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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 05.03.2009
Aktenzeichen: 1 A 1890/07
Rechtsgebiete: GG, BBG, BeamtVG


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
BBG § 79 a. F.
BeamtVG § 31
Die Richtlinie des Bundesministeriums des Innern zur Gewährung von Rechtsschutz in Strafsachen für Bundesbedienstete vermittelt mangels Außenwirkung keine Ansprüche. Ein Anspruch auf Übernahme dienstlichen Rechtsschutzes durch den Dienstherrn kann sich nur aus der Verwaltungspraxis i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG oder ausnahmsweise unmittelbar aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gemäß § 79 BBG a. F. (§ 78 BBG n. F.) ergeben.

Die Verwaltungspraxis, wonach dienstlicher Rechtsschutz nicht in allen Fällen gewährt wird, die in irgendeinem (mittelbaren) Zusammenhang mit der dienstlichen Verrichtung stehen, sondern lediglich bei Vorliegen eines engen Zusammenhangs, verstößt nicht gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Ein insoweit erforderlicher enger Zusammenhang liegt weder bei der Fahrt mit dem privaten PKW vom Wohnort zur Dienststelle noch zu einem anderen Ort, an dem der Dienst anzutreten ist, vor, wenn sich auf dieser Fahrt ein Unfall ereignet, auf Grund dessen ein Ermittlungsverfahren gegen den Bediensteten eingeleitet wird.

Die Gewährung dienstlichen Rechtsschutzes muss unter Fürsorgegesichtspunkten nicht in gleicher Weise ausgestaltet sein wie die Gewährung von Unfallfürsorge.

Die Versagung der Gewährung dienstlichen Rechtsschutzes verletzt nicht die Fürsorgepflicht des Dienstherrn in ihrem Wesenskern, wenn der dienstliche Zusammenhang gelockert ist und der Beamte im Übrigen nicht schutzlos ist.


Tatbestand:

Der Kläger fuhr mit seinem privaten PKW von seinem Wohnort zum Amtsgericht E., um dort in seiner Eigenschaft als Polizeiobermeister in einem Strafverfahren eine Zeugenaussage zu tätigen. Auf dem Weg zu Gericht wurde er in einen Verkehrsunfall verwickelt, in dessen Verlauf sich eine Unfallbeteiligte leicht verletzte. Die Staatsanwaltschaft leitete daraufhin gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung ein. Der Kläger ließ sich in diesem - später eingestellten - Verfahren anwaltlich vertreten und beantragte bei seinem Dienstherrn die Gewährung dienstlichen Rechtsschutzes in Strafsachen, was dieser ablehnte. Nach erfolglosem Widerspruch erhob er Klage vor dem VG, welches die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtete und die Klage im Übrigen abwies. Das OVG hat die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Gründe:

Ein Anspruch auf Kostenübernahme durch die Beklagte ergibt sich weder aus der Verwaltungspraxis der Beklagten i. V. m. Art. 3 Abs. 1 GG (1.) noch unmittelbar aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gemäß § 79 BBG in der Fassung bis zum 11.2. 2009 - jetzt: § 78 BBG - (2.). Aus den Richtlinien zur Gewährung von Rechtsschutz in Strafsachen für Bundesbedienstete kann der Kläger mangels unmittelbarer Außenwirkung keinerlei Ansprüche herleiten. Diese haben keinen Rechtsnormcharakter, sondern wirken lediglich innerhalb der Verwaltung und dienen der gleichmäßigen Handhabung der Gewährung von Rechtsschutz.

