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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil verkündet am 11.02.2009
Aktenzeichen: 13 A 2446/06
Rechtsgebiete: AMG, RL 92/27/EWG, RL 92/73/EWG, RL 2001/83/EG, RL 2004/24/EG


Vorschriften:

AMG § 10
AMG § 11
AMG § 28 Abs. 2
AMG § 105 Abs. 5a
RL 92/27/EWG Art. 7 Abs. 3
RL 92/73/EWG Art. 7 Abs. 2
RL 2001/83/EG Art. 16g
RL 2001/83/EG Art. 54 ff.
RL 2004/24/EG Art. 1
Für die Annahme einer "bei der Anwendung des Arzneimittels" drohenden Gefährdung der Gesundheit von Mensch oder Tier i. S. v. § 28 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AMG ist ausreichend, dass die Anwendung des Arzneimittels die in Rede stehende Gefahr hervorruft oder mehr als unwesentlich erhöht, auch wenn zur Realisierung der Gefahr weitere Umstände hinzutreten müssen; unter dieser Voraussetzung kommt die Anordnung eines "differentialdiagnostischen Hinweises" durch Auflage zum (Nach-) Zulassungsbescheid - auch bei freiverkäuflichen Arzneimitteln - in Betracht (wie Urteile vom 11.2.2009 - 13 A 2150/06, 13 A 976/07 und 13 A 977/07 -).

Der "differentialdiagnostische Hinweis" kann auch dann in seiner konkreten Form gerechtfertigt sein, wenn er die Gefahr zwar nicht vollständig beseitigt, aber einen wesentlichen Beitrag zur Gefahrenabwehr leistet.


Tatbestand:

Die Klägerin beantragte im Dezember 1986 die Verlängerung der Zulassung für ein im Juni 1978 von ihr angezeigtes Arzneimittel. Dabei handelt es sich um ein freiverkäufliches "Erkältungsbad". Diese Verlängerung wurde im Oktober 2003 vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gewährt. Der Bescheid enthält eine Reihe von "Auflagen" betreffend die Gestaltung der Packungsbeilage. Unter anderem soll diese in der Rubrik "Vorsichtsmaßnahmen für die Anwendung und Warnhinweise" den folgenden Hinweis enthalten: "Wenn die Beschwerden länger als eine Woche anhalten oder wenn Luftnot, Fieber oder eitriger Auswurf auftreten, sollte ein Arzt oder ein qualifizierter Heilberufler konsultiert werden". Das VG hob die vorgenannte Auflage auf. Das OVG änderte die erstinstanzliche Entscheidung und wies die Klage ab.

Gründe:

(...) Gegenstand der Entscheidung sind die Auflagen A.11 und A.13 des Nachzulassungsbescheides vom 15.8.2003, soweit sie den "differentialdiagnostischen Hinweis" betreffen, in der Gestalt, die sie durch die Änderung in der mündlichen Verhandlung vom 11.2.2009 erhalten haben. Die Klägerin hat die Änderung ausdrücklich in das Verfahren einbezogen; Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Einbeziehung bestehen nicht.

Die Klage gegen diese Auflagen ist unbegründet. Sie sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für die genannten Auflagen, soweit darin der in Rede stehende "differentialdiagnostische Hinweis" angeordnet wird, ist § 105 Abs. 5a S. 1 und 2 i. V. m. § 28 Abs. 2 Nr. 2 lit. a), Nr. 1 lit. a) AMG. Nach diesen Vorschriften können Auflagen angeordnet werden, um sicherzustellen, dass die Packungsbeilage den Vorschriften des § 11 AMG entspricht; dabei kann angeordnet werden, dass Hinweise oder Warnhinweise angegeben werden müssen, soweit sie erforderlich sind, um bei der Anwendung des Arzneimittels eine unmittelbare oder mittelbare Gefährdung der Gesundheit von Mensch oder Tier zu verhüten. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

1. Tatbestandliche Voraussetzung der Ermächtigung des § 28 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) i. V. m. Nr. 1 lit. a) AMG ist zunächst eine bei der Anwendung des Arzneimittels drohende Gefährdung der Gesundheit von Mensch oder Tier. Als "Gefahr" wird im Allgemeinen eine Sachlage bezeichnet, die bei ungehindertem Ablauf den Eintritt eines Schadens erwarten lässt.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 27.9.2005 - 13 A 4378/03 -, A & R 2006, 128, und - 13 A 4090/03 -, Pharma Recht 2005, 497; dazu auch Brixius/Maur, Die Auslegung des Gefahrbegriffs im Kontext arzneimittelrechtlicher Auflagen, Pharma Recht 2007, 14 ff.

