Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 05.10.2009
Aktenzeichen: 2 B 273/09
Rechtsgebiete: GewO


Vorschriften:

GewO § 35 Abs. 1
Wer in einer Umgebung, in der häufig Drogenhandel betrieben wird, ein Geschäftslokal betreibt, muss die Gewähr dafür bieten, dass er in der Lage ist, dem Missbrauch des Lokals durch die Drogenszene - u. U. durch den Einsatz zusätzlichen Wachpersonals - zu widerstehen.
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss

OVG: 2 B 273/09

In der Verwaltungsrechtssache

hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch die Richter Dr. Grundmann, Dr. Bauer und Traub am 05.10.2009 beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - 5. Kammer - vom 11.08.2009 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 10.000,00 Euro festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen eine Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller betreibt das "...-Cafe" in Bremen, ...

Mit Verfügung vom 22.07.2009 untersagte das Stadtamt (Gewerbeüberwachung) dem Antragsteller - nach vorheriger Anhörung - die selbstständige Ausübung seines Gewerbes "Einzelhandel mit Geräten für die Telekommunikation, Zubehör für die Telekommunikation sowie die Bereitstellung von Telefonen (und) Internet zur Nutzung für Dritte. Internetcafe mit Getränken (ohne Alkohol), Groß- und Einzelhandel sowie Im- und Export mit neuen und gebrauchten Elektrogeräten, z. B. Computern, Handy, Fernsehern, Navigationsgeräten usw., Textilien, Geschenkartikeln, abgepackte Lebensmittel, Süßwaren, Zeitungen und Zeitschriften, Tabakwaren, alkoholische und alkoholfreie Getränke, Vermittlung von Telefon- und Handyverträgen im Auftrag für Dritte, Telefonkarten" und aller weiteren Gewerbe, die dem Anwendungsbereich des § 35 Gewerbeordnung (GewO) unterliegen.

Für den Fall, dass der Antragsteller das untersagte Gewerbe fortsetzen und nicht freiwillig seine gewerblich genutzten Räume schließen und jegliche Gewerbetätigkeit einstellen sollten, wurde die zwangsweise Schließung der Betriebsstätte angedroht.

Die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen wurde mit Wirkung von einer Woche nach Zustellung angeordnet.

Zur Begründung seiner Verfügung führte das Stadtamt u. a. aus, nach einer von der Polizei Bremen am 01.07.2009 durchgeführten Durchsuchung der Betriebsstätte stehe der Antragsteller im Verdacht, beim unerlaubten Handel mit Betäubungsmitteln Hilfe geleistet zu haben, indem er seine gewerblich genutzten Räumlichkeiten im "...-Cafe" zur Anbahnung von Betäubungsmittelgeschäften, insbesondere mit Kokain, und zur Deponierung von Erlösen aus Betäubungsmittelgeschäften zur Verfügung gestellt habe. Ein Strafverfahren gegen den Antragsteller wegen Verstoßes gegen § 29 Betäubungsmittelgesetz (BtMG) sei anhängig.

Die vorliegenden polizeilichen Ermittlungsergebnisse und Erkenntnisse über Strafverfahren gegen den Antragsteller ließen den Schluss zu, den Antragsteller als gewerberechtlich unzuverlässig i.S.v. § 35 Abs. 1 S. 1 GewO einzustufen.

Das gezeigte Fehlverhalten begründe auch die Annahme einer gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit und rechtfertige es deshalb, die Untersagung gemäß § 35 Abs. 1 S. 2 GewO auf alle Gewerbe zu erstrecken.

Unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung der angeordneten Maßnahmen im vorrangigen öffentlichen Interesse notwendig.

Gegen diese Verfügung legte der Antragsteller am 28.07.2009 Widerspruch ein.

Zugleich beantragte er beim Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung wiederherzustellen.

Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 11.08.2009 den Antrag hinsichtlich des konkret ausgeübten Gewerbes (§ 35 Abs. 1 S. 1 GewO) abgelehnt. Hinsichtlich der Erstreckung der Untersagung auf alle Gewerbe (§ 35 Abs. 1 S. 2 GewO) hat es die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederhergestellt.