1. Ein Anspruch "nach Maßgabe" der sog. Rechtsschutzrichtlinie kommt nach dem Vorstehenden allenfalls mittelbar insofern in Betracht, als sich der Inhalt der Richtlinie mit der tatsächlichen Handhabung der Verwaltungspraxis deckt. Grundlage des Anspruchs ist in diesem Zusammenhang allein die Selbstbindung der Verwaltung gemäß dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Entscheidend ist somit, dass der Kläger nur einen Anspruch auf Gleichbehandlung entsprechend der in der Verwaltungspraxis zum Ausdruck kommenden Ermessensbindung der Verwaltung hat. Hier ist der Gleichheitssatz nicht verletzt, weil die an der Rechtsschutzrichtlinie orientierte Verwaltungspraxis der Beklagten die Gewährung von Rechtsschutz für Fälle der vorliegenden Art nicht vorsieht.

Die Beklagte hat hinreichend substantiiert dargelegt, dass sie im Fall des Klägers entsprechend ihrer Verwaltungspraxis entschieden hat. Demnach gewährt sie Rechtsschutz nicht in allen Fällen, die in irgendeinem, sondern allein in solchen, die in einem engen Zusammenhang mit der dienstlichen Verrichtung stehen. Ein irgendwie gearteter, mittelbarer Zusammenhang - der bei der Fahrt zum Amtsgericht, um dort in der Eigenschaft als Polizeivollzugsbeamter eine Zeugenaussage zu tätigen, durchaus vorliegt und letztlich von der Beklagten auch nicht bestritten wird - reicht nach ihrer Praxis jedenfalls nicht aus.

Nach den Ausführungen der Beklagten wird dienstlicher Rechtsschutz, der der unbeeinflussten, pflichtgemäßen Amtsführung dient, vgl. hierzu allgemein: Plog/Wiedow/Bayer/Lem-höfer, BBG, Loseblattkommentar, Stand: Dezember 2008, Anh. VI/16 Rn. 1, gewährt, um die Bediensteten unter bestimmten Voraussetzungen von den Sonderbelastungen freizustellen, die sich aus einer im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Tätigkeit oder Stellung als Beamter erfolgten, im Nachhinein aber nicht gerechtfertigten Strafverfolgung ergäben. Dadurch soll die innere Unabhängigkeit des Beamten gestärkt und seine Bereitschaft zur Wahrnehmung solcher Tätigkeiten entsprechend berücksichtigt werden. Er soll sich an der Übernahme der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Dienstaufgaben nicht durch die Angst vor unberechtigter Strafverfolgung und den damit verbundenen Belastungen gehemmt oder gar gehindert sehen - weshalb im Übrigen die Gewährung von dienstlichem Rechtsschutz als im Interesse des Dienstherrn liegend anzusehen ist -. Das betrifft namentlich den Fall der Wahrnehmung hoheitlicher Vollzugsaufgaben oder der Ausübung von Zwang in Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse. In diesen Fällen ist nach der Praxis der Beklagten der Dienstherr gefordert, weil insoweit die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung gegenüber der Wahrnehmung anderer Funktionen als eindeutig erhöht erachtet wird.

Vgl. in diesem Zusammenhang: VGH Bad.-Württ., Urteil vom 9.7.1991 - 4 S 1370/90 -, juris (Rn. 18), und Beschluss vom 27.9.1996 - 4 S 3322/94 -, juris (Rn. 8); OVG Rh.-Pf., Urteil vom 28.6.2000 - 2 A 10283/00 -, NVwZ-RR 2001, 115 (116) DÖD 2001, 179 (180) = RiA 2001, 203 (205) und juris (Rn. 29).

Diese der Verwaltungspraxis der Beklagten zugrunde liegenden Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand. Insbesondere unter Fürsorgegesichtspunkten ist es sachlich gerechtfertigt, danach zu differenzieren, in welchem Grad eine dienstliche Tätigkeit als solche bereits die Gefahr birgt, dass der Beamte einer strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt wird.

