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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 26.04.2005
Aktenzeichen: 13 A 1010/02
Rechtsgebiete: AMG, VwGO


Vorschriften:

AMG § 1 Abs. 1 Nr. 1
AMG § 2
AMG § 2 Abs. 1
AMG § 2 Abs. 2
AMG § 2 Abs. 3 Nr. 4
AMG § 21 Abs. 1
AMG § 21 Abs. 1 Satz 1
AMG § 69
AMG § 69 Abs. 1
AMG § 96 Nr. 5
VwGO § 114 Satz 2
Zur Einstufung einer Pferdesalbe als Arzneimittel oder als Pflegemittel
Tatbestand:

Der Beklagte untersagte der Klägerin gemäß § 69 AMG den Vertrieb einer Pferdesalbe ("C. P."), da es sich nicht um ein Pflegemittel, sondern u. a. wegen des Gehalts an Kampfer um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handele.

Widerspruch, Klage und Berufung der Klägerin mit der Begründung, bei der betreffenden Pferdesalbe handele es sich um ein Pflegemittel, blieben erfolglos.

Gründe:

Das Verbot der Abgabe des Produkts "C. P." ist rechtmäßig. Es handelt sich bei diesem Produkt um ein zulassungsbedürftiges Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes - AMG - und nicht um ein Pflegemittel.

Die angefochtene Verfügung des Beklagten, durch die der Klägerin - ohne Differenzierung, ob das Mittel als Tierarzneimittel oder als Humanarzneimittel anzusehen ist - das Inverkehrbringen des Produkts "C. P." untersagt wird, beruht auf § 69 Abs. 1 AMG i. d. F. vom 11.12.1998 (BGBl. I S. 3586), das wegen des Charakters der Verfügung als Dauerverwaltungsakt und wegen des maßgebenden Zeitpunkts nach materiellem Recht, vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.12.1998 - 13 A 2711/97 -, LRE 36, 150; BVerwG, Beschluss vom 23.11.1990 - 1 B 155.90 -, NVwZ 1991, 372, nunmehr i. d. F. des 12. ÄndG vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 2031) und der letzten Änderung vom 10.2.2005 (BGBl. S. 236) zu Grunde zu legen ist. Danach treffen die zuständigen Behörden die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen. Sie können insbesondere u. a. das Inverkehrbringen von Arzneimitteln untersagen, wenn die erforderliche Zulassung oder Registrierung für das Arzneimittel nicht vorliegt.

Die Zulassungspflicht bestimmt sich nach § 21 Abs. 1 Satz 1 AMG. Danach dürfen Fertigarzneimittel (§ 4 Abs. 1 AMG), die Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG sind, im Geltungsbereich des Gesetzes nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige Bundesoberbehörde zugelassen sind oder wenn für sie europarechtlich eine Genehmigung durch die zuständigen Gemeinschaftsorgane erteilt wurde. Das gilt auch für Arzneimittel, die keine Fertigarzneimittel und zur Anwendung bei Tieren bestimmt sind, sofern sie nicht an pharmazeutische Unternehmer abgegeben werden sollen, die eine Erlaubnis zur Herstellung von Arzneimitteln besitzen.

Die von der angefochtenen Verfügung betroffene Pferdesalbe "C. P." ist ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMG; sie unterfällt nicht dem Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 3 Nr. 4 AMG, wonach keine Arzneimittel solche Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen sind, die ausschließlich dazu bestimmt sind, äußerlich am Tier zur Reinigung oder Pflege oder zur Beeinflussung des Aussehens oder des Körpergeruchs angewendet zu werden, soweit ihnen keine Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen zugesetzt sind, die vom Verkehr außerhalb der Apotheke ausgeschlossen sind.