Soweit der Antrag abgelehnt worden ist, hat der Antragsteller dagegen Beschwerde eingelegt.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die im Beschwerdeverfahren dargelegten Gründe, die das Oberverwaltungsgericht nur zu prüfen hat (vgl. § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO), rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.

Nach § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherstellen, wenn die sofortige Vollziehung - wie hier - nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse von der Behörde besonders angeordnet worden ist. Das Gericht hat bei dieser Entscheidung das von der Antragsgegnerin wahrzunehmende öffentliche Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung und das private Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen einander abzuwägen.

Diese Abwägung hat das Verwaltungsgericht, soweit es um die Untersagung des unter Ziff. 1 der Untersagungsverfügung konkret bezeichneten Gewerbes (§ 35 Abs. 1 S. 1 GewO) geht, zu Lasten des Antragstellers vorgenommen. Es hält die Untersagungsverfügung gemäß § 35 Abs. 1 S. 1 GewO nach summarischer Prüfung für offensichtlich rechtmäßig.

Der Antragsteller zeigt im Beschwerdeverfahren keine Gründe auf, die ein abweichendes Abwägungsergebnis zu tragen vermögen.

1.

Nach § 35 Abs. 1 S. 1 GewO ist die Ausübung eines Gewerbes von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.

Gewerberechtlich unzuverlässig ist, wer keine Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird (BVerwGE 65, 1; Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Kommentar, § 35 Rn. 29 m. ausf. Nachw. zur Rechtsprechung). Nicht ordnungsgemäß ist die Gewerbeausübung durch eine Person, die nicht willens oder nicht in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde einwandfreie Führung ihres Gewerbes zu gewährleisten (Marcks, a. a. O.). Der Begriff der Unzuverlässigkeit ist rein final- und zweckorientiert. Die Feststellung der Unzuverlässigkeit setzt daher weder ein Verschulden im Sinne eines moralischen oder ethischen Vorwurfs noch einen Charaktermangel voraus (vgl. dazu BVerwGE 65, 1). § 35 GewO ist eine wertneutrale und keine Strafvorschrift (HessVGH, B. v. 28.09.1990 - GewA 1991, 28; Marcks, a. a. O., Rn. 30 m.w.N.).

2.

Mit seinen Einwänden gegen die erstinstanzliche Entscheidung dringt der Antragsteller bei Berücksichtigung dieser Grundsätze nicht durch.

Soweit der Antragsteller ausführt, die Vermutung, in seinem Cafe würden BTM-Geschäfte abgewickelt oder angebahnt, sei unbegründet, es gebe dafür keine Hinweise, entspricht dies nicht der Aktenlage.

In der Behördenakte gibt es vielmehr an mehreren Stellen deutliche und hinreichend konkrete Hinweise darauf, dass das Cafe des Antragstellers nicht unerheblich in den Handel mit Betäubungsmitteln eingebunden war. Im Bericht eines Polizeibeamten vom 06.02.2009 (Blatt 42 Behördenakte) wird ausgeführt, eine Person, die eine Kugel Kokain mit sich geführt habe, die sie zuvor von einem Schwarzafrikaner vor dem "...-Cafe" erworben hatte, habe sinngemäß erklärt, die Schwarzafrikaner zahlen das Geld an den Betreiber (des ...-Cafes) und dürfen sich im Gegenzug dort aufhalten und von dort aus Drogengeschäfte verabreden und im Nahbereich durchführen. In der Vergangenheit sei häufig beobachtet worden, wie Erwerber gezielt das "...-Cafe" aufsuchen um Kontakt zu Schwarzafrikanern aufzunehmen, die dann meistens außerhalb des Geschäftes Betäubungsmittel übergeben. Viele der Schwarzafrikaner, die sich über längere Zeit im "...-Cafe" aufhalten, seien der Polizei dienstlich als BTM-Händler bekannt. Zudem sei auch bei Maßnahmen innerhalb des Geschäfts immer wieder BTM aufgefunden worden.

