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Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Urteil verkündet am 20.10.2003
Aktenzeichen: 1 L 323/02
Rechtsgebiete: GG, KAG M-V
Vorschriften:
GG Art. 3 Abs. 1 | |
KAG M-V § 6 |
2. Die Verwendung einer Formel - statt einer Tabelle - ist bei der Ermittlung eines Starkverschmutzerzuschlages nach der BSB5-Methode im Grundsatz zulässig.
3. Zum Bestimmtheitserfordernis bei der Verwendung einer Berechnungsformel.
4. Es ist kein sachlich rechtfertigender Grund im Sinne des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz dafür ersichtlich, warum derjenige, der nur einen Monat Abwasser einleitet, mit der 12fachen Teilgebühr (gesamte Jahresgebühr) belegt werden soll, während derjenige, der das ganze Jahr einleitet, nur die 1fache Teilgebühr pro Monat zu entrichten hat. Der Grundsatz der Typengerechtigkeit vermag diese willkürliche Satzungsregelung nicht zu rechtfertigen.
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Az.: 1 L 323/02
Verkündet am: 20. Oktober 2003
In der Verwaltungsstreitsache
wegen Abwasserbeseitigungsgebühren
hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der mündlichen Verhandlung am 08. Oktober 2003,
verkündet am 20. Oktober 2003 in Greifswald
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. Oktober 2002 - 3 A 556/00 - wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Feststellung des Verschmutzungsgrades des Abwassers, das von der Klägerin in die Abwasserbeseitigungsanlage des Beklagten eingeleitet wurde.
Die Klägerin war in der Fischverarbeitung tätig und leitete stark verschmutztes Abwasser in die öffentliche Abwasserbeseitigungsanlage des Beklagten ein.
Durch Bescheid vom 25. November 1999 stellte der Beklagte den Verschmutzungsgrad des Abwassers fest. Dieser Bescheid beruhte auf § 3 Abs. 3 Satz 1 Abwasserbeseitigungsgebührensatzung -ABGS - vom 22. Juni 2000 des Beklagten, wonach dieser den Verschmutzungsgrad bei stärker als normal häuslich verschmutztem Abwasser (Gewerbe- und Industrieabwässer) durch Gutachten feststellt. Der Beklagte ermittelte den Verschmutzungsgrad mit 24.456,0 mg/1 BSB5. Daraus ergab sich eine Starkverschmut-zungsgebühr von 39,04 DM/m3. In dem genannten Bescheid legte der Beklagte offen, an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten er Abwasserproben gezogen habe. Er wiederholte die satzungsmäßige Berechnungsformel für die Ermittlung der Starkverschmutzergebühr zunächst abstrakt und legte dann den Rechenweg dar, der zu der Starkverschmutzergebühr von 39,04 DM/m3 führte.
Durch Schreiben vom 20. Dezember 1999 erhob die Klägerin Widerspruch. Zur Begründung legte sie dar, dass - entgegen der Satzungsregelung - nicht zwölf, sondern nur elf Proben gezogen worden seien.
Durch als "Widerspruchsbescheid" bezeichneten Bescheid vom 04. Januar 2000 vertrat der Beklagte die Auffassung, dass der Einwand, es sei eine Probe zu wenig gezogen worden, zutreffend sei. Er ergänzte die Liste der gezogenen Proben um das Ergebnis der Entnahme vom 08. Oktober 1999 und legte somit zwölf Beprobungen zugrunde. In der Sache verbeserte der Beklagte seinen Bescheid jedoch, da nunmehr auf der Grundlage von 24.543,0 mg/1 BSB5 eine Starkverschmutzergebühr von 39,15 DM/m3 festgelegt wurde.
Durch Schreiben vom 03. Februar 2000 erhob die Klägerin (erneut) Widerspruch. Sie begründete diesen damit, dass die angegebenen Probeentnahmen nicht nachvollzogen werden könnten, da bei den Probeentnahmen kein Vertreter der Klägerin hinzugezogen worden sei. Zudem entsprächen die vom Beklagten gezogenen Proben nicht der Satzungsregelung, wonach zwölf Mischproben zu unterschiedlichen Tageszeiten gezogen werden müssten, da nur sechs Tageszeiten gewählt worden seien.