Die Einordnung eines Produkts als Arzneimittel richtet sich auf der Grundlage eines "objektiven" Arzneimittelbegriffs nach der Zweckbestimmung des Produkts, wie es sich für einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher darstellt. Die Verkehrsanschauung knüpft regelmäßig an eine schon bestehende Auffassung über den Zweck vergleichbarer Mittel und ihrer Anwendung an, die wiederum davon abhängt, welche Verwendungsmöglichkeiten solche Mittel ihrer Art nach haben. Mit zu den die Anschauungen der Verbraucher beeinflussenden Umständen gehören dabei regelmäßig die stoffliche Zusammensetzung eines Erzeugnisses und die pharmakologischen Eigenschaften eines Mittels. Die Vorstellung der Verbraucher von der Zweckbestimmung eines Produkts kann weiter durch die Auffassung der pharmazeutischen oder medizinischen Wissenschaft beeinflusst sein, ebenso durch die dem Mittel beigefügten oder in Werbeprospekten enthaltenen Indikationshinweise oder Gebrauchsanweisungen sowie die Aufmachung, in der das Mittel dem Verbraucher allgemein entgegen tritt. Des weiteren können vor dem Hintergrund einer umfassenden Berücksichtigung aller Merkmale eines Erzeugnisses für die Verbrauchervorstellung der Umfang der Verbreitung eines Produkts, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern, aber auch Gefahren auf Grund von Nebenwirkungen und Risiken bei längerem Gebrauch von Bedeutung sein. Die Auslegung und die Einstufung eines Mittels soll auch danach erfolgen, wie es am ehesten dem Schutz der öffentlichen Gesundheit entspricht.

Vgl. EuGH, Urteile vom 21.3.1991 - Rs C 369/88 -, LRE 28, 1, vom 16.4.1991 - Rs C 112/89 -, LRE 28, 19, und vom 20.5.1992 - Rs C 290/90 -, LRE 28, 170; BVerwG, Urteile vom 24.11.1994 - 3 C 2.93 -, BVerwGE 97, 132 = NVwZ - RR 1995, 625, und vom 18.12.1997 - 3 C 46.96 -, BVerwGE 106, 90 = NJW 1998, 3433; BGH, Urteile vom 10.2.2000 - I ZR 97/98 -, LRE 38, 157 = ZLR 2000, 375, vom 25.4.2001 - 2 StR 374/00 -, NJW 2001, 2812, und vom 11.7.2002 - I ZR 34/01 -, BGHZ 151, 286 = NJW 2002, 3469; OVG NRW, Beschluss vom 14.8.2003 - 13 A 5022/00 -, LRE 46, 313 = ZLR 2004, 208.

Mit diesen Kriterien steht der Arzneimittelbegriff des § 2 Abs. 1 AMG in Einklang mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht. Die neuesten Begriffsbestimmungen für Humanarzneimittel bzw. Tierarzneimittel finden sich insoweit in den am 30.4.2004 in Kraft getretenen und bis zum 30.10.2005 in nationales Recht umzusetzenden Richtlinien 2004/27/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.3.2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. 2004, L 136/34) und 2004/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31.3.2004 zur Änderung der Richtlinie 2001/82/EG zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Tierarzneimittel (ABl. 2004, L 136/58). Danach sind Arzneimittel a) alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten oder von Tierkrankheiten bestimmt sind, oder b) alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper verwendet oder einem Menschen oder Tier verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Diese Definitionen gehen in ihrem Ursprung zurück auf die entsprechende Begriffsbestimmung in Art. 1 der - im Dezember 2001 aufgehobenen, vgl. Art. 128 Abs. 1 der Richtlinie 2001/82/EG (ABl. 2001, L 311 S. 67, 100); BGH, Urteil vom 11.7.2002 - I ZR 34/01 -, a.a.O. - Richtlinie des Rates vom 26.1.1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneispezialitäten (65/65/EWG, ABl. 1965, 369/65). Nach den Erwägungen der Richtlinien sollen die arzneimittelrechtlichen Bestimmungen nach den durch die Richtlinien 2004/27/EG und 2004/28/EG geänderten Art. 2 Abs. 2 der Richtlinien 2001/83/EG und 2001/82/EG auch zur Anwendung kommen in Zweifelsfällen, in denen ein Erzeugnis unter Berücksichtigung aller seiner Eigenschaften sowohl unter die Definition von "Arzneimittel" als auch unter die Definition eines Erzeugnisses fallen kann, das durch andere gemeinschaftliche Rechtsvorschriften geregelt ist. Dies entspricht der Sicht des EuGH.