Dabei hängt die für die Annahme einer Gefahr erforderliche Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nach den Grundsätzen des Ordnungsrechts maßgeblich von dem gefährdeten Schutzgut ab. Je gewichtiger dieses ist, desto geringer sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts.

Vgl. nur Schoch, in: Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 13. Aufl. 2005, Kap. 2 "Polizei- und Ordnungsrecht" Rdnr. 89 f.; siehe auch BVerfG, Urteil vom 11.3.2008 - 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 -, NJW 2008, 1505 (1515).

Diese Grundsätze lassen sich - nicht zuletzt aufgrund ihres verfassungsrechtlichen Hintergrunds - auch im vorliegenden Kontext fruchtbar machen; wie bei einer ordnungsrechtlichen Maßnahme hat auch hier eine wertende Betrachtung zu erfolgen. Da es sich bei den Gefährdungen im Zusammenhang mit der Anwendung des Arzneimittels, vor denen die Auflage schützen soll, schon tatbestandlich um Gefährdungen der Gesundheit handeln muss und damit ein hochrangiges Rechtsgut betroffen ist, zu dessen Schutz der Staat aufgrund von Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verpflichtet ist, sind die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts eher gering. Auf der anderen Seite ist allerdings zu berücksichtigen, dass es nicht lediglich um eine Maßnahme der Risikovorsorge, also ein Einschreiten im Vorfeld der Gefahrenabwehr gehen darf. Denn der Gesetzgeber unterscheidet (auch) im Arzneimittelgesetz zwischen dem Begriff der Gefahr und demjenigen des Risikos, den er etwa in § 4 Nr. 27 und § 28 Abs. 3 lit. c) AMG verwendet und in § 6 Abs. 1 S. 1 letzter Hs. AMG sogar dem Begriff der Gefahr gegenüberstellt.

Des Weiteren erfordert § 28 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AMG eine "bei der Anwendung des Arzneimittels" drohende Gefahr. Unabhängig davon, ob die Ermächtigung durch diesen Zusatz auf die Abwehr solcher Gefahren begrenzt wird, die im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs des Arzneimittels entstehen können, vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 10.11.2005 - 13 A 4246/03 -, juris; OVG Berlin, Beschluss vom 9.6.2000 - 5 N 32.99 -, juris; Brixius/Schneider, Nachzulassung und AMG-Einreichungsverordnung, 2004, S. 170 f., muss jedenfalls eine Gefahr vorliegen, die bei der Anwendung des Arzneimittels selbst entsteht, also durch die Anwendung des Arzneimittels hervorgerufen wird.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.2006 - 3 B 17.06 -, NJW 2007, 859 = A & R 2007, 83.

Dies ergibt sich letztlich auch aus dem Zweck des Arzneimittelgesetzes, das im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln sorgen soll (§ 1 AMG), nicht aber sonstige Ziele der Gesundheitsfürsorge verfolgt. Angesichts der Tatsache, dass der Gesetzgeber neben der unmittelbaren ausdrücklich auch eine mittelbare Gefährdung genügen lässt, sind an das der Sache nach hier angesprochene Erfordernis der Kausalität jedoch keine hohen Anforderungen zu stellen. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass die Anwendung des Arzneimittels die in Rede stehende Gefahr hervorruft oder mehr als unwesentlich erhöht, auch wenn zur Realisierung der Gefahr weitere Umstände hinzutreten müssen.

Vgl. auch VG Köln, Urteil vom 18.11.2008 - 7 K 8670/99 -, juris; Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, Kommentar, Stand: Juni 2008, § 6 Anm. 7.

