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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 05.03.2009
Aktenzeichen: 1 A 107/07
Rechtsgebiete: SG, BBG


Vorschriften:

SG § 50 Abs. 1
BBG § 36 Abs. 1 a.F.
Die Anfechtungsklage gegen eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand ist wegen der besoldungsrechtlichen Auswirkungen der angefochtenen Maßnahme auch nach Erreichen der allgemeinen Altersgrenze des betroffenen Offiziers statthafte Klageart. Nach dessen Tod kann das Verfahren von seinen Erben weitergeführt werden.

Den Anforderungen des § 50 Abs. 1 SG genügt jede nachvollziehbare, an sachlichen politischen Erwägungen ausgerichtete und damit willkürfreie Entscheidung über die Versetzung eines Generals bzw. Admirals in den einstweiligen Ruhestand.


Tatbestand:

Der frühere Kläger wurde zum 1.10.2002 auf den Dienstposten des Stellvertretenden NATO-Oberbefehlshabers in Europa (DSACEUR) versetzt. Mit Dienstantritt wurde er gleichzeitig zum Admiral (Besoldungsgruppe B 10 BBesO) befördert. Das Besetzungsrecht für diesen Dienstposten fiel zum 1.10.2004 an Großbritannien. Auf Ersuchen des Bundesministers der Verteidigung versetzte der Bundespräsident den damals 59jährigen Kläger mit Ablauf zum 30.9.2004 in den einstweiligen Ruhestand, da für ihn keine sinnvolle Anschlussverwendung mehr gegeben sei; auf den ebenfalls mit B 10 dotierten NATO-Posten Chef des Stabes (COS SHAPE), auf den der Betroffene sich beworben habe, solle er nicht eingesetzt werden, da er dann in der militärischen Hierarchie hinter den britischen General - seinem Nachfolger als DSACEUR - zurücktreten müsse, was im internationalen Umfeld unüblich sei. Die gegen die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand eingelegte Klage wies das VG als unbegründet zurück. Nachdem der frühere Kläger während des Berufungszulassungsverfahren verstorben war, führte seine Ehefrau und Alleinerbin das Verfahren weiter. Ihre Berufung blieb im Ergebnis erfolglos.

Gründe:

Die Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Alt. VwGO ist wegen der besoldungsrechtlichen Auswirkungen der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand (§§ 4, 3 Abs. 3 BBesG i. d. F. der Bekanntmachung vom 6.8.2002, BGBl. I S. 3020) zulässig. Sie ist insbesondere weder durch das Erreichen der allgemeinen Altersgrenze durch den früheren Kläger noch durch seinen Tod unzulässig geworden.

Der angefochtene Verwaltungsakt hat sich nicht dadurch erledigt, dass der frühere Kläger mit Vollendung seines 61. Lebensjahres gemäß § 45 Abs. 1 SG in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung ohnehin in den Ruhestand getreten wäre, so dass vorliegend mangels einer Erledigung eine Fortsetzungsfeststellungsklage nicht in Betracht kommt. Zwar gilt der in den einstweiligen Ruhestand versetzte Berufsoffizier mit Erreichen der Altersgrenze als dauernd in den Ruhestand versetzt (§ 50 Abs. 2 Satz 2 SG), so dass sich die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand als solche in jedem Fall erledigt hat. Darin liegt aber kein zur Erledigung führendes Ereignis im vorliegenden Klageverfahren, da die Regelungswirkung der einstweiligen Zurruhesetzung dadurch nicht weggefallen ist. Eine Erledigung liegt dann nicht vor, wenn der angefochtene Verwaltungsakt rechtlich noch irgendeine unmittelbar belastende Wirkung für den Betreffenden entfaltet. Eine solche Fortwirkung kann auch darin bestehen, dass der Verwaltungsakt noch die Grundlage für einen anderen Verwaltungsakt bildet oder als Rechtsgrund und Rechtfertigung eingetretener Rechtswirkungen fortwirkt, indem er z. B. Erstattungs- oder Beseitigungsverlangen entgegensteht bzw. sich sonst wie noch belastend auf den Betreffenden auswirkt, weil sein Regelungsgehalt nicht erschöpft ist.

Vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 2. Aufl. 2006, § 113 Rn. 250; s. a. BVerwG, Urteil vom 2.7.1982 - 8 C 101.81 -, BVerwGE 66, 75, wonach die vorzeitige Entlassung wegen Zivildienstunfähigkeit sich nicht infolge des Ablaufs der für den Zivildienst festgesetzten Zeit erledigt.

So liegt der Fall hier. Die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand bildet den Rechtsgrund zum einen für die Einstellung der Bezüge nach der Besoldungsgruppe B 10 BBesO ab dem 1.10. 2004. Zum anderen bildet sie auch den Rechtsgrund für die Festsetzung der Versorgungsbezüge des früheren Klägers bereits zu einem Zeitpunkt, zu dem er noch nicht die allgemeine Altersgrenze für Berufssoldaten erreicht hatte. Würde der Klage gegen die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand rechtskräftig stattgegeben, würde der Besoldungsanspruch rückwirkend wieder aufleben; das ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, § 3 Abs. 3 BBesG a. F. Darüber hinaus wäre mangels Eintritts in den Ruhestand der Festsetzung der Versorgungsbezüge ab dem 1.10.2004 die Grundlage entzogen (§§ 15 ff. SVG).

Die Klage ist auch nicht durch den Tod des früheren Klägers im Mai 2007 unzulässig geworden. Wegen der besoldungsrechtlichen Auswirkungen seiner Versetzung kann das Verfahren nunmehr von seiner Ehefrau zulässigerweise weitergeführt werden. Diese hat ein Rechtsschutzinteresse. Denn sie ist dessen Erbin. Etwaige rückständige Besoldungsansprüche ihres früheren Ehemannes gegen seinen Dienstherrn, die abhängig sind vom Zeitpunkt dessen Zurruhesetzung, sind dementsprechend auf sie gemäß § 1922 Abs. 1 BGB im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen.

Vgl. etwa OVG Saarl., Urteil vom 24.10.1994 - 1 R 9/92 -, ZBR 1995, 112 = DÖD 1995, 116, dort in Abgrenzung zur - grundsätzlich fehlenden - Vererblichkeit von Beihilfeansprüchen; OVG NRW, Urteil vom 17.12.2008 - 1 A 282/07 -, juris, Rn. 34, dort zu Versorgungsansprüchen des verstorbenen Ehemannes.

Der Gesamtrechtsnachfolger eines von dem Berechtigten wie hier bereits eingeleitet gewesenen Klageverfahrens, der das Verfahren weiterführt, hat nicht nur ein Rechtsschutzinteresse, unmittelbar auf ihn übergegangene vermögensrechtliche Ansprüche auf etwaige noch ausstehende Bezüge (weiter) einzuklagen. Er ist vielmehr auch schutzwürdig, im Zeitpunkt des Erbfalls streitig gewesene rechtliche Vorfragen mit Blick auf das Bestehen und/oder die Höhe des Anspruchs bzw. die Pflicht zur Auszahlung abschließend gerichtlich klären zu lassen, soweit von der Beantwortung dieser Vorfragen abhängt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Leistungs- oder Zahlungsansprüche des Erblassers, die dieser noch zu Lebzeiten erworben hatte, auf den Rechtsnachfolger übergegangen sind. Vorliegend stehen zwar keine Leistungs- oder Zahlungsansprüche des Erblassers gegen seinen Dienstherrn unmittelbar im Streit; die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Versetzung des früheren Klägers in den einstweiligen Ruhestand hat vielmehr primär ausschließlich Auswirkungen auf dessen Status. Da die begehrte Aufhebung der Versetzungsverfügung gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf den Zeitpunkt der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand zurückwirkt, hängen von der Rechtmäßigkeit der Maßnahme jedoch - sekundär - Besoldungsansprüche ab, wie oben bereits aufgezeigt wurde: Erweist sich die hier angefochtene Versetzung als rechtswidrig, so hätten dem früheren Kläger - und nach seinem Tod dessen Rechtsnachfolgerin - über den 30.9.2004 hinaus bis zum Erreichen der allgemeinen Altersgrenze gemäß § 45 Abs. 1 SG in der bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung bis zur Vollendung des 61. Lebensjahres die Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe B 10 BBesO zugestanden. Die Frage nach den Bezügen betrifft die Witwe und Alleinerbin des früheren Klägers als unmittelbar Berechtigte; insofern kann sie eigene Ansprüche gegen den Dienstherrn ihres verstorbenen Ehemannes geltend machen. Aufgrund dessen ist sie auch befugt, die Klage ihres Mannes gegen die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand selbständig fortzuführen. Das gilt zumindest in Fällen wie hier, in denen der verstorbene Beamte, Richter oder Soldat das Verfahren noch zu seinen Lebzeiten eingeleitet hatte.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Gemäß § 50 Abs. 1 SG kann der Bundespräsident die Berufsoffiziere vom Brigadegeneral und den entsprechenden Dienstgraden an aufwärts jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzen.