Nach einem Vermerk eines Polizeibeamten vom 30.06.2008 (Blatt 58 Behördenakte) ist bei einer Überprüfung des hinteren Bereichs des "...-Cafes" u. a. ein sog. "Container" gefunden worden; solche "Container" würden in der Regel von schwarzafrikanischen Drogenhändlern für den Transport von mehreren Verkaufseinheiten benutzt. Außerdem habe man einen zerrissenen gelben Sack gefunden; es sei bekannt, dass der gelbe Sack immer wieder als Verpackungsmaterial genutzt werde.

In einem weiteren Vermerk eines Polizeibeamten vom 02.07.2009 (Blatt 114 Behördenakte) wird ausgeführt, dienstlich und aus vorausgegangenen Maßnahmen sei bekannt, dass das Internetcafe fortlaufend von Schwarzafrikanern aufgesucht werde, um dort auf BTM-Konsumenten zu warten und BTM-Geschäfte anzubahnen, die dann vor dem ... bzw. in dem Einmündungsbereich ... abgewickelt werden. Gleichzeitig sei festzustellen, dass sich die Schwarzafrikaner nach den BTM-Geschäften in den ... zurückziehen und dort dann verweilen. In der Konsumentenszene sei dieser ... als zentraler Anlaufpunkt für den Kokainerwerb bekannt.

In dem Bericht eines anderen Polizeibeamten vom 01.07.2009 (Blatt 48 Behördenakte) über mehrere Maßnahmen gegen den "ausufernden BTM-Handel" heißt es, es sei anzumerken, dass alle am heutigen Tage als auch in der Vergangenheit beobachteten Kontaktaufnahmen zum BTM-Erwerb am Internetcafe durchgeführt wurden. Auch der Herr M., der beim Verkauf von Betäubungsmitteln beobachtet worden war, habe seine Kontakte hier eröffnet und die Geschäftsräumlichkeiten als "Rückzugsgebiet" genutzt.

Schließlich bestätigt der Bericht über die Durchsuchung des Lokals vom 01.07.2009 und deren Ergebnis (Blatt 46 Behördenakte), das zum Erlass der Untersuchungsverfügung führte, nachdrücklich die Annahme, dass das Cafe des Antragstellers für den Handel mit Betäubungsmitteln eine nicht unerhebliche Rolle spielte. Nach dem Bericht ist beobachtet worden, wie Drogenabhängige mehrfach das Geschäft aufsuchten, um mit hier anwesenden Drogenhändlern Verbindung aufzunehmen. Ebenso regelmäßig sei anschließend eine Übergabe außerhalb des Geschäfts erfolgt, vornehmlich im Eingangsbereich zur .... In drei Fällen habe der Erwerb der Drogen festgestellt und überprüft werden können. Bei der anschließenden Durchsuchung des "...-Cafes" seien im Geschäft in den Stühlen versteckt insgesamt 13 Verkaufseinheiten Marihuana (9,8 Gramm) und eine Verkaufseinheit Kokain (0,2 Gramm) gefunden worden. Darüber hinaus hätte sich im Mülleimer neben dem Tresen diverses Verpackungsmaterial für Drogen befunden.

Dieses Durchsuchungsergebnis des Lokals des Antragstellers zeigt deutlich, dass der Antragsteller nicht willens oder nicht in der Lage ist, die einwandfreie Führung seines Geschäfts zu gewährleisten.

Dies gerade auch deshalb, weil der Antragsteller nach Aktenlage zuvor wiederholt auf die Verbindung seines Lokals zur Drogenszene aufmerksam gemacht worden ist. Im Vermerk eines Polizeibeamten vom 08.07.2009 (Blatt 66 Behördenakte) heißt es, es hätten diverse Male Gespräche mit dem Antragsteller stattgefunden, in denen diesem die polizeilichen Verdachtsmomente (Tatvorwurf der Hehlerei bzw. des Verschaffens von Gelegenheiten) erklärt worden seien. Auch sei es im Rahmen eines polizeilichen Einsatzes zu erheblichen Widerstandshandlungen eines schwarzafrikanischen Drogendealers gekommen. Während der Festnahme seien diverse Teile des Mobiliars umgestürzt. Der Antragsteller sei in unmissverständlicher Art und Weise darauf hingewiesen worden, dass die vor Ort durchgeführten polizeilichen Maßnahmen gegen Drogendealer u. a. daher rührten, dass er als Betreiber des Ladens den Aufenthalt der Drogendealer andauernd dulde.

