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Gericht: Oberverwaltungsgericht Bremen
Beschluss verkündet am 05.12.2007
Aktenzeichen: 2 B 425/07
Rechtsgebiete: BremBG
Vorschriften:
BremBG § 9 |
Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen Beschluss
OVG: 2 B 425/07
In der Verwaltungsrechtssache
hat das Oberverwaltungsgericht der Freien Hansestadt Bremen - 2. Senat - durch Richterin Dreger, Richter Dr. Grundmann und Richter Dr. Bauer am 05.12.2007 beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bremen - 6. Kammer - vom 20.09.2007 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin; ausgenommen sind die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
Der Streitwert wird auch für die zweite Instanz auf 12.973,35 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die einstweilige Freihaltung einer Planstelle, die die Antragsgegnerin mit dem Beigeladenen besetzen möchte.
Im Oktober 2006 schrieb die Antragsgegnerin die Stelle bei der Feuerwehr ... "Leiterin/Leiter der Abteilung "Vorbeugender Brandschutz, Wasserversorgung, Gebäude und Inventar" (Brandoberamtsrat, Besoldungsgruppe A 13 S BBesO)" wie folgt aus: "Voraussetzung für eine Bewerbung ist die Befähigung für den gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst und eine umfangreiche Berufserfahrung in den genannten Tätigkeitsfeldern. Ein für den Aufgabenbereich vorbeugender Brandschutz förderliches Studium ist erwünscht."
Auf die Stelle bewarben sich unter anderem der seit vielen Jahren bei der Antragsgegnerin tätige Antragsteller sowie der bei einem anderen Dienstherrn beschäftigte Beigeladene, der im Unterschied zum Antragsteller 1992 ein Ingenieurstudium abgeschlossen hat. Am 09.01.2007 wählte eine Kommission aus den Leitern der Feuerwehr und Mitarbeitern des Personalamtes der Antragsgegnerin sowie einem Mitglied des Personalrats aus den vorliegenden Bewerbungen 4 Kandidaten für ein Gespräch aus, zu denen der Beigeladene, nicht jedoch der Antragsteller zählte. Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller zuletzt vor 20 Monaten beurteilt worden. Zum Beigeladenen lagen dessen Bewerbung mit Lebenslauf, seine Ernennungsurkunde und sein Diplomzeugnis vor. Aufgrund der Vorstellungsgespräche wurde der Beigeladene von einer ähnlich besetzten Kommission ausgewählt. Das Personalamt forderte dessen Personalakte an. Am 28.03.2007 beschloss der Magistrat der Antragsgegnerin, die ausgeschriebene Funktion dem Beigeladenen zu übertragen.
Mit Schreiben vom 18.04.2007 wurde dem Antragsteller abgesagt, der dagegen Widerspruch erhob und am 23.04.2007 einstweiligen Rechtsschutz beantragte hat.
Das Verwaltungsgericht Bremen hat der Antragsgegnerin mit Beschluss vom 20.09.2007 im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, die für den Beigeladenen vorgesehene Planstelle bis einen Monat nach der Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers gegen seine Nichtberücksichtigung bei der Vergabe der ausgeschriebenen Stelle oder einer anderweitigen Erledigung des Verfahrens vorläufig freizuhalten. Die Antragsgegnerin habe die Rechte des Antragstellers verletzt, indem sie ihn bei der Stellenbesetzung allein deshalb nicht berücksichtigt habe, weil er kein Studium abgeschlossen habe. Insofern sei sie an den Text der Ausschreibung gebunden, der insofern keine zwingend zu erfüllende Anforderung enthalte.
Gegen diesen ihr am 28.09.2007 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 10.10.2007 Beschwerde erhoben. Sie habe den Antragsteller nicht aus formalen Gründen mangels eines Studiums aus dem Bewerberkreis ausgeschlossen. Ein abgeschlossenes Studium sei jedoch auch nach der Ausschreibung ein so bedeutendes objektives Leistungskriterium, dass es im Rahmen eines Auswahlgespräches nicht kompensiert werden könne. Darum habe die Antragsgegnerin den Kreis der anzuhörenden Bewerber ermessensgerecht auf die Kandidaten eingeschränkt, die dieses Kriterium erfüllten.
II.
Die zulässige Beschwerde bleibt erfolglos.
Das Verwaltungsgericht hat die begehrte einstweilige Anordnung zu Recht erlassen. Es hat zutreffend ausgeführt, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Darauf wird Bezug genommen. Die mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 S. 6 VwGO beschränkt ist, geben keine Veranlassung von dieser Entscheidung abzuweichen. Das Auswahlverfahren verletzt den Anspruch des Antragstellers auf unter Beachtung des Leistungsprinzips chancengleichen Zugang zu der ausgeschriebenen Stelle. Nach dem Stand des Verfahrens ist die Auswahlentscheidung insofern zu beanstanden, als sie auf Basis eines Auswahlgespräches ohne Beteiligung aller in Frage kommenden Kandidaten und ohne Hinzuziehung deren aktueller Beurteilungen getroffen wurde.
