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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 06.10.2004
Aktenzeichen: 1 A 650/02
Rechtsgebiete: GG, RPflG, ArbZV NRW


Vorschriften:

GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 92
GG Art. 97 Abs. 1
RPflG § 9
ArbZV NRW § 1
ArbZV NRW § 7 a
Auch nach dem Inkrafttreten des Dritten Gesetzes zur Änderung des Rechtspflegergesetzes vom 6.8.1998 können Rechtspfleger aufgrund der ihnen in § 9 RPflG zuerkannten sachlichen Unabhängigkeit nicht verlangen, nach dem Vorbild der Richter von Regelungen über allgemein festgelegte Dienststunden - hier in einer Dienstvereinbarung betreffend Einführung der gleitenden Arbeitszeit - ausgenommen zu werden, in deren Geltungsbereich sie nach ihrem beamtenrechtlichen Status grundsätzlich fallen.
Tatbestand:

Der Kläger steht als Justizamtsrat im gehobenen Landesjustizdienst. Er wird als Rechtspfleger bei einem Amtsgericht eingesetzt. Mit seinem Dienstherrn stritt er in dem vorliegenden Verfahren über die Wirksamkeit einer Dienstvereinbarung betreffend Regelungen zur gleitenden Arbeitszeit. Diese Vereinbarung sieht Ausnahmeregelungen für die Rechtspfleger, was deren Bindung an das festgelegte Arbeitszeitmodell betrifft, nicht vor. Der Kläger vertritt gleichwohl den Rechtsstandpunkt, dass er mit Blick auf seine Rechtspflegerfunktion, die der Funktion eines Richters zumindest weitgehend angenähert sei, nicht an regelmäßige Dienstzeiten gebunden sei bzw. gebunden werden könne. Das ergebe sich schon aus der einfach-gesetzlichen bestimmten sachlichen Unabhängigkeit des Rechtspflegers in § 9 RPflG und der Ausgestaltung der Stellung des Rechtspflegers in eben jenem Gesetz (in der Fassung des 3. Änderungsgesetzes vom 6.8.1998).

Das VG wies die Klage ab. Auch die Berufung des Klägers vor dem OVG mit dem Antrag, die Nichtigkeit der betreffenden Regelungen der Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit festzustellen, soweit sie auch Rechtspfleger in ihren Geltungsbereich mit einbezieht, hatte keinen Erfolg. Die Revision wurde zugelassen. Sie ist eingelegt worden.

Gründe:

Der Kläger ist an das mit der in Rede stehenden Dienstvereinbarung für die Dienststelle mit Anspruch auf generelle Beachtung begründete Arbeitszeitmodell gebunden. Er wird von dem persönlichen Geltungsbereich der Dienstvereinbarung erfasst. Der Kläger gehört zu den Angehörigen des nichtrichterlichen Dienstes im Sinne der Dienstvereinbarung, nämlich zu den Beamten. Für eine Ausnahme oder "Befreiung" von der Dienstvereinbarung bietet diese für Beschäftigte wie den Kläger keine Grundlage. Der Kläger gehört insbesondere nicht zu der Gruppe von Beschäftigten, die nach Nr. 3.2 DV-GLAZ wegen der Eigenart ihrer Dienstverpflichtungen von der gleitenden Arbeitszeit ausgenommen sind (z. B. Gerichtsvollzieher).

Die in Rede stehende Dienstvereinbarung ist nicht etwa deshalb wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam und damit nichtig, weil sie eine Ausnahme oder Befreiung von ihrer Anwendung für Rechtspfleger wie den Kläger nicht vorsieht.

Die durch die Dienstvereinbarung erfolgte Einbeziehung der Rechtspfleger in ein Modell der gleitenden Arbeitszeit steht auch ohne eine solche Ausnahme oder Befreiung in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des gesetzlichen Arbeitszeitrechts.

