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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 08.09.2004
Aktenzeichen: 1 O 280/04
Rechtsgebiete: VwGO, ZPO


Vorschriften:

VwGO § 58 Abs. 2 Satz 1
VwGO § 60
VwGO § 166
ZPO § 114
1. Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO kann nur dann in Betracht kommen, wenn ein vollständiger Prozesskostenhilfeantrag während des Laufs der Klagefrist beim Gericht eingeht.

2. Die Rechtsbehelfsbelehrung, "gegen diesen Widerspruchsbescheid" kann Klage erhoben werden, kann bei der Sachverhaltskonstellation, dass in einem Widerspruchsbescheid Widersprüche gegen zwei Ausgangsbescheide zurückgewiesen werden, unrichtig sein.

3. Zur Frage, ob wegen der Gerichtskostenfreiheit eines Verfahrens auf Gewährung von Ausbildungsförderung ein Prozesskostenhilfeantrag generell geeignet ist, Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO zu ermöglichen.


Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss

Az.: 1 O 280/04

In der Verwaltungsstreitsache

wegen Ausbildungsförderung

- hier: Gewährung von Prozesskostenhilfe

hat der 1. Senat des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern am 08. September 2004 in Greifswald

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Schwerin vom 26. Mai 2004 - 6 A 580/04 PKH - geändert:

Der Klägerin wird rückwirkend zum 02. März 2004 Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt K., N., beigeordnet.

Gerichtskosten werden nicht erhoben; Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Die Klägerin studiert an der Universität Rostock seit dem Wintersemester 2000/2001 Sportwissenschaften. Der Beklagte gewährte ihr zunächst antragsgemäß BAföG-Leistungen.

Durch Bescheid vom 27. Juni 2003 lehnte der Beklagte eine weitere Förderung für den laufenden Bewilligungszeitraum (bis September 2003) ab und forderte einen überzahlten Betrag von 16.954,02 EURO zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Klägerin habe in ihren vorangegangenen Anträgen auf Ausbildungsförderung keine Angaben über ihr Vermögen gemacht. Vielmehr habe sie grob fahrlässig verschwiegen, dass anzurechnendes Grundvermögen (Einfamilienhaus) in Form der Beteiligung an einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts vorhanden sei.

Am 09. Juli 2003 legte die Klägerin Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 28. Oktober 2003 lehnte der Beklagte die Gewährung von Ausbildungsförderung für den Zeitraum Oktober 2003 bis September 2004 ab, weil der Betrag des anzurechnenden Einkommens und/oder Vermögens den Gesamtbedarf der Klägerin übersteige.

Mit Schreiben vom 18. November 2003 erhob die Klägerin Widerspruch.

Durch Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2004 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin gegen die Bescheide vom 27. Juni 2003 und 28. Oktober 2003 zurück. Der Widerspruchsbescheid war mit der Rechtsbehelfsbelehrung versehen: "Gegen diesen Widerspruchsbescheid kann binnen eines Monats nach Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten Klage beim Verwaltungsgericht Schwerin, Wismarsche Straße 323, 19055 Schwerin erhoben werden." Der Widerspruchsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 30. Januar 2004 zugestellt.

Am 27. Februar 2004 hat die Klägerin einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt "und hiernach Klage und einstweilige Anordnung". Die dem Schriftsatz beigefügte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin war weder vollständig ausgefüllt noch von ihr unterzeichnet. Mit Schriftsatz vom 01. März 2004, beim Verwaltungsgericht eingegangen am 02. März 2004, hat die Klägerin eine von ihr unterzeichnete Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beim Verwaltungsgericht einreichen lassen.

Durch Beschluss vom 26. Mai 2004 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt K. abgelehnt.