Ausgehend davon behandelt die Beklagte die Fahrt mit dem privaten PKW direkt zu dem Gericht, an dem eine Zeugenaussage zu tätigen ist, wie die Dienstantrittsfahrt zur Dienststelle. Das ist sachgerecht, denn beide Fälle sind im Wesentlichen vergleichbar, da es im gegebenen Zusammenhang regelmäßig - wie hier - keinen erheblichen Unterschied macht, ob jemand morgens direkt seine Dienststelle zum Dienstantritt ansteuert oder zunächst einen anderen Ort, an dem er seinen Dienst zu verrichten hat. Wenn die Beklagte für Ermittlungsverfahren wegen Verkehrsunfällen, die sich auf den Fahrten der Bediensteten zum Dienstort ereignen, grundsätzlich den in Rede stehenden dienstlichen Rechtsschutz nicht gewährt, dann kann dem Kläger unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes deswegen auch ein entsprechender Anspruch nicht zustehen. Das gilt unbeschadet der Frage, ob der konkret in Rede stehende Fall für die Beklagte neu ist, so dass sich insoweit noch keine Verwaltungspraxis herausgebildet haben könnte. Denn gegebenenfalls hätte die Beklagte mit der Einbeziehung des Falles des Klägers an den Zweck ihrer Verwaltungspraxis dem Gleichheitssatz genügend angeknüpft und damit rechtsverbindlich deutlich gemacht, wie sie künftig derartige (weitere) Fälle zu behandeln gedenkt (antizipierte Verwaltungspraxis der Beklagten zur Rechtsschutzgewährung).

Vgl. dazu allgemein: OVG Rh.-Pf., Urteil vom 28.6.2000 - 2 A 10283/00 -, NVwZ-RR 2001, 115 (116) = DÖD 2001, 179 (180) = RiA 2001, 203 (205) und juris (Rn. 28).

Die - unterstellte - Tatsache, dass die Gewährung dienstlichen Rechtsschutzes für einen Fall wie den vorliegenden bislang noch nicht strittig gewesen ist, kann nicht dazu führen, den ersten auftretenden Fall im Sinne des Klägers entscheiden zu müssen. Eine solche Schlussfolgerung verbietet sich schon deshalb, weil es sonst der Verwaltung unmöglich wäre, Präzedenzfälle unter Sachgesichtspunkten zu bewerten und dabei eine Praxis zu entwickeln, die nicht (voll) dem Begehren bzw. den Interessen der Bediensteten entspricht.

Die hier erfolgte Parallelisierung der Fahrt des Klägers mit einer Dienstantrittsfahrt ist nach allem rechtmäßig. Für eine Privilegierung des Klägers bietet namentlich der Umstand keinen Anlass, dass er seine erste dienstliche Verrichtung an dem fraglichen Tag nicht in seiner Dienststelle, sondern im Amtsgericht E. zu erledigen hatte. Entscheidend ist, dass er weder auf dem Weg zur Dienststelle noch auf dem Weg zum Amtsgericht mit seinem PKW bereits dienstliche Verrichtungen im Sinne der Verwaltungspraxis der Beklagten zu bewältigen hatte. Der von der Beklagten geforderte "enge Zusammenhang" kann frühestens mit Dienstantritt eintreten, so dass der Dienstantritt der frühestmögliche Zeitpunkt für die Gewährung dienstlichen Rechtsschutzes ist. Der Dienstantritt kann die vom Kläger vermisste Trennlinie zwischen der Gewährung von Rechtsschutz und seiner Ablehnung sachangemessen markieren; dass nach der Praxis der Beklagten die Trennlinie einen noch engeren Bereich unterschiedlicher Aufgabenwahrnehmungen erfasst, weil innerhalb der Dienstausübung Rechtsschutz nur bei der Wahrnehmung besonderer hoheitlicher Aufgaben gewährt wird, ist vorliegend schon nicht mehr erheblich, da der Kläger noch nicht einmal die Grenze des Dienstantritts überschritten hatte. Jene Praxis würde allerdings erst recht zum Nachteil des Klägers greifen, käme es auf sie an.

