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Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Urteil verkündet am 26.10.2004
Aktenzeichen: 1 A 282/03
Rechtsgebiete: GG, Brem ArbnKG
Vorschriften:
GG Art. 2 Abs. 1 | |
GG Art. 9 Abs. 1 | |
Brem ArbnKG § 2 | |
Brem ArbnKG § 4 Abs. 1 |
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Im Namen des Volkes! Urteil
OVG: 1 A 282/03
Niedergelegt in abgekürzter Fassung auf der Geschäftsstelle am 09.11.2004
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy sowie die ehrenamtlichen Richter C. Göbe und S. Skorsetz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26.10.2004 für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen - 2. Kammer - vom 24.04.2003 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kläger jeweils zur Hälfte.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen ihre Pflichtmitgliedschaft in der Arbeitnehmerkammer Bremen.
1. Eine Arbeiter- und Angestelltenkammer mit Pflichtmitgliedschaft besteht in Bremen seit 1921 (Gesetz vom 17.07.1921, BremGBl. S. 291). Die Kammer wurde 1936 unter der Herrschaft des Nationalsozialismus aufgelöst. Im Jahre 1956 wurde der frühere Rechtszustand wiederhergestellt (Gesetz vom 03.07.1956, BremGBl. S. 79).
Außer in Bremen besteht eine Arbeitnehmerkammer nur im Saarland.
Mit Beschluss vom 18.12.1974 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Gesetze der Länder Bremen und Saarland über die Errichtung von Arbeitnehmerkammern als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Pflichtmitgliedschaft aller Arbeitnehmer mit dem Grundgesetz vereinbar sind (BVerfGE 38, S. 281).
Anfang der 90er Jahre gerieten die Arbeitnehmerkammern in die öffentliche Diskussion (vgl. Kleine Anfrage der Fraktion Die Grünen an den Senat der Freien Hansestadt Bremen zum Konkurs von BBI Transfer vom 17.09.1993, Brem. Bürgerschaft/Landtag, Drs. 13/671; Kleine Anfrage der Fraktion der CDU zur möglichen Verwicklung des Senats in die Affäre um die Angestelltenkammer Bremen von September 1994, Brem. Bürgerschaft/Landtag, Drs. 13/985; Debatten in der Bremischen Bürgerschaft vom 21.09.1994, Protokolle Landtag 13. Wahlperiode, S. 4087; vom 22.03.1995, Protokolle Landtag 13. Wahlperiode, S. 4979; vom 19.11.1997, Protokolle Landtag 14. Wahlperiode, S. 3112). Eine bei der Angestelltenkammer durchgeführte Prüfung des Rechnungshofs des Landes Bremen vom 18.01.1996 gelangte zu dem Ergebnis, dass verschiedene Kammeraktivitäten nicht vom gesetzlichen Auftrag gedeckt seien und überdies in verschiedenen Bereichen unwirtschaftlich operiert werde.
Im Jahre 2000 beschloss der Landesgesetzgeber im Rahmen einer Novellierung des Arbeitnehmerkammergesetzes u. a. die Zusammenlegung der beiden bislang gesondert für Arbeiter und Angestellte eingerichteten Kammern und eine Neufassung der Kammeraufgaben (Gesetz über die Arbeitnehmerkammer im Lande Bremen vom 28.03.2000, BremGBl. S. 83). In der Gesetzesbegründung (Brem. Bürgerschaft/Landtag, Drs. 15/198) wird ausgeführt, dass die Neufassung die Kammeraufgaben auf den eigentlichen Kern der Institution Kammer zurückführe, nämlich auf die Wahrnehmung des Gesamtinteresses der Kammermitglieder, insbesondere ihrer wirtschaftlichen, sozialen und beruflichen Interessen. Die Neufassung folge der bewährten Vorschrift des für Industrie- und Handelskammern geltenden § 1 IHKG.
Die Höhe der Beiträge zur Arbeitnehmerkammer setzt die Vollversammlung fest (§§ 7 Abs. 1 Nr. 5, 20 ArbnKG 2000). Der Beitrag beträgt z. Zt. 0,15 % des Bruttoarbeitslohnes (BremABl. 2003, S. 980).
2. Die Kläger haben sich bereits 1996 bzw. 1999 vor dem Verwaltungsgericht gegen ihre Pflichtmitgliedschaft in der (damaligen) Angestelltenkammer gewandt (Az.: 5 K 15106/96). Das Verwaltungsgericht - 5. Kammer - setzte das Klageverfahren mit Beschluss vom 24.11.1999 aus und legte die Sache dem Staatsgerichtshof Bremen vor. Das Verwaltungsgericht vertrat die Ansicht, dass die Pflichtmitgliedschaft der Kläger gegen die in Art. 3 Abs. 1 BremLVerf garantierte allgemeine Handlungsfreiheit verstoße. Der Verfassungsverstoß resultiere aus der Verletzung demokratischer Prinzipien bei den Wahlen zur Vollversammlung der Kammer. Es sei nicht zulässig, das Vorschlagsrecht für die Wahl zur Vollversammlung der Arbeitnehmerkammer daran zu knüpfen, dass die vorschlagende Arbeitnehmervereinigung über mindestens 125 Mitglieder verfüge (§ 8 Abs. 5 ArbnKG a. F.) Die nichtige Wahlrechtsbestimmung führe dazu, dass auch für die Pflichtmitgliedschaft die Grundlage entfalle.