Das Verwaltungsgericht hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Kammer verstehe das anwaltlich formulierte Begehren der Klägerin dahingehend, dass zunächst ein isolierter Prozesskostenhilfeantrag gestellt und beschieden werden solle. Eine Klage sei daher bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts noch nicht rechtshängig geworden. Diese Vorgehensweise habe dazu geführt, dass die Bescheide des Beklagten zwischenzeitlich bestandskräftig geworden seien. Der mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Widerspruchsbescheid sei am 30. Januar 2004 förmlich zugestellt worden. Die dadurch in Lauf gesetzte Klagefrist sei verstrichen. Wiedereinsetzung könne der Klägerin nicht gewährt werden. Beantrage ein Beteiligter vor Erhebung einer fristgebundenen Klage innerhalb der Klagefrist Prozesskostenhilfe und werde hierüber erst nach Fristablauf entschieden, so werde das zuvor bestehende Kostenrisiko zwar grundsätzlich als Hinderungsgrund anerkannt. Anders lägen die Dinge aber bei nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfreien Verfahren ohne Anwaltszwang. Das vorliegende Verfahren aus dem Recht der Ausbildungsförderung sei nach § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei. Dabei spiele es nach Auffassung der Kammer für eine Entscheidung der vorliegenden Art keine Rolle, ob - wie hier - zugleich mit dem Prozesskostenhilfeantrag auch die Beiordnung eines anwaltlichen Vertreters begehrt werde und eine anwaltliche Vertretung des mittellosen Antragstellers erforderlich sei, wovon im vorliegenden Fall aber ohnehin nicht auszugehen sei. Es sei dem verständigen klagewilligen Mittellosen regelmäßig zuzumuten, zunächst ohne anwaltliche Hilfe fristwahrend Klage zu erheben und zugleich oder nachfolgend die Beiordnung eines Rechtsanwaltes im Wege der Prozesskostenhilfe zu beantragen.

Durch weiteren Beschluss vom 26. Mai 2004 hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt K. für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt (6 B 200/04 PKH).

Am 31. Mai 2005 hat die Klägerin Gegenvorstellungen erhoben und Beschwerden gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe eingelegt. Sie hat ihre Rechtsauffassung dargelegt, dass die von ihr gestellten Prozesskostenhilfeanträge geeignet seien, ihr Wiedereinsetzung zu gewähren. In diesen Schriftsätzen an das Verwaltungsgericht hat die Klägerin zugleich erklärt, es werde Klage erhoben. Es sei klarzustellen, dass die Klageerhebung und die Beantragung einer einstweiligen Anordnung unabhängig von der beantragten Prozesskostenhilfe weiter verfolgt würden.

Durch Beschluss vom 03. Juni 2004 hat das Verwaltungsgericht für das vorliegende Klageverfahren die Gegenvorstellung zurückgewiesen und der Beschwerde nicht abgeholfen.

Durch weiteren Beschluss vom gleichen Tage hat das Verwaltungsgericht auch die Gegenvorstellung im Hinblick auf die Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrages für das Eilverfahren zurückgewiesen und der Beschwerde nicht abgeholfen (6 B 200/04 PKH).

Durch einen dritten Beschluss vom 03. Juni 2004 hat das Verwaltungsgericht den mit Schriftsatz vom 31. Mai 2004 gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO abgelehnt (6 B 200/04), weil ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht sei. Die den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ablehnenden Bescheide seien bestandskräftig geworden. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Ablehnung der einstweiligen Anordnung ist unter dem Aktenzeichen 1 M 169/04 beim Senat anhängig. Unter dem Aktenzeichen 1 O 279/04 wird beim Senat die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe im Eilverfahren geführt.

II.

Die Beschwerde gegen den Beschluss vom 26. Mai 2004, mit dem das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt K. für das Klageverfahren, abgelehnt hat, ist zulässig und begründet. Der angefochtene Beschluss des Verwaltungsgerichts ist daher abzuändern.

Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Gemäß § 121 Abs. 2 ZPO wird einer Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.

Die Voraussetzungen dieser Vorschriften liegen hier vor. Die Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung der Klägerin bietet - was im Rahmen des § 114 ZPO zwischen den Beteiligten allein im Streit steht - hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zudem erscheint eine Beiordnung eines Rechtsanwalts - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - wegen der Komplexität der vorliegenden Sachverhaltsgestaltung erforderlich.

