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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 06.11.2008
Aktenzeichen: 10 A 1417/07
Rechtsgebiete: BauGB, BauNVO


Vorschriften:

BauGB § 34 Abs. 1
BauGB § 34 Abs. 3
BauNVO § 11 Abs. 3
Der Gesetzgeber hat in § 34 Abs. 3 BauGB nicht das Regelungssystem des § 11 Abs. 3 BauNVO übernommen. Die Vermutungsregelung des § 11 Abs. 3 Satz 3 BauNVO findet bei der Beurteilung, ob schädliche Auswirkungen vorliegen, keine Anwendung.

Soll ein bestehender Einzelhandelsbetrieb erweitert werden, ist die Zulässigkeit des Gesamtvorhabens zu prüfen. Bei der Prognoseentscheidung über schädliche Auswirkungen im Sinne von § 34 Abs. 3 BauGB ist der Umstand zu berücksichtigen, dass der zu erweiternde Betrieb mit seiner bisherigen (genehmigten) Größe am Erweiterungsstandort bereits vorhanden ist.

Falls im Einzugsbereich des zentralen Versorgungsbereichs an anderer Stelle bereits (größere) Einzelhandelsbetriebe vorhanden sind, die sich auf den Versorgungsbereich auswirken, müssen auch diese in die Prognose einbezogen werden.


Tatbestand:

Die Klägerin begehrte die Erteilung eines bauplanungsrechtlichen Vorbescheides für die Erweiterung eines Lebensmitteldiscountmarktes. Das Baugrundstück liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans und außerhalb eines im Nahversorgungs- und Zentrenkonzept der Stadt darstellten zentralen Versorgungsbereichs. Der Antrag der Klägerin wurde vom Beklagten mit der Begründung abgelehnt, das Vorhaben lasse schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche erwarten.

Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage wies das VG ab. Das Berufungsverfahren hatte Erfolg.

Gründe:

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Erteilung des begehrten bauplanungsrechtlichen Vorbescheides für die Erweiterung des Lebensmitteldiscountmarktes (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Dem Vorhaben stehen öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegen, § 71 Abs. 2 i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 1 BauO NRW.

Die beantragte Erweiterung des Lebensmitteldiscountmarktes ist baugenehmigungspflichtig. Nach § 63 Abs. 1 BauO NRW bedürfen u.a. die Errichtung, die Änderung, die Nutzungsänderung und der Abbruch baulicher Anlagen der Baugenehmigung, soweit in der Bauordnung nichts anderes bestimmt ist. Die im Gesetz nicht geregelte Erweiterung einer baulichen Anlagen ist einer der Vorhabenskategorien zuzuordnen.

Vgl. Boeddinghaus/Hahn/Schulte, BauO NRW, Loseblattkommentar, Stand: 1.7.2008, § 63 Rn. 68.

Bei der von der Klägerin zur Genehmigung gestellten Erweiterung handelt es sich um ein Vorhaben im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB, das eine Änderung und Nutzungsänderung zum Inhalt hat, für die die §§ 30 bis 37 BauGB gelten. Durch die geplante Erweiterung wird in den vorhandenen Baubestand eingegriffen, der verändert wird und in der neuen Gesamtanlage aufgeht. Eine isolierte Betrachtung ist daher nicht möglich. Bei der Änderung einer baulichen Anlage muss das Gesamtvorhaben in seiner durch die Erweiterung geänderten Gestalt geprüft werden; das vom Bauherrn angestrebte Ergebnis der Baumaßnahme muss den zu prüfenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften entsprechen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.11.2005 - 4 C 72.05 -, BRS 69 Nr. 77; Urteil vom 17.6.1993 - 4 C 17.91 -, BRS 55 Nr. 72.

Die Erweiterung ist hier mit einer Nutzungsänderung verbunden, denn mit der geplanten Vergrößerung der Verkaufsfläche von 728 m² auf 899 m² wird der Lebensmitteldiscountmarkt zu einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO. Einzelhandelsbetriebe sind großflächig im Sinne dieser Vorschrift, wenn sie eine Verkaufsfläche von 800 m² überschreiten.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2005 - 4 C 10/04 -, BRS 69, Nr. 71 m.w.N.