Letzteres beurteilt sich hier nach Maßgabe der auf der Grundlage des § 78 Abs. 3 LBG erlassenen Verordnung über die Arbeitszeit der Beamten im Lande Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 28.12.1986 (GV. NRW. 1987 S. 15) - ArbZV - mit nachfolgenden Änderungen. Der Kläger wird von dem persönlichen Geltungsbereich dieser (u. a.) die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit näher bestimmenden Verordnung erfasst. Denn sie gilt gemäß ihrem § 1 Abs. 1 grundsätzlich für alle Beamten. Nach seinem Status ist der Kläger unbeschadet der wahrgenommenen Funktion eines Rechtspflegers Beamter des gehobenen Justizdienstes. Zu den Beamtengruppen, die gemäß § 1 Abs. 2 ArbZV ausdrücklich von deren Geltungsbereich ausgenommen wurden (z. B. Professoren, Lehrer, Polizeivollzugsbeamte), gehört der Kläger ersichtlich nicht.

Mit Blick auf die konkret im Streit stehende gleitende Arbeitszeit ermächtigt § 7 a Abs. 1 ArbZV grundsätzlich dazu, Regelungen hierüber durch Dienstvereinbarung zu treffen. Die genannte Norm stellt deswegen eine gesetzliche Regelung im Sinne des § 70 Abs. 1 LPVG NRW dar, die ausdrücklich eine entsprechende Dienstvereinbarung zulässt. Unbeschadet dessen räumt zwar § 7 a Abs. 2 Ziffer 1 ArbZV aus dienstlichen Gründen (dem Dienststellenleiter?) die Möglichkeit ("kann") ein anzuordnen, dass einzelne Beamte oder Gruppen von Beamten allgemein oder im Einzelfall dauernd oder vorübergehend von der Inanspruchnahme der gleitenden Arbeitszeit ausgenommen werden. Es fehlt aber an dem höherrangigen Recht zu entnehmenden Ermessensdirektiven, welche insoweit - wie auch bei der näheren Ausgestaltung der Regelungen in der Dienstvereinbarung selbst - jede andere Entscheidung als die Einbeziehung der Rechtspfleger (bzw. zumindest bestimmter Aufgabengebiete der Rechtspflegertätigkeit) in eine solche Ausnahme als ermessensfehlerhaft erscheinen lassen würden.

Das Verfassungsrecht enthält eine derartige Direktive zugunsten des Klägers nicht. Rechtspfleger sind statusrechtlich und auch im Sinne des Verfassungsrechts (Art. 92, 97 GG) keine Richter.

Vgl. nur - aus jüngerer Zeit - etwa BVerfG, Beschluss vom 18.1.2000 - 1 BvR 321/96 -, NJW 2000, 1709; Schulze-Fielitz, in: Dreier, GG, Art. 92 Rn. 53, jeweils m.w.N.

Vor diesem Hintergrund besteht kein Anhalt für eine sich (unmittelbar) aus der Verfassung ergebende Verpflichtung, die dort für Richter bestimmten Grundsätze, aus denen - worauf nachfolgend noch näher eingegangen wird - ihrerseits Folgerungen für die (fehlende) Verpflichtung zur Einhaltung bestimmter Dienstzeiten gezogen werden, automatisch und deckungsgleich auf Rechtspfleger zu übertragen. Das ist durch die bisher vorliegende Rechtsprechung hinreichend geklärt; vgl. etwa OVG NRW, Urteile vom 13.8.1997 - 12 A 6457/95 -, DÖD 1999, 63, und vom 4.12.1990 - 12 A 656/88 -; Nds. OVG, Urteil vom 4.9.1996 - 2 L 7916/94 -, DÖD 1997, 89; jeweils m.w.N.; es wird als solches mit der Berufung auch nicht in Zweifel gezogen.

Fehlt es aber an verfassungsrechtlichen Vorgaben, könnte nur noch einfaches Gesetzesrecht, namentlich gemäß Art. 31 GG dem Landesrecht vorgehendes Bundesrecht dazu zwingen, Rechtspfleger von Arbeitszeitregelungen der in Rede stehenden Art zu befreien, dessen Existenz ggf. dazu führen würde, dass die in Rede stehende Dienstvereinbarung nichtig ist. Ein entsprechendes Gesetz gibt es indes nicht.