Die Ermächtigungsnorm des § 50 Abs. 1 SG nennt keine näheren tatbestandlichen Eingrenzungen für die Eröffnung des durch die Vorschrift eingeräumten Ermessens. Die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand kann vielmehr ausweislich des im Gesetzeswortlaut enthaltenen Adverbs "jederzeit" erfolgen. Das bedeutet bei am Wortsinn orientiertem Verständnis, dass keine Einschränkungen in zeitlicher oder inhaltlicher Hinsicht zu beachten sind. Insbesondere das Alter des betreffenden Berufsoffiziers hat keine ermessenslenkende Bedeutung.

Dies berücksichtigend räumt - nach ihrem Wortlaut - die Vorschrift des § 50 Abs. 1 SG, ein Anwendungsfall der Kompetenznorm des Art. 60 Abs. 1 GG, auch wenn die Zurruhesetzung terminologisch nicht mit einer Entlassung gleichzusetzen ist, vgl. Eichen, in: Walz/Eichen/ Sohm, Soldatengesetz, 2006, § 50 Rn. 13, dem Bundespräsidenten ein sehr weites Ermessen ein. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle ist lediglich darauf beschränkt zu prüfen, ob die Versetzung des Ehemanns der Klägerin in den einstweiligen Ruhestand die Grenzen zur Willkür überschritten hat.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.7.1993 - 2 BvR 1107/92 -, DVBl. 1994, 103 (104) = NVwZ 1994, 477; OVG NRW, Beschluss vom 19.9.2006 - 1 B 1141/06 -, juris.

Hiervon ausgehend sind im Ergebnis für eine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand auf der Grundlage von § 50 Abs. 1 SG grundsätzlich alle willkürfreien Gründe zulässig, die auf sachlichen Erwägungen beruhen.

So auch Scherer u. a., Soldatengesetz, 8. Aufl. 2008, § 50 Rn. 3.

Die am Zweck der gesetzlichen Ermächtigung orientierte Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. § 50 Abs. 1 SG findet - ähnlich wie die insoweit vergleichbare Regelung für "politische Beamte" in § 36 Abs. 1 BBG in der bis zum 11.2.2009 geltenden Fassung (jetzt: § 54 Abs. 1 BBG n. F.) - üblicherweise und unstreitig Anwendung, wenn die Amtsführung der betroffenen hohen Amtsträger nicht (mehr) in fortdauernder Übereinstimmung mit der Regierungspolitik steht.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.5.1992 - 2 B 13.92 -, NVwZ-RR 1993, 116 = DÖV 1993, 34, m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 1.10.1991 - 1 A 1619/90 -, NWVBl. 1992, 132 = NZWehrR 1992, 123.