Auch für die Beurteilung der Auswirkungen einer Großflächigkeit kommt es nicht darauf an, ob der Einzelhandelsbetrieb von vornherein in der nun zu beurteilenden Größe errichtet oder ob ein bestehender Betrieb nachträglich erweitert werden soll.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.11.2005, a.a.O.

Das Grundstück der Klägerin liegt nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans aber innerhalb eines Bebauungszusammenhangs, so dass sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach § 29 Abs. 1 i.V.m. § 34 BauGB richtet. Das Vorhaben erfüllt die Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 BauGB (1.). Ihm steht § 34 Abs. 3 BauGB nicht entgegen (2.).

1. Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach dieser Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre, § 34 Abs. 2 BauGB.

Die nähere Umgebung wird dadurch ermittelt, dass sowohl in Richtung vom Vorhaben auf die Umgebung als auch in Richtung von der Umgebung auf das Vorhaben geprüft wird, wie weit die jeweiligen Auswirkungen reichen. Zu berücksichtigen ist die Umgebung einmal insoweit, als sich die Ausführung des Vorhabens auf sie auswirken kann und zweitens insoweit, als die Umgebung ihrerseits den bodenrechtlichen Charakter des Baugrundstücks prägt oder doch beeinflusst.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 26.5.1978 - 4 C 9.77 -, BRS 33 Nr. 36.

Die nähere Umgebung des Vorhabens weist hier hinsichtlich der Nutzungsstrukturen einen diffusen Charakter auf. Nach dem vorliegenden Luftbild- und Kartenmaterial sowie dem Ergebnis der Ortsbesichtigung, das der Berichterstatter dem Senat vermittelt hat, ist auf den Bereich beiderseits der U.- Straße und zwischen der L.- Straße im Südosten, dem O.-ring im Südwesten und der F.- Straße im Nordwesten abzustellen. In dem Gebiet sind beiderseits der Einmündung der U.- Straße in die F.- Straße und auf der Ecke U.- Straße/L.- Straße kleinere Grundstücke mit Wohnbebauung vorhanden. Im Übrigen wird das Gebiet durch gewerbliche Nutzungen geprägt, wobei neben dem großflächige Zentrallager des Schuhhandelsunternehmens, den Einzelhandelsbetrieben von W. und B. sowie einem Motorradhändler und einem Karosseriebau- und Lackierbetrieb noch verschiedene kleinere Gewerbebetriebe vorzufinden sind.

Die Eigenart der näheren Umgebung entspricht damit keinem der in der Baunutzungsverordnung bezeichneten Baugebiete. Einer Einstufung als Gewerbe- oder Industriegebiet (§ 8 bzw. 9 BauNVO) steht der hohe Anteil an Wohngebäuden entgegen. Eine Einordnung als Mischgebiet (§ 6 BauNVO) kommt wegen der überwiegenden gewerblichen Nutzungen nicht in Betracht. Angesichts der Vielzahl der unterschiedlichen Nutzungen kann auch nicht von einem faktischen Sondergebiet für großflächige Einzelhandelsbetriebe (§ 11 Abs. 3 BauNVO) ausgegangen werden.

Die allgemeine bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich daher seiner Art nach nicht nach § 34 Abs. 2 BauGB, sondern nach § 34 Abs. 1 BauGB.

Das Vorhaben der Klägerin fügt sich als großflächiger Einzelhandelsbetrieb nach § 34 Abs. 1 BauGB ein, da es sich innerhalb des aus seiner Umgebung hervorgehenden Rahmens hält. Bei der Prüfung ist hinsichtlich der Art der baulichen Nutzung bei der Ermittlung des Rahmens grundsätzlich auf die Nutzungstypen abzustellen, die die Baunutzungsverordnung umschreibt. Sind in der näheren Umgebung bestimmte, den Begriffsbestimmungen der Baunutzungsverordnung entsprechende Nutzungsarten vorhanden, so hält ein Vorhaben, das die Merkmale einer solchen Nutzungsart aufweist, ohne weiteres den Rahmen ein.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 3.4.1987, - 4 C 41.84 -, BRS 47 Nr. 63.