Vgl. EuGH, Urteile vom 21.3.1991 - Rs C 369/88 -, LRE 28, 1, vom 16.4.1991 - Rs C 112/89 -, LRE 28, 19; BVerwG, Urteil vom 18.12.1997 - 3 C 46.96 -, a.a.O.

Der gemeinschaftsrechtliche Arzneimittelbegriff ist bei der Auslegung des § 2 AMG - auch im Hinblick auf die Abgrenzung von Tierarzneimittel und Tierkosmetikum - heranzuziehen, denn die Gerichte haben diejenige Auslegung des nationalen Rechts zu wählen, die dem Inhalt von EG-Richtlinien in der vom EuGH vorgenommenen Auslegung entspricht. Das Arzneimittelgesetz ist daher im Lichte des Wortlauts und des Zwecks der EG-Arzneimittelrichtlinien auszulegen, Vgl. BVerfG, Beschluss vom 8.4.1987 - 2 BvR 687/85 -, BVerfGE 75, 223 = NJW 1988, 1459; Nds. OVG, Urteil vom 17.11.1992 - 10 L 233/89 -, juris, auch wenn die zur Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Richtlinien getroffenen Aussagen nicht ohne weiteres in das innerstaatliche Recht zu übertragen sind und den Richtlinien eine unmittelbare Verbindlichkeit zu Lasten des Bürgers nicht zukommt.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 18.12.1997 - 3 C 46.96 -, a.a.O.

Nach den vorstehenden Kriterien ist das von dem Abgabeverbot betroffene Produkt "C. P." ein Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1 AMG und kein Pflegemittel im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 4 AMG. Es ist dazu bestimmt, durch Anwendung am Pferd (Bein) ein beschleunigtes Absenken der Körpertemperatur und damit "normale" physiologische Funktionen herbeizuführen, also die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers zu beeinflussen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG). Ob es darüber hinaus auch zur Entzündungshemmung, Hyperämisierung und Anästhesierung verwendet wird und § 2 Abs. 1 Nr. 1 AMG erfüllt, kann offen bleiben.

Dass der Hersteller des Mittels es als Pflegemittel für Pferde bezeichnet und so bewirbt, ist nicht von entscheidender Bedeutung und steht der Einordnung als Arzneimittel nicht entgegen. Zwar hängen das Erscheinungsbild und die Zweckbestimmung eines Produkts weitgehend von der Konzeption des Herstellers über Wahl und Konzentration der im Produkt enthaltenen Wirkstoffe sowie seiner Form und seiner Bezeichnung ab. Jedoch bewirkt dies angesichts der "Objektivierung" des Arzneimittelbegriffs für sich genommen noch nicht die Einschätzung, dass es nicht als Arzneimittel einzuordnen ist. Auch wenn ein Hersteller ein Produkt nicht als Arzneimittel, sondern als Kosmetikum ansieht, steht dies einer Einstufung als Arzneimittel nicht entgegen, wenn diese bei objektiver Bewertung gerechtfertigt bzw. geboten ist.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1994 - 3 C 2.93 -, a.a.O.; Rehmann, AMG, § 2 Rdnr. 28.