Solange der Kläger noch mit seinem privaten PKW vom Wohnort aus unterwegs war, hatte er seinen Dienst noch nicht angetreten. Anders wäre es allenfalls dann, wenn die Inanspruchnahme des privaten Fahrzeugs für dienstliche Zwecke - unabhängig davon, ob der Dienstgang als solcher gesondert anzeigepflichtig war - ausdrücklich genehmigt war, was vorliegend nicht der Fall ist. Dementsprechend gehört es zur von der Beklagten praktizierten Übung, dienstlichen Rechtsschutz bei der (ungenehmigten) Benutzung eines privaten PKW zu versagen, wenn für die Fahrt - wie hier - auch ein Dienstfahrzeug hätte genutzt werden können. Wäre der Kläger hingegen erst zur Dienststelle gefahren, dort in ein Dienstfahrzeug eingestiegen und sodann auf dem Weg zum Amtsgericht verunfallt, so hätte ihm die Beklagte zwar nach ihrem Vortrag dienstlichen Rechtsschutz gewährt. Darin liegt jedoch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die Fälle sind schon gar nicht vergleichbar, weil im letzteren Fall der Kläger bereits seinen Dienst angetreten hätte, was für die Fahrt mit dem privaten PKW zur Dienststelle oder zu einem anderen Ort, an dem dann der Dienst aufgenommen werden soll, nicht gilt. Im Übrigen darf die Beklagte im Rahmen ihrer Ermessensausübung generalisierend Fallgruppen bilden. Soweit sie dabei in der Benutzung des polizeilichen Dienstfahrzeugs eine Art der Ausübung von Vollzugstätigkeiten sieht mit der Folge, dass bei Unfällen in diesen Konstellationen dienstlicher Rechtsschutz gewährt wird, ist dies nicht zu beanstanden. Wirtschaftliche Überlegungen, dass es möglicherweise nicht sinnvoll gewesen wäre, den (hier marginalen) Umweg über die Dienststelle zu nehmen, um dort in ein Dienstfahrzeug zu steigen, spielen hierbei keine Rolle.

Der Kläger hat diese Verwaltungspraxis nicht in Frage gestellt. Insbesondere hat er keine(n) Kollegen benannt, denen bzw. dem die Beklagte in einem vergleichbaren Fall, also bei einem Wegeunfall mit Personenschaden, Rechtsschutz gewährt hätte.

Dem Kläger ist durchaus zuzustimmen, dass es zu den häufig vorkommenden Tätigkeiten eines Polizeivollzugsbeamten gehört, vor Gericht - mit Aussagegenehmigung des Dienstherrn - als Zeuge auszusagen. Von der Aussage vor Gericht kann jedoch die Fahrt dorthin vertretbar getrennt werden. Es ist keineswegs zwingend, aus dem Umstand der Üblichkeit, dass Polizisten vor Gericht als Zeugen auftreten, auch zu schließen, dass demnach für Unfälle auf dem Weg zum Gericht Rechtsschutz durch den Dienstherrn zu gewähren sei. Die Beklagte hat jedenfalls deutlich gemacht, dass dies nicht ihrer Verwaltungspraxis entspricht.

Die geschilderte Verwaltungspraxis ist von der Beklagten nicht lediglich bloß vorgeschoben. Sie steht - entgegen der Auffassung des Klägers - vielmehr im Einklang mit der Richtlinie zur Gewährung von Rechtsschutz in Strafsachen für Bundesbedienstete vom 29.11.1999.