Zwar meint der Kläger, wie er in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat noch weiter erläutert hat, dass - unabhängig von verfassungsrechtlichen Vorgaben - bereits die dem Rechtspfleger durch § 9 RPflG einfach-gesetzlich eingeräumte sachliche Unabhängigkeit dahin ausgelegt werden müsse, dass sie die fehlende Bindung an allgemein festgelegte Dienststunden notwendig mit umfasse. Hierfür sprächen sowohl das überkommene Verständnis des vom Gesetzgeber in dieser Regelung bewusst verwendeten Begriffs der sachlichen Unabhängigkeit - namentlich bezogen auf den Richter - als auch die rechtstatsächliche Bewertung des zwischenzeitlich weiter fortentwickelten, dabei bei einer gebotenen funktionsbezogenen Sicht dem richterlichen immer näher kommenden Berufsbildes des Rechtspflegers. Die sich hieraus ergebende gesteigerte Qualität der Unabhängigkeit des Rechtspflegers lasse eine Anwendung der allgemeinen Dienstzeitregelungen und hier insbesondere der Regelungen über die Gleitzeit auf ihn als Rechtspfleger von vornherein nicht zu.

Dem vermag der Senat jedoch nicht zu folgen.

Das Rechtspflegergesetz enthält - auch in seinem § 9 - keine Regelungen, die sich ausdrücklich oder auch nur ihrem Inhalt nach hinreichend deutlich dazu verhielten, dass Rechtspfleger von der Einhaltung von Dienstzeiten befreit wären oder befreit werden müssten.

Nach dem Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes wäre es aber zumindest in erster Linie Aufgabe des Gesetzgebers, in diesem Punkt die nötige Klärung herbeizuführen. Dem Gesetzgeber obliegt es dabei zugleich, eine von ihm geschaffene Norm in einem Maße zu konkretisieren, dass ihre Fassung möglichst einen hinreichenden objektiven Anhalt für die Auslegung - etwa des sachlichen Geltungsumfangs - gibt. Für die in § 9 RPflG gesetzlich thematisierte sachliche Unabhängigkeit der Rechtspfleger folgt daraus: Es bedarf grundsätzlich der näheren Konkretisierung durch den Gesetzgeber (bzw. - im Falle einer entsprechenden Ermächtigung - durch den Verordnungsgeber) selbst, welchen Inhalt die den Rechtspflegern mit der in Rede stehenden einfach-gesetzlich zuerkannte Unabhängigkeit - vor allem in den Randbereichen ihres Kerngehalts - haben soll und wo ihre Grenzen liegen. Namentlich geht es darum festzulegen, ob es der sachlichen Unabhängigkeit der Gruppe der Rechtspfleger gewissermaßen immanent ist, dass ihre Bindung an allgemein für Beamte bzw. den nichtrichterlichen Dienst geltende Dienststundenregelungen außer Betracht zu bleiben hat. An einem diesbezüglich hinreichend eindeutigen Anhalt im Gesetz selbst fehlt es - insbesondere mit Blick auf das vom Kläger für richtig erachtete Auslegungsergebnis - hier allerdings.

§ 9 RPflG in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Rechtspflegergesetzes vom 6.8.1998 (BGBl. I S. 2030) lautet - unter der amtlichen Überschrift "Weisungsfreiheit des Rechtspflegers" - wie folgt: "Der Rechtspfleger ist sachlich unabhängig und nur an Recht und Gesetz gebunden". Zuvor hieß es unter der Überschrift "Selbständigkeit des Rechtspflegers" folgendermaßen: "Der Rechtspfleger ist bei seinen Entscheidungen nur dem Gesetz unterworfen (Satz 1). Er entscheidet, soweit sich nicht aus diesem Gesetz etwas anderes ergibt, selbständig (Satz 2)." Sowohl aus der neuen als auch aus der früheren Gesetzesfassung (Wortlaut des Gesetzes) ergibt sich nichts Eindeutiges in Richtung auf die hier konkret interessierende Fragestellung der Bindung an Dienstzeiten. Die (neu) gewählte Überschrift weist aber jedenfalls in die Richtung, dass in der Sache die "Weisungsfreiheit" des Rechtspflegers Kernbestandteil seiner sachlichen Unabhängigkeit sein soll. Diese ist nicht zwangsläufig mit der Freistellung von Dienstzeiten verknüpft. Denn selbständig und weisungsfrei kann der Rechtspfleger zumindest im Grundsatz auch dann arbeiten, wenn er dabei an festgelegte Dienststunden gebunden ist.