Durch Widerspruchsbescheid vom 09. Februar 2000 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Er verwies darauf, dass die Satzungsregelung, wonach mindestens zwölf homogenisierte Mischproben zu unterschiedlichen Tageszeiten und an unterschiedlichen Wochentagen gezogen werden müssten, eingehalten sei. Er legte die Wochentage und Uhrzeiten der Probeentnahmen dar. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 16. Februar 2000 zugestellt.
Mit ihrer am 15. März 2000 erhobenen Klage hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht, die Probeentnahmen seien nicht satzungsgemäß durchgeführt worden. Die Proben seien nur zu sechs verschiedenen Tageszeiten gezogen worden. Erforderlich wäre gewesen, dass Probeentnahmen an zwölf unterschiedlichen Tageszeiten stattgefunden hätten.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 15. November 1999 in der Fassung des Bescheides vom 04. Januar 2000 und dessen Widerspruchsbescheid vom 09. Februar 2000 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat im Wesentlichen ausgeführt, dass die Satzungsregelung nicht dahingehend zu verstehen sei, dass die Probeentnahmen zu zwölf unterschiedlichen Tageszeiten zu erfolgen hätten.
Auf einen gerichtlichen Hinweis hin hat der Beklagte ferner ausgeführt, die Satzungsregelung des Beklagten enthalte keine "offene" Gebühr. Zudem sei der Fall der Klägerin der einzige Fall eines Starkverschmutzers, der über die sogenannte Kategorie IV der Satzung hinausgehe und bei dem die Berechnungsformel des § 3 Abs. 3 Satz 4 ABGS Anwendung finde.
Durch Urteil vom 07. Oktober 2002 hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die einschlägige Bestimmung zur Ermittlung des über die Kategorie IV hinausgehenden Starkverschmutzerzuschlages (§ 3 Abs. 3 Satz 4 ABGS) sei nichtig. Sie verstoße gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V. Danach müsse die Satzung unter anderem den Satz der Abgabe enthalten. Hier enthalte die Satzung lediglich eine Berechnungsformel. Diese FFormel beinhalte eine Addition von drei Teilgebühren, von denen nur eine in der Satzung als Geldbetrag angegeben werde. Die beiden anderen Zuschläge seien "offene" und damit unzulässige Bestimmungen von (Teil-Gebührensätzen. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V fordere aber die Angabe eines Geldbetrages. Eine Ausnahme sei nur dann zulässig, wenn der Geldbetrag - wie im Steuerrecht - bereits den Maßstab der Abgabe bilde. Ein solcher Fall liege hier jedoch nicht vor.
Die zwischen den Beteiligten streitige Frage nach den zwölf unterschiedlichen Tageszeiten sei nicht mehr entscheidungserheblich. Die satzungsrechtliche Vorschrift dürfte aber so zu verstehen sein, dass lediglich eine Entnahme sämtlicher Proben am selben Tage auszuschließen sei.
Durch Beschluss vom 15. November 2002 hat der Senat die Berufung des Beklagten zugelassen.
Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte im Wesentlichen vor: Es sei rechtlich zulässig, die Starkverschmutzergebühr zum Beispiel an einen BSB5-Wert oder an den CSB-Wert zu koppeln. Der Satz der Abgabe sei im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V auch dann hinreichend bestimmt, wenn er als ein eindeutig definiertes Produkt angegeben werde. Der Satz der Abgabe müsse nicht zwingend notwendig ein konkreter Geldbetrag sein.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 07. Oktober 2002 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihre Rechtsauffassung, wonach der Satz der Abgabe als Geldbetrag angegeben werden müsse. Zudem genüge die konkrete Starkverschmutzerregelung in der Satzung des Beklagten nicht den gesetzlichen Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes.
