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Gericht: Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen
Beschluss verkündet am 01.10.2009
Aktenzeichen: 13 B 1185/09
Rechtsgebiete: VergabeVO
Vorschriften:
VergabeVO § 31 Abs. 1 Nr. 3 | |
VergabeVO § 31 Abs. 1 Nr. 4 |
Tatbestand:
Der Antragsteller absolvierte den vorklinischen Abschnitt des Studiums Medizin in Szeged/Ungarn und begehrt bei der Universität E. in Nordrhein-Westfalen die Zulassung zum Medizinstudium im 1. klinischen Semester. Dies wurde abgelehnt. Das vorläufige Rechtschutzverfahren, in dem er die Vergabe der Studienplätze als gleichheitswidrig und europarechtswidrig bezeichnete, weil Studierende, die im EU-Ausland studiert hätten, bei der Vergabe freier Studienplätze im höheren Fachsemester benachteiligt würden, blieb in beiden Instanzen ohne Erfolg.
Gründe:
Die Immatrikulierung von 72 Studenten zum 1. klinischen Semester bei zur Verfügung stehenden 94 Studienplätzen ist - im Zusammenhang mit der Zulassung zum 1. klinischen Semester der festgesetzten Kapazität - rechtlich nicht zu beanstanden. Das VG hat die Regelung in § 30 Abs. 4 der Vergabeverordnung (VergabeVO) NRW vom 15.5.2008 in der bis zum 13.3.2009 gültigen Fassung (jetzt § 25 Abs. 3 VergabeVO) zutreffend ausgelegt und angewendet. Denn die Verringerung der Zulassungszahlen bei Überlast kann angesichts des bestehenden Rückmeldeanspruchs - wenn überhaupt - sinnvoll nur in dem höchsten Fachsemester unterhalb des überbuchten Fachsemesters geschehen. Mit dieser Argumentation hat sich der Antragsteller in seiner Beschwerdebegründung demgegenüber nicht näher auseinandergesetzt, so dass eine weitere Erörterung der Auslegung von § 30 Abs. 4 Vergabe VO unterbleiben kann.
Soweit der Antragsteller, der den vorklinischen Studienabschnitt in Szeged/Ungarn absolviert hat, die Vergabe der Studienplätze als gleichheitswidrig und europarechtswidrig bezeichnet, weil Studierende, die im EU-Ausland studiert hätten, bei der Vergabe freier Studienplätze im höheren Fachsemester benachteiligt würden, hat die Rüge keinen Erfolg. Ein Verstoß des § 31 Abs. 1 Nr. 3 und 4 VergabeVO gegen europarechtliche Bestimmungen ist im Rahmen der nur möglichen summarischen Prüfung nicht ersichtlich. Der Antragsteller führt Art. 12 EG an, wonach unbeschadet besonderer Bestimmungen dieses Vertrags jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist. Art. 12 Abs. 1 EG verbietet daher allein Diskriminierungen, die auf dem Kriterium der Staatsangehörigkeit beruhen.
Vgl. Epiney, in: Callies/Ruffert, Das Verfassungsrecht der Europäischen Union, 3. Aufl. 2007, Art. 12 EG Rn. 11 f.
Eine an die Staatsangehörigkeit anknüpfende unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung steht hier allerdings nicht im Raum. Die Studienplätze werden an Deutsche sowie an ausländische Staatsangehörige oder Staatenlose, die im Sinne der Vergabeverordnung Deutschen gleichgestellt sind, vergeben (§ 2 VergabeVO). Soweit der Antragsteller die Freizügigkeit nach Art. 18 EG anführt, lässt sich gleichfalls keine Friktion von § 31 Abs. 1 Nr. 3 und 4 VergabeVO mit dieser gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung feststellen. Aus dem vom EuGH aus Art. 18 EG abgeleiteten Verbot, Unionsbürger wegen der Ausübung des allgemeinen Freizügigkeitsrechts zu benachteiligen, EuGH, Urteil vom 11.7.2002 - Rs. C-224/98 - (D'Hoop), EuZW 2002, 635, ergibt sich nämlich kein für den Antragsteller günstigeres Ergebnis. Zwar kann nach Auffassung des EuGH das allgemeine Freizügigkeitsrecht des Art. 18 Abs. 1 EG seine volle Wirkung nicht entfalten, wenn ein Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats von der Wahrnehmung dieser Möglichkeiten abgehalten werden könnte, weil ihm bei der Rückkehr in sein Herkunftsland Nachteile entstünden, die eine Regelung an diese Wahrnehmung knüpft. Nach dieser Judikatur gilt dies im Hinblick auf das Ziel der Gemeinschaft, einen Beitrag zu einer qualitativ hochstehenden allgemeinen und beruflichen Bildung, insbesondere durch die Förderung der Mobilität von Lernenden und Lehrenden zu leisten, besonders im Bereich der Bildung. Eine eigene Dynamik entfaltet danach das Freizügigkeitsrecht für den Unionsbürger i. V. m. dem allgemeinen Diskriminierungsverbot des Art. 12 EG, so dass der Diskriminierungsschutz für den Unionsbürger zugunsten des eigenen Staatsangehörigen eines Mitgliedsstaats wirkt, wenn dieser von den Freizügigkeitsregelungen des EG-Vertrags Gebrauch macht.