Allein die Bezeichnung "Pferdepflege" auf dem Behältnis für "C. P." zwingt deshalb nicht zur Einstufung als Pflegemittel und schließt die Beurteilung des Produkts als Arzneimittel nicht aus. Dementsprechend kann die Klägerin auch nichts zu ihren Gunsten daraus herleiten, dass sich der Hersteller für seine Ansicht, es handele sich um ein Pflegemittel, auf eine entsprechende Einschätzung des Regierungspräsidenten in G. und des dortigen VG im Jahre 1990 beruft. Zum einen beziehen sich diese Äußerungen auf das Vorgängerprodukt "C. L." des Herstellers, zum anderen ist aus dem überreichten Vergleichsprotokoll des VG G. nicht eindeutig erkennbar, welchen konkreten Inhalt die in jenem Verfahren streitbefangene Verfügung hatte. Außerdem wird im Rahmen der Vergleichserwägungen ausdrücklich ausgeführt, dass die Frage, welche Verkehrsauffassung sich in Reiterkreisen in Bezug auf das Produkt "L. C. L." gebildet habe, noch klärungsbedürftig sei. Schon deshalb kann der Wertung des VG G. für die in diesem Verfahren anstehende Frage der Einstufung von "C. P." keine Bedeutung zuerkannt werden. Gleiches gilt bezüglich des von der Klägerin überreichten Urteils des OLG Köln vom 4.2.2000 - 6 U 130/97 -, LRE 38, 198. Jene Entscheidung ist durch die Besonderheit gekennzeichnet, dass es um die Einstufung eines Zitzentauchmittels ging und dabei zwei Typen dieses Mittels auf dem Markt waren, die einer unterschiedlichen Wertung durch die maßgebenden Verbraucherkreise als Arzneimittel oder als Pflegemittel zugänglich waren. Dass Pferdesalben und auch "C. P." seit vielen Jahren als Pflegemittel vertrieben werden, steht der Einstufung als Arzneimittel unter Berücksichtigung der objektiv gerechtfertigten Bewertung ebenfalls nicht entgegen, zumal jedenfalls in Nordrhein-Westfalen der Vertrieb derartiger Salben als Pflegemittel verstärkt unterbunden werden soll.

Die Einstufung als Arzneimittel unter Berücksichtigung der Verbrauchererwartung ist erst recht gerechtfertigt bei Berücksichtigung des Umstands, dass Pferdesalben bei einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung in dem Ruf stehen, auch in der Anwendung beim Menschen (z. B. bei Prellungen, Zerrungen, Gelenk- oder Muskelschmerzen, Verstauchungen, Rheuma) heilsame Wirkungen zu entfalten, ohne dass der jedenfalls überwiegenden Zahl der Anwender im Einzelnen die Zusammensetzung der Salben, insbesondere wegen fehlender Angaben auf der Verpackung oder in den Anwendungshinweisen, bekannt ist und sie daher nicht wissen, welche Inhaltsstoffe die Schmerzlinderung bewirken. Zudem ist auch eine entsprechende auf die Anwendung beim Menschen bezogene Werbung für solche Mittel festzustellen. Dass "C. P." von dieser Sichtweise ausgenommen ist, ist nicht erkennbar. Zwar handelt es sich bei der Anwendung von Pferdesalben beim Menschen an sich nicht um die bestimmungsgemäße Anwendung. Doch kann wegen der Einschätzung eines großen Teils der Bevölkerung, Pferdesalben wirkten auch beim Menschen schmerzlindernd, und der gebotenen Berücksichtigung aller für die Einstufung als Arzneimittel bedeutsamen Umstände, zu denen auch der Umfang der Verbreitung und die Bekanntheit der Verwendungsmöglichkeiten eines Mittels bei den Verbrauchern zählen, dieses Verbraucherverständnis bei der Frage, ob ein Arzneimittel gegeben ist, nicht außer Betracht bleiben. Andernfalls würde ein erheblicher Teil des Anwendungsbereichs derartiger Salben und eine entsprechend verbreitete - tatsächliche - Handhabung in der Bevölkerung und damit eine diesbezügliche Einschätzung eines beachtlichen Teils der Verbraucher nicht in die Beurteilung einbezogen und bliebe somit ein gewichtiger potentieller Gefährdungsaspekt unberücksichtigt. Allein die Bezeichnung als "Pferde"-Salbe hindert deshalb nicht eine Betrachtung des in Frage stehenden Mittels auch unter dem Gesichtspunkt der Anwendung beim Menschen.