1. Die Rechtssache bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Anforderungen an die Erfolgsaussichten dürfen nämlich von Verfassungs wegen nicht überspannt werden (vgl. z.B. die Nachweise auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., Rdn. 5). Sowohl die Zulässigkeit der Klage als auch ihre Begründetheit sind als offen zu bezeichnen.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts geht der Senat nicht davon aus, dass die Klage offensichtlich bereits unzulässig sei, weil die streitgegenständlichen Bescheide vom 27. Juni 2003 und 28. Oktober 2003 durch die Zustellung des Widerspruchsbescheides am 30. Januar 2004 nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist von einem Monat zweifelsfrei bestandskräftig geworden seien. Vielmehr hängt der Eintritt der Bestandskraft von der Beantwortung einer schwierigen Rechtsfrage ab, deren Entscheidung dem Verfahren der Hauptsache vorzubehalten ist. Für das hier in Rede stehende Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe ist nach Auffassung des Senats offen, ob von einer Bestandskraft der Bescheide in der Form des Widerspruchsbescheides auszugehen ist, sodass sich aus diesem Grunde die hinreichenden Erfolgsaussichten nicht verneinen lassen.

a) Der Widerspruchsbescheid ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zwar am 30. Januar 2004 zugestellt worden. Wäre die Monatsfrist in Lauf gesetzt worden, hätte diese gemäß § 188 Abs. 3 BGB grundsätzlich mit Ablauf des letzten Tages des Monats Februar 2004 (29. Februar 2004) geendet. Da dieser Tag jedoch ein Sonntag war, hätte eine Klage bis einschließlich Montag, den 01. März 2004 fristwahrend erhoben werden können.

Bis zu diesem Zeitpunkt ist zwar ein Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe beim Verwaltungsgericht eingegangen. Auf die zwischen den Beteiligten streitige Rechtsfrage, ob auf einen solchen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch in Verfahren gewährt werden kann, die - wie das vorliegende - gerichtskostenfrei sind - kommt es aber nicht entscheidungserheblich an.

Denn: Eine Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO kann - wird der Ansicht der Klägerin gefolgt - nach Auffassung des Senats nur dann in Betracht kommen, wenn ein vollständiger Prozesskostenhilfeantrag während des Laufs der Klagefrist beim Gericht eingeht (OVG Berlin, Beschluss vom 17. Januar 1994 - 6 B 62.93 -, DVBl. 1994, 805, m.w.N.). Dies ist aber nicht der Fall. Während des Laufs der Klagefrist ist keine vollständige und von der Klägerin unterzeichnete Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Gericht eingegangen. Eine solche Erklärung hat die Klägerin erst einen Tag nach Ablauf der Monatsfrist nachgereicht, nämlich am 02. März 2004. Damit kommt allein unter dem Gesichtspunkt der Stellung eines Prozesskostenhilfeantrages eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht in Betracht.

b) Gleichwohl ist die Rechtsfrage, ob Bestandskraft der streitigen Bescheide eingetreten ist, als offen zu bewerten, da die weitere Frage, ob die Rechtsbehelfsbelehrung, mit der der Widerspruchsbescheid versehen ist, geeignet war, die Monatsfrist in Lauf zu setzen, gleichfalls als offen anzusehen ist.

Eine wie im vorliegenden Verfahren vom Beklagten verwendete Formulierung "gegen diesen Widerspruchsbescheid" sei Klage zu erheben, ist bereits mehrfach Gegenstand von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen gewesen und wird auch in der verwaltungsgerichtlichen Literatur erörtert.

Während das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 01. September 1988 - 6 C 56.87 -, Buchholz 310, § 58 VwGO Nr. 54, in einem Verfahren auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer eine diesbezügliche Belehrung für nicht unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO erachtet hat, wird im Übrigen häufig eine eher differenzierte Rechtsansicht vertreten. So gelangt das OVG Lüneburg in seinem Urteil vom 17. September 1991 - 2 L 103/91 -, NVwZ 1992, 385, zu dem Ergebnis, dass dann, wenn der ursprüngliche Verwaltungsakt und der Widerspruchsbescheid von derselben Behörde erlassen werden, die Rechtsbehelfsbelehrung nicht unrichtig sei, wenn sie besage, dass gegen den Widerspruchsbescheid Klage erhoben werden könne. Diese Linie wird zum Beispiel auch vom VG Cottbus in seinem Urteil vom 10. Oktober 2001 - 6 L 412/01 - fortgesetzt. Der VGH Kassel ist der Rechtsauffassung, eine Rechtsmittelbelehrung der hier verwendeten Art sei dann unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO, wenn die Widerspruchsbehörde einer anderen Körperschaft angehöre als die Ausgangsbehörde. Der VGH München kommt in seiner Entscheidung vom 16. Oktober 1986 - 12 B 84 A. 655 - zu dem Ergebnis, dass die Rechtsbehelfsbelehrung bei einem Teilabhilfebescheid und einem Widerspruchsbescheid, bei dem sowohl eine isolierte Anfechtungsklage gegen den Widerspruchsbescheid als auch eine gegen den Ausgangsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides möglich sei, unrichtig sei. Auch in der verwaltungsgerichtlichen Kommentarliteratur wird eine Rechtsbehelfsbelehrung der hier verwendeten Art kritisch beurteilt (vgl. z.B. Redeker/von Oertzen, VwGO, § 58 Rdn. 5; Kopp/Schenke, VwGO, § 58 Rdn. 10 und 12).