Vgl. OVG NRW, z. B. Urteil vom 13.8.1997 - 12 A 6457/95 -, a.a.O.

Davon abgesehen hat sich ein herkömmliches Begriffsverständnis der sachlichen Unabhängigkeit der Rechtspfleger bislang nicht derart konturenscharf herausbilden können, dass sämtliche - namentlich Randbereiche bzw. Rahmenbedingungen betreffende - Auslegungsfragen ohne Schwierigkeiten schon aus sich heraus beantwortet werden könnten. Einen allgemeingültigen Rechtssatz des Inhalts, dass jedwede einfach-gesetzlich festgelegte sachliche Unabhängigkeit einer bestimmten Berufsgruppe bzw. Gruppe von Funktionsträgern gewissermaßen automatisch zur Folge hätte, dass diese Gruppe - allein Kraft ihrer sachlichen Unabhängigkeit (Weisungsfreiheit) - von allgemein festgelegten Dienstzeiten befreit wäre, gibt es im Übrigen nicht. Ein solcher Rechtssatz wird auch von der Berufung nicht aufgezeigt.

Fehlt es somit im Falle des § 9 RPflG an hinreichend klaren Aussagen in der objektiven Gesetzesfassung selbst, um die vom Kläger befürwortete Auslegung zu stützen, sind ergänzend die Motive heranzuziehen, die der Einräumung sachlicher Unabhängigkeit in der jeweiligen Fallgruppe konkret zugrunde gelegen haben; auch diese rechtfertigen hier indes kein für den Kläger günstigeres Auslegungsergebnis.

Im Zuge der rein sprachlichen Änderung des § 9 RPflG durch das 3. Änderungsgesetz hat sich eine (beachtliche) inhaltliche Änderung des zuvor bestehenden Rechtszustandes nicht ergeben. Aus den Materialien zur Entstehungsgeschichte dieser Novelle ergibt sich vielmehr, dass mit der - nunmehr erstmals verwendeten - Formulierung "sachlich unabhängig" (lediglich) das Ziel verfolgt werden sollte, die schon bisher bestehende (der früheren Gesetzesformulierung des "selbständigen Entscheidens" entnommene) volle Weisungsfreiheit des Rechtspflegers bei der Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen.

Vgl. dazu auch Mielke, ZRP 2003, 442 (444).

So heißt es etwa in der Einzelbegründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zu Nr. 3 (§ 9 RPflG):

Die Änderung des § 9 hat nur redaktionellen Charakter. Es ist seit langem in Literatur und Rechtsprechung allgemein anerkannt, dass der Rechtspfleger im Rahmen der Bindungen an das Gesetz sachlich weisungsfrei, d. h. selbständig und frei von sonstigen Einflüssen, entscheidet. Dies soll nun auch im Gesetzestext deutlich zum Ausdruck kommen.

BT-Drucks. 13/1244 S. 7.

Eine fehlende Verpflichtung zur Einhaltung allgemein festgesetzter Dienststunden, denen die Rechtspfleger aufgrund ihres beamtenrechtlichen Status unterfallen, wurde aber bisher nach ganz überwiegender Auffassung nicht als notwendiger Bestandteil dieser umfassenden fachlichen Weisungsfreiheit begriffen, vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 13.8.1997 - 12 A 6457/95 -, a.a.O.; Nds. OVG, Urteil vom 4.9.1996 - 2 L 7916/94 -, a.a.O., obwohl sich der allgemeinen Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung zufolge (schon) "spätestens seit Inkrafttreten des Rechtspflegergesetzes vom 5.11.1969 ..... die Stellung des Rechtspflegers im justitiellen Bereich maßgeblich verändert" und "sich der Rechtspfleger vom ehemaligen Richtergehilfen zu einem eigenständigen Organ der Rechtspflege entwickelt" hatte.