C.-P. enthält als Bestandteil u.a. Kampfer. Auch wenn bei der Einschätzung, ob ein Arzneimittel gegeben ist, das Gesamtprodukt in den Blick zu nehmen ist, vgl. BVerwG, Urteile vom 18.12.1997 - 3 C 46.96 -, a.a.O., und vom 24.11.1994 - 3 C 2.93 -, a.a.O.; BGH, Urteil vom 25.4.2001 - 2 StR 374/00 -, a.a.O., orientiert sich die Einschätzung, ob es sich bei "C. P." um ein Arzneimittel handelt, doch an diesem Inhaltsstoff, auch wenn - wie dargelegt - dem Verbraucher mangels konkreter Angaben auf dem Behältnisetikett die Konzentrationen der Bestandteile der Salbe nicht bekannt sind und er die positive Wirkung beim Tier und/oder beim Menschen nicht dem Bestandteil Kampfer, sondern der Salbe als solcher zuschreibt.

Nach der "Monographie: Campher "des (früheren) Bundesgesundheitsamts (jetzt: Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit - BVL -) vom 3.1.1991 (BAnz, S. 1404) wirkt Campher bei lokaler Anwendung auf der äußeren Haut reizend und damit hyperämisierend (durchblutungsfördernd). In geringer Konzentration (0,5 - 1,0 %) auf die Haut aufgetragen, ist ein kühlender, leicht lokal anästhesistischer Effekt vorhanden. Als Wirkprinzip gilt, dass durch lokale Irritation der Haut eine Entzündungsreaktion mit Dilatation der Hautgefäße ausgelöst wird. Es kann auch die Durchblutung tieferliegender Gewebe verbessert werden. Kampfer, das aus Salbengrundlagen binnen weniger Stunden quantitativ über die Haut resorbiert wird, wird auch in tiefere lipidreiche Gewebe verteilt und passiert Barrieren wie die Blut-Milch-Schranke, die Blut-Hirn-Schranke und die Plazentaschranke. Nach der Monographie ist bei Pferden Campher u. a. indiziert bei Druckschäden, Frost, Einschuss, Hautausschlägen, schlecht granulierenden Wunden, Geschwüren, Fisteln, Ödemen und Gliederschwäche. Dem Inhaltsstoff Kampfer kommt damit auch eine heilende, also arzneiliche Wirkung zu.

Die Auffassung, kampferhaltige Mittel seien als Arzneimittel einzustufen, wurde auch vom (früheren) Bundesgesundheitsamt und wird sie jetzt von dessen Nachfolgebehörde BVL vertreten. Das Bundesgesundheitsamt hat bereits in einer Stellungnahme vom 1.11.1985 betreffend kampferhaltige Eutersalben ausgeführt, dass Produkte, welche Kampfer enthalten, wegen ihrer pharmakologischen Wirkung nicht unter § 2 Abs. 3 Nr. 4 AMG eingestuft werden können; das BVL hat diese Einschätzung unter dem 21.9.2004 gegenüber dem Landesinstitut für den öffentlichen Gesundheitsdienst, M., in Bezug auf "A. O. P." bestätigt. Diese Einschätzung bezieht sich generell auf Euter- bzw. Pferdesalben. Dass das in Frage stehende Produkt "C. P." einer andersartigen Bewertung unterliegt, ist angesichts der Angabe des Wirkstoffs Campher auf dem Behältnisetikett aber nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin nicht behauptet. Zudem hat auch das Landesinstitut für den öffentlichen Gesundheitsdienst, M., in einem gerade dieses Produkt betreffenden Prüfbericht vom 23.3.2000 das Produkt als Tierarzneimittel und nicht als Tierpflegemittel eingestuft, auch wenn es dabei weitgehend Bezug genommen hat auf die entsprechenden "Vorgaben" anderer Institutionen.