In derartigen Fällen geht es darum, das volle Vertrauen der Regierung in die Bereitschaft und Fähigkeit dieser Berufsoffiziere zu ihrer Amtsausführung abzusichern. Dabei kann das Vertrauen nicht nur bei abweichenden politischen Ansichten, sondern schon dann gestört sein, wenn die Regierung Zweifel daran hegt, dass die fachliche und persönliche Eignung des Betroffenen, seine Amtstätigkeit oder auch nur sein außerdienstliches Verhalten den höchstmöglichen Grad einer zielstrebigen, wirkungsvollen Zusammenarbeit im Sinne der von ihr verfolgten Politik gewährleistet.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.7.1993 - 2 BvR 1107/92 -, DVBl. 1994, 103; BVerwG, Beschluss vom 26.5.1992, - 2 B 13.92 -, NVwZ-RR 1993, 116, m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 6.5.1998 - 12 A 7633/95 -, juris; Kugele, Die politischen Beamten in der Bundesrepublik Deutschland, ZBR 2007, 109 (115).

Hierzu zählt auch das Vertrauen auf eine untadelige Amtsführung und ebensolches dienstliches wie außerdienstliches Verhalten. Solche Zweifel können auch durch Unwägbarkeiten, sog. "Imponderabilien", veranlasst sein, die nicht stets genau zu umreißen sind und deren Offenlegung im Einzelnen nicht immer im Sinne der gesetzlichen Regelung liegt. Der zugrundeliegende Sachverhalt muss also nicht aufgrund tatsächlicher Umstände feststehen. Ein schuldhaftes oder auch nur objektiv pflichtwidriges Verhalten wird ebenfalls nicht vorausgesetzt, ebenso wenig, dass dem Offizier schlechte Arbeit unterstellt wird. Die Maßnahme stellt keine Disqualifizierung des Soldaten dar, sie ist ausschließlich eine dienstrechtliche Maßnahme im Interesse der politischen Staatsführung. Ist dieses Vertrauen der Regierung im Einzelfall nicht mehr im erforderlichen Maße gegeben, so ist die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand möglich und in aller Regel gerechtfertigt, d. h. ermessensfehlerfrei.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 18.9.1957 - II C 182.61 -, BVerwGE 19, 332 (336), und vom 17.9.1981 - 2 C 12.80 -, RiA 1982, 170, sowie Beschluss vom 26.5.1992 - 2 B 13.92 -, NVwZ-RR 1993, 116, m. w. N.; OVG NRW, Urteil vom 6.5.1998 - 12 A 7633/95 -, juris, m. w. N., und Beschluss vom 19.9.2006 - 1 B 1141/06 -, juris.

Die genannten Fälle fehlender Übereinstimmung der hohen Amtsträger mit der Regierungspolitik bzw. des Vertrauensverlustes der Regierung mögen in quantitativer Hinsicht die gerichtliche Befassung mit § 50 Abs. 1 SG bestimmt haben. Der Anwendungsbereich der Norm erschöpft sich hierin jedoch keineswegs.

So hat das BVerwG bereits im Jahr 1966 die Anwendung von § 50 Abs. 1 SG nicht auf derartige Fallgestaltungen begrenzt, sondern darüber hinaus etwa auch Gründe der (Verjüngung der) Altersstruktur einbezogen. Dies ist namentlich mit Blick darauf geschehen, dass das Soldatengesetz im Hinblick auf die Bedürfnisse gerade der Bundeswehr in besonderem Maße eine flexible Personalpolitik ermöglichen will.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.2.1966 - VIII C 115.64 -, BVerwGE 23, 295.

Das Soldatengesetz sieht in dem durch das Gesetz über die Altersgrenzen der Berufssoldaten eingeführten § 45 SG in der hier maßgeblichen und bis zum 31.12.2006 geltenden Fassung neben der allgemeinen Altersgrenze von damals 61 Jahren besondere, nach Dienstgraden gestaffelte Altersgrenzen für bestimmte Offiziere bis zum Oberst einschließlich vor. Das sind die Offiziere unterhalb eines Brigadegenerals, mithin diejenigen Dienstgrade, welche von § 50 Abs. 1 SG nicht erfasst werden. Für Generale und Admirale wurde eine bestimmte Altersgrenze nicht festgesetzt. Dies hat der Gesetzgeber damit begründet, dass diese jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können.

Vgl. BT-Drs. 3/2705, S. 3.