Gemessen an diesen Anforderungen ist vorliegend eine (mittelbare) Gefährdung der Gesundheit bei der Anwendung des Arzneimittels anzunehmen. Als Indikationen des - freiverkäuflichen - Arzneimittels werden "Beschwerden bei Erkältungskrankheiten der Atemwege mit zähflüssigem Schleim" benannt. Die Gefährdung resultiert daraus, dass vermeintliche Erkältungsbeschwerden, namentlich die vorliegend in Rede stehenden Symptome Luftnot, Fieber und Schleimbildung auch Anzeichen für ernsthafte, behandlungsbedürftige organische Ursachen sein können. Die Beklagte hat insoweit beispielhaft bakterielle Infektionen der Luftwege, Lungenentzündung, Tuberkulose, Bronchialkarzinom, Leukämie, Herz-Gefäß-Krankheiten und Vaskulitis aufgezählt. Die Aufzählung ist für den Senat nachvollziehbar.

Vgl. auch Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 261. Aufl. 2007, Stichwörter: "Bronchialkarzinom", "Dyspnoe", "Pneumonie", "Tuberkulose", "Vaskulitis".

Im Einzelfall kann es also notwendig sein, Erkältungsbeschwerden von Anhaltspunkten für die genannten Krankheiten differentialdiagnostisch abzugrenzen. Von einem durchschnittlichen Verbraucher, der, ohne einen Arzt oder Apotheker zu konsultieren, in Drogerien, Reformhäusern oder Supermärkten nach einem zu seinen Beschwerden "passenden" Mittel Ausschau hält, können die erforderlichen diagnostischen Fähigkeiten indes nicht ohne Weiteres erwartet werden.

Vgl. OVG Berlin, Urteile vom 16.8.2001 - 5 B 3.00, 5 B 4.00, 5 B 5.00 -, juris; nachfolgend BVerwG, Beschlüsse vom 26.9.2002 - 3 B 131.01, 3 B 132.01, 3 B 140.01 -, juris.

Kommt es zu einer verzögerten Behandlung der genannten Krankheiten oder unterbleibt diese vollständig, so kann dies gesundheitliche Nachteile zur Folge haben. Zwar haben die Erkrankungen selbst ihre Ursache nicht in der Anwendung des streitgegenständlichen Präparats. Auch das Ausbleiben oder die Verzögerung der erforderlichen Behandlung ist in erster Linie Folge einer Fehleinschätzung des Patienten über den eigenen Gesundheitszustand. Das Inverkehrbringen und die Anwendung eines freiverkäuflichen Arzneimittels mit den genannten Anwendungsgebieten erhöht aber die Gefahr, dass eine (rechtzeitige) Behandlung unterbleibt. Denn das Arzneimittel erhebt den Anspruch, entsprechende Beschwerden lindern zu können und vermag damit die Gefahr, diese Beschwerden zu unterschätzen, zu fördern. Der Gedanke, die - bekanntermaßen häufig erkältungsbedingten - Beschwerden mit einer ohne großen Aufwand zu beschaffenden, bewährten und nebenwirkungsarmen Wirkstoffkombination zu behandeln, es "erst einmal ohne Arztbesuch zu versuchen", liegt nahe. Insoweit trägt die Anwendung des Arzneimittels durchaus zu der in Rede stehenden Gefährdung bei. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient die Grenzen der Selbstmedikation verkennt und aufgrund einer Fehlvorstellung über die Ursache seiner Beschwerden die gebotene Konsultation eines Arztes (übermäßig lange) unterlässt, mag zwar gering sein, da der Patient zumeist eine Vorstellung davon haben wird, ob seine Beschwerden erkältungsbedingt sein können. Da im vorliegenden Zusammenhang indes - wie oben erläutert - eine relativ geringe Wahrscheinlichkeit genügt, hält der Senat eine Gefährdung im Sinne der Vorschriften für gegeben.

2. Insoweit unterscheidet sich das in Rede stehende Arzneimittel von "Traditionsarzneimitteln" im Sinne von § 109 Abs. 3 AMG, insbesondere von solchen, deren Anwendungsgebiete nicht die Heilung von Krankheiten umfassen. Der Senat hat bereits entschieden, dass bei einem solchen, im Verfahren nach § 109a Abs. 3 AMG nachzugelassenen Arzneimittel, grundsätzlich kein Raum für die Anordnung eines "differentialdiagnostischen Hinweises" ist.

Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.11.2005 - 13 A 4246/03 -, a. a. O.

Auch das BVerwG teilt diese Einschätzung und hat die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil des Senats zurückgewiesen.

Vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.12.2006 - 3 B 17.06 -, a. a. O., mit Anmerkung Pabel, Pharma Recht 2007, 111.

Ausgangspunkt beider Entscheidungen sind die Besonderheiten der traditionellen Arzneimittel. Der Gesetzgeber hat bei diesen Arzneimitteln auf einen Wirksamkeitsnachweis verzichtet und angeordnet, dass dies durch einen entsprechenden Hinweis auf Behältnis, Umhüllung und Packungsbeilage des Arzneimittels deutlich gemacht wird. Da der Gesetzgeber dies als eine hinreichende Aufklärung über Charakter und Funktion entsprechender Arzneimittel ansieht, ist für einen Hinweis des Inhalts, dass bei gravierenden Beschwerden ein Arzt zu Rate gezogen werden soll, grundsätzlich kein Raum. Auf andere als die traditionellen Arzneimittel sind diese Überlegungen nicht ohne Weiteres übertragbar. Dies dürfte auch für den Beschluss des BVerwG gelten. Zwar wird dort neben den aus den Besonderheiten der Traditionszulassung resultierenden Gründen gegen die Zulässigkeit des Hinweises auch auf die Freiverkäuflichkeit dieser Arzneimittel hingewiesen; dabei handelt es sich aber erkennbar um ein ergänzendes Argument. Dass ein entsprechender Hinweis bei freiverkäuflichen Arzneimitteln generell unzulässig wäre, lässt sich dem nicht ohne Weiteres entnehmen.

Anderer Ansicht Kleist, Differentialdiagnostischer Hinweis - quo vadis?, in: Wartensleben u. a. (Hrsg.), Iuri pharmaceutico deditus, Festschrift für Axel Sander zum 65. Geburtstag, 2008, S. 149 (153 f.).

Auch der Einwand des BVerwG, dass ein entsprechender Hinweis das System des Arzneimittelgesetzes verlasse, ist auf die Besonderheiten traditioneller Arzneimittel zu beziehen. Dass ein solcher Hinweis generell aus dem Regelungszusammenhang herausfällt, auch wenn es um eine durch die Anwendung des Arzneimittels (mit-)verursachte Gefahr geht, ist nicht anzunehmen. Dagegen spricht bereits, dass der Gesetzgeber den "differentialdiagnostischen Hinweis" selbst für bestimmte Gruppen von Arzneimitteln angeordnet hat (näher dazu unter 4.).

3. Soweit in § 28 Abs. 2 Nr. 2 lit. a) i. V. m. Nr. 1 lit. a) AMG auf § 11 AMG Bezug genommen wird, stellt dies die Rechtmäßigkeit der Anordnung des streitgegenständlichen Hinweises ebenfalls nicht in Frage. Der Senat folgt insbesondere auch nicht der Auffassung der Klägerin, dass § 11 AMG der geforderten Auflage deshalb entgegenstehe, weil er in Abs. 1 S. 1 eine abschließende Aufzählung in Betracht kommender Informationen enthalte und den "differentialdiagnostischen Hinweis" nicht erwähne. Es spricht einiges dafür, dass die Auflage in ihrer jetzigen Fassung die Angabe einer "Vorsichtsmaßnahme für die Anwendung" (§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 lit. b) AMG) oder eines "Warnhinweises" (§ 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 lit. d) AMG) betrifft. Doch selbst wenn man den geforderten Hinweis nicht als eine der dort aufgezählten Informationen einordnete, ließe er sich jedenfalls unter § 11 Abs. 1 S. 5 AMG i. d. F. der 14. AMG-Novelle bzw. § 11 Abs. 1 S. 4 AMG a. F., zur Frage des anwendbaren Rechts vgl. auch § 141 Abs. 1 AMG, fassen. Danach sind neben den aufgezählten Informationen "weitere Angaben" zulässig, soweit sie mit der Anwendung des Arzneimittels im Zusammenhang stehen, für die gesundheitliche Aufklärung der Patienten wichtig sind und den Angaben nach § 11a AMG nicht widersprechen. Durch diese Regelung wird der limitierende Charakter der Aufzählung in § 11 Abs. 1 S. 1 AMG in gewissem Maße aufgeweicht. Angesichts des in § 28 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) AMG ("...bei der Anwendung...") vorausgesetzten und vorliegend gegebenen Zusammenhangs mit der Anwendung des Arzneimittels und der aufgezeigten Gefährdung wäre eine Aufnahme des "differentialdiagnostischen Hinweises" jedenfalls auf dieser Grundlage gerechtfertigt.