Der Vertreter des öffentlichen Interesses beteiligt sich am Verfahren und ist der Auffassung, dass der Berufung stattzugeben sein dürfte. Er sieht den Bestimmtheitsgrundsatz als gewahrt an. Es reiche aus, dass die Satzungsregelung für die Verwaltung keinen eigenen Gestaltungsspielraum eröffne. Es sei ausreichend, dass die Abgabenlast messbar und für den Bürger in gewissem Umfange voraussehbar und berechenbar sei. Weitergehende Anforderungen seien nicht zu stellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das angefochtene Urteil stellt sich im Ergebnis als zutreffend dar.
Ebenso wie das Verwaltungsgericht ist der Senat der Rechtsauffassung, dass sich § 3 Abs. 3 Satz 4 ABGS als nichtig darstellt. Die Vorschrift, die die Starkverschmutzergebühr jenseits der Kategorie IV regelt, verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 GG. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich damit als rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Formel des § 3 Abs. 3 Satz 4 ABGS verstößt im Hinblick auf den Kapitalkostenaufschlag gegen das Willkürverbot des Art. 3 GG, und zwar wegen der Faktoren für die Anzahl der Produktionsmonate pro Jahr und die Anzahl der Produktionstage pro Woche. Diese Faktoren sind auch nicht durch den Grundsatz der Typengerechtigkeit gerechtfertigt. Wegen dieses Verstoßes ist nicht nur die Teilgebühr im Hinblick auf den Kapitalkostenaufschlag nichtig, sondern die Nichtigkeit erfasst - wegen des vom Ortsgesetzgeber erkennbar angestrebten einheitlichen Gebührensatzes - auch die übrigen Teilgebühren des § 3 Abs. 3 Satz 4 ABGS (zu 1).
Im Übrigen gilt: Es ist im Ergebnis rechtlich nicht relevant, dass der Beklagte zu nur 6 unterschiedlichen Tageszeiten Proben gezogen hat (zu 2). Die Erhebung eines Starkverschmutzer-Zuschlages ist zulässig (zu 3). Dabei darf durchaus - anders als nach Auffassung des Verwaltungsgerichts - eine Formel verwendet werden, die auf der BSB5-Methode fußt (zu 4). Die verwendete Formel genügt noch dem Bestimmtheitserfordernis (zu 5). Im Einzelnen:
1. § 3 Abs. 3 Satz 4 ABGS erweist sich als nichtig, weil er gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstößt.
Der Gleichheitssatz hat im Wesentlichen zum Inhalt das Verbot, wesentliches Gleiches willkürlich - d.h. ohne zureichenden sachlichen Grund - ungleich bzw. wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln. Er verbietet nicht, wesentlich Ungleiches entsprechend der bestehenden Ungleichheit ungleich zu behandeln. Artikel 3 Abs. 1 GG enthält ein Willkürverbot.
Es ist grundsätzlich Sache des Normgebers, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinne als gleich ansehen will. Der allgemeine Gleichheitssatz ist aber verletzt, wenn der Normgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG, vom 23.01.1990 - 1 BvL 4/87 u.a. BVerfGE 81, 228; Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 4 Erläuterung 6.7.2.3).
Die Gerichte prüfen, ob der Normgeber die äußeren Grenzen seines Gestaltungsbereichs überschritten hat. Die Gerichte haben nicht zu prüfen, ob der Gesetzgeber im Einzelnen die zweckmäßigste oder vernünftigste oder auch gerechteste Lösung gefunden hat. Nach der Rechtsprechung liegt ein Verstoß vor, wenn sich eine Regelung unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt als sachgerecht erweist.
Aus den Erwägungen, dass Gesichtspunkte der Praktikabilität einen vernünftigen Grund dafür geben können, dass der Satzungsgeber bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage eine ungleiche Inanspruchnahme der Abgabenpflichtigen hinnehmen darf, ist der Grundsatz der Typengerechtigkeit entwickelt worden. Für das Abgabenverfahren ist nämlich besonders auf die Praktikabilität des Verfahrens zu achten, da hier häufig Massenverfahren abzuwickeln sind. Der Grundsatz der Typengerechtigkeit gestattet es dem Normengeber, im Rahmen seiner Gestaltungsfreiheit zu verallgemeinern und zu pauschalieren. Geschieht dies, können sich Betroffene, die deswegen ungleich behandelt werden, weil die Umstände ihres Einzelfalles nicht denen der Typenfälle entsprechen, nicht auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes berufen. Der Grundsatz der individuellen Gleichmäßigkeit darf dadurch hinter dem Grundsatz der generellen Gleichmäßigkeit zurücktreten (vgl. Aussprung in Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, § 4 Rn. 6.7.ff.).