Der von der Beklagten für die Gewährung von dienstlichem Rechtsschutz geforderte enge Zusammenhang der Verrichtung bzw. des Verhaltens mit der dienstlichen Tätigkeit findet seinen Niederschlag ausdrücklich in der Richtlinie selbst, und zwar in Nr. 1 Satz 2 Buchstabe a) RL 1999. Demnach besteht ein dienstliches Interesse an einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung, welches weitere "Gewährungsvoraussetzung" ist, in der Regel bei Polizeivollzugsbeamten und anderen Bediensteten, "soweit sie Vollzugsaufgaben wahrnehmen oder in Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse Zwang ausüben". Durch die mit dem Wort "soweit" erfolgte Einschränkung hat bereits der Richtliniengeber zum Ausdruck gebracht, dass nicht jeder Zusammenhang mit einer dienstlichen Tätigkeit die Gewährung von Rechtsschutz in einem anschließenden Verfahren nach sich zieht. Die - und sei es gegebenenfalls auch nur beispielhaft aufgeführte - Wahrnehmung von Vollzugsaufgaben sowie die Ausübung von Zwang in Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse (z. B. bei einer Einsatzfahrt oder bei der Festnahme eines Verdächtigen) betreffen den ureigenen Bereich hoheitlichen Handelns. Gerade bei Ausübung dieser Tätigkeiten besteht in besonderer Weise die Gefahr eines strafrechtlich relevanten Verhaltens durch die handelnden Beamten. Um diesen die Angst vor strafrechtlicher Verfolgung und den damit verbundenen Kosten zu nehmen, so dass sie "unbelastet" ihren Aufgaben nachgehen können, wird im Falle der Einleitung eines strafrechtlichen Verfahrens vom Dienstherrn Rechtsschutz durch Zurverfügungstellung entsprechender Mittel gewährt.

Ausgehend von diesen ausdrücklich in der Richtlinie verorteten Anhaltspunkten ist es der Beklagten schon von daher nicht verwehrt, Rechtsschutz nur bei dem geschilderten engen Zusammenhang zur Tätigkeit des Beamten zu gewähren, sofern sie diese Praxis bei allen ihren Bediensteten in gleicher Weise anwendet und solange die Praxis nicht derart restriktiv gehandhabt wird, dass möglicherweise die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern verletzt wird, weil etwa die Gewährung von dienstlichem Rechtsschutz den Bediensteten (nahezu) gänzlich versagt bliebe. Anhaltspunkte dafür sind nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen. Daher ist es unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte Beamte des Polizeivollzugsdienstes bei der Wahrnehmung ihrer ihnen zugewiesenen hoheitlichen Aufgaben und Befugnisse als spezifisch gefährdet einstuft und insoweit ein dienstliches Interesse an einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung im Sinne der Richtlinie regelmäßig als gegeben ansieht, vgl. VG Aachen, Urteil vom 23.4.2008 - 1 K 333/08 -, juris (Rn. 33), dies jedoch bei der Fahrt zum Dienst mit dem privaten PKW - also vor Dienstantritt - verneint.

Dem steht nicht entgegen, dass der Wortlaut im ersten Satz der Richtlinie recht offen und scheinbar einschränkungslos formuliert ist. So heißt es in Nr. 1 Satz 1 RL 1999, dass einem Bediensteten auf seinen schriftlichen Antrag die Gewährung von Rechtsschutz in Strafsachen zu gewähren ist, wenn gegen ihn wegen einer dienstlichen Verrichtung oder eines Verhaltens, das mit einer dienstlichen Tätigkeit im Zusammenhang steht, ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft oder eine Untersuchung vor einem Seeamt eingeleitet, die öffentliche Klage im strafgerichtlichen Verfahren oder Privatklage nach § 374 StPO erhoben oder der Erlass eines Strafbefehls beantragt worden ist. Abgesehen davon, dass dieser Passus in Buchstabe a) mit dem Merkmal des dienstlichen Interesses bereits näher - und zwar einschränkend - konkretisiert wird (s. o.), kommt es bei Verwaltungsvorschriften nicht auf ihren Wortlaut an. Anders als bei Rechtsnormen kommt es für deren Auslegung als Willenserklärung des Dienstherrn nach der auch im Verwaltungsrecht geltenden Regel des § 133 BGB auf den wirklichen Willen des Erklärenden an. Deswegen sind Verwaltungsvorschriften - wie die in Rede stehende - gemäß der von ihrem Urheber gebilligten oder zumindest geduldeten tatsächlichen Verwaltungspraxis auszulegen; Anhaltspunkte dafür, dass die geschilderte Praxis der Beklagten vom Urheber der Richtlinie - Bundesministerium des Innern - nicht zumindest geduldet werde, sind nicht ersichtlich. Die Richtlinien sind deswegen so auszulegen, wie sie tatsächlich angewendet werden. Auf einen der Praxis etwa entgegenstehenden Wortlaut kommt es nicht an.

Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13.8.2008 - 1 WB 10.08 -, DokBer B 2009, 36 (39) und juris (Rn. 17), vom 28.5.2008 - 1 WB 19.07 -, juris (Rn. 23), und Urteile vom 2.3.1995 - 2 C 17.94 -, ZBR 1995, 238, m.w.N., sowie vom 23.4.2003 - 3 C 25.02 -, NVwZ 2003, 1384; OVG NRW, Beschlüsse vom 8.6.2006 - 1 A 2809/04 - und vom 21.2.2006 - 1 A 2468/04 -; OVG NRW, Urteil vom 28.10.1999 - 12 A 4187/97 -, NWVBl. 2000, 184 = DÖD 2000, 162 (163) = RiA 2000, 295 (296) und juris (Rn. 2).

Sind demnach die Verwaltungsvorschriften nicht wie Rechtsnormen auszulegen, kann sich der Kläger nicht darauf berufen, dass ihm - nach seiner Lesart - nach dem Wortlaut zu Beginn der Richtlinie der geltend gemachte Anspruch zu gewähren sei. Im Übrigen steht der Wortlaut der tatsächlichen Verwaltungspraxis nicht einmal entgegen, weil sich schon - wie gezeigt - aus dem Wortlaut der von der Beklagten geforderte enge Zusammenhang zwischen der Verrichtung bzw. des Verhaltens mit der dienstlichen Tätigkeit ergibt (Nr. 1 Satz 2 Buchstabe a) RL 1999).

Ohne einen hinreichend gegebenen sachlichen Bezug verweist der Kläger schließlich darauf, dass ihm auf der Fahrt zum Amtsgericht E. Wegeunfallschutz nach den §§ 30 ff BeamtVG zugestanden hätte. Daraus folgert er, dass ihm für das Ermittlungsverfahren, welches aufgrund des auf diesem Weg erfolgten Unfalls eingeleitet wurde, ebenfalls Rechtsschutz zu gewähren sei. Ob hier überhaupt ein Dienstunfall i. S. d. § 31 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 BeamtVG vorliegt, mag dahingestellt bleiben. Da nicht unmittelbar die Dienststelle angesteuert wurde und auch keiner der in § 31 Abs. 2 Sätze 2 und 3 BeamtVG genannten Fälle vorliegt, erscheint dies eher zweifelhaft. Jedenfalls führt aber selbst der (unterstellte) Anspruch auf Gewährung von Unfallfürsorge nicht zwingend dazu, dass dem Kläger deshalb auch dienstlicher Rechtsschutz gewährt werden müsste. Unter Fürsorgegesichtspunkten im Sinne des § 79 BBG a. F. müssen Unfallfürsorge einerseits und Rechtsschutzgewährung andererseits vom Dienstherrn keineswegs parallel ausgestaltet sein, da insoweit keine gleich zu behandelnden Fälle vorliegen. Das ergibt sich schon daraus, dass beide Leistungen unterschiedliche Zwecke verfolgen. Bei der Unfallfürsorge geht es primär um die Wiederherstellung der körperlichen Integrität des Beamten, damit er dem Dienstherrn mit seiner Arbeitskraft wieder zur Verfügung steht. Erst wenn dies nicht gelingt, greift sekundär der Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Absicherung des Beamten.