Auch aus dem zugrunde liegenden Gemeinschaftsrecht ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine abweichende Sichtweise. Eine entsprechende "Öffnungsregelung" enthielt bereits die Richtlinie 92/27/EWG vom 31.3.1992 über die Etikettierung und die Packungsbeilage von Humanarzneimitteln, in deren Erwägungsgründen zwischen Verzeichnissen und nicht erschöpfenden Verzeichnissen differenziert wird. In Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie war vorgesehen, dass die Packungsbeilage zur Veranschaulichung einiger der in Absatz 1 genannten Informationen Zeichen oder Piktogramme sowie weitere mit der Zusammenfassung der Merkmale des Erzeugnisses zu vereinbarende Informationen enthalten kann, die für die Gesundheitsaufklärung wichtig sind. Der Umsetzung dieser Vorgabe diente § 11 Abs. 1 S. 4 AMG a. F.

Vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs zur 5. AMG-Novelle, BT-Drucks. 12/6480, S. 18.

Durch die Richtlinie 2001/83/EG vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel sind die Richtlinie 92/27/EG aufgehoben und ihre Vorschriften in Art. 54 ff. des "Gemeinschaftskodex" übernommen worden. Die "Öffnungsregelung" ist nunmehr in Art. 62 der Richtlinie 2001/83/EG enthalten, ohne dass sich gegenüber der bisherigen Vorschrift Änderungen ergeben hätten.

Auch einer Trennung dieser "weiteren Angaben" von den "Pflichtangaben" bedürfte es insoweit nicht. Denn das entsprechende, bereits in der Ausgangsfassung des Arzneimittelgesetzes 1976 enthaltene Gebot des § 11 Abs. 5 S. 2 AMG dürfte seinem Zweck nach nicht anwendbar sein, wenn die zusätzliche Angabe - wie hier - in unmittelbarem Zusammenhang mit den "Pflichtangaben" steht, die dortigen Informationen also vertieft.

Vgl. Kloesel/Cyran, a. a. O., § 11 Anm. 69, 88.

Dafür spricht auch, dass der Gesetzgeber in denjenigen Fällen, bei denen er selbst einen "differentialdiagnostischen Hinweis" fordert (näher dazu unter 4.), keine Trennung von den übrigen Angaben verlangt, sondern den Hinweis vielmehr in deren Aufzählung einreiht.

4. Der Umstand, dass das Arzneimittelgesetz bei zwei Gruppen von Arzneimitteln ausdrücklich einen "differentialdiagnostischen Hinweis" fordert, nämlich bei in das Register eingetragenen homöopathischen Arzneimitteln (§ 11 Abs. 3 S. 1 i. V. m. § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 10 AMG) und bei traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln nach § 39a AMG (§ 11 Abs. 3b S. 2 i. V. m. § 10 Abs. 4a S. 1 Nr. 2 AMG), steht der streitigen Auflage ebenfalls nicht entgegen.