Dies ist hier der Fall. Das Vorhaben der Klägerin findet sein Vorbild in dem im Baugebiet südöstlich gelegenen Küchenfachmarkt der Firma W., der mit einer Ausstellungs- und Verkaufsfläche von 1.336 m² ebenfalls großflächig ist. Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagten diesen Betrieb wegen seines Sortimentes als nicht zentrenschädlich ansieht. Für die Frage, ob sich ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt, kommt es nicht auf die in § 11 Abs. 3 BauNVO umschriebenen etwaigen negativen städtebaulichen Auswirkungen an. Die in § 11 Abs. 3 BauNVO bezeichneten Fernwirkungen gehören nicht zu den nach dieser Vorschrift maßgeblichen Tatbestandsmerkmalen. § 34 Abs. 1 BauGB stellt beim Einfügenserfordernis allein auf Nutzungsart, Nutzungsmaß, Bauweise und Grundstücksüberbauung ab.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.4.2000 - 4 B 25.00 -, BRS 63 Nr. 103; Urteil vom 11.2.1993 - 4 C 15.92 -, BRS 55 Nr. 174; Urteil vom 22.5.1987 - 4 C 6 und 7.85 -, BRS 47 Nr. 67; OVG NRW, Urteil vom 11.12.2006 - 7 A 964/05 -, BRS 70, Nr. 90.

Der Küchenfachmarkt kann auch nicht als ein die Eigenart nicht prägender Fremdkörper außer Betracht bleiben, da in der näheren Umgebung - wie dargestellt - weitere Einzelhandelsbetriebe vorhanden sind.

Vgl. zum Fremdkörper BVerwG, Urteil vom 15.2.1990 - 4 C 23.86 -, BRS 50 Nr. 75.

In den hierdurch vorgegebenen Rahmen fügt sich das Vorhaben der Klägerin seiner Art nach ein. Auch hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der Bauweise und der überbaubaren Grundstücksfläche ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass sich das Vorhaben nicht innerhalb des sich aus der näheren Umgebung hervorgehenden Rahmens hält. Ebenso ist ein Verstoß gegen das in § 34 Abs. 1 BauGB im Begriff des "Einfügens" enthaltene Gebot der Rücksichtnahme nicht ersichtlich.

2. Das Vorhaben der Klägerin verstößt auch nicht gegen § 34 Abs. 3 BauGB. Nach dieser Vorschrift dürfen von Vorhaben nach § 34 Abs. 1 oder 2 BauGB keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

Für die Entscheidung kann letztendlich offen bleiben, ob die Stadtteilzentren O.-Mitte und M.-Mitte als zentrale Versorgungsbereiche der beklagten Stadt anzusehen sind (2.1.). Jedenfalls sind keine schädlichen Auswirkungen des Vorhabens auf diese Versorgungsbereiche zu befürchten. Bei der Prognoseentscheidung ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits am Erweiterungsstandort einen genehmigten Lebensmitteldiscountmarkt mit einer Verkaufsfläche von 727,97 m² Verkaufsfläche betreibt (2.2.)

2.1. Zentrale Versorgungsbereiche im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB sind räumlich abgrenzbare Bereiche einer Gemeinde, denen auf Grund vorhandener Einzelhandelsnutzungen - häufig ergänzt durch diverse Dienstleistungen und gastronomische Angebote - eine Versorgungsfunktion über den unmittelbaren Nahbereich hinaus zukommt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.2007 - 4 C 7.07 -, BauR 2008, 315 = NVwZ 2008, 308 = ZfBR 2008, 49 = BVerwGE 129, 307; OVG NRW, Urteil vom 11.12.2006, a.a.O.