Vgl. Plog/Wiedow/Groepper/Tegethoff, BBG, Loseblattkommentar, Stand: Dezember 2008, § 30 BeamtVG Rn. 6 f.

Hingegen verfolgt die Gewährung dienstlichen Rechtsschutzes einen davon abweichenden Sonderzweck, so dass hierfür schon deshalb keine Folgerungen aus dem Wegeunfallschutz abgeleitet werden können.

Wenn der Gesetzgeber innerhalb seines Gestaltungsspielraums das Recht der Unfallfürsorge als einen Aspekt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in den §§ 30 ff BeamtVG umfangreich normiert und dabei insbesondere auch Wegeunfälle einbezieht, so kann daraus nicht geschlossen werden, dass unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge zwingend auch Rechtsschutz bei Unfällen auf dem Weg zum Dienst zu gewähren wäre. Der Dienstunfallschutz kann daher, soweit dabei die Grenzen des bestehenden Gestaltungsspielraums, die sich insbesondere aus dem Wesenskern der Fürsorgepflicht ergeben, nicht überschritten werden, weiter reichen als die Gewährung dienstlichen Rechtsschutzes.

Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Rechtsnormen, welche die Beklagte zur Gewährung von Rechtsschutz verpflichten, existieren nicht. Somit steht die Gewährung von dienstlichem Rechtsschutz im grundsätzlich weiten Ermessen der Beklagten. Das durch § 79 BBG a. F. eingeräumte Ermessen hat der Richtliniengeber bereits mit Erlass der Richtlinie ausgeübt. Die RL 1999 bzw. die auf deren Grundlage gehandhabte und nach dem Vorstehenden letztlich maßgebliche Verwaltungspraxis dient der Gewährleistung der gleichmäßigen Handhabung dieses Ermessens. Die Anwendung einer solchen Richtlinie auf den Einzelfall stellt eine rechtmäßige Ermessensausübung dar, sofern nicht die Richtlinie bzw. ihre Anwendung im konkreten Fall gegen Sinn, Zweck und Wesensgehalt des Gesetzes verstößt, dessen Ausführung sie dienen soll.

Vgl. VG Kassel, Urteil vom 19.6.2008 - 7 E 213/05 -, juris (Rn. 15).

Hierfür ist nichts ersichtlich, wie im Folgenden unter 2. zu zeigen sein wird. Im Übrigen bedurfte es nicht der ausdrücklichen Anstellung von (weitergehenden) Ermessenserwägungen durch die Beklagte: Da bereits nach der nicht zu beanstandenden Verwaltungspraxis auf der Grundlage der RL 1999 die ermessensleitenden Voraussetzungen für die Gewährung von dienstlichem Rechtsschutz nicht vorlagen, waren der Beklagten keine Handlungsoptionen eröffnet. Erst recht scheidet deswegen eine Ermessensreduzierung auf Null zugunsten des Klägers aus.

2. Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch auf Gewährung dienstlichen Rechtsschutzes unmittelbar aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach § 2 BPolBG i.V.m. § 79 BBG a. F. Hiernach hat der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Beamten und seiner Familie zu sorgen. Er schützt ihn bei seiner amtlichen Tätigkeit und in seiner Stellung als Beamter. Zu dieser Fürsorge- und Schutzpflicht des Dienstherrn, die zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nach Art. 33 Abs. 5 GG zählt, gehört seine Beistandspflicht in Fällen der Erfüllung dienstlicher oder außerdienstlicher Sonderpflichten. Jene Beistandspflicht kann u.a. auch dann gefordert sein, wenn gegen einen Beamten im Zusammenhang mit seiner Stellung oder Funktion als Beamter strafrechtlich ermittelt wird.

Vgl. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 28.6.2000 - 2 A 10283/00 -, NVwZ-RR 2001, 115 = DÖD 2001, 179 (180) = RiA 2001, 203 (204) und juris (Rn. 24); VG Aachen, Urteil vom 23.4.2008 - 1 K 333/08 -, juris (Rn. 24).