Die Anwendung der vorstehend genannten Grundsätze führt im Hinblick auf den Kapitalkostenaufschlag in § 3 Abs. 3 Satz 4 ABGS zu dem Ergebnis, dass sich die diesbezügliche Formel als nichtig erweist.
Der Satzung lässt sich nicht entnehmen, ob sich bei Abwasser, das von seiner Schmutzfracht die Kategorie IV übersteigt, ein steiler Anstieg der Benutzungsgebühr ergeben wird, ein eher flacher, oder ob die Steigerung nahezu linear ausfällt. Eine vergleichende Betrachtung der Kategorien I bis IV ergibt, dass in dem Bereich von 800 mg/1 bis 4.000 mg/1 ein wohl im Wesentlichen linearer Anstieg der Gebühr eintritt, allerdings pauschalisiert durch die vier Kategorien. Wenn mithin die fünfte Kategorie diese Pauschalierung nicht mehr enthält - und nach Ansicht des Senats auch nicht enthalten muss - so liegt hierin ein Systemwechsel. Dieser wäre aber noch vom ortsgesetzgeberischen Ermessen gedeckt, wenn auch jenseits der Kategorie IV eine im Wesentlichen lineare Steigerung einträte. Dies ist aber - wie noch auszuführen ist - nicht ohne weiteres der Fall.
Wegen der in der Formel für den Kapitalkostenaufschlag enthaltenen Faktoren m und w ist eine lineare Steigerung nur dann gegeben, wenn der Kapitalkostenaufschlag für einen Betrieb ermittelt wird, der zwölf Monate im Jahr und fünf Tage die Woche stark verschmutztes Abwasser in die Entwässerungseinrichtung des Beklagten einleitet. (Nur) diese Fallgruppe wird mit den Gebührenpflichtigen der Kategorien I bis IV im wesentlichen gleich behandelt.
Im Hinblick auf die Faktoren m (Anzahl der Produktionsmonate pro Jahr) und w (Anzahl der Produktionstage pro Woche) gilt im Einzelnen:
Der Faktor m ist definiert als "12 : Anzahl der Produktionsmonate pro Jahr". Dies führt dazu, dass derjenige, der nur in einem Monat pro Jahr am Abwassernetz angeschlossen ist, mit dem Faktor 12 belegt wird, und derjenige, der 12 Monate im Jahr in das Netz einleitet, mit dem Faktor 1 (12 : 12).
In ähnlicher Weise wirkt der Faktor w, der als "7 : Anzahl der Produktionstage pro Woche" definiert ist. Derjenige, der nur einen Tag in der Woche einleitet, wird mit dem Faktor 7 belegt. Derjenige der 7 Tage in der Woche einleitet, mit dem Faktor 1 (7 : 7).
Das bedeutet in dem - allerdings nur rechnerisch denkbaren - Extremfall: Derjenige, der nur einen Tag pro Jahr einleitet, wird mit dem Faktor 84 belegt, derjenige, der das ganze Jahr einleitet, demgegenüber mit dem Faktor 1. Allerdings werden - um die Starkverschmutzergebühr jenseits der Kategorie IV zu ermitteln - an 12 Tagen Messproben zu entnehmen sein, sodass jedenfalls 12 Tage im Jahr eingeleitet werden muss.
Gleichwohl verstößt die Formel im Hinblick auf die Faktoren m und w gegen den Gleichheitsgrundsatz. Es ist nämlich kein sachlich rechtfertigender Grund ersichtlich, warum derjenige, der z. B. nur einen Monat Abwasser einleitet, mit der 12fachen Teilgebühr belegt werden soll. Dies ist zudem systemwidrig, weil die gesamte Entwässerungsgebühr, wie sie vom Beklagten erhoben wird, monatsbezogen berechnet wird (siehe § 4 Abs. 1 ABGS).