Die Neufassung des Arbeitnehmerkammergesetzes vom 28.03.2000 verlangt von Arbeitnehmervereinigungen, die Vorschläge für die Wahl zur Vollversammlung unterbreiten, keine Mindestmitgliederzahl mehr.
Mit Rücksicht auf das neue Gesetz erklärten die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt; das Verwaltungsgericht stellte das Verfahren daraufhin ein. Das Verfahren vor dem Staatsgerichtshof wurde ebenfalls eingestellt.
Am 02.01.2002 haben die Kläger erneut Klage gegen ihre Pflichtmitgliedschaft in der Arbeitnehmerkammer erhoben. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.12.1974 entfalte, wie das Verwaltungsgericht im vorangegangenen Verfahren zutreffend entschieden habe, keine Bindungswirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG mehr. Denn das heute geltende Gesetz unterscheide sich in wesentlichen Punkten von der damals vom Bundesverfassungsgericht geprüften Fassung des Arbeitnehmerkammergesetzes. Die Arbeitnehmerkammer nehme inzwischen in den Bereichen der Bildungs- und Kulturarbeit sowie der öffentlichen Rechtsberatung Aufgaben wahr, die den für eine Zwangskörperschaft zulässigen Aufgabenkreis deutlich überschritten. Im Bereich der wissenschaftlichen Expertise bestehe kein Bedürfnis mehr an einer Beratung durch die Kammer. Es stünden verschiedene ausreichend qualifizierte wissenschaftliche Einrichtungen in Bremen zur Verfügung. Weiterhin begegneten die Vorschriften über die Wahl und Zusammensetzung der Vollversammlung gravierenden rechtlichen Bedenken. Unabhängige und Einzelkandidaten hätten nach wie vor keinerlei Chancen, zur Wahl zugelassen zu werden. Zur Verkrustung trage auch bei, dass das Gesetz die Wahl von hauptberuflichen Gewerkschaftsfunktionären in die Vollversammlung zulasse. Zusammenfassend müsse festgehalten werden, dass die Gewerkschaften sich inzwischen die Arbeitnehmerkammer "zur Beute" gemacht hätten.
Die Kläger haben beantragt,
festzustellen, dass sie nicht der Beklagten als Mitglied angehören,
hilfsweise,
1. dass die Beklagte nicht berechtigt ist von ihnen Zwangsbeiträge zu erheben,
2. dass sie berechtigt sind, ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten durch einseitige Erklärung (Kündigung) zu beenden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass die Einrichtung einer Arbeitnehmerkammer mit Pflichtmitgliedschaft von Verfassung wegen nicht zu beanstanden sei. Die Entscheidung vom 18.12.1974 entfalte gemäß § 31 BVerfGG Bindungswirkung. Die zwischenzeitlich erfolgten Gesetzesänderungen berührten die Grundlage jener Entscheidung nicht, so dass sie nach wie vor den Beurteilungsmaßstab bilde. Die Angriffe, die die Kläger gegen die Aufgabenwahrnehmung der Kammer sowie das Wahlverfahren und die Zusammensetzung der Vollversammlung richteten, entbehrten der sachlichen Grundlage.
Das Verwaltungsgericht Bremen - 2. Kammer - hat die Klage mit Urteil vom 24.04.2003 abgewiesen. Den Klägern sei darin zu folgen, dass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.12.1974 keine Bindungswirkung nach § 31 BVerfGG mehr zukomme. Die Rechtsgrundlagen der Arbeitnehmerkammer hätten sich in der Zwischenzeit nämlich nicht unerheblich geändert. Gleichwohl bleibe die Klage erfolglos. Denn die Einrichtung einer Arbeitnehmerkammer mit Pflichtmitgliedschaft verstoße nicht gegen Verfassungsrecht. Die Arbeitnehmerkammer erfülle legitime Staatsaufgaben; ihre Einrichtung belaste die Kläger auch nicht übermäßig. Die von den Klägern kritisierten Aktivitäten (öffentliche Rechtsberatung; Weiterbildung; Kulturveranstaltungen) prägten nicht den Charakter der Kammer. Für sie würden nur etwa 10 % des Etats der Beklagten verwandt.
Bezüglich des Kammerwahlrechts sei den Klägern darin zu folgen, dass dieses demokratischen Grundsätzen entsprechen müsse. Denn die Legitimität der Pflichtmitgliedschaft hänge davon ab, dass die Kammer nach ihrer inneren Verfassung in der Lage sei, den Willen ihrer Mitglieder zu repräsentieren. Diese Anforderungen seien hier jedoch gewahrt. Dass der Gesetzgeber das organisationsgebundene Wahlvorschlagsrecht zur Vollversammlung von bestimmten materiellen Kriterien abhängig gemacht habe, sei rechtlich nicht zu beanstanden; die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssten, seien nicht übermäßig. Entgegen der Ansicht der Kläger sei auch nicht zu beanstanden, dass hauptberufliche Gewerkschaftsbedienstete bis zu einem Drittel für jeden Wahlvorschlag der Vollversammlung angehören dürften.