Ein "Versorgungsbereich" bietet Nutzungen, die für die Versorgung der Einwohner der Gemeinde - gegebenenfalls auch nur eines Teils des Gemeindegebiets - insbesondere mit Waren aller Art von Bedeutung sind. "Zentral" sind Versorgungsbereiche, wenn die Gesamtheit der auf eine Versorgung der Bevölkerung ausgerichteten baulichen Nutzungen in dem betreffenden Bereich auf Grund der verkehrsmäßigen Erschließung und verkehrlichen Anbindung die Funktion eines Zentrums mit einem bestimmten Einzugsbereich hat. Diese Funktion besteht darin, die Versorgung des Gemeindegebiets oder eines Teilbereichs mit einem auf den Einzugsbereich abgestimmten Spektrum an Waren des kurz-, mittel oder langfristigen Bedarfs funktionsgerecht sicherzustellen. Zentrale Versorgungsbereiche können sowohl einen umfassenden als auch einen hinsichtlich des Warenangebots oder des örtlichen Einzugsbereichs eingeschränkten Versorgungsbedarf abdecken.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.10.2007 - 10 A 3914/04 -, BauR 2008, 320; Urteil vom 13.6.2007 - 10 A 2439/06 -, BauR 2007, 2012; Urteil vom 11.12.2006, a.a.O.; s.a. Bay. VGH, Urteil vom 5.2.2007 - 2 BV 05.1571 -, juris, Rz. 35; OVG Rh.-Pf., Urteil vom 5.11.2007 - 1 A 10351/07 -, juris, Rz. 29; Söfker in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/ Krautzberger, BauGB, Loseblattkommentar, Stand: 1.6.2008, § 34 Rn. 85.

Zu den zentralen Versorgungsbereichen können auch Bereiche für die Grund- und Nahversorgung gehören. Diese versorgen in der Regel nur bestimmte Stadtteile größerer Städte bzw. gesamte kleinere Orte mit Waren des kurzfristigen und mittelfristigen Bedarfs. In größeren und mittleren Städten dienen sie der Versorgung der Bevölkerung verschiedener Quartiere von zumeist einigen tausend Einwohnern vornehmlich mit Waren des kurzfristigen Bedarfs, die regelmäßig auch durch beschränkte Angebote von einzelnen Waren des mittelfristigen Bedarfs wie z.B. Bekleidung sowie von Dienstleistungen (Bank, Lottoannahmestellen, Friseur etc.) ergänzt werden. Häufig sind solche Grund- und Nahversorgungszentren dadurch gekennzeichnet, dass in ihnen ein größerer Frequenzbringer - zumeist ein Vollsortimenter des Lebensmittelbereichs - vorhanden ist.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 13.6.2007 und 11.12.2006, jeweils a.a.O.; Urteil vom 19.6.2008 - 7 A 1392/07 -, juris; s.a. Kuschnerus, Der standortgerechte Einzelhandel, 1. Aufl. 2007, Rn. 155 ff..

Es spricht einiges dafür, dass die Stadtteilzentren O.-Mitte und M.-Mitte als zentrale Versorgungsbereiche im Sinne eines Grund- oder Nahversorgungszentrums angesehen werden können.

Der im gewachsenen Ortskern von O. gelegene Bereich verfügt entlang der E.- Straße und der E1.- Straße über die wesentlichen Einzelhandels- und Dienstleistungsbetriebe zur Deckung des täglichen Bedarfs. Nach der von dem Beklagten vorgelegten Bestandsaufnahme, die im Wesentlichen auch der Entwicklung des Nahversorgungs- und Zentrenkonzepts zugrunde gelegen hat, sind neben einem Lebensmittelmarkt der Fa. Q. mit 560 m² Verkaufsfläche u.a. vorhanden ein Drogeriediscounter, ein Bioladen, zwei Apotheken sowie mehrere kleine Geschäfte für Bekleidung, Haushaltswaren, Blumen, Genussmittel und Tabakwaren, Foto, Optik und Zubehör.