Wird von demjenigen, der z.B. nur einen Monat einleitet, im Hinblick auf den Kapitalkostenaufschlag die gesamte Jahresgebühr erhoben - in dieser Weise wirkt der Faktor m in der Formel -, so werden dem betreffenden Gebührenpflichtigen damit Betriebskosten für Zeiträume auferlegt, in denen er die öffentliche Einrichtung nicht in Anspruch genommen hat.
Es ist zwar zutreffend, dass zur Ermittlung der Kosten der Einrichtung, d.h. bei der Gebührenkalkulation, eine auf das Kalenderjahr bezogene Berechnung angestellt werden kann. Bei der Ermittlung der konkreten Starkverschmutzergebühr geht es jedoch nicht um die kalkulatorischen Kosten der öffentlichen Einrichtung, sondern darum, dass eine vorteilsgerechte Mengengebühr für eine Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung zu entrichten ist. Damit können im Grundsatz - dies ist dem Wesen der Gebühr als einer konkreten Gegenleistung für eine Leistung der Verwaltung immanent - dem Benutzer nur diejenigen Kosten auferlegt werden, die seiner Benutzung der öffentlichen Einrichtung (seinem Gebrauch) zuzurechnen sind. Damit verbietet es sich, den Satz der Abgabe durch die Einbeziehung von Kosten zu erhöhen, die für Zeiträume anfallen beziehungsweise angefallen sind, die außerhalb des konkreten Benutzungszeitraumes liegen.
Ein sachlicher Grund ist auch nicht dafür ersichtlich, denjenigen Benutzer mit der 7fachen Gebühr zu belegen, der nur an einem Tag in der Woche Schmutzwasser einleitet. Auch wenn derartige Fälle nicht gerade realitätsnah erscheinen, so ist jedenfalls der Betrieb der Klägerin mit einer Gebühr von 7/5 belegt worden, weil der Betrieb der Klägerin nur an 5 Tagen in der Woche Schmutzwasser eingeleitet hat. Die Gruppe der Benutzer, die die öffentliche Einrichtung nur an weniger als sieben Tagen in der Woche in Anspruch nehmen, wird ohne sachlichen Grund um das bis zu Siebenfache schlechter gestellt gegenüber den Benutzern, die an sieben Tagen die Woche Schmutzwasser einleiten.
Zudem besteht eine willkürliche Ungleichbehandlung gegenüber den Einleitern, die den Kategorien I bis IV unterfallen. In diesen Fällen kommt es - wie für eine auf eine Mengengebühr aufsattelnden Zuschlag nahe liegend - ausschließlich auf die Schmutzfracht an. Die Faktoren m und w lösen sich aber von dieser Berechnungsweise. Sachliche Gründe für einen solchen Systemwechsel sind für den Senat nicht ersichtlich.
Der Grundsatz der Typengerechtigkeit vermag die willkürliche Vorgehensweise, die die Faktoren m und w bewirken, nicht zu rechtfertigen. Die Faktoren m und w sind in keiner Weise geeignet, die Ermittlung des Kapitalkostenaufschlages zu erleichtern. Sie werden also nicht von dem Grundsatz der Praktikabilität getragen. Vielmehr sind diese weiteren Faktoren nur geeignet, die Berechnung des Kapitalkostenaufschlages weiter zu verkomplizieren. Der Beklagte kann sich mithin daher nicht mit Erfolg darauf berufen, dass er bis zu 10% der Abgabenfälle durchaus willkürlich behandeln dürfe, ohne gegen den Gleichheitsgrundsatz zu verstoßen. Eine Rechtfertigung hierfür gibt der Grundsatz der Typengerechtigkeit gerade nicht. Vielmehr werden hier Fallgruppen von Gebührenschuldnern, die nicht das ganze Jahr angeschlossen sind bzw. nicht an jedem Wochentag einleiten, ohne sachlichen Grund und damit willkürlich ungleich behandelt. Zudem findet jenseits der Kategorie IV der o.g. nicht sachlich gerechtfertigte Systemwechsel statt.