Ein unmittelbarer Anspruch aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn kommt nur in Betracht, wenn die Besonderheiten des Einzelfalls es ausnahmsweise gerechtfertigt erscheinen lassen und eine Nichtgewährung der begehrten Leistung ansonsten der Fürsorgepflicht grob widersprechen würde bzw. - m. a. W. - wenn die Fürsorgepflicht ansonsten in ihrem Wesenskern verletzt wäre.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 10.6.1999 - 2 C 29.98 -, ZBR 2000, 46 = DÖD 2000, 86 (87) und juris (Rn. 21 f); OVG NRW, Urteil vom 24.5.2006 - 1 A 3706/04 -, NVwZ-RR 2006, 800 (801) und juris (Rn. 43 f).

Daran wäre gegebenenfalls zu denken, wenn die Gewährung von dienstlichem Rechtsschutz das einzig geeignete und notwendige Mittel wäre, damit der Kläger im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren überhaupt seine Rechte wahrnehmen könnte. Hierfür gibt der vorliegende Fall nichts her. Die Ablehnung der Gewährung von dienstlichem Rechtsschutz stellt für den Kläger keine besondere Härte dar. Er ist nicht anders betroffen als jeder andere, der auf der Fahrt zu einer Zeugenaussage vor Gericht oder - hier von der Beklagten gleich behandelt - auch zur Dienststelle einen (Wege-)Unfall verursacht, bei dem eine Person leicht verletzt wird. Wenn daraufhin ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, lässt sich das noch den allgemeinen Lebensrisiken zuordnen, die jeden treffen können, und deren Folgen er vorrangig aus eigenen Mitteln bewältigen muss. Die Zeugenaussage vor Gericht ist in erster Linie eine staatsbürgerliche Pflicht, die nicht nur Polizeibeamte trifft. Zwar ist es zutreffend, dass gerade diese Berufsgruppe häufiger zu Zeugenaussagen geladen wird als andere Bürger, gleichwohl ist hierbei - und erst recht auf dem Weg dorthin - der dienstliche Zusammenhang deutlich gelockerter als bei der Wahrnehmung unmittelbar hoheitlicher Aufgaben. Hinzu kommt, dass der Kläger nicht schutzlos war: Das ergibt sich daraus, dass die Gewerkschaft der Polizei bereits die Rechnung seines Strafverteidigers beglichen hat. Hierzu war sie auch nach § 3 ihrer Satzung i. V. m. § 3 ihrer Rechtsschutzordnung verpflichtet. Dabei ist unerheblich, ob der gewerkschaftliche Rechtsschutz nach den Angaben des Klägers lediglich nachrangig gegenüber dem eingeklagten Anspruch auf dienstlichen Rechtsschutz - sofern ein solcher denn besteht - gewährt werden soll. Für die Frage nach dem Vorliegen eines groben Widerspruchs zur Fürsorgepflicht mit der Folge eines unmittelbaren Anspruchs aus § 79 BBG a. F. genügt die Feststellung, dass der Kläger im Endeffekt jedenfalls keineswegs (rechts-)schutzlos war. Daher besteht schon keine Veranlassung, ausnahmsweise unmittelbaren Rückgriff auf § 79 BBG a. F. zu nehmen. Die Fürsorgepflicht verpflichtet den Dienstherrn nicht, zu allen Aufwendungen, die in irgendeiner Weise mit dienstlichen Tätigkeiten zusammenhängen, entsprechende finanzielle Hilfe zu gewähren.

Vgl. BVerwG, Urteile vom 10.6.1999 - 2 C 29.98 -, ZBR 2000, 46 = DÖD 2000, 86 (87) und juris (Rn. 21 f), und vom 31.1.2002 - 2 C 1.01 -, ZBR 2002, 401 (402) = DÖD 2002, 172 (173) und juris (Rn. 17).

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