Im Ortskern von M. befinden sich an der O1.- Straße nach der Bestandsaufnahme ein L1.- Lebensmittelmarkt mit 874 m² Verkaufsfläche, ein Drogeriediscounter, zwei Bäckereien, zwei Apotheken, ein Möbelgeschäft sowie mehrere kleine Geschäfte für Bekleidung, Blumen und Gartenartikel, Zeitschriften und Schreibwaren, Kosmetika, Spielwaren und Computer. Die wesentlichen Versorgungsfunktion werden in beiden Stadteilzentren jeweils von den größeren Lebensmittelmärkten Q. und L1. sowie den T.-Drogeriemärkten wahrgenommen, die zusammen jeweils über mehr als die Hälfte der insgesamt in den Zentren vorhandenen Verkaufsflächen verfügen.

2.2. Ob die Stadtteilzentren O.-Mitte und M.-Mitte als zentrale Versorgungsbereiche anzusehen sind, bedarf keiner abschließenden Entscheidung, weil von dem Vorhaben der Klägerin keine schädlichen Auswirkungen im Sinne des § 34 Abs. 3 BauGB auf diese zu erwarten sind.

Ein Vorhaben lässt schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche erwarten, wenn es deren Funktionsfähigkeit so nachhaltig stört, dass sie ihren Versorgungsauftrag generell oder hinsichtlich einzelner Branchen nicht mehr substantiell wahrnehmen können.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 11.10.2007, a.a.O.

Dem Gesetzgeber kam es mit der Einfügung des Absatzes 3 in § 34 BauGB maßgeblich darauf an, bei Zulassungsentscheidungen nach § 34 BauGB über die nähere Umgebung hinausgehende Fernwirkungen, die im Geltungsbereich von Bebauungsplänen und im Anwendungsbereich des § 34 Abs. 2 BauGB von § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO erfasst werden, berücksichtigen und steuern zu können. Um die Gewährung von Schutz vor Konkurrenz geht es dabei nicht.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 17.10.2007, 13.6.2007 und 11.12.2006, jeweils a.a.O.; Beschluss vom 9.3.2007 - 10 B 2675/06 -, BauR 2007, 1550; s.a. Berkemann/Halama, Erstkommentierung zum BauGB, 1. Auflage 2005, § 34 Rn. 26.

Schädliche Auswirkungen ergeben sich jedoch nicht bereits daraus, dass der Lebensmitteldiscountmarkt der Klägerin mit der Erweiterung zu einem großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO wird. Anders als bei der Beurteilung eines Vorhabens im Plangebiet oder nach § 34 Abs. 2 BauGB ist § 11 Abs. 3 BauNVO in den Fällen des § 34 Abs. 1 BauGB weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar. Der Gesetzgeber hat das Regelungssystem des § 11 Abs. 3 BauNVO - namentlich die Vermutungsregel des Satzes 3 der vorgenannten Vorschrift - nicht in § 34 Abs. 3 BauGB übernommen.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 11.12.2006 und 13.6.2007, jeweils a.a.O.; a. A. OVG Rh.-Pf., Urteil vom 5.11.2007, a.a.O., Rz. 38.

Das folgt bereits aus einem wörtlichen Vergleich der beiden Vorschriften. Im § 34 Abs. 3 BauGB ist von schädlichen Auswirkungen die Rede, während § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO großflächige Einzelhandelsbetriebe erfasst, die sich nach Art, Lage oder Umfang u.a. auf die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nicht nur unwesentlich auswirken können. Damit setzt der Anwendungsbereich des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO bereits unter der Schädigungsgrenze ein. Wenn der Gesetzgeber den Regelungsgehalt des § 11 Abs. 3 BauNVO in § 34 Abs. 3 BauGB - insbesondere auch die Vermutungsregel - hätte übertragen wollen, wäre dies durch einen Verweis oder eine wörtliche Übernahme möglich gewesen.