2. Im Übrigen ist - darauf weist der Senat ergänzend hin - die Starkverschmutzergebühr, die der Beklagte ermittelt hat, nicht wegen eines Verstoßes gegen § 3 Abs. 3 Satz 6 AGBS fehlerhaft. Diese Vorschrift lautet:
"Das Gutachten muss auf mindestens zwölf homogenisierten Mischproben (2 h) aufbauen, die zu unterschiedlichen Tageszeiten und an unterschiedlichen Wochentagen gezogen wurden."
Wird diese Vorschrift auf den zum Beispiel im Widerspruchsbescheid dargelegten Katalog der Probeentnahmen angewandt, so liegt darin kein Verstoß gegen die Satzungsregelung. Der Beklagte hat an zwölf unterschiedlichen Wochentagen Proben entnommen. Die produktionsfreien Wochenenden wurden ausgespart. Der Beklagte hat sich somit zu Recht auf die Werktage von Montag bis Freitag beschränkt. Bei der Auslegung spricht viel dafür, dass die Formulierung, die Proben hätten "zu unterschiedlichen Tageszeiten" zu erfolgen, nur sicherstellen soll, dass nicht alle Proben zum Beispiel jeweils um 10.00 Uhr stattfinden. Damit soll ausgeschlossen werden, dass im täglichen Produktionsablauf eintretende Spitzen oder Minima bei dem BSB5-Wert auf das Gesamtergebnis überproportional durchschlagen. Werden aber sechs unterschiedliche Tageszeiten gewählt und dauert eine Mischprobeentnahme zudem jeweils zwei Stunden, so dürfte eine hinreichende Diversifizierung erreicht sein. Damit dürften die an sechs unterschiedlichen Tageszeiträumen gezogenen Proben eine hinreichende Abbildung des Produktionsablaufs, des dabei anfallenden Schmutzwassers und seines Verschmutzungsgrades darstellen, also einen repräsentativen Querschnitt (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 21.06.2000 - 2 L 9/99 -, KStZ 2001, 5l).
Dagegen kann auch nicht mit Erfolg vorgebracht werden, dass die vom Beklagten durchgeführten Proben nur den Zeitraum von 7.30 - 14.30 Uhr abdecken und - dies hat die mündliche Verhandlung ergeben - der Betrieb der Klägerin an 5 Tagen die Woche von 6.00 - 20.00 Uhr gearbeitet hat. Es kann offen bleiben, ob der Zeitraum von 7.30 - 14.30 Uhr repräsentativ für den Schmutzwasseranfall ist. Allerdings sind die Spitzenwerte, die vom Beklagten ermittelt worden sind, eher in der Mittagszeit gemessen worden. Daher kann es durchaus sein, dass in den (nicht gemessenen) Nachmittagsstunden noch weit höhere BSB5-Werte erreicht worden sind. Dies alles stellt sich aber als Spekulation dar und kann zum heutigen Zeitpunkt auch nicht mehr verifiziert werden, da der Betrieb der Klägerin zwischenzeitlich eingestellt worden ist.
An dem vorstehend genannten Ergebnis würde sich auch dann nichts ändern, wenn der Senat annähme, das gemessene Zeitfenster von 7.30 - 14.30 Uhr sei nicht satzungskonform. Bei dieser Prämisse müssten die BSB5-Werte für die übrigen Zeiträume geschätzt werden. Da die Messwerte, wie sie z.B. im Bescheid wiedergegeben worden sind, keine typische tageszeitliche Verlaufskurve während der Messzeiten ergeben haben, wird eine Schätzung lediglich dazu führen müssen, dass in den nicht gemessenen Stunden die BSB5-Werte auf den gleichen Durchschnittswert geschätzt werden müssen, wie es das Mittel für den Zeitraum von 7.30 - 14.30 Uhr ergeben hat.