Aus diesen Spezialregelungen lässt sich nicht schließen, dass der Gesetzgeber die Forderung nach einem "differentialdiagnostischen Hinweis" bei sonstigen Arzneimitteln hat ausschließen wollen. Dies legt bereits die Entstehungsgeschichte der zitierten Vorschriften nahe. Die Regelungen in §§ 11 Abs. 3 S. 1 und § 10 Abs. 4 S. 1 Nr. 10 AMG haben mit der 5. AMG-Novelle (1994) Eingang in das Gesetz gefunden und dienten der Umsetzung der entsprechenden Vorgabe in Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 92/73/EWG vom 22.9.1992 zur Erweiterung des Anwendungsbereichs der Richtlinie 65/65/EWG und 75/319/EWG zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel und zur Festlegung zusätzlicher Vorschriften für homöopathische Arzneimittel. Die Regelungen in §§ 11 Abs. 3b S. 2 und § 10 Abs. 4a S. 1 Nr. 2 AMG wiederum sind mit der 14. AMG-Novelle (2005) eingeführt worden und hatten die Umsetzung der entsprechenden Vorgabe in dem durch die Änderungsrichtlinie 2004/24/EG vom 31.3.2004 eingefügten Art. 16g Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG vom 6.11.2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Humanarzneimittel zum Ziel. Die in Rede stehenden Vorschriften entstammen damit auf europäischer Ebene Rechtssetzungsverfahren, bei denen nicht das Arzneimittelgesetz als Ganzes im Fokus stand, sondern besondere Regelungen für bestimmte Gruppen von Arzneimitteln geschaffen werden sollten. Dementsprechend sind Schlüsse auf das bei anderen Arzneimitteln geltende Rechtsregime nur eingeschränkt möglich. Auch den Begründungen der Umsetzungsgesetze lässt sich nicht entnehmen, dass der Gesetzgeber über die Frage der Zulässigkeit oder Erforderlichkeit eines "differentialdiagnostischen Hinweises" bei anderen Arzneimitteln eine Regelung hat treffen wollen.

Vgl. BT-Drucks. 12/6480, S. 19, und BT-Drucks. 15/5316, S. 34 f.

Insoweit greifen auch die Bedenken des VG in den Parallelverfahren, die an die Verwendung des Wortes "zusätzlich" in § 10 Abs. 4a und § 11 Abs. 3b S. 2 AMG sowie in Art. 16g Richtlinie 2001/83/EG anknüpfen, für den vorliegenden Fall nicht durch. Das Wort ist jeweils erforderlich, um klarzustellen, dass auch die übrigen Pflichtangaben für das Behältnis und die Packungsbeilage nicht unterbleiben dürfen. Zugleich ergibt sich daraus - wie auch schon aus dem Umstand der Einfügung der Sonderregelungen selbst -, dass ein differentialdiagnostischer Hinweis nicht stets zu den gesetzlichen Pflichtangaben gehört. Daraus wird des Weiteren wohl auch zu folgern sein, dass ein solcher Hinweis nicht generell, bei allen freiverkäuflichen Arzneimitteln ohne Rücksicht auf den Einzelfall zu den Pflichtangaben gezählt und per Auflage gefordert werden kann. Dafür, dass die Behörde einen solchen Hinweis auch dann nicht als Pflichtangabe oder als weitere Angabe verlangen darf, wenn er im konkreten Fall zur Abwehr einer Gefährdung der Gesundheit erforderlich ist, gibt die genannte Formulierung hingegen nichts her.

5. In der Gestalt, die sie durch die Änderung in der mündlichen Verhandlung vom 11.2.2009 erhalten haben und die sich von der dem erstinstanzlichen Urteil zugrunde liegenden Fassung erheblich unterscheidet, sind die Auflagen auch zur Erfüllung des verfolgten Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen.

Dass die in dem "differentialdiagnostischen Hinweis" aufgezählten Beschwerden im Einzelfall bedenkliche Warnhinweise für ernsthafte Erkrankungen sein können, ist oben bereits erörtert worden. Der "differentialdiagnostische Hinweis" ist geeignet, den Patienten zur Reflexion über die Beschaffenheit und die mögliche Ursache seiner Beschwerden und im Zweifelsfall zum Arztbesuch zu veranlassen.

