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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 21.11.2005
Aktenzeichen: 1 B 1202/05
Rechtsgebiete: GG
Vorschriften:
GG Art. 33 Abs. 2 |
Tatbestand:
Im Rahmen eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes betreffend die Besetzung einer Gerichtspräsidentenstelle stritten die Beteiligten u. a. um die Frage, ob und inwieweit bei Bewerbern, die zueinander nicht in einer Beförderungs- bzw. Ämterhierarchie stehen, das höhere Statusamt das Gewicht der erzielten Beurteilungsnote (hier: jeweils der Höchstnote) zu verstärken mag.
Gründe:
Nicht zu beanstanden ist die inhaltliche Ausschöpfung (bzw. Auswertung) der Beurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen, wie sie den Erwägungen des Besetzungsvotums und nachfolgend dem angefochtenen Beschluss des VG zugrunde liegt. Diese steht entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht im Widerspruch zu dem Grundsatz vom höheren Gewicht der im höheren Statusamt erzielten (im Gesamturteil gleichlautenden) Leistungsbeurteilung.
Sind die Bewerber um ein Beförderungsamt im Gesamturteil der zugrunde liegenden Anlass- oder Regelbeurteilungen - ohne ausdrückliche Binnendifferenzierung in der vergebenen Notenstufe - hinsichtlich der im Beurteilungszeitraum erbrachten Leistungen (wie hier) gleich beurteilt worden, bedeutet dies noch nicht zwangsläufig, dass auch im Ergebnis von einem Qualifikationsgleichstand auszugehen wäre. Vielmehr ist der Dienstherr grundsätzlich berechtigt und in aller Regel zugleich verpflichtet, den weiteren Inhalt der Beurteilung daraufhin zu würdigen, ob sich aus ihm Anhaltspunkte für einen Qualifikationsvorsprung eines der Bewerber gewinnen lassen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. 2. 2004 - 6 B 2451/03 -, RiA 2004, 248 = DÖD 2005, 11; sinngemäß ebenso etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 8. 11. 2004 - 1 B 1387/04 - und vom 27. 11. 2001 - 1 B 1075/01 -, DÖD 2002, 285.
Gerade dies trägt den Grundsätzen der Bestenauslese exakter Rechnung und rechtfertigt sich zudem in Konsequenz der Rechtsprechung des BVerwG zur Ausschöpfung von (namentlich eignungsrelevanten) Aussagen in älteren Beurteilungen.
Vgl. zu dem letztgenannten Argumentationsansatz insbesondere OVG NRW, Beschluss vom 27. 2. 2004 - 6 B 2451/03 -, mit Zitaten zur Rechtsprechung des BVerwG.
Der gleichermaßen - wenn auch nicht einschränkungslos - geltende Grundsatz vom höheren Gewicht der in einem höheren Statusamt erzielten (mit derjenigen des Konkurrenten gleichlautenden) Beurteilung hat jedenfalls nicht automatisch zur Folge, dass bei gleichlautenden Gesamturteilen in Bezug auf Beurteilte, die nicht das gleiche bzw. ein gleichwertiges Statusamt innehaben, der für die Besetzung zuständigen Stelle (und auch den Gerichten) eine inhaltliche Ausschöpfung der Beurteilungen verwehrt wäre. Hierzu hat man sich den Hintergrund des zuvor angesprochenen Grundsatzes näher zu vergegenwärtigen. Dieser soll dem Umstand Rechung tragen, dass sich die dienstlichen Anforderungen hergebrachterweise mit Blick auf das innegehabte Amt im statusrechtlichen Sinne bestimmen und hiervon ausgehend (in aller Regel) ihrerseits steigen, sobald der Beamte bzw. Richter in ein höherwertiges Amt befördert wird. Hierdurch verschiebt sich zugleich der Beurteilungsmaßstab.
Vgl. dazu etwa OVG NRW, Beschluss vom 29. 7. 2004 - 6 B 1212/04 -, Juris.
Diese Verschiebung zum Zwecke der Herstellung der Vergleichbarkeit solcher Beurteilungen mit anderen Beurteilungen (in einem niedrigeren bzw. noch höherwertigen Statusamt) auszugleichen, dient die entsprechende zusätzliche Gewichtung. Sie hat hingegen keinen Selbstzweck. Auch kann das zusätzlich zu berücksichtigende Gewicht schwerlich für alle denkbaren Fälle einheitlich festgelegt werden. Vielmehr hängt es sehr stark von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei auch dem Dienstherrn bzw. der für eine Auswahlentscheidung zuständigen Stelle ein gewisser Gewichtungsspielraum verbleibt.
