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Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 07.01.2005
Aktenzeichen: 1 A 390/04
Rechtsgebiete: AufenthG, BremVwVfG, VwGO
Vorschriften:
AufenthG § 104 Abs. 4 | |
BremVwVfG § 51 Abs. 1 Nr. 1 | |
BremVwVfG § 51 Abs. 2 | |
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 | |
VwGO § 124a Abs. 4 |
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss
OVG: 1 A 390/04
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 1. Senat - durch die Richter Stauch, Göbel und Alexy am 07.01.2005 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts der Freien Hansestadt Bremen - 4. Kammer - vom 13.09.2004 zuzulassen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Nach § 124 Abs. 5 Satz 2 VwGO ist die Berufung zuzulassen, wenn einer der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO dargelegt ist und vorliegt. Den Darlegungen des Klägers lässt sich nicht entnehmen, dass, wie er geltend macht, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils bestehen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Seine Auffassung, die Beklagte sei auf Grund einer Zusicherung im Sinne des § 38 BremVwVfG zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis verpflichtet, vermag nicht zu überzeugen. Das Schriftstück der Beklagten vom 12.09.2002 zur Vorlage beim Türkischen Generalkonsulat kann schon deshalb nicht als dem Kläger gegenüber bindende hoheitliche Selbstverpflichtung zum Erlass eines diesen begünstigenden Verwaltungsakts gewertet werden, weil es sich nicht an den Kläger richtet, sondern nur für das Generalkonsulat erläutert, zu welchem Zweck dem Kläger ein Pass ausgestellt werden soll. Auch mit dem Schreiben der Widerspruchsbehörde vom 10.07.2003 verpflichtet sich die Behörde nicht zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Das Schreiben weist vielmehr ausdrücklich nur auf die "Möglichkeit" hin, dem Kläger "bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen" probeweise eine Aufenthaltsbefugnis nach der Altfallregelung zu erteilen. Auch der folgende Satz
"Weist Ihr Mandant nach Ablauf dieses Zeitraums eine verbindliche Arbeitsplatzzusage bzw. einen Arbeitsvertrag vor, hat er bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen einen Anspruch auf Erteilung einer befristeten Aufenthatserlaubnis für zwei Jahre."
betont ausdrücklich, dass die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nicht allein von dem Vorliegen einer Arbeitsplatzzusage bzw. eines Arbeitsvertrages abhängen, sondern weiter zu prüfen sein soll, ob zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt auch die übrigen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach der Altfallregelung erfüllt sind. Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Schreibens kann ihm ein anderer Sinngehalt auch nicht dadurch beigemessen werden, dass es in einen Kontext mit vorangegangenen Telefongesprächen zwischen der Widerspuchsbehörde und der Beratungsstelle der Arbeiterwohlfahrt über den weiteren Ausbildungsgang des Klägers gestellt wird. Im übrigen gilt unabhängig davon: Selbst wenn eines der genannten Schreiben als Zusicherung gewertet werden könnte, wäre die Beklagte daran im übrigen nach § 38 Abs. 3 BremVwVfG nicht mehr gebunden. Nach Abgang der Schreiben hat sich die Sachlage nämlich derart geändert, dass die Behörde bei Kenntnis der Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen. Die Änderung der Sachlage liegt darin begründet, dass der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts Bremen-Blumenthal vom 19.04.2004 wegen zweier Diebstähle zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten verurteilt worden ist. Dies schloss nach Ziffer 3 des Erlasses des Senators für Inneres, Kultur und Sport vom 23.11.1999, der insoweit auch nach dem Erlass vom 09.01.2001 weitergalt, die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis aus.
II.
Der Senat weist daraufhin, dass sich mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom 30.06.2004 (BGBl. I S. 1950) zum 01.01.2005 die Rechtslage zu Gunsten des Klägers geändert hat. § 104 Abs. 4 AufenthG bestimmt nunmehr:
"Dem volljährigen ledigen Kind eines Ausländers, bei dem bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes unanfechtbar das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes festgestellt wurde, wird in entsprechender Anwendung des § 25 Abs. 2 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wenn das Kind zum Zeitpunkt der Asylantragstellung des Ausländers minderjährig war und sich mindestens seit der Unanfechtbarkeit der Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des Ausländergesetzes im Bundesgebiet aufhält und seine Integration zu erwarten ist. Die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis kann versagt werden, wenn das Kind in den letzten drei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Jugend- oder Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder einer Geldstrafe von mindestens 180 Tagessätzen verurteilt worden ist."
Soweit aus den vorliegenden Akten ersichtlich ist, liegen hier die Voraussetzungen sowohl des Satzes 1 als auch des Satzes 2 dieser Bestimmung vor. Trifft dies zu, hat der Kläger einen Anspruch darauf, dass die Beklagte eine Ermessensentscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der neuen Regelung trifft.
Der Zweck des Zulassungsverfahrens gebietet es zwar grundsätzlich auch solche Rechtsänderungen zu berücksichtigen, die erst nach Erlass des angefochtenen Urteils eingetreten sind. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Rechtsänderungen dargelegt worden sind. Dies gilt auch dann, wenn die Rechtsänderungen - wie hier - zum Zeitpunkt des Ablaufs der Darlegungsfrist noch nicht eingetreten sind, sondern lediglich bevorstehen (BVerwG Beschl. v. 15.12.2003 - 7 AV 2/03 - NVwZ 2004,744f.). Weil es hier an jeglicher Darlegung zur neuen Rechtslage fehlt, kann sie vom Oberverwaltungsgericht im Rahmen des Zulassungsverfahrens nicht berücksichtigt werden.
Die Ablehnung der Aufenthaltsbefugnis kann dem Kläger jedoch nicht entgegengehalten werden, wenn der Kläger das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG und die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104 Abs. 4 AufenthG beantragt. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht entgegen, dass der Kläger die Möglichkeit gehabt hätte, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem hier zu entscheidenden Rechtsmittelverfahren geltend zu machen. Ein solches Versäumnis des Klägers ist nur dann beachtlich, wenn es auf grobem Verschulden beruht (§ 51 Abs. 2 BremVwVfG). Ein solches grobes Verschulden liegt hier aber nicht vor. Es besteht auch nicht in der Person seines Prozessbevollmächtigten, dessen Verhalten dem Kläger grundsätzlich zuzurechnen ist (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, Rn 45 zu § 51; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, Rn 130 zu § 51). Zwar ist das neue Zuwanderungsrecht bereits im Bundesgesetzblatt vom 05.08.2004 verkündet worden, so dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers bei Ablauf der Darlegungsfrist am 29.11.2004 von ihm hätte Kenntnis haben können. Angesichts der Tatsache, dass die wesentlichen Teile des neuen Rechts einschließlich der hier maßgeblichen Vorschrift erst zum 01.01.2005 in Kraft traten, konnte von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht erwartet werden, dass er sich schon geraume Zeit vor diesem Datum mit den Einzelheiten des neuen Rechts, insbesondere mit den komplizierten Übergangsregelungen, zu den § 104 AufenthG gehört, hinreichend vertraut gemacht hatte.
III.
Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
Ende der Entscheidung
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