Das BVerwG hat daraus den Schluss gezogen, dass die Versetzung eines Generals - und somit auch eines Admirals - in den einstweiligen Ruhestand mit Rücksicht auf eine den Verteidigungserfordernissen entsprechende Altersstruktur nicht gegen den Grundgedanken des Altersstrukturgesetzes verstoße, sondern mit diesem vereinbar sei.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.2.1966 - VIII C 115.64 -, BVerwGE 23, 295 (303).

Damit wurde bereits höchstrichterlich festgestellt, dass der Anwendungsbereich des § 50 Abs. 1 SG nicht so eng zu verstehen ist, dass er nur Fälle des Vertrauensverlustes bzw. der fehlenden Übereinstimmung der hohen Amtsträger mit der Regierungspolitik erfasst, sondern der Bundeswehr auch eine flexible Personalpolitik - in dem dort entschiedenen Fall aus Gründen der Altersstruktur - ermöglicht.

Dem erwähnten Fallrecht folgend, wird in Rechtsprechung und Literatur vertreten, dass ein pflichtgemäßer Ermessensgebrauch in Anwendung des § 50 Abs. 1 SG sich an dem aufgezeigten Kanon von Zwecken der gesetzlichen, eine Ausnahme vom hergebrachten Lebenszeitgrundsatz und von Verfahrensgrundsätzen bildenden Regelungen zu orientieren habe und den dadurch gezogenen Ermessensrahmen in jedem Falle einhalten müsse.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9.10.1973 - 1 A 949/72 -, DÖV 1974, 166; siehe auch zu § 36 BBG a. F. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, Stand: Dezember 2008, § 36 BBG Rn. 17; Franke, in: Fürst, GKÖD, Loseblattkommentar, Stand: Dezember 2008, § 36 Rn. 8.

Ein derart enges Verständnis hält der Senat nicht für angebracht, da es vom Wortlaut des Gesetzes nicht gedeckt ist und auch mit Hilfe weiterer Gesichtspunkte für die Gesetzesauslegung nicht überzeugend begründbar ist.

Der Zweck (die erwähnten Zwecke) des § 50 Abs. 1 SG geht (gehen) aus dem Wortlaut der Vorschrift nicht hervor. Der Entstehungsgeschichte ist zu entnehmen, dass die Regelung dem gleichen Gedanken entspricht, der § 36 BBG a. F. für die "politischen Beamten" zugrunde liegt. Im Gegensatz dazu ist hier der Kreis der Betroffenen nicht von der Dienststellung, sondern von dem Dienstgrad aus festgelegt worden, weil Gewicht und Einfluss eines Soldaten mit seinem Dienstgrad wachsen. Maßgeblich ist die leitende Stellung, die die Angehörigen der Generalsränge innehaben. Der Umfang ihrer Verantwortung entspricht der des "politischen Beamten".

Vgl. BT-Drs. 2/1700, S. 33, sowie BT-Drs. 2/2140, S. 13.

Der Zweck des § 36 Abs. 1 BBG a. F. wird im Allgemeinen im reibungslosen Funktionieren der Zusammenarbeit zwischen Regierung und Spitzenbeamten ("Transformationsfunktion") gesehen; die hohen Amtsträger bedürften dazu des Vertrauens der Regierung; dies gelte auch bei § 50 Abs. 1 SG.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.5.1992 - 2 B 13.92 -, ZBR 1992, 284; s. a. BVerwG, Beschluss vom 27.1.1977 - II C 77.70 -, BVerwGE 52, 33 (34 f.)

Die Regierung müsse sich auf die führenden Militärs bedingungslos verlassen können, ansonsten sei die Verteidigungsfähigkeit gefährdet (z. B. bei Befehlsverweigerung, s. a. Art. 65a GG).

Unbestritten ist dies ein gewichtiger Zweck, Berufsoffiziere im Generalsrang, welche die genannte Gewähr nicht bieten, vor Erreichen der allgemeinen Altersgrenze in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen. Man wird der Vorschrift des § 50 Abs. 1 SG jedoch angesichts ihres weiten Wortlauts nicht gerecht, wenn man ihren Anwendungsbereich ausschließlich auf diesen Zweck begrenzt. Denn in diesem Falle hätte es für den Gesetzgeber nahegelegen, den "Vertrauensverlust" zum Tatbestandsmerkmal zu erheben.