Das VG hat auch - jedenfalls im Ergebnis - zu Recht angenommen, dass es sich bei dem Produkt "C. P." nicht um ein Tierpflegemittel im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 4 AMG handelt. Zwar ist seine Annahme, Kampfer als Bestandteil des Produkts sei apothekenpflichtig, nicht zutreffend. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel werden die in der Anlage 1a der Verordnung aufgeführten Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen sowie Arzneimittel nach näherer Bestimmung der Anlage für den Verkehr außerhalb der Apotheken freigegeben. In der Anlage 1a der Verordnung sind aber u. a. Campheröl zum äußeren Gebrauch sowie Camphersalbe, auch mit Zusatz von ätherischen Ölen, Menthol und Menglytat, sowie Campherspiritus aufgeführt mit der Folge, dass diese Mittel nicht der Apothekenpflichtigkeit unterliegen. Im Übrigen sind Präparate, die die in Anlage 1a der Verordnung über apothekenpflichtige und freiverkäufliche Arzneimittel genannten Stoffe enthalten, nicht schon wegen ihrer dortigen Bezeichnung Arzneimittel; vielmehr wird der Begriff des Arzneimittels in dieser Verordnung vorausgesetzt und nur in dem ermächtigenden Arzneimittelgesetz definiert.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1994 - 3 C 2.93 -, a. a. O.

§ 2 Abs. 3 Nr. 4 AMG ist aber deshalb nicht einschlägig, weil "C. P." nicht das Tatbestandsmerkmal erfüllt, ausschließlich dazu bestimmt zu sein, äußerlich am Tier zur Reinigung oder Pflege oder zur Beeinflussung des Aussehens oder des Körpergeruchs angewendet zu werden. Durch dieses Merkmal der "ausschließlichen" Bestimmung unterscheidet sich die Abgrenzung der Tierarzneimittel von den Tierpflegemitteln nach § 2 Abs. 3 Nr.4 AMG von der Abgrenzung der Arzneimittel von den Kosmetika für Menschen, die sich nach der "überwiegenden" Zweckbestimmung richtet.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.1994 - 3 C 2.93 -, a.a.O. ; Nds. OVG, Urteil vom 17.11.1992 - 10 L 233/89 -.

Eine derartige ausschließliche Bestimmung zur äußerlichen Anwendung am Tier mit einem auf die Verbesserung des Aussehens oder des Körpergeruchs beschränkten Verwendungszweck ist nach dem Maßstab eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers bei C.-P. nicht anzunehmen. Die Salbe wird zwar auf die Haut appliziert ("äußerlich"), ihre Wirkung beschränkt sich aber - wie dargelegt - nicht auf eine rein äußerliche Anwendung im Sinne eines Reinigungs- und/oder Pflegemittels. Sie dient nicht ausschließlich der Reinigung oder Pflege eines Pferdes, z. B in Form einer bloßen Fellpflege. Nach den Angaben auf der Verpackung soll das Produkt "auch nach harter Beinarbeit" zunächst "langanhaltende Kühlung" und danach "angenehme Erwärmung" bewirken. Damit soll es den Körperzustand und die Physiologie beeinflussen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 AMG); dazu ist es bestimmt. Das Produkt als Pflegemittel zu bezeichnen, wie es der Hersteller tut, erschöpft daher nicht seine Bestimmung ist und ist deshalb - objektiv gesehen - falsch.