3. Die Erhebung eines Starkverschmutzerzuschlages im Rahmen der Schmutzwasserbeseitigungsgebühren ist im Grundsatz rechtlich zulässig. Dies entspricht der völlig herrschenden Rechtsprechung und Literatur (vgl. OVG Schleswig, Urteil vom 21.06.2000 - 2 L 9/99 -, KStZ 2001, 51; VG Minden, vom 01.03.2000 - 9 K 1040/98 -; OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.07.1999 - 9 M 2622/99 -; VGH Mannheim, Urteil vom 26.09.1996 - 2 S 3310/94 -, ESVGH 47, 79; VGH Kassel, vom 28.08.1986 - 5 TH 1870/80 -; VG Darmstadt, vom 20.05.1985 -4/1 H 150/85 -; OVG Lüneburg, Urteil vom 10.04.1980 - 3 A 258/75 -, KStZ 1980, 190; BVerwG, Urteil vom 26.10.1977 - 7 C 4.76 -, ZMR 1978, 301; Schulte/Wiesemann in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rn. 378; Scholz in Driehaus, a.a.O., Rn. 590; Lohmann in Driehaus, a.a.O., Rn. 687, sowie Lichtenfeld in Driehaus, a.a.O., Rn. 760).
Streitig ist insoweit lediglich, ob wegen des Äquivalenzprinzips und des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 GG die abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaft sogar verpflichtet sein kann, einen Starkverschmutzerzuschlag zu normieren (in diese Richtung gehend OVG Schleswig, Urteil vom 21.06.2000, a.a.O. sowie OVG Lüneburg, Urteil vom 10.04.1980, a.a.O.; verneinend Lohmann, a.a.O. Rn. 760). Die zuletzt genannte Frage kann im vorliegenden Fall offen bleiben, da der Beklagte die Erhebung eines Starkverschmutzerzuschlages satzungsmäßig bestimmt hat.
Weitgehend ungeklärt ist die Frage, wie konkret die Ermittlung des Starkverschmutzerzuschlages in der Satzung umschrieben werden muss. Auf die Aussage von Driehaus in Driehaus, Kommunal abgabenrecht, § 2 Rn. 80, auf die die Klägerin sich beruft, kann die Entscheidung nicht abschließend gestützt werden. Driehaus führt am angegebenen Ort lediglich aus, der Abgabensatz sei der Geldbetrag, der auf eine Maßstabseinheit entfalle, sofern sich die durch den Maßstab festgelegten Bezugsgrößen in Mengen, Maßen oder Gewichten ausdrücken ließen. Damit ist für die vorliegende Entscheidung nichts gewonnen. Nach Auffassung des VG Minden, vom 01.03.2000, a.a.O., muss der Abgabepflichtige lediglich in der Lage sein, seine Abgabenschuld selbst zu berechnen. In einem Eilverfahren hat das OVG Lüneburg (vgl. Beschluss vom 19.07.1999, a.a.O., das NKAG entspricht insoweit § 2 Abs. 1 KAG M-V) eine Formel zur Ermittlung der Starkverschmutzergebühr nicht beanstandet. Allerdings war diese Formel weniger kompliziert, als die im vorliegenden Fall vom Beklagten verwendete.
4. Die Verwendung der BSB5-Methode ist ein in Rechtsprechung und Literatur anerkanntes Verfahren zur Bemessung des Verschmutzungsgrades bei dem Starkverschmutzerzuschlag (so ausdrücklich OVG Schleswig, Urteil vom 21.06.2000, a.a.O.). Der Senat schließt sich dem an. Ein BSB5-Faktor ist sowohl unter leistungs- als auch unter kostenproportionalen Gesichtspunkten ein zulässiger Wahrscheinlichkeitsmaßstab im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG M-V.
Der biologische Sauerstoffbedarf gibt die Menge an gelöstem Sauerstoff an, die zum völligen oxydativen Abbau organischer Stoffe benötigt wird. Es ist üblich, den biologischen Sauerstoffbedarf anzuwenden, der bei einer Tagestemperatur von 20 Grad in fünf Tagen verbraucht wird. Auch Schulte/Wiesemann, a.a.O., Rn. 380, führen aus: Als geeigneter Maßstab bietet sich somit der biologische Sauerstoffbedarf an, der die Menge an gelöstem Sauerstoff angibt, die zum völligen Abbau organischer Stoffe benötigt wird. Ferner halten das OVG Lüneburg im Beschluss vom 19.07.1999, a.a.O., sowie das OVG Lüneburg im Urteil vom 10.04.1980, a.a.O., die BSB5-Methode für geeignet, ebenso Scholz, a.a.O., Rn. 590.