Vgl. BT-Drucks. 13/10244 S. 1.

Infolgedessen fehlt jeder Anhalt, dass der Gesetzgeber gerade im Zuge des 3. Änderungsgesetzes zum Rechtspflegergesetz den Rechtspflegern zur Abstützung ihrer sachlichen Unabhängigkeit als ergänzende, bisher nicht innegehabte Rechtsposition die fehlende Bindung an allgemein festgelegte Dienstzeiten einräumen wollte.

Vgl. - zumindest im Ergebnis ebenso - auch Bay. VGH, Beschluss vom 2.12.1999 - 3 ZB 99.2439 -.

Für die durch Art. 9 des am 1.9.2004 in Kraft getretenen 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24.8.2004 (BGBl. I. S. 2198) bestimmten neuerlichen Änderungen, die u. a. eine Ermächtigung an die Landesregierung beinhalten, weitere in speziellen Angelegenheiten (Nachlass- und Teilungssachen sowie Registersachen) bestimmte Richtervorbehalte ganz oder teilweise aufzuheben, gilt im Prinzip nichts anderes.

Vgl. insoweit zu den Regelungen des Gesetzentwurfs BR-Drucks. 378/03 S. 24, 27 ff.; ferner Mielke, ZRP 2003, 442 (444 f.).

Hiernach besteht auch nach Auswertung der Motive des Gesetzgebers weder eine ausdrückliche noch eine ihrem Inhalt nach hinreichend deutliche gesetzliche Regelung, gegen welche eine Dienstvereinbarung verstoßen könnte, welche wie hier Rechtspfleger an das in der Dienststelle regelmäßig geltende Modell der gleitenden Arbeitszeit bindet.

Das vom Kläger verfolgte Rechtsschutzziel lässt sich schließlich auch nicht aus dem Umstand herleiten, dass in Bezug auf Richter, obschon es auch für diese an einer einschlägigen ausdrücklichen einfach-gesetzlichen Konkretisierung zur Bindung an Arbeitszeiten fehlt, unter maßgeblicher Herleitung aus deren sachlicher Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) allgemein davon ausgegangen wird, dass sie nicht an Dienstzeiten gebunden sind (und gebunden werden können). In Ermangelung von objektiven Anhaltspunkten im Gesetz, dass die den Rechtspflegern durch § 9 RPflG eingeräumte sachliche Unabhängigkeit eine solche "exakt nach dem Vorbild der Richter" sein soll, folgt allein hieraus nämlich keine staatliche Pflicht zur Gleichbehandlung bzw. zur entsprechenden Übertragung der für Richter insoweit geltenden Grundsätze auch auf Rechtspfleger.

Ausschlaggebend für die insoweit zulässige - sachliche - Differenzierung ist, dass richterliche Unabhängigkeit im Gegensatz zu derjenigen der Rechtspfleger umfassend verfassungsrechtlich legitimiert ist, dass Rechtspfleger - unbeschadet der bei einer rein an die Funktion anknüpfenden Sichtweise (wie sie der Kläger für richtig hält) zwischenzeitlich erfolgten Annäherung an die Arbeitsweise der Richter - nach wie vor einen anderen Status und keine den Richtern in jeder Hinsicht vollständig entsprechende - uneingeschränkte - sachliche Unabhängigkeit besitzen und dass sie schließlich auch - schon rein tatsächlich - in weit größerem Umfang in den allgemeine Geschäftsbetrieb eines Gerichts eingebunden sind als Richter. Darüber hinaus hat der Senat durchgreifende Zweifel, ob schon allein feststellbare, qualitativ indes nicht fixierbare Veränderungen in den der rechtlichen Bewertung zugrundegelegten Umständen, wie hier betreffend die zunehmende Annäherung von Tätigkeits- bzw. Berufsbildern der Richter und der Rechtspfleger, überhaupt ausreichen können, maßgeblicher Umschlagpunkt für die Interpretation einer Rechtsnorm zu sein. Dies gilt namentlich dann, wenn diese Norm - wie hier § 9 RPflG - insoweit selbst keine hinreichend deutlichen Hinweise gibt.