Die vorstehenden Erwägungen gelten auch angesichts dessen, dass in einer von der Klägerin überreichten Stellungnahme der Universität G., Institut für Pharmakologie und Toxikologie, vom 15.11.2000 "zur Frage einer pharmakologischen oder toxikologischen Wirkung von Campher in C. P. Pferdepflegemittel" der Kampfer-Gehalt in "C. P." mit 0,5 % angegeben wurde und "wegen der äußerst geringen Menge an Campher in C. P. Sicherheitsbedenken für den Verbraucherschutz (fast) nicht angebracht sind". Der Senat geht dabei im Grundsatz davon aus, dass auch die konkrete dosisabhängige pharmakologische Wirkung eines Präparats oder seiner Inhaltsstoffe die Verbrauchereinschätzung, ob es sich um ein Arzneimittel handelt, mit bestimmt, vgl. EuGH, Urteile vom 16.4.1991 - Rs C 12/89 -, a. a. O., und vom 20.5.1992 - Rs C 290/90 -, a. a. O.; BGH, Urteile vom 11.7.2002 - 1 ZR 34/01 -, a. a. O., und vom 25.4.2001 - 2 StR 374/00 -, a. a. O., und dass es nicht gerechtfertigt ist, die Frage der konkreten therapeutischen Wirksamkeit eines Präparats im Rahmen des Arzneimittelbegriffs außer Betracht zu lassen.

So aber BVerwG, Urteil vom 24.11.1994 - 3 C 2.93 -, a. a. O.; Nds. OVG, Urteil vom 17.11.1992 - 10 L 233/89 -.

Dies gilt erst recht angesichts dessen, dass nunmehr auch in den EG-Richtlinien 2004/27 und 2004/28 u. a. auf eine pharmakologische Wirkung von Stoffen oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen oder tierischen Körper verwendet oder verabreicht werden, abgestellt wird.

Nach der o. a. Stellungnahme der Universität G. kann zwar davon ausgegangen werden, dass die Wirkungen von Campher bei Pferden offenbar unbedeutend sind und dass der in "C. P." enthaltene Anteil von 0,5 % Campher bei Pferden keine pharmakologische Wirkung hat. Mit dieser Aussage wird aber die Wirkung von Campher bei der Anwendung von Pferdesalben bzw. von "C. P." nicht erschöpfend beschrieben, und zwar insbesondere nicht im Hinblick auf die Anwendung kampferhaltiger Pferdesalben bei Menschen, die - wie dargelegt - bei der Frage, ob das fragliche Produkt als Arzneimittel einzustufen ist, zu berücksichtigen ist. Dass "C. P." mit einem Kampfergehalt von 0,5 % auch bei Menschen keine pharmakologische Wirkung hat, ist der Stellungnahme der Universität G. nicht zu entnehmen. In der Stellungnahme wird insoweit ausgeführt, dass Campher unspezifische zentralstimulierende Effekte am Nervensystem hat und als Krampfgift tonisch-klonische Krämpfe über eine Stimulierung des zentralen Nervensystems auszulösen vermag. Unter Campherkrämpfen kann es zu irreparablen Störungen von Nervenzellen kommen und auch das Reizleitungssystem des Herzens reagiert auf Campher, und zwar dosisabhängig sowohl mit lähmender als auch erregender, die Herzfrequenz steigernder Wirkung. Diese auf Grund der unterschiedlichen Hautstruktur bei Pferden und Menschen nachvollziehbare Aussage rechtfertigt die Annahme, das fragliche Produkt nicht nur als Tierarzneimittel, sondern auch als Humanarzneimittel zu werten. Dies muss besonders dann gelten, wenn auf Grund der Beschreibung des Mittels für den Verbraucher nicht erkennbar ist, ob und bei welchem Wirkstoffgehalt eine therapeutische bzw. pharmakologische Wirkung eintritt. In diese Richtung deutet auch das von der Beklagten vorgelegte Gutachten des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Dienststelle O., in dem Pferde-Balsam einer Herstellerfirma aus R. sowohl als Tierarzneimittel als auch als Humanarzneimittel angesehen wurde. Auch als solches ist es daher dem Schutzzweck des Arzneimittelgesetzes, vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen bei der Einnahme und/oder Anwendung von Präparaten und Mitteln bewahrt zu werden, unterworfen. Denn ebenso wie Erzeugnisse, die nicht ausreichend wirksam sind oder die nicht die Wirkung haben, die der Verbraucher von ihnen erwartet, dem Arzneimittelrecht unterliegen, erstreckt sich der Schutz des Arzneimittelgesetzes auch auf solche Produkte, die lediglich als Pflegemittel deklariert werden, bei der gebotenen objektiven Betrachtung aber als Arzneimittel im Sinne des § 2 Abs. 1, 2 AMG einzustufen sind.