Selbst § 36 Abs. 1 BBG a. F. als allgemeines Vorbild der entsprechenden Regelung im Soldatengesetz hat einen weitergehenden Regelungszweck als allgemein angenommen. In den Gesetzesmaterialien heißt es zu dieser Vorschrift: "Nach § 36 Abs. 1 können gewisse Gruppen von Beamten auf Lebenszeit jederzeit einstweilig in den Ruhestand versetzt werden. Es sind dies die Beamten, bei denen die Möglichkeit sofortiger Abberufung aus politischen Gründen sichergestellt sein muß."

Vgl. BT-Drs. 1/2846, S. 40.

Nach der Gesetzesbegründung müssen also politische Gründe ursächlich für die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand sein. Wegen der oben geschilderten Bezugnahme auf die Vorschrift des § 36 Abs. 1 BBG a. F. in den Gesetzesmaterialien zu § 50 Abs. 1 SG kann für letztere Norm nichts anderes gelten.

Politische Gründe umfassen aber mehr als nur fehlendes Vertrauen der Regierung in die betreffenden hohen Beamten bzw. Militärs. Gemeint sind damit alle das Staats- und Gemeinwesen betreffenden Gründe, z. B. wirtschaftliche Gründe, haushaltsrechtliche Gründe, strategische Gründe, Änderung der Heeresstruktur, Verkleinerung der Bundeswehr, Änderung des Regierungswillens, Förderung dienstjüngerer Offiziere, Besetzung der zur Verfügung stehenden Planstellen im Bereich der Generalität (Personalplanung). Es muss sich keineswegs ausschließlich um Gründe handeln, die in der Person des Betroffenen liegen.

So auch Eichen, a. a. O., § 50 Rn. 4.

Selbst wenn man also im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung auf den Zweck der Vorschrift als Ermessensgrenze Bezug nimmt, eröffnet die Vorschrift angesichts ihres geschilderten weiten Zwecks - "politische Gründe" - einen entsprechend weiten Anwendungsbereich. Abgesehen von den schon angeführten Gründen der Altersstruktur können deswegen (zumindest) auch damit im Wesentlichen vergleichbare, von politischen Vorentscheidungen beeinflusste Gründe personalorganisationsrechtlicher Art - auch wenn sie (nur) auf einzelne hochrangige Dienstposten für von § 50 Abs. 1 SG erfasste Dienstränge bezogen sind - die Versetzung eines Generals bzw. Admirals in den einstweiligen Ruhestand rechtfertigen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass eine auf der Grundlage von § 50 Abs. 1 SG durchgeführte Maßnahme nicht zur endgültigen, sondern lediglich zur einstweiligen Versetzung in den Ruhestand führt. Das bedeutet, dass bis zum Erreichen der allgemeinen Altersgrenze eine erneute Berufung in das aktive Soldatenverhältnis möglich ist (§ 50 Abs. 2 Satz 1 SG i. V. m. § 39 BBG in der bis zum 11.2.2009 geltenden Fassung, jetzt: § 50 Abs. 2 Satz 1 SG i. V. m. § 57 BBG). Auf diese Weise wird dem Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung in gewissem Maße weiterhin Rechnung getragen.

Im systematischen Vergleich mit den Vorschriften des Bundesbeamtengesetzes ergibt sich aus dem Befund, dass der Gesetzgeber, dem die gleichlautenden Vorschriften des § 36 Abs. 1 BBG a. F. und § 50 Abs. 1 SG bekannt waren, gleichwohl aber von der Einfügung einer dem § 36a BBG in der bis zum 11.2.2009 geltenden Fassung (jetzt: § 55 BBG n. F.) vergleichbaren Vorschrift in das Soldatengesetz abgesehen hat, die Ermächtigungsgrundlage des § 50 Abs. 1 SG für die Versetzung von Spitzenoffizieren in den einstweiligen Ruhestand auch bei organisatorischen und strukturellen Veränderungen innerhalb der Bundeswehr für ausreichend erachtet hat. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber für die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand nach § 36a BBG a. F. ausdrücklich das Vorliegen bestimmter Tatbestandsvoraussetzungen angeordnet. Das indiziert, dass bei der Versetzung in den einstweiligen Ruhestand auf der Grundlage von § 50 Abs. 1 SG, der keine Tatbestandsvoraussetzungen nennt, solche nicht gegen den weiten Wortlaut hineinzulesen sind.