Bei Zugrundelegung dieser Grundsätze ist der vorliegende Fall durch zwei Besonderheiten gekennzeichnet. Zum einen betrifft das bezogen auf den Antragsteller und den Beigeladenen gleichlautende Gesamturteil in der jeweils aus Anlass der Besetzung der in Rede stehenden Stelle erstellten Beurteilung die Spitzennote der Skala der Leistungsurteile, wobei in diesem Bereich auf die bei anderen Notenstufen übliche Binnendifferenzierung nach der Praxis im Bereich des Justizministeriums verzichtet wird. Gerade Letzteres verleiht dem Gesichtspunkt einer möglichst umfassenden inhaltlichen Ausschöpfung der Beurteilungen aus Gründen exakterer Bestenauslese ein verstärktes Gewicht, welches mit dem Gewicht der Beurteilung im höherwertigen Statusamt, so gut es geht, zu einem Ausgleich zu bringen ist. Zum anderen stehen die von dem Antragsteller und dem Beigeladenen innegehabten Ämter im statusrechtlichen Sinne zueinander nicht in einer "Beförderungshierarchie". Sie betreffen vielmehr unterschiedliche Ämtergruppen (Beamte, Richter) mit zugleich deutlich voneinander abweichenden Aufgabenbereichen und Tätigkeitsschwerpunkten, was auch in der Zugehörigkeit zu verschiedenen Besoldungsgruppen (B bzw. R) zum Ausdruck kommt. Hiervon ausgehend lässt sich die Einordnung der Schwierigkeit und des Verantwortungsgrades der wahrgenommenen Aufgabe jedenfalls nicht ohne weiteres - in einem einen Vergleich ermöglichenden übergreifenden Sinne - (allein) anhand der Eingruppierung des Amtes in die Besoldungsgruppe der jeweiligen Beförderungshierarchie bestimmen. Konsequenterweise kann dann aber auch der Gesichtspunkt des höheren Gewichts einer im höheren Statusamt erhaltenen dienstlichen Beurteilung hier jedenfalls nicht uneingeschränkt gelten.
Ähnlich - dort sogar betreffend den Vergleich von zwei Richterämtern mit Leitungsfunktion, die nicht in einer Beförderungshierarchie zueinander stehen - OVG NRW, Beschlüsse vom 3. 9. 1998 - 12 B 1474, 1475 und 1476/98 -; vgl. zur Parallelproblematik im Verhältnis von Beamten und Angestellten im Übrigen OVG NRW, Beschluss vom 18. 3. 2005 - 1 B 2051/04 -.
Insofern kann deshalb erst recht nicht, wie der Antragsteller meint, ohne weiteres von einem zwei Stufen umfassenden Statusunterschied ausgegangen werden. (wird ausgeführt).
Unter Berücksichtigung all dessen brauchte der Antragsgegner den Grundsatz vom stärkeren Gewicht der im höheren Statusamt erzielten (im Gesamturteil gleichlautenden) Beurteilung in Bezug auf den Qualifikationsvergleich des Antragstellers mit dem Beigeladenen jedenfalls nicht in einem strengen, schematischen Sinne anzuwenden. Er musste insbesondere nicht allein mit Rücksicht auf jenen Grundsatz auf die vorgenommene inhaltliche Ausschöpfung der im Gesamturteil gleichlautenden Beurteilung des Beigeladenen verzichten. Dass in dem Besetzungsvotum und davon ausgehend auch bei der nachfolgenden Auswahlentscheidung der Grundsatz vom höherwertigen Statusamt nicht etwa übersehen, sondern durchaus berücksichtigt worden und in die Gesamtabwägung eingeflossen ist, steht außer Frage. Im vorliegenden Zusammenhang kann es deshalb allenfalls noch darum gehen, ob dieser Aspekt mit einem zu geringen Gewicht in die zum Zwecke des Bewerbervergleichs angestellten Erwägungen eingestellt worden ist. Auch das ist aber zu verneinen, weil der dem Dienstherrn in diesem Zusammenhang zustehende - und insoweit die gerichtliche Überprüfung einschränkende - Beurteilungs- und Gewichtungsspielraum umso großzügiger bemessen ist, je weiter sich der Fall von der "Standardkonstellation" aufeinander folgender Ämter innerhalb derselben Beförderungshierarchie unterscheidet. Der Antragsgegner durfte deshalb jedenfalls vor dem Hintergrund der vorstehend herausgestellten Besonderheiten des in Rede stehenden Bewerbervergleichs die aus seiner den Inhalt der jeweils aktuellen Anlassbeurteilungen ausschöpfenden Interpretation gewonnene Einschätzung eines bereits in der Leistungsbewertung bestehenden Qualifikationsvorsprungs des Beigeladenen ohne Rechtsfehler als durch den Umstand des höherwertigen Statusamtes des Antragstellers allenfalls ausgeglichen ansehen.
Soweit das VG in dem angefochtenen Beschluss bezüglich des hier erörterten Zusammenhangs namentlich auf den Aspekt abgestellt hat, (jedenfalls) eine besondere Eignung des Bewerbers im niedrigeren Statusamt könne diesem bei Beurteilungsgleichstand unter Umständen sogar einen Qualifikationsvorsprung verleihen,
vgl. hierzu auch etwa OVG NRW, Beschluss vom 29. 7. 2004 - 6 B 1212/04 -, Juris, m.w.N.,
und hier komme es mit Blick auf die Art der Stelle und die vom Antragsgegner hinsichtlich der Einzelanforderungen vorgenommenen Gewichtungen in dem vorstehenden Sinne maßgeblich gerade auf die Eignung des Bewerbers an, so ist auch dies im Kern beanstandungsfrei. Entgegen der Auffassung des Antragstellers muss die geforderte "besondere" Eignung nicht notwendig auf ganz bestimmten besonderen (persönlichen) Fähigkeiten des Betroffenen beruhen. Sie kann sich vielmehr wie hier auch aus einem bestimmten Werdegang und den dabei gewonnenen - im Verhältnis zu denjenigen des Mitbewerbers gewichtend als Besonderheit zu qualifizierenden - dienstlichen Erfahrungen eines der Bewerber in den vom Dienstherrn für die Besetzungsentscheidung als wesentlich erachteten Bereichen ergeben.
Ende der Entscheidung
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