Zwar ist es richtig, dass betreffend (Berufs-)Richter traditionell davon ausgegangen wird, dass für diese eine Verpflichtung zur Einhaltung von festen Dienstzeiten nicht besteht. In einer frühen Entscheidung hat das BVerwG dies damit begründet, dass eine derartige Verpflichtung dem "Wesen des Richteramts" zuwiderlaufen würde.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.2.1981 - 6 C 45.78 -, DRiZ 1983, 170.

In einer späteren Entscheidung hat das BVerwG zu der Frage konkreter Stellung genommen und ausgeführt: Es handele sich nicht um ein "Privileg" des Richters, sondern sei Ausdruck seiner durch Art. 97 Abs. 1 GG gewährleisteten Unabhängigkeit. Die fehlende Bindung des Richters an bestimmte Dienstzeiten und die grundsätzlich ebenfalls nicht bestehende Verpflichtung, die Dienstgeschäfte an der Dienststelle zu erledigen (bestimmte auch für Richter bestehende Präsenzpflichten wie z. B. bei Sitzungen selbstverständlich ausgenommen), dienten insbesondere der sachlichen Unabhängigkeit des Richters, indem sie seine Selbständigkeit gegenüber der Dienstaufsicht und seine Freiheit, die richterliche Tätigkeit ohne Bindung durch die Dienstgewalt wahrzunehmen, sichere.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.1987 - 2 C 57.86 -, BVerwGE 78, 211.

Diese Ausführungen verdeutlichen, dass die betreffend Richter unmittelbar aus deren verfassungsrechtlich gewährleisteter (sachlicher) Unabhängigkeit abgeleitete Freistellung von Dienstzeiten nicht Selbstzweck, sondern vor allem ein - (nur) insoweit traditionell anerkanntes - Instrument der zusätzlichen Absicherung des sachlichen Kerngehaltes dieser Unabhängigkeit, nämlich der weisungs- und einflussfreien Wahrnehmung der richterlichen Dienstaufgaben ist. Lediglich als Tatsachenhintergrund wird dabei offenbar wohl mit zugrunde gelegt, dass das herkömmliche Berufsbild des Richters - bestimmte Tätigkeiten ausgenommen - allgemein seine Anwesenheit an Gerichtsstelle innerhalb bestimmter Zeiten aus dienstlichen Gründen nicht notwendig erfordert und dass sich der größere Teil der richterlichen Arbeit wie etwa das Überdenken und Absetzen der Entscheidungen sowie das Studium von Akten, Rechtsprechung und Schrifttum weitgehend auf einer von der Gerichts- und der Behördenorganisation losgelösten Ebene in Form eines höchstpersönlichen Erkenntnisprozesses vollzieht.

Vgl. hierzu insbesondere BGH, Urteil vom 16.11.1990 - RiZ 2/90 -, Rechtspfleger 1991, 102.