Das Urteil, gegen das das Verwaltungsgericht die Berufung zugelassen hat, ist den Klägern am 10.06.2003 zugestellt worden. Die Kläger haben rechtzeitig Berufung eingelegt. Sie stehen weiter auf dem Standpunkt, dass ihre Pflichtmitgliedschaft in der Arbeitnehmerkammer gegen Verfassungsrecht verstoße. Bereits ihre schiere Größe - auszugehen sei von knapp 300.000 Mitgliedern - indiziere eine Allzuständigkeit, für die es im Verfassungsrecht keine Grundlage gebe. Die Aufgabenstellung sei vage und werde von der Kammer dementsprechend denkbar weit verstanden. Irgendwelche Verwaltungsaufgaben nehme die Kammer nicht wahr, so dass nur die Tätigkeit als Lobby für bestimmte Interessen bleibe. Dafür bedürfe es aber keiner Kammer mit Pflichtmitgliedschaft. Die Besonderheit des vorliegenden Falles lege es nahe, Art. 9 Abs. 1 GG, die negative Vereinigungsfreiheit, als Prüfungsmaßstab heranzuziehen. Gewichtige Stimmen im Schrifttum teilten diese Auffassung.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Bremen vom 24.04.2003 abzuändern und festzustellen, dass sie nicht der Beklagten als Mitglieder angehören,
hilfsweise,
1. unter Abänderung des Urteils festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist von ihnen Zwangsbeiträge zu erheben.
2. unter Abänderung des Urteils festzustellen, dass sie berechtigt sind, ihre Mitgliedschaft bei der Beklagten durch einseitige Erklärung (Kündigung) zu beenden,
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie macht geltend, dass die Arbeitnehmerkammer legitime öffentliche Aufgaben erfülle. Die Aufgabenzuweisung der Kammer bewege sich innerhalb des vom Bundesverfassungsgericht gesteckten Rahmens. Die Kammerzugehörigkeit stelle auch keine unverhältnismäßige Belastung für die Kläger dar. Ihr Hinweis auf Art. 9 Abs. 1 GG gehe fehl. Das Bundesverfassungsgericht habe ausdrücklich Art. 2 Abs. 1 GG als Prüfungsmaßstab herangezogen.
Entscheidungsgründe:
I. Der Hauptantrag (Feststellung des Nichtbestehens einer Mitgliedschaft in der Arbeitnehmerkammer Bremen) ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Feststellungsklage ist zulässig
a) Die Mitgliedschaft in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts ist ein nach § 43 Abs. 1 VwGO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis. Hier ergibt sich die Mitgliedschaft aus §§ 1, 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Arbeitnehmerkammer im Lande Bremen vom 28.03.2000 (BremGBl. S. 83) - ArbnKG 2000 -. Diese Vorschriften bestimmen, dass alle im Lande Bremen tätigen Arbeitnehmer Zugehörige der Arbeitnehmerkammer als einer Körperschaft des öffentlichen Rechts sind. Dass die Feststellungsklage damit zugleich eine Entscheidung über die Gültigkeit dieser Rechtsnormen beinhaltet, steht ihrer Zulässigkeit nicht entgegen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, § 43 Rdnr. 8; OVG Bremen, U. v. 28.03.2000 - 1 A 314/99 - NordÖR 2000, S. 490).
b) Gem. § 43 Abs. 2 VwGO ist die Feststellungsklage gegenüber der Gestaltungs- oder Leistungsklage subsidiär. Auf eine Rechtsverfolgung durch Gestaltungs- oder Leistungsklage können die Kläger hier nicht verwiesen werden. Die Erhebung einer Anfechtungsklage gegen einen Beitragsbescheid, in deren Rahmen auch die Voraussetzungen der Beitragserhebung, nämlich die Pflichtmitgliedschaft, zu prüfen wäre, kommt hier nicht in Betracht, weil gegenüber den Klägern kein Beitragsbescheid ergeht; die Kammerbeiträge werden gem. § 20 Abs. 3 S. 1 ArbnKG 2000 vom Arbeitgeber direkt an die Kammer abgeführt. Eine Klage auf Erstattung der einbehaltenen Beiträge wäre zwar nicht ausgeschlossen, erscheint aber gegenüber der Feststellungsklage weniger sachnah und wirksam (vgl. zu diesem Kriterium BVerwG, U. v. 24.06.2004 - 4 C 11.03 - NVwZ 2004, S. 1229).
c) Das Rechtsschutzbedürfnis ist nicht dadurch entfallen, dass die Kläger ihre 1996 bzw. 1999 erhobenen Feststellungsklagen, mit denen sie das gleiche Ziel wie im vorliegenden Verfahren verfolgten (Az.: 5 K 15106/96), im Oktober 2000 für erledigt erklärt haben, worauf das Verwaltungsgericht, nachdem die Beklagte sich der Erledigungserklärung angeschlossen hatte, mit Beschluss vom 01.11.2000 das Verfahren eingestellt hat. Zwar wird die Ansicht vertreten, dass nach beiderseitigen Erledigungserklärungen regelmäßig eine Klagewiederholung ausgeschlossen sei (vgl. dazu Kopp/Schenke, a.a.O., § 161 Rdnr. 19). Das kann hier aber schon deshalb nicht gelten, weil die Erledigungserklärungen allein im Hinblick auf die im Laufe des Gerichtsverfahrens erfolgte Neufassung des Arbeitnehmerkammergesetzes erfolgte. Ein widersprüchliches Verhalten kann unter diesen Umständen in der erneuten Klageerhebung nicht gesehen werden; die Beklagte rügt dies auch nicht.