Dass der Begriff "Fieber" nicht näher präzisiert ist, etwa dahingehend, dass bei "hohem Fieber" ein Arzt aufgesucht werden sollte, stellt die Geeignetheit und Erforderlichkeit des "differentialdiagnostischen Hinweises" letztlich nicht in Frage. Die Beklagte hat nachvollziehbar dargelegt, dass die Festlegung auf eine bestimmte Höhe des Fiebers nicht angezeigt ist, weil die konkrete Höhe von den Umständen des Einzelfalles abhängt und auch mäßiges Fieber auf eine ernsthafte Erkrankung hindeuten kann. Insoweit ist bei der Bewertung des Hinweises auch der Empfängerhorizont zu berücksichtigen. Der Patient, der den "differentialdiagnostischen Hinweis" vor dem Hintergrund seiner persönlichen Erfahrungen mit Erkältungskrankheiten und erhöhter Körpertemperatur zur Kenntnis nimmt, wird in der Regel nicht beim ersten Auftreten leichten Fiebers, also einer Erhöhung der Körpertemperatur auf wenig mehr als 38° Celsius, Vgl. Pschyrembel, a. a. O., Stichwort "Fieber", den Arzt aufsuchen, sondern den Verlauf der Erkrankung unter Einbeziehung seines sonstigen Zustands und der zeitlichen Entwicklung zu bewerten versuchen. Die Empfehlung, Fieber als ein mögliches Indiz für eine ernsthafte Erkrankung anzusehen und im Zweifelsfall den Arzt aufzusuchen, erscheint daher zur Erreichung der mit dem Hinweis angestrebten Sensibilisierung des Selbstmedikation betreibenden Patienten geeignet und erforderlich. Diese Einschätzung wird unterstützt durch die von dem Komitee für pflanzliche Arzneimittel der EMEA erstellte Monographie über Thymus vulgaris L. vom 31.10.2007 (EMEA/ HMPC/234113/2006), in der bei vergleichbaren Indikationen ein entsprechender Hinweis gefordert wird.

Soweit die Klägerin in Bezug auf das Fieber noch einwendet, bei Fieber dürfe das Arzneimittel wegen der durch die Auflage A.12 des Nachzulassungsbescheides angeordneten Gegenanzeige gar nicht angewendet werden, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn durch die in Bezug genommene Gegenanzeige wird lediglich die Anwendung "bei schweren fieberhaften und infektiösen Erkrankungen" ausgeschlossen. Durch den "differentialdiagnostischen Hinweis" soll der Patient indes gerade davor geschützt werden, eine "schwere Erkrankung" zu übersehen. Jedenfalls ist mit der Gegenanzeige kein genereller Ausschluss der Anwendung des Arzneimittels bei Fieber verbunden, so dass der "differentialdiagnostische Hinweis" auch insoweit geboten erscheint.

Das Gesagte gilt im Wesentlichen gilt auch für die Begriffe "Luftnot" und "eitriger Auswurf". Da die Anwendungsgebiete gerade auch zähflüssigen Schleim als Teil der zu behandelnden Beschwerden umfassen, erscheint der Hinweis, der den Patienten veranlassen soll, die Beschaffenheit des Schleims (immer wieder) zu überprüfen, um bedenkliche Anhaltspunkte nicht zu übersehen, geboten. Die Ausführungen der Beklagten, es sei anhaltende Aufmerksamkeit erforderlich, um Verfärbungen des Schleims nicht zu übersehen, sind nachvollziehbar und von der Klägerin nicht angegriffen worden. Atembeschwerden können ebenfalls mit Erkältungskrankheiten einhergehen und sollten den Patienten wegen der möglicherweise über eine Erkältungskrankheit hinausgehenden Ursache veranlassen, seinen Zustand zu hinterfragen.

Auch der Einwand der Klägerin, neben den genannten gebe es weitere Anhaltspunkte, die als Erkältungsbeschwerden eingeordnet werden, tatsächlich aber Ausdruck ernsthafter Erkrankungen sein könnten, greift im Ergebnis nicht durch. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass eine Maßnahme der Gefahrenabwehr im Allgemeinen bereits dann geeignet ist, wenn sie die Gefahr zwar nicht vollständig beseitigt, aber einen wesentlichen Beitrag zur Gefahrenabwehr leistet, also einen "Schritt in die richtige Richtung" bedeutet.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 19.3.2003 - 8 B 2567/02 -, NWVBl. 2003, 304 (307), m. w. N.