Zwar mag sich das Berufsbild der Rechtspfleger einer klassisch richterlichen Arbeitsweise angenähert haben, nachdem ihnen im Zuge der letzten Novellen des Rechtspflegergesetzes inzwischen vermehrt in Teilbereichen der Rechtspflege, nicht hingegen in deren Kernbereichen, Aufgaben zugewachsen sind, welche sie weitgehend selbständig und eigenverantwortlich zu bearbeiten haben. Gleichwohl ist der Rechtspfleger aber mit Blick etwa auf seine sonstigen Aufgaben, die auch früher nicht einem Richter oblegen haben, sowohl traditionell als auch heute noch wesentlich stärker in den allgemeinen Geschäftsbetrieb eines Gerichts eingebunden als ein Richter. Gleichfalls verblieben ist die Verpflichtung, ggf. sonstige seinem Beamtenstatus entsprechende Dienstgeschäfte außerhalb der Rechtspflegeraufgaben wahrzunehmen (§ 27 RPflG). Weiterhin haben der vermehrte Wegfall früherer Richtervorbehalte sowie die bereichsspezifischen Anreicherungen der den Rechtspflegern zur selbständigen Erledigung übertragenen Aufgaben - wie das VG in dem angefochtenen Urteil unter sorgfältiger Einzelanalyse aufgearbeitet hat - schon bei einer rein funktionsbezogenen Betrachtung jedenfalls nicht zu einer vollständigen Angleichung der Berufsbilder unter dem Blickwinkel des Umfangs und Ausprägungsgrades der jeweils bestehenden sachlichen Unabhängigkeit geführt; hieran hat sich auch durch die zusätzlichen Neuregelungen im 1. Justizmodernisierungsgesetz im Prinzip nichts geändert. Solange aber nicht einmal funktionsbezogen eine solche Angleichung erfolgt ist, kann unter Mitberücksichtigung der außerdem bestehen gebliebenen wesentlichen Unterschiede im Status, zur Zulässigkeit der Anknüpfung an statusbedingte Unterschiede vgl. in diesem Zusammenhang etwa BVerwG, Beschluss vom 15.2.1991 - 2 B 19.91 -, sowie bei der - im Falle der Rechtspfleger fehlenden - verfassungsrechtlichen Absicherung der Unabhängigkeit nicht davon ausgegangen werden, dass den Rechtspflegern - ähnlich wie den Mitgliedern des Bundesrechnungshofes (BRH) - eine "von Verfassungs wegen nach dem Vorbild der Richter" bestehende sachliche Unabhängigkeit zukommt, so für die Mitglieder des BRH allerdings BGH, Urteil vom 16.11.1990 - RiZ 2/90 -, a.a.O., die ohne ein konkretisierendes Tätigwerden des Gesetz- oder Verordnungsgebers - gewissermaßen aus sich heraus - eine Gleichstellung von Richtern und Rechtspflegern betreffend die (Nicht-)Einhaltung von Dienststunden geböte.

Es trifft im Übrigen entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu, dass der Bundesgerichtshof in der zuvor angeführten Entscheidung allein die Funktion und Arbeitsweise als ausschlaggebend für die Übertragung der aus der richterlichen Unabhängigkeit abgeleiteten freien Arbeitszeitgestaltung auf die Mitglieder des BRH angesehen hätte. Er hat vielmehr unter Ziffer 2. a) der abgedruckten Urteilsbegründung gerade maßgeblich betont, dass Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG den Mitgliedern des BRH "ohne jede Einschränkung richterliche Unabhängigkeit" gewähre, sie also "von Verfassungs wegen nach dem Vorbild der Richter unabhängig" seien. Gleiches lässt sich für die Rechtspfleger gerade nicht feststellen.

Soweit in Teilbereichen der den Rechtspflegern zugewiesenen Aufgaben die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung exemplarisch für Betreuungsangelegenheiten vor dem Senat geschilderten technischen Schwierigkeiten - etwa bei sinnvoll erscheinenden Außenterminen zu ungewöhnlichen Zeiten - auftreten sollten, sind diese im Rahmen der Gerichtsorganisation in ähnlicher Form möglichst unbürokratisch zu lösen, wie es beispielsweise auch möglich sein muss, dass Urkundsbeamte der Geschäftsstelle oder Kanzleibedienstete in besonderen Fällen auch außerhalb ihrer regelmäßigen Dienstzeiten bzw. der zeitlichen Erstreckung der Gleitzeit zur Dienstleistung zur Verfügung stehen müssen, falls dienstliche Belange dies erfordern. Es mag vor diesem Hintergrund ggf. gute Sachgründe geben, jedenfalls bestimmte Rechtspflegertätigkeiten von allgemeinen Dienstzeitregelungen auszunehmen. Es liegt aber vor dem Hintergrund der zuvor behandelten rechtlichen Grundlagen kein Verstoß gegen höherrangiges Recht vor, wenn in der hier vorliegenden Dienstvereinbarung eine entsprechende Ausnahme fehlt.

Ende der Entscheidung

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