Dagegen spricht auch der unterschiedliche Sinn und Zweck beider Vorschriften. Der Regelung des § 11 Abs. 3 BauNVO liegt eine typisierende Betrachtungsweise zugrunde, bei der vermutet wird, dass von Einzelhandelsbetrieben ab einer bestimmten Größe regelmäßig bestimmte Fernwirkungen, u.a. auf die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche ausgehen. Betriebe dieser Art sind nur in Kerngebieten und in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Dagegen geht es im Rahmen des § 34 Abs. 3 BauGB nicht um die bauplanungsrechtliche Typisierung von Einzelhandelsbetrieben, sondern um die Verhinderung von konkreten schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche im jeweiligen Einzelfall.

Das Gericht hat bei der Anwendung des § 34 Abs. 3 BauGB zur Feststellung der schädlichen Auswirkungen des Vorhabens eine Prognoseentscheidung zu treffen. In diesem Rahmen sind alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls in den Blick zu nehmen. Dazu zählt insbesondere die Verkaufsfläche, deren Auswirkungen auf die im Versorgungsbereich vorhandene Verkaufsfläche derselben Branchen zu ermitteln sind. Daneben kann - insbesondere wenn es um die Zulassung großflächiger Einzelhandelsvorhaben geht - der voraussichtlichen Umsatzumverteilung Bedeutung zukommen.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.10.2007, a.a.O.; Urteil vom 6.6.2005 - 10 D 148/04.NE -, BRS 69 Nr. 3; s.a. Nds. OVG, Urteil vom 27.3.2008 - 1 LB 160/06 -, ZfBR 2007, 579.

Bereits oben wurde ausgeführt, dass das planungsrechtlich zu beurteilende Vorhaben im Sinne des § 29 BauGB der Lebensmitteldiscountmarkt der Klägerin in der erweiterten Form mit einer Verkaufsfläche von 899,40 m² ist. Der Senat geht davon aus, dass sich der in § 34 Abs. 3 BauGB verwendete Vorhabensbegriff nicht von dem Vorhabensbegriff des § 29 BauGB unterscheidet.

Entgegen der Auffassung des Beklagten und des VG ist im Rahmen der Prognoseentscheidung über schädlichen Auswirkungen im konkreten Einzelfall jedoch zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits am Erweiterungsstandort ein genehmigtes Lebensmitteldiscountgeschäft mit einer Verkaufsfläche von 727,97 m² seit 1995 betreibt und sich der Markt hierauf eingestellt hat. In die Prognose ist somit nicht die Neuansiedlung eines Discounters mit einer Verkaufsfläche von 899,40 m² einzustellen, sondern die Erweiterung eines Geschäftes mit 727,97 m² um 171,43 m², das dadurch großflächig wird. Eine andere Betrachtungsweise würde den Bestands- und Erweiterungsinteressen der Klägerin und der vorhandenen Marktsituation nicht gerecht. Bei der Prognoseentscheidung ist nämlich von der gegebenen städtebaulichen Situation auszugehen, die nicht nur von den anderen vorhandenen Einzelhandelsbetrieben, sondern auch durch den Betrieb, dessen Erweiterung geplant ist, in seinem bisherigen Bestand geprägt wird. Dieser Betrieb hat sich bereits am Markt etabliert und ist Bestandteil des Einzelhandelsangebotes. Bei der Beurteilung ist daher der gegenwärtige Betrieb in der vorhandenen Größe mit seinen möglicherweise bereits bestehenden Auswirkungen auf den zentralen Versorgungsbereich mit dem Zustand zu vergleichen, der (prognostiziert) nach Umsetzung der geplanten Erweiterung bestehen wird. Die Prüfung kann allerdings nicht auf einen reinen Vergleich der vorher und nachher vorhandenen Verkaufsflächen reduziert werden. Zwar kann sich die Erweiterung auf eine rein quantitative Flächenvergrößerung beschränken. Sie kann aber darüber hinausgehende qualitativen Veränderungen beinhalten, wenn etwa das Sortiment deutlich erweitert oder wesentlich anders präsentiert werden soll oder zusätzliche kleinere Verkaufsstellen für Neben- und Ergänzungsangebote (z. B. Backshop, Shops für Blumen, Zeitschriften und Tabakwaren usw.) geplant sind. Während sich eine geringfügige Verkaufsflächenerweiterung eines im Übrigen unveränderten Betriebes regelmäßig nicht auf das bestehende Gleichgewicht auswirken wird, können qualitative Änderungen die Attraktivität eines nicht integrierten Standortes deutlich steigern und durch eine Umorientierung der Kunden einen zentralen Versorgungsbereich schwächen.