2. Die Klage ist aber unbegründet.
Die begehrte Feststellung kann nicht getroffen werden, weil die Pflichtmitgliedschaft der Kläger in der Arbeitnehmerkammer Bremen keinen rechtlichen Bedenken begegnet.
a) Die Einrichtung einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft mit Pflichtmitgliedschaft berührt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht den Schutzbereich von Art. 9 Abs. 1 GG (Vereinigungsfreiheit). Prüfungsmaßstab ist Art. 2 Abs. 1 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit). Die Einrichtung eines solchen Zwangsverbandes kommt danach nur in Betracht, wenn dies der Erfüllung legitimer öffentlicher Aufgaben dient. Damit sind Aufgaben gemeint, an denen ein gesteigertes Interesse der Gemeinschaft besteht, die aber weder allein im Wege privater Initiative wirksam wahrgenommen werden können noch zu den im engeren Sinn staatlichen Aufgaben zählen, die der Staat selbst durch seine Behörden wahrnehmen muss. Bei der Einschätzung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, kommt dem Gesetzgeber ein weites Ermessen zu. Weiterhin ist zu verlangen, dass die Organisation der öffentlichen Aufgabe in einer Körperschaft mit Pflichtmitgliedschaft verhältnismäßig ist, nämlich geeignet und erforderlich und verhältnismäßig im engeren Sinne (vgl. zuletzt BVerfG, B. v. 07.12.2001, NVwZ 2002, S. 335).
Für die Arbeitnehmerkammern in Bremen und im Saarland hat das Bundesverfassungsgericht diese Voraussetzungen als erfüllt angesehen (B. v. 18.12.1974, BVerfGE 38, S. 281). Gegenstand dieser Entscheidung waren das Gesetz über die Arbeitnehmerkammern im Lande Bremen vom 03.07.1956 (BremGBl. S. 79, i. d. F. vom 23.12.1965, BremGBl. S. 156) - ArbnKG 1965 - sowie entsprechende Rechtsnormen im Saarland. In der Entscheidung wird ausgeführt, dass die Aufgabenbereiche, die den Arbeitnehmerkammern in den beiden Bundesländern gesetzlich zugewiesen sind, wie folgt zusammengefasst werden können: Nach außen haben sie die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und ihre Sachkenntnis in den Dienst des Staates zu stellen, indem sie vorbereitend an Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung mitwirken. Nach innen ist ihnen aufgegeben, Dienstleistungen auf dem Gebiet des Bildungswesens, der sozialrechtlichen Schulung, der Beratung in Rechtsangelegenheiten und in anderen Bereichen, die den Arbeitnehmern unmittelbar zugute kommen, zu erbringen. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Tätigkeiten als legitime öffentliche Aufgaben eingestuft, mit denen ein Stück staatlicher Daseinsvorsorge geleistet werde. Der Staat lasse Aufgaben, die seinem Sozialauftrag entsprächen, von den Kammern erfüllen.
Im Rahmen der weiteren Prüfung der Verhältnismäßigkeit ist das Bundesverfassungsgericht in der genannten Entscheidung insbesondere der Erforderlichkeit der Zwangskörperschaft und in diesem Zusammenhang der Abgrenzung zu den Gewerkschaften nachgegangen. Kennzeichnend für die Arbeitnehmerkammer sei die Interessenvertretung der Arbeitnehmer im ganzen. Das unterscheide sie, trotz bestehender Konkurrenzen, von den Gewerkschaften. Den Kammern könne deshalb die Daseinsberechtigung nicht abgesprochen werden, zumal sie in Bremen und im Saarland wesentliche, organisch gewachsene Bestandteile der Sozialverfassung darstellten. Dem Landesgesetzgeber bleibe ein gewisser Bereich, in dem er eigene Vorstellungen zur Gestaltung des Soziallebens im Lande zur Geltung bringen und unter Berücksichtigung einheimischer Rechtstraditionen besondere Institutionen zu ihrer Durchsetzung schaffen könne. Ob diese Überlegungen auch für die übrigen Bundesländer, deren sozialgeschichtliche Entwicklung nicht die in Bremen im Saarland bestehenden Besonderheiten aufweise, Geltung beanspruchen könnten, hat das Bundesverfassungsgericht seinerzeit ausdrücklich offen gelassen.
b) Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.12.1974 entfaltet gem. § 31 Abs. 1 BVerfGG Bindungswirkung. Die Bindungswirkung erstreckt sich auch auf die tragenden Entscheidungsgründe (vgl. Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, Stand Januar 2004, § 31 Rdnr. 96). Die Bindungswirkung entfällt dann, wenn aufgrund nachträglich eingetretener Sachverhalte, die nach der früheren Entscheidung entstanden oder bekannt geworden sind, eine Überprüfung des vom Bundesverfassungsgericht eingenommenen Rechtsstandpunkts ernsthaft in Erwägung zu ziehen ist (vgl. für den Fall einer erneuten Richtervorlage zuletzt BVerfG, B. v. 29.06.2004 - 2 BvL 8/02).
Im vorliegenden Fall sind keine derartigen Sachverhalte gegeben. Der Ansicht des Verwaltungsgerichts, die Bindungswirkung sei entfallen, weil die für die Einrichtung der Arbeitnehmerkammer maßgeblichen Rechtsgrundlagen zwischenzeitlich wesentlich geändert worden seien, kann nicht gefolgt werden.
