. Gerichtskosten werden gem. § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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