Zudem ist - wie erwähnt - am 30.06.2008 im Lokal des Antragstellers Verpackungsmaterial für Drogen gefunden worden. Zur anschließenden Anhörung durch die Polizei am 11.08.2008 ist der Antragsteller mit einem Dolmetscher erschienen, sodass ihm nicht verborgen geblieben sein kann, dass die Polizei Verbindungen zwischen seinem Lokal und der Drogenszene sieht.

Soweit der Antragsteller im Beschwerdeverfahren unter Hinweis auf eine eidesstattliche Versicherung vorträgt, ihm sei nicht bekannt, dass sich in seinem Cafe Personen aufhalten und dort Drogengeschäfte durchführen oder anbahnen, ist dies nach Aktenlage nicht glaubhaft. Die wiederholten Berichte verschiedener Polizeibeamten über die Beobachtungen des Lokals des Antragstellers und die Funde von Betäubungsmitteln und Verpackungsmaterial sprechen dagegen und lassen es als unwahrscheinlich erscheinen, dass der Antragsteller - als Betreiber des Lokals - von diesen Vorgängen nichts gewusst hat.

Wenn er darauf verweist, dass es sich bei dem Quartier "..." traditionell um eines der stärksten BTM-belasteten Gebiete in der Stadtgemeinde Bremen handelt, so kann ihn das nicht entlasten. Vielmehr hätte dies ihm Anlass geben müssen, mit erhöhter Aufmerksamkeit darauf zu achten, dass sein Lokal, das auf ständig wechselnde Kundschaft ausgerichtet ist, nicht in die Drogenszene hineingezogen wird. Wer ein Lokal dieser Art in einer solchen Umgebung betreiben will, muss die Gewähr dafür bieten, dass er in der Lage ist, dem Missbrauch des Lokals durch die Drogenszene - u. U. durch den Einsatz zusätzlichen Wachpersonals - zu widerstehen. Wer das nicht leisten kann, hat nicht die für die Gewerbeausübung erforderliche Zuverlässigkeit.

Der Antragsteller hat zwar vorgetragen, er habe Maßnahmen getroffen, um sein Lokal aus der Drogenszene herauszuhalten. So habe er in der Vergangenheit Personen des Cafes verwiesen, die ihm im Zusammenhang mit Rauschgift verdächtigt erschienen seien. Auch habe er seit der Polizeikontrolle (vom 30.06.2008) die Tür zum Vorraum abgeschlossen; die Leute kämen jetzt zu ihm und fragten nach dem Schlüssel für die Toilette, was auch schon Ärger gegeben habe.

Diese Maßnahmen des Antragstellers haben indes nicht ausgereicht, um den weiteren Missbrauch seines Lokals zum Zwecke des Drogenhandels zu verhindern. Selbst wenn der Antragsteller geglaubt haben sollte, nach den von ihm ergriffenen Gegenmaßnahmen sei sein Lokal von der Drogenszene frei, würde ihm das nicht weiterhelfen. Das Ergebnis der Durchsuchung des Lokals vom 01.07.2009 hat deutlich gemacht, dass der Antragsteller die im öffentlichen Interesse zu fordernde einwandfreie Führung des Gewerbes nicht gewährleisten kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Auch wenn es im Beschwerdeverfahren allein um das konkret ausgeübte Gewerbe (§ 35 Abs. 1 S. 1 GewO) geht, hält der Senat einen Streitwert von 10.000,00 Euro für angemessen.

Ende der Entscheidung

Zurück