(1) Die Rechtsnormen, die gegenwärtig den Aufgabenkreis der Arbeitnehmerkammer bestimmen (ArbnKG 2000), weichen materiell nicht von den Vorschriften ab, deren Verfassungsmäßigkeit das Bundesverfassungsgericht seinerzeit bejaht hat (ArbnKG 1965). Ein Vergleich zwischen den einschlägigen Rechtsgrundlagen lässt hieran keinen Zweifel.
Nach wie vor ist der Arbeitnehmerkammer die Aufgabe zugewiesen, nach außen die Interessen der Arbeitnehmer zu vertreten und ihre Sachkenntnis in den Dienst des Staates zu stellen. So entspricht die Aufgabenzuweisung in § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbKG 2000 ("Wahrnehmung und Förderung des Gesamtinteresses der kammerzugehörigen Arbeitnehmer, insbesondere ihrer wirtschaftlichen, beruflichen, sozialen oder die Gleichberechtigung der Geschlechter fördernden Belange im Einklang mit dem Allgemeinwohl") inhaltlich der in § 1 Abs. 1 ArbnKG 1965 ("Die Arbeiterkammer und die Angestelltenkammer haben die Aufgabe, im Einklang mit dem Allgemeinwohl die Interessen der im Lande Bremen tätigen Arbeitnehmer in wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Hinsicht wahrzunehmen und zu fördern"). Beide Vorschriften knüpfen an die Interessen an, die unmittelbar aus der sozialen Stellung der Arbeitnehmer im Wirtschaftsleben resultieren. Zur Klarstellung hebt die Neufassung dabei die Wahrnehmung und Förderung des Gesamtinteresses der kammerzugehörigen Arbeitnehmer hervor. In dieser Verpflichtung auf die Interessen der Arbeitnehmerschaft im ganzen hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 18.12.1974 den entscheidenden Legitimationsgrund für die Einrichtung einer Arbeitnehmerkammer gesehen. Der Landesgesetzgeber hat damit in der Neufassung ausdrücklich auf ein vom Bundesverfassungsgericht herangezogenes Kriterium Bezug genommen.
In § 2 Abs. 2 ArbnKG 2000 ("Im Rahmen ihrer Aufgaben nach Abs. 1 berücksichtigt die Kammer auch Belange des Umweltschutzes, des Verbraucherschutzes, der Integration von Ausländern und kulturelle Interessen der Kammerzugehörigen") stellt die Neufassung überdies klar, dass die dort genannten weiteren Belange, die für sich genommen nicht notwendig mit der Arbeitnehmereigenschaft verknüpft sind, nur unter Beachtung der in § 2 Abs. 1 ArbnKG 2000 bezeichneten Hauptaufgaben wahrgenommen werden dürfen. Durch diese Hervorhebung der Hauptaufgaben wird nochmals der Kern der Kammertätigkeit akzentuiert, nämlich die Ausrichtung auf das Arbeits- und Wirtschaftsleben.
Der Landesgesetzgeber hat bei der Neufassung darauf verzichtet, der Arbeitnehmerkammer weiter das bislang bestehende Recht einzuräumen, zu von ihr vorgeschlagenen oder begutachteten Gesetzesvorschlägen in der Bürgerschaft selbst durch einen Vertreter Stellung zu nehmen (§ 1 Abs. 4 S. 3 und 4 ArbnKG 1965). Unabhängig davon hat er aber daran festgehalten, der Arbeitnehmerkammer die Aufgabe zuzuweisen, staatliche Stellen durch ihre Sachkenntnis zu unterstützen. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbnKG 2000 ("Die Unterstützung des Senats, des Magistrats der Stadt Bremerhaven, der Behörden und der Gerichte durch Anregungen, Vorschläge, Stellungnahmen und Gutachten") entspricht inhaltlich dem bis dahin geltenden § 1 Abs. 2 ArbnKG 1965 ("Sie sollen insbesondere die Behörden und Gerichte in Fachfragen, vor allem durch Erstatten von Gutachten und Behörden, unterstützen"). Diese unterstützende Tätigkeit hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 18.12.1974 als ein wesentliches Merkmal der Arbeitnehmerkammer gewertet. Durch die in § 2 Abs. 3 ArbnKG 2000 neu aufgenommene Berichtspflicht ("Die Kammer erstattet jährlich einen Bericht über die wirtschaftliche, soziale, ökologische und kulturelle Lage der Kammerzugehörigen im Lande Bremen - Jahresbericht -") wird die Indienstnahme von Sachkenntnis zusätzlich institutionell abgesichert.
Nach wie vor ist der Arbeitnehmerkammer weiterhin nach innen aufgegeben, Dienstleistungen zu erbringen, die ihren Mitgliedern unmittelbar zugute kommen. Das beinhaltet zunächst die Beratung der kammerzugehörigen Arbeitnehmer in arbeits-, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Angelegenheiten. Diese Dienstleistung wird unmittelbar von der in § 2 Abs. 1 Nr. 1 ArbnKG 2000 genannten Hauptaufgabe erfasst. Ausdrücklich angesprochen wird in § 2 Abs. 1 Nr. 2 ArbnKG 2000 die Dienstleistungsaufgabe der Weiterbildung ("Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der beruflichen sowie der allgemeinen und politischen Weiterbildung der Kammerzugehörigen zu treffen"). Diese Aufgabenzuweisung hat den ursprünglichen Berufsausbildungsauftrag in § 1 Abs. 3 S. 1 ArbnKG 1965 ersetzt ("Die Arbeitnehmerkammer sind berufen, im Zusammenwirken mit den zuständigen Körperschaften und Behörden Maßnahmen zur Förderung und Durchführung der kaufmännischen, gewerblichen, handwerklichen und landwirtschaftlichen Berufsausbildung zu treffen"). Eine Verschiebung der Aufgabengrenzen kann hierin jedoch nicht gesehen werden. In beiden Fällen geht es um die Erbringung von Leistungen, die im unmittelbaren Interesse der Kammerzugehörigen liegen. Weiterbildung hilft den Arbeitnehmern, die Folgen des sich beschleunigenden technischen und sozialen Wandels beruflich und sozial besser zu bewältigen. Das gilt anerkanntermaßen für die berufliche und politische Weiterbildung (BVerfG, B. v. 15.12.1987, BVerfGE 77, S. 308) und erfaßt auch die allgemeine Weiterbildung, die die Flexibilität der Arbeitnehmer erhöht.