Weiter spielen bei der Ermittlung der Auswirkungen des in Rede stehenden Vorhabens auf den von ihm beeinflussten zentralen Versorgungsbereich die räumliche Entfernung des Vorhabens von dem Versorgungsbereich sowie alle weiteren im Einzelfall relevanten Umstände der konkreten städtebaulichen Situation eine Rolle. Von Bedeutung sein kann etwa, ob der außerhalb des zentralen Versorgungsbereich anzusiedelnde Einzelhandelsbetrieb gerade auf solche Sortimente abzielt, die in dem Versorgungsbereich von einem "Magnetbetrieb" angeboten werden, dessen unbeeinträchtigter Bestand maßgebliche Bedeutung für die weitere Funktionsfähigkeit des zentralen Versorgungsbereichs hat. Zu berücksichtigen ist auch, ob in der unmittelbaren Umgebung des Vorhabens bereits weitere Einzelhandelsangebote vorhanden sind, deren Auswirkungen auf den Versorgungsbereich durch die Auswirkungen des zu prüfenden Vorhabens gesteigert werden könnten. Zwar ist Prüfungsgegenstand des § 34 Abs. 3 BauGB nur das streitgegenständliche Vorhaben: Nur wenn dieses Vorhaben eine beachtliche Schädigung der Funktionsfähigkeit des Versorgungsbereichs befürchten lässt, ist der Tatbestand der Norm erfüllt. Eine solche Schädigung kann sich jedoch auch daraus ergeben, dass ein gerade noch unbedenkliches Nebeneinander von Einzelhandelsangeboten an einem nicht integrierten Standort und im Versorgungsbereich durch das neu hinzukommende Vorhaben in eine unzulässige beachtliche Schädigung der Funktionsfähigkeit des Versorgungsbereichs umschlägt. Insbesondere dann, wenn an dem nicht integrierten Standort die Grenze zur Großflächigkeit gleichartiger Angebote durch das hinzu kommende Vorhaben überschritten wird, besteht Anlass zu kritischer Prüfung, ob nunmehr die Schwelle des § 34 Abs. 3 BauGB erreicht wird. Denn die Vorschrift lässt sich nach ihrer Zielsetzung auch solchen Vorhaben entgegen halten, die ein noch vorhandenes städtebaulich vertretbares Gleichgewicht unterschiedlicher Einzelhandelsangebote durch die Verstärkung des nicht integrierten Standortes zerstören.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 17.10.2007, a.a.O.

Sind bereits jetzt im Einzugsbereich des zentralen Versorgungsbereichs an anderer Stelle weitere Einzelhandelsbetriebe vorhanden, die sich auf das Verhältnis zwischen dem zentralen Versorgungsbereich und den nicht-integrierten Standorten auswirken, dürfen auch diese in der Gesamtbetrachtung nicht unberücksichtigt bleiben. Ob diese im Einzelhandelskonzept erfasst worden sind oder nicht, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle.

Nach diesen Grundsätzen sind von dem Vorhaben der Klägerin keine schädlichen Auswirkungen auf die Nahversorgungszentren O.-Mitte und M.-Mitte zu erwarten.