Der Antragsteller kann als übergangener Bewerber um eine Beförderungsstelle eine Überprüfung der Auswahlentscheidung entsprechend den Grundsätzen für den Bewerberverfahrensanspruch daraufhin verlangen, ob die Auswahl dem Prinzip der Bestenauslese genügt. Er kann beanspruchen, dass der Dienstherr über seine Bewerbung ermessensfehlerfrei entscheidet und die Auswahl entsprechend §§ 9 BremBG, 1 BremLV und Art.33 Abs.2 GG nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung trifft.
Die in diesen Vorschriften enthaltenen Auswahlmaßstäbe, die verkürzt als "Leistungsprinzip" umschrieben werden, bilden den gesetzlichen Rahmen für die vom Dienstherrn bei der Auswahl unter mehreren Bewerbern zu treffende Ermessensentscheidung. Innerhalb dieses Rahmens ist es dem Dienstherrn überlassen, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, welchen (sachlichen) Umständen er bei seiner Auswahlentscheidung das größere Gewicht beimisst, und in welcher Weise er den Grundsatz des gleichen Zugangs zu jedem Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung verwirklicht, sofern nur das Prinzip selbst nicht in Frage gestellt ist. Wie die Ermessensentscheidung ist auch die Eignungsbeurteilung als Akt wertender Erkenntnis gerichtlich nur darauf zu überprüfen, ob die Verwaltung den anzuwendenden gesetzlichen Begriff verkannt, einen unrichtigen oder unvollständigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachwidrige Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (vgl. BVerwG, U. v. 19.03.1998, BVerwGE 106, 263, 266 ff.; st. Rsp. des Senats, z. B. B.v. 20.09.1993, 2 B 42/93, juris Rn. 12; B. v. 19.02.1999, ZBR 01, 221).
Die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin hält einer Nachprüfung anhand dieser Grundsätze nicht stand. Auch bei der zu treffenden Auswahl unter den Bewerbern für einen Beförderungsdienstposten waren die dargelegten Maßstäbe zu beachten. Die Antragsgegnerin war zudem an das von ihr in der Ausschreibung formulierte Anforderungsprofil gebunden (BVerwG, U. v. 16.08.2001, BVerwGE 115, 58).
Das Verwaltungsgericht hat überzeugend dargelegt, dass ein abgeschlossenes Studium nicht zum konstitutiven Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Stelle gehört. Denn nach dem Ausschreibungstext war ein Studium zwar "erwünscht", aber nicht vorgeschrieben. Davon ging ausweislich ihrer Beschwerdebegründung auch die Antragsgegnerin aus, indem sie nur Bewerber ohne Befähigung für die Laufbahn des gehobenen feuerwehrtechnischen Dienstes aus formalen Gründen von ihrer Auswahlentscheidung ausnahm und damit auch Bewerber einbezog, die kein einschlägiges Studium abgeschlossen hatten.
Die Antragsgegnerin begründet zwar die Bedeutung eines solchen Abschlusses als Eignungskriterium. Darauf deutet auch § 9 Abs. 1 Nr. 2 der Feuerwehrlaufbahnverordnung (BremGBl 2006, 487) hin, indem er ein solches Studium als Voraussetzung für eine unmittelbare Einstellung in den gehobenen feuerwehrtechnischen Dienst nennt. Wird dieses Kriterium jedoch nicht formal als unabdingbare Eignungsvoraussetzung behandelt und werden Bewerber ohne Studienabschluss in die Auswahlentscheidung einbezogen, muss auch die engere Auswahl zwischen ihnen und Bewerbern mit Studienabschluss anhand des dargestellten Leistungsprinzips erfolgen.
Die Eignung eines Bewerbers für eine zu besetzende Beförderungsstelle ist nach der ständigen Rechtsprechung des Senats in erster Linie anhand seiner auf dem aktuellen Dienstposten zuletzt erbrachten Leistung zu beurteilen. Ob ein Bewerber erwarten lässt, dass er die höheren Anforderungen des Beförderungsamtes erfüllt, lässt sich zunächst daraus ableiten, was er bisher geleistet hat (OVG Münster, B.v. 27.06.1994, NVwZ-RR 95, 100). Insofern ist eine sorgfältige Sachverhaltsermittlung geboten, denn bei Auswahlentscheidungen um Beförderungsdienstposten werden der verfassungsrechtliche Grundsatz der Bestenauslese und effektiver (Grund-)Rechtsschutz (Art. 33 Abs. 2 GG) im Wesentlichen durch das Verfahrensrecht gewährleistet. Wird das aktuelle Leistungsbild nicht sorgfältig ermittelt oder gar vernachlässigt, liegt darin ein Ermessensfehler (OVG Bremen, B.v. 13.01.1997, 2 T 2/96 [2 BA 35/96]; B.v. 19.02.1999, a. a. O.; B.v. 14.01.2002, 2 B 157/01).