Nach den vorstehenden Erwägungen kann dahinstehen, ob eine Einstufung von "C. P." als Arzneimittel auch im Hinblick auf die Gefahren, die seine Verwendung mit sich bringen kann, geboten ist.

Vgl. EuGH, Urteil vom 20.5.1992 - Rs C 290/90 -, a. a. O.

Auf derartige Gefahren unter dem Gesichtspunkt, dass Pferde zu den lebensmittelliefernden Nutztieren gehören und das Bundesgesundheitsamt für kampferhaltige Salben eine Wartezeit für essbare Gewebe von drei Tagen festgesetzt habe, hat der Beklagte hingewiesen. Eines weiteren Nachgehens dieses Vorbringens und zu der in diesem Rahmen eventuell bedeutsamen Überlegung, ob die Frage der ausreichend langen Wartezeit vor dem Genuss von Pferdefleisch für den Arzneimittelbegriff relevant ist und sich in diesem Verfahren stellt oder nicht vielmehr nach anderen (EG-)Regelungen und deren ordnungsgemäßer Anwendung zu beurteilen ist, bedarf es hingegen nicht, weil sich die Einstufung von "C. P." als Arzneimittel - wie dargelegt - schon auf Grund der anderen Kriterien rechtfertigt und diese Einstufung weder bei Annahme noch bei Verneinung einer Gefahr bei der Verwendung des Mittels entfällt. Dementsprechend bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme der Europäischen Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln - EMEA -.

Ermessensfehler sind bezüglich der Entscheidung des Beklagten, die Abgabe von "C. P." zu untersagen, nicht anzunehmen. Auch wenn in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid als einziger schriftlicher Verfügung entsprechende Erwägungen und eine Abwägung auch unter Berücksichtigung der Interessen der Klägerin im Rahmen der Sachentscheidung nicht ausdrücklich formuliert sind, kann angesichts dessen, dass sich die entsprechenden Erwägungen in der Begründung zur Anordnung der sofortigen Vollziehung finden und der Beklagte diesbezügliche Erwägungen im Laufe des Verfahrens nach § 114 Satz 2 VwGO nachgeschoben hat, davon ausgegangen werden, dass dem Beklagten bekannt war, dass es sich bei der Entscheidung nach § 69 AMG um eine Ermessensentscheidung handelt. Sachwidrige Erwägungen liegen der Entscheidung ersichtlich nicht zu Grunde, zumal bei einer - auch hier gegebenen - Regelung zum Schutz öffentlicher Interessen die behördliche Schutzmaßnahme die Regel und ein Absehen davon, für das besondere Gründe vorliegen müssen, die Ausnahme ist.

Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 27.12.2004 - 13 B 2314/04 -, vom 1.7.2004 - 13 B 2436/03 -, NWVBl. 2004, 474, und vom 11.2.2004 - 13 B 2435/03 -.

Der Beklagte hat hinreichend deutlich gemacht, dass er sich zum Einschreiten veranlasst gesehen hat, weil wegen der fehlenden Überprüfung durch die zuständige Bundesoberbehörde im Zulassungsverfahren der Schutz der Verbraucher vor potenziell gefährlichen Stoffen nicht gewährleistet ist. Gem. § 96 Nr. 5 AMG i. V. m. § 21 Abs. 1 AMG stellt es eine Straftat dar, ein zulassungsbedürftiges Arzneimittel ohne Zulassung in den Verkehr zu bringen. Die Verhinderung einer Straftat wirkt ermessensbestimmend im Sinne der hier in Frage stehenden Verfügung. Anhaltspunkte dafür, dass eine andere Maßnahme geeigneter und weniger einschneidend gewesen wäre, um den festgestellten Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz zu unterbinden, sind nicht erkennbar.

Ende der Entscheidung

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