Die Klägerin plant eine Vergrößerung der Verkaufsfläche des bestehenden Lebensmitteldiscountmarktes von 727,97 m² auf 899,40 m². Nach ihrem Vortrag ist eine Erweiterung des Sortimentes oder eine Neuausrichtung des Marktes nicht beabsichtigt. Dies entspricht dem bereits an anderen Standorten erkennbaren Konzept der Klägerin, in allen Filialen ein identisches Sortiment anzubieten, jedoch die Präsentation der angebotenen Waren durch ein Verkaufsflächenvergrößerung zu verbessern. Der Standort des Betriebes der Klägerin ist angesichts der in der Umgebung überwiegenden gewerblichen Nutzungen städtebaulich nicht integriert und mit der großen Anzahl der vorhandenen Stellplätzen auf autoorientierte Kunden ausgerichtet. Zusammen mit dem ca. 200 m entfernt liegenden M1.-Markt trägt die Filiale der Klägerin bereits jetzt in beachtlichem Umfang zur Versorgung der Bevölkerung mit Waren des kurzfristigen Bedarfs bei.

Gleichwohl kann unter Berücksichtigung der städtebaulichen Gesamtsituation nicht davon ausgegangen werden, dass es durch die geplante Erweiterung des Marktes der Klägerin um ca. 171 m² zusätzliche Verkaufsfläche zu nennenswerten Umsatzumverteilungen oder anderen Auswirkungen zu Lasten der benannten Nahversorgungszentren kommen wird. Neben den Märkten der Klägerin und der Firma M1. sind im Einzugsbereich der zentralen Versorgungsbereiche weitere Einzelhandelsstandorte vorhanden, die sich in erheblicher Weise auf die Umsatzverteilung auswirken und bei der gebotenen Gesamtbetrachtung nicht unberücksichtigt bleiben können.

Der Standort der Klägerin liegt etwa 1.300 m (Fahrstrecke) von dem Zentrum M.-Mitte und etwa 2.000 m vom Zentrum O.-Mitte entfernt und befindet sich damit außerhalb des fußläufigen Einzugsbereichs, der allgemein mit einer Entfernung von bis zu 700 m angenommen wird. Die nicht autoorientierte Kunden werden daher auch weiterhin in den jeweils zentrennah gelegenen Lebensmittelmärkten der Firma Q. in O. und der Firma L1. in M. einkaufen.

Für die autoorientierten Kunden bestehen dagegen bereits jetzt weitere Einkaufsmöglichkeiten, die die von der Klägerin geplante Erweiterung als marginal erscheinen lassen. Etwa 1.200 m westlich des Zentrums von Lürrip befindet sich am Standort L.- Straße 131 ein großflächiger Einkaufskomplex mit einem S. SB-Warenhaus mit 11.900 m² Verkaufsfläche und mehreren teilweise großflächigen Fachmärkten (u.a. ein I.-Baumarkt mit 7.700 m² Verkaufsfläche). Ein vergleichbares Einkaufszentrum mit einem weiteren S. SB-Warenhaus mit 8.550 m² Verkaufsfläche, einem L2-Mode-Markt (1.700 m² Verkaufsfläche), einem Möbelhaus (6.400 m² Verkaufsfläche) sowie weiteren Fachmärkten befindet sich am Standort L.- Straße 643 ca. 1.000 m östlich des Zentrums von O.. Die beiden Einkaufszentren liegen jeweils deutlich weniger weit von den Zentren von M. und O. entfernt als der Markt der Klägerin und bieten ein umfassendes Angebot an Waren des kurzfristigen und teilweise auch des mittel- und langfristigen Bedarfs. Mit jeweils einem großen SB-Warenhaus als Magnetbetrieb wirken sich die Einkaufszentren weitaus stärker auf die Attraktivität der Stadtteilzentren aus als der Lebensmitteldiscountmarkt der Klägerin mit seinem beschränkten Angebot. Wenn in den Ortszentren Leerstände zu beklagen sind, dürfte die Ursache dafür nicht in dem Markt der Klägerin, sondern in dem Bestehen der großen Einkaufszentren zu suchen sein. Angesichts dieser vorhandenen Einkaufsmöglichkeiten kann nicht davon ausgegangen werden, dass es durch das Vorhaben der Klägerin zu weiteren nennenswerten Umsatzumverteilungen oder einem zusätzlichen Kaufkraftabfluss aus den Stadtteilzentren von beachtlichem Gewicht kommen wird.

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