Um das Leistungsbild eines Bewerbers zu erfassen, sind regelmäßig aktuelle dienstliche Beurteilungen heranzuziehen (vgl. OVG Münster, U.v. 05.02.1986, ZBR 86, 276; B.v. 27.06.1994, NVwZ-RR 95, 100; B.v. 22.06.1998, 12 B 698/98, juris; Schnellenbach Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl., Rn 63; vgl. auch OVG Bremen, U.v. 04.08.1987, 2 BA 3/87) und die anderen erreichbaren Erkenntnisquellen, wie Personalakten, auszuwerten (OVG Bremen, B.v. 19.02.99, 2 B 11/99), denn dienstliche Beurteilungen bilden eine wesentliche und in der Regel ausschlaggebende Auswahlgrundlage für Personalentscheidungen (BVerwG, U.v. 26.06.1980, 2 C 13/79, juris Rn. 34). So schreibt § 8 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über die dienstliche Beurteilung sowie andere Instrumente zur Feststellung der Eignung und Befähigung der bremischen Beamten vom 28.03.2006 [BremBeurtV - BremGBl 06, 154-] eine Beurteilung vor, wenn es die dienstlichen oder persönlichen Verhältnisse erfordern, zum Beispiel für eine Auswahlentscheidung zur Besetzung eines freien Dienstpostens. Ein Ersatz ist nach Abs. 2 der Vorschrift nur durch eine Regelbeurteilung möglich, die nicht älter als 12 Monate ist. Diese Vorschrift ist nach der Aktenlage bezüglich des Antragstellers bei der Entscheidung der Auswahlkommission im Januar 2007 vernachlässigt worden.
Ist der Bewerber bei einem anderen Dienstherrn beschäftigt, ist bei diesem auf eine aktuelle Beurteilung hinzuwirken (VGH Mannheim, B.v. 08.07.1991, 4 S 1402/91, juris); dem Bewerber selbst steht insofern oft ein entsprechender Anspruch zu (vgl. etwa § 8 Abs. 1 Nr. 5 BremBeurtV, wonach ein Beamter auf seinen begründeten Wunsch zu beurteilen ist). Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin vor ihrer Entscheidung bezüglich des Beigeladenen insofern tätig geworden wäre. Selbst seine Personalakte wurde erst im Februar 2007, also nach der Entscheidung über den Kreis der anzuhörenden Bewerber und auch nach der abschließenden Sitzung der Auswahlkommission am 29.01.2007 zugezogen.
Soweit die Antragsgegnerin meint, der Beigeladene weise mit seinem abgeschlossenen Studium einen unüberwindbaren Eignungsvorsprung gegenüber dem Antragsteller aus, der in einem Vorstellungsgespräch nicht mehr ausgeglichen werden könne, vermag dies an der grundsätzlichen Fehlerhaftigkeit der bisherigen Auswahlentscheidung nichts zu ändern. Die Antragsgegnerin betont zu Recht, dass ein Auswahlgespräch nur begrenzte Aussagekraft hat und regelmäßig nur geeignet ist, das Bild vom jeweiligen Bewerber abzurunden (vgl. OVG Münster, B.v. 27.06.1994, NVwZ-RR 95, 100; OVG Bremen, B.v. 19.02.1999, a. a. O.). Wird vor der Besetzung einer Beförderungsstelle ein Auswahlgespräch durchgeführt, sind dazu jedoch im Interesse ihres Rechts auf der Chancengleichheit alle Bewerber einzuladen, bei denen nicht auszuschließen ist, dass sie aktenkundige Eignungsunterschiede gegenüber Mitbewerbern noch ausgleichen können (vgl. OVG Hamburg, B.v. 11.07.2007, 1 Bs 146/07, juris; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl., Rn. 78). Die Feststellung, dass in diesem Sinne unüberwindliche Unterschiede bestehen, setzt eine belastbare Beurteilung der Eignung und Leistung aller in Frage kommenden Bewerber voraus, an der es bisher fehlt.
Das vom Beigeladenen im Jahre 1992 abgeschlossene Studium ist unter dem Gesichtspunkt des Leistungsprinzips allein nicht geeignet, im Jahr 2007 einen so gravierenden Eignungsunterschied zwischen ihm und dem Antragsteller zu begründen, dass von einem aktuellen Leistungsvergleich vollständig abgesehen werden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. S. 2 GKG.
Ende der Entscheidung
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