Somit kann festgehalten werden, dass das der Neufassung des Arbeitnehmerkammergesetzes zugrundeliegende Konzept des Landesgesetzgebers sich nicht von demjenigen unterscheidet, das vom Bundesverfassungsgericht seinerzeit einer rechtlichen Prüfung unterzogen wurde. Der Landesgesetzgeber hat mit der Neufassung in verschiedenen Punkten auf in der Zwischenzeit eingetretene Entwicklungen und Ereignisse reagiert, dabei die Aufgabengrenzen als solche aber nicht geändert und insbesondere den Kammerauftrag nicht erweitert. Im Gegenteil ist die Neufassung von dem Bestreben getragen, die Aufgabenzuweisung "auf den eigentlichen Kern der Institution Kammer zurückzuführen" (Brem. Bürgerschaft/Landtag, Drucks. 15/198, S. 12). Ausschlaggebend für dieses Bestreben waren in der Vergangenheit aufgetretene Fehlentwicklungen (vgl. dazu etwa den Bericht des Rechnungshofes der Freien Hansestadt Bremen vom 18.01.1996), deren Wiederholung entgegengewirkt werden soll. Die Neufassung gibt dazu den rechtlichen Bindungen, denen die Kammertätigkeit unterliegt, eine deutlichere Kontur. In diesem Zusammenhang ist auch die Neuregelung in § 2 Abs. 5 S. 2 ArbnKG 2000 zu erwähnen, die der Kammer Zurückhaltung gegenüber am Markt operierenden, gleichgerichteten Unternehmen auferlegt ("Der Kammer und von ihr geschaffenen Einrichtungen ist es verwehrt, mit gleichgerichteten Unternehmen der Gewerkschaften oder der freien Wirtschaft in größerem Umfang in Wettbewerb zu treten, als es zur Erfüllung ihrer durch Gesetz und Satzung festgelegten Aufgaben erforderlich ist").
Entgegen der Ansicht der Kläger ist diesem Konzept einer Arbeitnehmerkammer nicht durch die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte die tatsächliche Grundlage entzogen worden. Die Einrichtung einer Kammer beruht insoweit auf der Prämisse, dass die Gruppe der Arbeitnehmer durch gemeinsame Interessen verbunden ist, die aus ihrer sozialen Stellung im Wirtschaftsleben resultieren. Es ist nicht erkennbar, dass diese Prämisse durch die gesellschaftliche Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte hinfällig geworden wäre oder an Gewicht verloren hätte. Die Arbeitnehmereigenschaft bildet die Grundlage für zahlreiche Rechtsvorschriften (zum Arbeitnehmerbegriff vgl. Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 10. Aufl. 2002, § 8 Rdnr. 10 ff.). Sie stellt einen Anknüpfungspunkt dar, der unveränderte gesellschaftliche Relevanz besitzt.
(2) Dass die Kammer legitime öffentliche Aufgaben wahrnimmt, reicht jedoch zur Rechtfertigung ihrer Existenz nicht aus. Der Eingriff, der in der gesetzlichen Anordnung einer Pflichtzugehörigkeit liegt, muss sich überdies als verhältnismäßig erweisen.
Das Bundesverfassungsgericht ist in der Entscheidung vom 18.12.1974 im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere der Frage der Erforderlichkeit von Arbeitnehmerkammern nachgegangen. Es hat die Erforderlichkeit maßgeblich mit der Erwägung bejaht, das den Landesgesetzgebern in Bremen und im Saarland ein Gestaltungsspielraum darüber zusteht, ob sie in Ansehung der spezifischen Rechtsüberlieferungen in diesen Bundesländern an der Kammer als gewachsenem Element der Sozialverfassung festhalten wollen. Diese Erwägung, die auf die historisch gewachsene Vielfalt innerhalb des vom Grundgesetz konstituierten Bundesstaates abstellt, kann weiter Geltung beanspruchen. Nachträglich eingetretene Umstände, die diesen Gestaltungsspielraum im rechtlichen Ansatz in Zweifel ziehen könnten, sind nicht erkennbar.