Die Einschätzung, dass der Hinweis sich in Bezug auf das verfolgte Ziel kontraproduktiv auswirken könnte, weil andere als die drei genannten Anzeichen für schwere Erkrankungen, wie z. B. Kopfschmerzen, nicht genannt seien und von dem Patienten infolge des Hinweises erst recht nicht zum Anlass genommen würden den Arzt aufzusuchen, teilt der Senat nicht. Zwar mag es neben den genannten Anhaltspunkten auch andere geben, die eine Konsultation des Arztes ratsam erscheinen lassen. Die Beklagte hat aber diejenigen Anhaltspunkte gewählt, die einen unmittelbaren Bezug zu den Indikationen des streitgegenständlichen Arzneimittels aufweisen. Dies dürfte nach dem oben (unter 1.) Gesagten geboten sein; nur bei diesen Anhaltspunkten lässt sich die Gefahr einer Fehleinschätzung der Anwendung des Arzneimittels zurechnen. Der Vortrag der Klägerin, der Hinweis könne dazu führen, dass die Patienten schwere Erkrankungen gerade nicht ernstnähmen, ist zudem nicht weiter substantiiert worden. Die Vertreter der Beklagten haben im Übrigen in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar ausgeführt, dass das Ziel, Fehleinschätzungen bei der Selbstmedikation mit dem Arzneimittel zu verhindern, durch ein zweispuriges Vorgehen verfolgt werde. Neben der Angabe konkreter Anzeichen für eine unter Umständen ernste Erkrankung sei die generelle Empfehlung, bei nach Ablauf einer Woche unveränderten Beschwerden den Arzt aufzusuchen, zu berücksichtigen. Insgesamt hat der Senat an der Geeignetheit der Maßnahme nach alledem keine Zweifel.

Die Auflage ist der Klägerin gegenüber auch nicht unangemessen. Zwar greift sie in das durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Interesse des pharmazeutischen Unternehmers, die Packungsbeilage nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten zu dürfen, ein. Jedoch dient dieser Eingriff, wie oben ausgeführt, wichtigen Gründen des Gemeinwohls. Insbesondere stehen der Rechtposition der Klägerin die Positionen der Patienten gegenüber, die ebenfalls grundrechtlichen Schutz, namentlich den des Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG, genießen. Ernsthafte Nachteile, die ihr aus der Verpflichtung zum Anbringen des "differentialdiagnostischen Hinweises" drohen, hat die Klägerin im Übrigen nicht dargelegt. Insbesondere werden mit dem Hinweis nicht die Anwendungsgebiete des Arzneimittels eingeschränkt, was mehr oder weniger zwangsläufig zu wirtschaftlichen Nachteilen führen würde, sondern lediglich die Grenzen der Selbstmedikation aufgezeigt. Im Vergleich zu dem gewichtigen Ziel des Schutzes der Gesundheit der Patienten haben die vergleichsweise geringfügigen Interessen der Klägerin zurückzustehen.

Im Ergebnis leidet die angegriffene Auflage auch nicht an einem sonstigen Ermessensfehler; insbesondere ein Ermessensdefizit oder -missbrauch liegt nicht vor. Zwar hat die Beklagte die Auflage im Bescheid selbst vor allem mit Erwägungen begründet, die sich auf § 28 Abs. 2 Nr. 3 AMG und die Vereinheitlichung der Gebrauchsinformationen beziehen. Allerdings lassen sich diese Erwägungen von denjenigen, die für die Auflage in erster Linie relevant sind, nicht strikt trennen, wie sich aus dem Hinweis auf die Arzneimittelsicherheit in § 28 Abs. 2 Nr. 3 AMG, aber auch aus dem Umstand ergibt, dass die Beklagte bei der Gestalt ihrer Muster-Gebrauchsinformationen zweifellos in Betracht zieht, welche Informationen erforderlich sind, um Gefährdungen der Gesundheit zu begegnen. Vor allem aber hat die Beklagte ihre Ermessenserwägungen im Verlauf des Klageverfahrens, auch im Zusammenhang mit den diversen Änderungen der Auflage, in zulässiger Weise ergänzt und präzisiert.

Ende der Entscheidung

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