An der Verwendung einer Formel - statt einer Tabelle - dürfte der Beklagte bei der Ermittlung eines Starkverschmutzerzuschlages nach der BSB5-Methode nur schwerlich vorbeikommen. Andernfalls müsste eine Tabelle in die Satzung aufgenommen werden, die eine unübersichtliche Anzahl von Spalten erhalten müsste. Nach den Kategorien I bis IV wird für ca. jede weiteren 1000 mg/1 BSB5 eine neue Kategorie eingeführt. Da der höchste gemessene BSB5-Wert bei 55000 mg/l liegt, wären bereits für die im vorliegenden Fall gemessenen Werte weit mehr als 50 Spalten erforderlich. Eine solche Satzung würde dem Bestimmtheitserfordernis in keiner Weise mehr Rechnung tragen als die Verwendung einer Rechnungsformel.
5. Die vom Beklagten verwendete Berechnungsformel genügt noch dem Bestimmtheitserfordernis.
Anders als zum Beispiel im vom OVG Lüneburg am 19. Juli 1999 entschiedenen Fall ist die vorliegende Formel zwar kompliziert. Ein Abgabepflichtiger wird aber noch in der Lage sein, die Starkverschmutzergebühr zu ermitteln, wenn er die Addition, die Subtraktion, die Multiplikation, die Division und die Klammerrechnung beherrscht. Es erscheint möglich, aus einem vorgegebenen BSB5-Wert die Starkverschmutzergebühr zu errechnen.
Die Formel ist insoweit noch leicht verständlich, als aus drei Einzelbeträgen eine Summe zu bilden ist. Der erste Einzelbetrag ist die Gebühr für häusliches Abwasser. Diese ist für den Abgabenpflichtigen aus der Satzung heraus ohne weiteres nachvollziehbar. Der Satz der Abgabe wird in der Satzung unmittelbar als Geldbetrag ausgewiesen, sodass dieser erste Teil der Starkverschmutzergebühr zu Recht nicht im Streit ist.
Die zweite Teilgebühr beinhaltet einen Betriebskostenaufschlag, der nach § 3 Abs. 3 Satz 4 ABGS in DM/m3 angegeben und als "Al" bezeichnet wird. Damit kann bereits rein formal dem Hauptargument des Verwaltungsgerichts entgegen getreten werden, die Satzung enthalte keine Geldbeträge. Der Satz der Abgabe ist mittels eines DM-Betrages angegeben, sodass § 2 Abs. 1 KAG M-V genügt ist. Die einzig variable Größe bei dem Betriebskostenaufschlag ist der BSB5-Faktor. Alle anderen zur Berechnung zugrunde zu legenden Größen sind feste Größen, die nicht von der Verwaltung als der Rechtsanwenderin beeinflusst werden können. Es handelt sich mithin nicht um eine so genannte "offene Gebühr", deren Festsetzung der Höhe nach letztlich im Belieben der Verwaltung läge.
Die vorstehenden Ausführungen gelten hinsichtlich des Bestimmtheitserfordernisses auch für die dritte "Teilgebühr" der Starkverschmutzergebühr, die in der Satzung als "A2"
bezeichnet wird (Kapitalkostenaufschlag). Diese wird gleichfalls in DM/m3 angegeben. Auch in dieser Formel ist der BSB5-Wert als variable Größe wie bei der Teilgebühr AI enthalten. Wäre der BSB5-Wert als einzige variable Größe in dieser Teilgebühr enthalten, so wäre die verwendete Formel von Gerichts wegen nicht zu beanstanden. Auch die übrigen variablen Faktoren (m und w) sind nicht zu unbestimmt. Sie sind aber wegen des Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 GG rechtswidrig (siehe oben unter Ziffer 1.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 132 VwGO).
Ende der Entscheidung
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