Der Bremische Landesgesetzgeber hat durch die im Jahre 2000 erfolgte Neufassung des Arbeitnehmerkammergesetzes überdies zu erkennen gegeben, dass er an diesem spezifischen Element der Sozialverfassung des Bundeslandes festhalten will. Die Diskussion über den Fortbestand ist kontrovers geführt worden (vgl. Brem. Bürgerschaft/Landtag, Protokolle 15. Wahlperiode, S. 989), mit deutlicher Mehrheit hat sich das Landesparlament im Ergebnis für ein Festhalten an der Kammer entschieden. Der Landesgesetzgeber hat bei dieser Gelegenheit, wie dargelegt, Klarstellungen und Präzisierungen hinsichtlich der Aufgabenbeschreibung vorgenommen, die die Einhaltung des Kammerauftrags sicherstellen sollen. Darüber hinaus hat er weitere institutionelle Vorkehrungen getroffen, um die Kammertätigkeit zu effektivieren. Dazu gehört die Zusammenlegung der bislang gesonderten Kammern für Arbeiter und Angestellte zu einer Arbeitnehmerkammer (§ 1 ArbnKG 2000). Weitere Neuregelungen treffen die Bereiche der Rechnungsprüfung (§ 12) und den Kammerhaushalt/die Wirtschaftsführung (§ 18 Abs. 2 und Abs. 3).
Weiterhin Geltung beanspruchen können schließlich auch die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts zur Zumutbarkeit einer Pflichtmitgliedschaft für den einzelnen Arbeitnehmer. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass die dem Einzelnen aus der Pflichtmitgliedschaft erwachsene Belastung geringfügig sei. Sie erschöpfe sich in der formalen Mitgliedschaft und der Beitragszahlung. Irgendwelche Pflichten zur aktiven Betätigung bestünden nicht; auch habe die Kammer keine Befugnis, die Berufsausübung ihrer Mitglieder zu regeln. Die Beitragshöhe sei gering, sodass eine fühlbare Belastung der einzelnen Arbeitnehmer nicht entstehe.
Die Neufassung des Arbeitnehmerkammergesetzes hat an dieser Rechtsstellung des einzelnen Kammerzugehörigen gegenüber der Kammer nichts geändert. Die Kammer besitzt weder die Berufsausübung berührende Eingriffsbefugnisse noch begründet sie Handlungspflichten für das einzelne Mitglied. Der Beitragssatz, dessen Festlegung der Landesgesetzgeber der Vollversammlung der Kammer übertragen hat (einschließlich der Bestimmung eines etwaigen Höchstbetrags, § 20 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 ArbnKG 2000), beträgt derzeit 0,15 % des Bruttoarbeitslohnes (vgl. BremABl. 2003, S. 980) und ist damit als Prozentsatz weiterhin gering. Im übrigen ist die Beitragshöhe nach den von den Klägern gestellten Anträgen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Als Ergebnis ist damit festzuhalten, dass die Pflichtmitgliedschaft in der Arbeitnehmerkammer weiterhin in verfassungsrechtlich zulässiger Weise die allgemeine Handlungsfreiheit der Kläger einschränkt. Ihre auf Feststellung des Nichtbestehens einer Mitgliedschaft gerichtete Klage ist unbegründet.
3. Die Behauptung der Kläger, die Arbeitnehmerkammer überschreite den ihr gesetzlich übertragenen Aufgabenkreis, ist nicht dazu geeignet, ihre Pflichtmitgliedschaft in Zweifel zu ziehen. Sollte es in dieser Hinsicht tatsächlich zu Rechtsverstößen kommen, wäre das keine Frage der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Grundlagen der Kammer, sondern würde allein die praktische Umsetzung des Kammerauftrags berühren. Derartige Aufgabenüberschreitungen könnten die Kläger erforderlichenfalls mit der Unterlassungsklage abwehren (BVerfG, B. v. 07.12.2001, a.a.O.; BVerwG, U. v. 21.07.1998, BVerwGE 107, S. 169). Deshalb sind die entsprechenden Rügen der Kläger für das vorliegende Verfahren, in dem es allein um die Zwangsmitgliedschaft als solche geht, unerheblich.
Nicht durchdringen können die Kläger auch mit dem weiteren Einwand, der gesetzliche Aufgabenkreis sei derart weit gefasst, dass er keine Bedeutung als Kontrollmaßstab entfalten könne. § 2 ArbnKG 2000 formuliert, wie dargelegt, ein schlüssiges und klar bestimmtes Konzept für die Aufgaben der Arbeitnehmerkammer, das durchaus dazu geeignet ist, die rechtlichen Grenzen der Tätigkeit zu markieren.
Im Hinblick auf die öffentliche Rechtsberatung, die von der Arbeitnehmerkammer wahrgenommen wird, ist dabei zur Klarstellung auf folgendes hinzuweisen:
Gem. § 2 Abs. 4 ArbnKG 2000 können der Kammer durch Gesetz oder Rechtsverordnung staatliche Aufgaben als Auftragsangelegenheit übertragen werden. Bei der öffentlichen Rechtsberatung handelt es sich um eine solche übertragene staatliche Aufgabe.
Grundlage der öffentlichen Rechtsberatung ist das Landesgesetz vom 01.07.1975 (BremGBl. S. 297, zuletzt geändert durch Gesetz vom 04.12.2001, BremGBl. S. 407). Die öffentliche Rechtsberatung, die nur bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze gewährt wird, tritt in Bremen an die Stelle der Beratungshilfe nach dem Beratungshilfegesetz vom 18.06.1980 (BGBl. I, S. 689, zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.05.2004, BGBl. I, S. 718, § 14). Die öffentliche Rechtsberatung kommt damit auch Personen zugute, die nicht Kammerzugehörige sind.