Somit genügt auch in Beachtung des Zwecks (der Zwecke) der Vorschrift im Grunde jede nachvollziehbare, an sachlichen "politischen" Erwägungen ausgerichtete und damit willkürfreie Entscheidung über die Versetzung eines Generals bzw. Admirals in den einstweiligen Ruhestand den Anforderungen des § 50 Abs. 1 SG. Nur diese Auslegung entspricht dem weiten Wortlaut und dem ebenso weiten Zweck der Vorschrift.

In Anwendung der vorstehenden Grundsätze ist die Versetzung des früheren Klägers in den einstweiligen Ruhestand durch den Bundespräsidenten nicht zu beanstanden:

Abzustellen ist allein auf die Erwägungen, die der Bundespräsident auf der Grundlage des ihm durch die initiierende Fachbehörde zur Verfügung gestellten Materials betreffend die Gründe und Ziele der geplanten Maßnahme angestellt hat.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.1.1977 - II C 70.73 -, BVerwGE 52, 33 (40); OVG NRW, Urteil vom 6.5.1998 - 12 A 7633/95 -, juris, Rn. 24.

Danach wurde der Ehemann der Klägerin - wie bereits ausgeführt - aus personalpolitischen Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzt, weil mit dem Ende des deutschen Besetzungsrechts für den vom früheren Kläger zuletzt innegehabten Dienstposten DSACEUR für diesen keine sinnvolle Möglichkeit einer Anschlussverwendung mehr bestand. Nach den Vereinbarungen zur neuen NATO-Kommandostruktur sollte dieser Dienstposten künftig mit einem britischen General besetzt werden. Deutschland würde dafür im Gegenzug den Posten "Chef des Stabes" (COS SHAPE) dauerhaft besetzen. Hierfür hatte sich auch der frühere Kläger beworben. Er hätte dann aber hinter den britischen General zurücktreten müssen, was nach den nachvollziehbaren Angaben der Beklagten gerade im internationalen Umfeld unüblich war. Dies geht aus dem Vermerk des Bundespräsidialamtes vom 15.6.2004 hervor, welchen der Bundespräsident am 18.6.2004 abzeichnete; am selben Tag unterzeichnete er auch die Entlassungsurkunde. Damit schloss sich der Bundespräsident der Einschätzung des Bundesministers der Verteidigung an (wird ausgeführt).

Der Bundespräsident hat die einstweilige Zurruhesetzung auf einer hinreichenden Grundlage sachlicher Informationen verfügt. Auch wenn das ersuchende Schreiben des Bundesverteidigungsministers sich nicht zu jedem Detail verhält, so enthält es doch den für die Ausübung des Ermessens wesentlichen Sachverhaltskern (fehlende sinnvolle Anschlussverwendung). Die Frage der Beförderung von Offizieren der Jahrgänge 1944 und 1945 auf Vier-Sterne-Dienstposten stand bei der Versetzungsentscheidung nicht im Vordergrund und musste demnach auch nicht gegenüber dem Bundespräsidenten dargelegt werden.

Auch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn für den früheren Kläger gebietet es nicht, alle erdenklichen Versuche auf internationaler Ebene unternehmen zu müssen, damit diesem noch ein weiteres Jahr auf dem Dienstposten DSACEUR ermöglicht werden könnte. Für die Berücksichtigung des Fürsorgegesichtspunktes bleibt ohnehin angesichts der (verfassungsmäßig) vom Gesetzgeber gewollten weiten Fassung des § 50 Abs. 1 SG wenig Raum. Der Gesetzgeber hat den Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Wesentlichen abschließend durch die abgestufte Regelung über die zeitweise Weitergewährung der bisherigen Dienstbezüge (§ 4 Abs. 1 BBesG) und daran anschließend eine vorübergehende Erhöhung des Ruhegehalts (§ 26 Abs. 9 SVG, s. a. § 14 Abs. 6 BeamtVG) Rechnung getragen.

Vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a. a. O., § 36 BBG Rn. 21.

Soweit der frühere Kläger geltend macht, die übliche Verwendungsdauer auf einem Dienstposten bei der NATO betrage drei Jahre, ist auch dieser Einwand unerheblich. Die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gemäß § 50 Abs. 1 SG kann "jederzeit" erfolgen. Diese vom Gesetzgeber bewusst weit gewählte Formulierung lässt keine Einschränkungen in zeitlicher Hinsicht zu. Eine wie auch immer im Einzelnen geartete übliche Verwendungsdauer vermag ebenfalls mit Blick auf etwaige Ermessensbindungen, basierend auf der bisherigen Praxis in Vergleichsfällen, die Anwendung des § 50 Abs. 1 SG nicht in Frage zu stellen. Der frühere Kläger kann sich auch nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte unter Hinweis darauf berufen, dass bei Dienstantritt als DSACEUR als voraussichtliche Verwendungsdauer in der Versetzungsverfügung drei Jahre angegeben waren (wird ausgeführt).

Das Erfordernis einer Zustimmung des Betroffenen zur Versetzung in den einstweiligen Ruhestand sieht das Gesetz nicht vor. Ein Zustimmungserfordernis würde die weite Möglichkeit, die § 50 Abs. 1 SG dem Bundespräsidenten geben soll - nämlich die Führungselite der Bundeswehr aus politischen Gründen in den einstweiligen Ruhestand zu versetzen -, geradezu konterkarieren. § 50 Abs. 1 SG soll gerade ermöglichen, dass jemand gegen seinen Willen in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden kann. Insbesondere, aber nicht nur in den Fällen, in denen die Regierung nach ihrer Einschätzung das Vertrauen in die hohen Amtsträger verloren hat, liegt es auf der Hand, dass eine Zustimmung der Betroffenen regelmäßig nicht vorliegt. Dem steht nicht entgegen, dass im Bereich der Generale und Admirale durchaus eine über Jahre geübte Praxis bestanden haben mag, deren Versetzung in den einstweiligen Ruhestand aus strukturellen Gründen zur Verbesserung der Altersstruktur der Bundeswehr ausschließlich mit Zustimmung des Betroffenen vorzunehmen. Das bedeutet aber nicht, dass daraus ein weiteres Tatbestandsmerkmal für die Versetzung erwachsen würde mit der Folge, dass bei fehlender Zustimmung ein Anspruch auf Nichtversetzung in den einstweiligen Ruhestand bestünde, der insoweit eindeutige Wortlaut der Ermächtigungsnorm somit eingeschränkt würde. Das Bundesverteidigungsministerium hat in der Vergangenheit bei aus (allgemein) strukturellen Gründen erfolgten Versetzungen in den einstweiligen Ruhestand in der Tat darauf geachtet, dass die Betroffenen sich mit der Maßnahme einverstanden erklärten. Damit hat man sich aber keineswegs der Möglichkeit begeben, Maßnahmen auf der Grundlage von § 50 Abs. 1 SG, bei denen sich - wie hier - die strukturellen Gründe auf einen bestimmten Posten beziehen, auch ohne entsprechende Zustimmung durchzuführen. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den Fällen, in denen eine bestimmte Anzahl von Spitzenoffizieren aus (allgemein) strukturellen Gründen zur Verbesserung der Altersstruktur der Bundeswehr in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden, dadurch, dass es hier um die nachvollziehbare Entscheidung der Beklagten geht, wonach gerade (personenbezogen) für den früheren Kläger keine sinnvolle Anschlussverwendung nach dem Ende des deutschen Besetzungsrechts für den Posten DSACEUR gesehen wurde. Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Fallgestaltungen ist hier keine Abkehr von einer etwaigen bisherigen Selbstbindung des Ermessens zu sehen.

Ende der Entscheidung

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