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Gericht: Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
Beschluss verkündet am 23.04.2003
Aktenzeichen: 8 L 327/02
Rechtsgebiete: BPersVG, PersVG M-V
Vorschriften:
BPersVG § 108 Abs. 1 | |
BPersVG § 107 | |
PersVG M-V § 40 Abs. 1 | |
PersVG M-V § 40 Abs.4 |
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern Beschluss
Az.: 8 L 327/02
In der Personalvertretungssache
wegen Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung
hat der Fachsenat für Personalvertretungssachen (Land) des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der mündlichen Verhandlung am 23. April 2003 in Greifswald durch
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 7. Kammer - vom 17.10.2002 wird geändert.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Ersetzung der von dem (zu 1.) beteiligten Personalrat verweigerten Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2., der als Arbeiter im Städtischen Bauhof beschäftigt ist und als Ersatzmitglied des Beteiligten zu 1. mehr als 3-mal in Vertretung an Personalratssitzungen teilgenommen hat, zuletzt am 14.01.2002.
Mit Schreiben vom 28.01.2002 ersuchte der Antragsteller den Beteiligten zu 1. um dessen Zustimmung und begründete seine Kündigungsabsicht damit, dass der Beteiligten zu 2. vom Gelände des Städtischen Bauhofs Recyclingmaterial entwendet habe.
Der Beteiligte zu 1. verweigerte die Zustimmung mit Schreiben vom 31.01.2002 und führte unter anderem aus, er halte lediglich eine Abmahnung für gerechtfertigt.
Am 04.02.2002 hat der Antragsteller das Personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren eingeleitet.
Durch Beschluss vom 17.10.2002 hat das Verwaltungsgericht die Zustimmung des Beteiligten zu 1. zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 2. ersetzt. In den Gründen heißt es unter anderem, der Beteiligte zu 2. habe entweder einen Diebstahl oder eine Unterschlagung begangen und damit das Vertrauensverhältnis zu seinem Arbeitgeber zerstört.
Mit Schreiben vom 07.11.2002 hat der Antragsteller dem Beteiligten zu 2. wegen desselben Vorfalls fristlos gekündigt. Über die dagegen erhobene Klage (3 Ca 3778/02, Arbeitsgericht Rostock) ist bislang nicht entschieden worden.
Gegen die ihm am 24.10.2002 zugestellte Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat der Beteiligte zu 2. am 25.11.2002 - einem Montag - Beschwerde eingelegt und diese am 20.01.2003 begründet, nachdem die Begründungsfrist bis zum 24.01.2003 verlängert worden war.
Er trägt unter anderem vor, nicht mit Zueignungsabsicht gehandelt zu haben. Außerdem sei er in der Folgezeit als Wahlhelfer eingesetzt worden, was den Schluss zulasse, dass er vom Antragsteller als vertrauenswürdig angesehen werde.
Der Beteiligte zu 2. beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Greifswald - 7. Kammer - vom 17.10.2002 zu ändern und den Antrag abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
Der Beteiligte zu 1. stellt keinen eigenen Antrag, unterstützt aber in der Sache die Beschwerde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze und den übrigen Inhalt der Akte Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist fristgerecht eingelegt und innerhalb der (verlängerten) Begründungsfrist begründet worden.
Die Beschwerde ist auch begründet. Der Antrag hat sich erledigt, nachdem die außerordentliche Kündigung ausgesprochen worden ist. Unabhängig davon wäre er aber auch in der Sache abzulehnen gewesen.
Für die rechtlichen Erwägungen ist auszugehen von § 108 Abs. 1 Satz 1 BPersVG, wonach die außerordentliche Kündigung von Mitgliedern der Personalvertretungen der Zustimmung der zuständigen Personalvertretung bedarf. Verweigert die zuständige Personalvertretung ihre Zustimmung oder äußert sie sich nicht innerhalb von drei Arbeitstagen nach Eingang des Antrags, so kann das Verwaltungsgericht sie auf Antrag des Dienststellenleiters ersetzen, wenn die außerordentliche Kündigung unter Berücksichtigung aller Umstände gerechtfertigt ist (§ 108 Abs. 1 Satz 2 BPersVG). Die vorgenannten Regelungen gelten - wie sich aus der Kapitelüberschrift des Gesetzten ergibt - für die Länder unmittelbar. Der Kündigungsschutz ist nach dem hier außerdem anzuwendenden Landesrecht (§ 40 Abs. 1, 4 PersVG M-V) erweitert worden auf Ersatzmitglieder, wenn sie - wie der Beteiligte zu 2. - mindestens 3-mal zur Vertretung herangezogen worden sind. Die Schutzwirkung entfällt nach Ablauf von zwei Jahren, gerechnet ab der letztmaligen Vertretung.
Das vom Antragsteller im Beschwerdeverfahren weiter verfolgte Begehren, die Zustimmung der Personalvertretung zur außerordentlichen Kündigung zu ersetzen, hat sich aber erledigt mit der Folge, dass der Antrag bereits deshalb abzulehnen ist.
Spricht der Arbeitgeber im Laufe des Zustimmungsersetzungsverfah-rens nach §§ 108 Abs. 1 Satz 1 BPersVG, 40 Abs. 1, 4 PersVG M-V vor Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses über die Ersetzung der Zustimmung eine außerordentliche Kündigung gegenüber dem Personalratsmitglied aus, erledigt sich damit das Zustimmungsersetzungsverfahren. Mit der Kündigung ist sowohl das Zustimmungsverfahren als auch das Zustimmungsersetzungsverfahren "verbraucht". Nach der Kündigung besteht für den Personalrat kein Anlass mehr weiter tätig zu werden. Vielmehr ist es dann Sache des gegebenenfalls angerufenen Arbeitsgerichts, über die Rechtmäßigkeit der Kündigung zu entscheiden. Der Senat schließt sich in dieser Frage der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung an (vgl. BAG, Beschluss vom 24.10.1996 - 2 AZR 3/96 -, BB 1997, 629; LAG Hamm, Beschluss vom 04.08.2000 - 10 TaBV 7/00 -). Gegen die Übertragbarkeit dieser Rechtsprechung auf das Personalvertretungsrecht bestehen keine Bedenken, da es um dieselbe Problematik geht und die Vorschriften (§ 108 Abs. 1 BPersVG einerseits und § 103 BetrVG andererseits) im Wesentlichen identisch sind.
Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Antragsteller die Kündigung jedenfalls mit Blick auf das vorliegende Zustimmungsersetzungsverfahren verfrüht ausgesprochen. Zwar hat das Verwaltungsgericht durch Beschluss vom 17.10.2002 dem Begehren des Antragstellers entsprochen. Diese Entscheidung ist jedoch nicht rechtskräftig geworden. Der Beteiligte zu 2. hat sie (wie festgestellt) form- und fristgerecht angefochten. Dass der Beteiligte zu 1. seinerseits kein Rechtsmittel eingelegt hat, ändert an der Hemmung der Rechtskraft nichts. Der Beteiligte zu 2. ist als betroffener Arbeitnehmer, wie sich unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 3 BPersVG) - notwendig an dem vorliegenden Zustimmungsersetzungsverfahren beteiligt und daher auch in der Lage, Rechtsmittel einzulegen. Ob die Beschwerde des Beteiligten zu 2. letztlich irrelevant wäre, wenn der Beteiligte zu 1. etwa weil die Begründung der erstinstanzlichen Entscheidung für ihn überzeugend gewesen wäre, selbst beschlossen hätte, der außerordentlichen Kündigung des Beteiligten zu 2. zuzustimmen, bedarf hier keiner weiteren Prüfung, da der Fall so nicht liegt. Ein solcher Beschluss ist nicht gefasst worden; vielmehr hat der Beteiligten zu 1., auch wenn er selbst keine Beschwerde eingelegt hat, die Beschwerde des Beteiligten zu 2. der Sache nach unterstützt.
Der Antrag hätte aber auch, wenn dem Beteiligten zu 2. nicht vorzeitig gekündigt worden wäre, keinen Erfolg gehabt.
Dies gilt auch dann, wenn man unterstellt, dass der Beteiligte zu 2. in Zueignungsabsicht gehandelt hat, obwohl er dies in Abrede gestellt hat.
Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine außerordentliche Kündigung auch dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer geringwertige Sachen des Arbeitgebers entwendet (vgl. BAG, Urteil vom 17.05.1984 - 2 AZR 3/83 -, NJW 1985, 284; BAG, Urteil vom 12.08.1999 - 2 AZR 923/98 -, NJW 2000, 1969). Danach reicht es aber nicht festzustellen, dass "an sich" ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegt (Prüfung auf der ersten Stufe des § 626 Abs. 1 BGB). Ob die Kündigung berechtigt oder unberechtigt ist, erweist sich letztlich erst anhand der Würdigung, ob dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zuzumuten ist (Prüfung auf der zweiten Stufe des § 626 Abs. 1 BGB).
Im vorliegenden Fall hält die vom Antragsteller selbst abgegebene Begründung, weshalb ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 2. nicht zumutbar sein soll, einer gerichtlichen Kontrolle nicht stand. Sie verstößt gegen das Benachteiligungsverbot.
Nach der ebenfalls unmittelbar für die Länder geltenden Regelung des § 107 BPersVG dürfen Personen, die Aufgaben oder Befugnisse nach dem Personalvertretungsrecht wahrnehmen, wegen ihrer Tätigkeit nicht benachteiligt werden. Das Benachteiligungsverbot umfasst jede Schlechterstellung eines Personalrates gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbaren Situationen (vgl. Fischer/Goeres, GKÖD Band V, K § 8 Rdn. 8 mwN.). Dies bedeutet, dass ein Arbeitnehmer in seiner arbeitsrechtlichen Stellung nicht wegen seiner Eigenschaft als Personalrat schlechter behandelt werden darf als ein anderer Arbeitnehmer. Geht es darum, ob der Arbeitgeber das Vertrauen zu dem Arbeitnehmer verloren hat, weil dieser sich in einer bestimmten Weise verhalten hat, so darf der Vertrauensverlust nicht damit begründet werden, dass gegenüber einem Personalrat ein besonderes Vertrauen vorhanden sein muss. Dies liefe letztlich darauf hinaus, dass dem Arbeitnehmer gerade wegen seiner Eigenschaft als Personalrat gekündigt würde. Dies wäre aber mit dem Schutzzweck der §§ 107, 108 BPersVG nicht zu vereinbaren.
Der Antragsteller hat diese Grundsätze nicht genügend beachtet. Sowohl in seinem an den Beteiligten zu 1. gerichteten Schreiben vom 29.01.2000, mit dem er um dessen Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung nachsucht, als auch im vorliegenden Zustimmungsersetzungsverfahren hat der Antragsteller auf die besondere Vertrauensstellung verwiesen, die der Beteiligte zu 2. als Personalvertreter innehabe (vgl. vorletzten Absatz des Schreibens vom 29.01.2002 bzw. Seite 3 Mitte und 4 des Schriftsatzes vom 11.04.2002). Im Schreiben vom 29.01.2002 wird die geltend gemachte Vertrauensstörung allem Anschein nach sogar ausschließlich auf die Eigenschaft des Beteiligten zu 2. als Personalrat bezogen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen gemäß §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 2 ArbGG.
Ende der Entscheidung
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