Die Sachverhaltskonstellation der vorliegenden Art, dass nämlich in einem Widerspruchsbescheid Widersprüche gegen zwei Ausgangsbescheide zurückgewiesen werden, ist - soweit für den Senat ersichtlich - in der Rechtsprechung bislang nicht entschieden worden. Bei einer solchen Fallkonstellation wird sich ein Kläger die Frage zu stellen haben, ob er die Regelungen des einen, des anderen oder gar der beiden Erstbescheide einer verwaltungsgerichtlichen Prüfung unterziehen will. Die verwendete Rechtsbehelfsbelehrung ist daher geeignet, die Rechtsverfolgung zu erschweren. Sie scheint darauf hinzudeuten, dass ein Kläger letztlich nur die Möglichkeit hat, gegen den Widerspruchsbescheid insgesamt Klage zu erheben und daher durch das Erheben einer Klage gegen beide Erstbescheide auch ein damit korrespondierendes Kostenrisiko auf sich zu nehmen. Dies ist im vorliegenden Fall besonders augenfällig. Der Bescheid vom 27. Juni 2003 beinhaltet eine Rückforderung in nennenswerter Größenordnung, während der Bescheid vom 28. Oktober 2003 "nur" die Gewährung von weiteren laufenden Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz ablehnt. Darauf, dass die Klägerin nunmehr im konkreten Einzelfall Klage gegen beide Bescheide erhoben hat, kommt es nicht an.

c) Auch wenn die zwischen den Beteiligten im Wesentlichen erörterte Rechtsfrage, ob wegen der Gerichtskostenfreiheit eines Verfahrens auf Gewährung von Ausbildungsförderung ein Prozesskostenhilfeantrag generell geeignet ist, Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO zu ermöglichen, nicht entscheidungserheblich ist, so nimmt der Senat gleichwohl wie folgt Stellung:

In Übereinstimmung mit dem Bundesverwaltungsgericht geht der Senat davon aus, dass Prozesskostenhilfe in Verfahren nach § 188 Satz 1 VwGO im Allgemeinen nicht bewilligt werden kann, wenn die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht in Frage kommt (BVerwG, Beschluss vom 17. Februar 1989 - 5 ER 612.89 -, Buchholz 310, § 60 VwGO Nr. 61 = JurBüro 1989, 1606).

Ob der Rechtsauffassung zu folgen ist, wonach der mittellose Rechtssuchende selbst dann nicht an einer Klageerhebung gehindert sei, wenn eine anwaltliche Vertretung im Sinne des § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO erforderlich erscheine, und er somit zunächst ohne rechtsanwaltlichen Beistand Klage erheben müsse (so z.B. VGH Kassel, Beschluss vom 19. November 1993 - 9 TP 2075/93 -, MDR 1994, 1147) und somit kein Wiedereinsetzungsgrund vorliege (vgl. z.B. VGH Mannheim, Beschluss vom 02. Mai 1996 - 7 S 297/95 -, VBlBW 1996, 339; ferner OVG Berlin, Beschluss 17. Januar 1994 - 6 B 62/93 -, DVBl. 1994, 805), erscheint zweifelhaft, kann letztlich aber offen bleiben.