Als übertragene staatliche Angelegenheit wird die öffentliche Rechtsberatung nicht durch Kammerbeiträge, sondern durch die Aufwendungserstattung finanziert, die das Land Bremen der Arbeitnehmerkammer gewährt. Bis zur Neufassung des Arbeitnehmerkammergesetzes war diese Aufwendungserstattung ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben (§ 1 Abs. 7 ArbnKG a. F.). Die Neufassung enthält eine solche ausdrückliche gesetzliche Bestimmung nicht, sachlich hat sich aber an der Pflicht des Staates zum Aufwendungsersatz nichts geändert (vgl. auch Brem. Bürgerschaft/Landtag, Drucks. 15/198, S. 13).
Die öffentliche Rechtsberatung umfasst alle Rechtsgebiete mit Ausnahme des Arbeits- Steuer- und Sozialversicherungsrecht (§ 2 Abs. 1 des Gesetzes über öffentliche Rechtsberatung im Lande Bremen). Soweit die Arbeitnehmerkammer auf den Gebieten des Arbeits- Steuer- und Sozialversicherungsrechts rechtsberatend tätig ist, geschieht dies also nicht im Rahmen der öffentlichen Rechtsberatung, sondern in Wahrnehmung originärer Kammeraufgaben. Die entsprechende - beitragsfinanzierte - Rechtsberatung darf nur Kammerzugehörigen gewährt werden; sie erfolgt anders als die öffentliche Rechtsberatung auch einkommensunabhängig.
Wie den Beratungsangeboten der Arbeitnehmerkammer zu entnehmen ist (vgl. www.arbeitnehmerkammer.de), wird diese Differenzierung von der Kammer beachtet.
4. Die Behauptung der Kläger, das Kammerwahlrecht und die Zusammensetzung der Kammerorgane genügten nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, ist ebenfalls nicht dazu geeignet, ihre Pflichtmitgliedschaft in Frage zu stellen. Sollten insoweit Mängel bestehen, berührte das allein die im konkreten Fall betroffene gesetzliche Regelung, nicht die Verfassungskonformität der Kammer als solche.
Die Zulässigkeit der Einrichtung einer Zwangsverbandes im Bereich der Wirtschaft/des Soziallebens bestimmt sich nach den oben genannten materiellen Kriterien, die ihre Grundlage in Art. 2 Abs. 1 GG sowie im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit finden. Sind diese erfüllt, kann auch die Körperschaft eingerichtet werden. Fragen der inneren Organisation werden erst auf einer zweiten Ebene relevant. Auf dieser Ebene ist zwar grundsätzlich ein ausreichendes demokratisches Legitimitationsniveau zu verlangen; Regelungen über die Organisationsstruktur müssen ausreichende institutionelle Vorkehrungen dafür enthalten, dass die betreffenden Interessen angemessen berücksichtigt und nicht einzelne Interessen bevorzugt werden. Andererseits hat der Gesetzgeber in dieser Hinsicht einen beträchtlichen Gestaltungsspielraum (vgl. BVerfG, B. v. 05.12.2002, BVerfGE 107, S. 59; B. v. 13.07.2004 - 1 BvR 1298/94 - Rn. 153). Dieser schließt grundsätzlich auch die Frage ein, nach welchem System er die Besetzung der Vollversammlung ordnen will. Allerdings ist er verpflichtet, insoweit ein einmal gewähltes Ordnungssystem einzuhalten (BVerfG, B. v. 22.10.1985, BVerfGE 71, S. 81).
Nach diesem Maßstab können Defizite der inneren Organisation etwa die Rechte der zurückgesetzten Interessengruppe (vgl. BVerfG, B. v. 22.10.1985, a.a.O.) oder gegebenenfalls auch die Mitgliedsrechte der Kammerangehörigen berühren. Soweit die Mitgliedsrechte nicht hinreichend gewahrt sind, ist zur Erlangung von Rechtsschutz der Verwaltungsrechtsweg eröffnet (§ 40 Abs. 1 VwGO). Auszuschließen ist jedoch, dass Defizite, die einzelne Wahlbestimmungen oder sonstige Regelungen der inneren Verfassung betreffen, sogleich die Verfassungsmäßigkeit der Einrichtung als solche in Zweifel ziehen. Soweit das Verwaltungsgericht - 2. Kammer - dies in dem angefochtenen Urteil, im Anschluss an die Entscheidung des Verwaltungsgerichts - 5. Kammer - vom 24.11.1999 (Az.: 5 K 15106/96), anders gesehen hat, kann dem nicht gefolgt werden.
II. Der 1. Hilfsantrag (keine Berechtigung der Beklagten zur Erhebung von Zwangsbeiträgen) ist zulässig, aber unbegründet. Die Zulässigkeit der Beitragserhebung folgt aus § 20 Abs. 1 ArbnKG 2000. Die Beitragserhebung ist die zwangsläufige Folge der Pflichtmitgliedschaft, deren Verfassungskonformität zu bejahen ist. Ein Absehen von einer Beitragserhebung, wie von den Klägern angestrebt, entzöge der Kammertätigkeit die Grundlage.
III. Der 2. Hilfsantrag (Berechtigung der Kläger zur Kündigung der Mitgliedschaft durch einseitige Erklärung) ist unzulässig, weil diese beanspruchte Berechtigung kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis ist. Im übrigen liegt auf der Hand, dass die Pflichtmitgliedschaft in einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft nicht durch einseitige Erklärung beendet werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) sind nicht gegeben.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren ebenfalls auf 8.000 Euro festgesetzt.
Ende der Entscheidung
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