Diese Rechtsauffassung dürfte in dieser Allgemeinheit zu weitgehend und mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nicht ohne weiteres vereinbar sein. Daher ist jedenfalls eine Modifizierung geboten, wie sie zum Beispiel vom VGH Mannheim vorgenommen wurde (Urteil vom 20. Januar 1986 - 7 S 2303/85 -, VBlBW 1987, 99): Wiedereinsetzung sei zu gewähren, weil der dortigen Klägerin kein Verschulden anzulasten sei. Sie habe einen Prozessbevollmächtigten mit der Einlegung der Klage beauftragt. Auch ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten liege nicht vor. Er habe die Rechtsprechung des VGH Mannheim, die im Gegensatz zu einer Entscheidung des OVG Münster stehe, nicht kennen können. Sie sei nicht veröffentlicht gewesen. Diesen Ansatz teilt das OVG Hamburg in seinem Urteil vom 05. Februar 1998 - Bs IV 171/97 -, NordÖR 1998 199. Auch das OVG Hamburg verweist darauf, dass sich der Senat bisher nicht in einer veröffentlichten Entscheidung zu der Frage der Gewährung von Prozesskostenhilfe in einem gerichtskostenfreien Verfahren geäußert habe. Auch das OVG Greifswald hat sich (in einer veröffentlichten Entscheidung) bislang zu der angesprochenen Rechtsfrage nicht geäußert.

Daher kann gleichfalls offen bleiben, ob die bereits angesprochene Entscheidung des OVG Münster vom 13. Dezember 1982 - 8 A 1344/82 -, NJW 1983, 2046, abzulehnen ist. Das OVG Münster geht davon aus, dass - solange das Gericht nicht über einen gestellten Prozesskostenhilfeantrag entschieden habe - ein unverschuldetes Hindernis bestehe. Dies gelte auch in gerichtskostenfreien Verfahren ohne Anwaltszwang, wenn die Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt werde und die Vertretung durch diesen erforderlich erscheine. Diese Rechtsprechung nimmt das OVG Hamburg in seinem Beschluss vom 09. April 2001 - 4 So 18/01 -, NVwZ-RR 2001, 805, wieder auf, in dem das OVG die Gewährung von Wiedereinsetzung bei einer Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Sinne von § 121 Abs. 2 ZPO auch in Verfahren gemäß § 188 VwGO für möglich erachtet.

2. Weil nach Auffassung des Senates auch die materiellrechtlichen Erfolgsaussichten der Klage - aus den unter Ziffer 3. dargelegten Gründen - als offen zu bewerten sind, sind die hinreichenden Erfolgsaussichten im Sinne des § 114 ZPO zu bejahen.

3. Der Senat geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 ZPO im vorliegenden Fall gegeben sind. Die Entscheidung der hier streitigen Rechtsfrage, ob laufende Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz zu gewähren sind und ob die für die Vergangenheit erhobene Rückforderung sich als rechtmäßig erweist, hängt davon ab, ob der Klägerin im Rahmen der Bewilligung der Leistungen nach dem BAföG anrechenbares Vermögen entgegengehalten werden kann. Ferner schließt sich hieran gegebenenfalls die weitere Frage an, ob die Klägerin grob fahrlässig unrichtige Angaben gemacht hat. Dieser Gesamtkomplex erfordert rechtsanwaltlichen Beistand. Die Sachverhaltskonstellation ist zum einen als ungewöhnlich zu bezeichnen. Die Klägerin, die zunächst berufstätig gewesen ist, hat sich dann entschlossen, ein Studium aufzunehmen. Zudem hat sie - zusammen mit ihren Eltern - Grundeigentum erworben. Wegen des Alters ihrer Eltern hat die Klägerin sich an der Fremdfinanzierung des Objektes beteiligen müssen. Zudem hat die Klägerin ihre Eigenheimzulage mit in das Finanzierungskonzept eingebracht. Dieses ist zudem durch eine Zwischenfinanzierung bei gleichzeitiger Ansparung gekennzeichnet. Daher wird in einem Verfahren der Hauptsache im Einzelnen zu prüfen sein, ob der Klägerin ein Vermögenswert aus ihrem Anteil an Gesellschaft bürgerlichen Rechts und - wenn ja - mit welchem wirtschaftlichen Wert als Vermögen zuzurechnen ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 188 Satz 2 VwGO, § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

Ende der Entscheidung

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