Vgl. auch Bay. VGH, Beschluss vom 4.12.2007 - 7 CE 07.2872 -, juris; Kluth, in: Callies/Ruffert, a. a. O., Art. 18 Rn. 11.
Ein Eingriff in den Gewährleistungsbereich des Art. 18 EG (i. V. m. Art. 12 EG) kann aber europarechtskonform sein. Dies gilt auch, wenn ein Studierender mit deutscher Staatsangehörigkeit, der den vorklinischen Studienabschnitt im EU-Ausland absolviert hat, nachrangig bei der Vergabe von Studienplätzen in höheren Fachsemestern in Deutschland bedacht wird, und sich deshalb auf eine Beschränkung seiner Freizügigkeit im oben beschriebenen Sinn beruft. Eine solche Beschränkung lässt sich nach dem Gemeinschaftsrecht rechtfertigen, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen des Allgemeininteresses beruht, die in angemessenem Verhältnis zu dem mit dem nationalen Recht legitimerweise verfolgten Zweck stehen. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist eine Maßnahme dann verhältnismäßig, wenn sie zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet ist und nicht über das hinausgeht, was dazu notwendig ist.
Vgl. EuGH, Urteil vom 18.7.2006 - C-406/04 - (Gérald De Cuyper/Office national de l'emploi), EuZW 2006, 500; Große Kammer, Urteil vom 23.10.2007 - C-11/06 u. C-12/06 - (R. Morgan/Bezirksregierung und Landrat), NVwZ 2008, 298, 299, m. w. N.
Danach begegnet die in § 31 Abs. 1 Nr. 3 und 4 VergabeVO vorgesehene Nachrangigkeit keinen europarechtlichen Bedenken. Erkennbares Ziel des Verordnungsgebers ist die Bevorzugung der bereits an einer Hochschule im Geltungsbereich des Grundgesetzes eingeschriebenen Studenten, um eine Umgehung der Zulassungsbegrenzung für Hochschulen zu verhindern. Vorrangig sollen also die Studierenden zum Zuge kommen, die sich dem NC-Zulassungsverfahren in Deutschland gestellt haben. Diejenigen, die etwa das vorklinische Studium im EU-Ausland, also außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes absolviert haben, bleibt ein nachrangiger Vergabeanspruch. Es ist ein legitimes Interesse des Verordnungsgebers, den Studierenden, die in Deutschland über eine Zulassung zum Studium verfügen, die Fortsetzung des Studiums zu ermöglichen, und sie nicht einem Wettbewerb mit denjenigen auszusetzen, die ohne das NC-Verfahren durchlaufen zu haben, Ausbildungsabschnitte im EU-Ausland absolviert haben. Anderenfalls könnten die Studierenden, die ihre Ausbildung in der Bundesrepublik Deutschland entsprechend dem nicht europarechtswidrigen NC-Verfahren begonnen haben, das Studium ggf. nur unter erheblichen zeitlichen Verzögerungen fortsetzen, da die Kapazität nicht für die Ausbildung aller Bewerber ausreicht. Dies würde aber dem nationalen Zulassungsrecht zuwiderlaufen. Hieraus folgt zudem, dass die unterschiedliche Behandlung von Studierenden mit innerhalb und außerhalb des Grundgesetzes abgeschlossener Teilausbildungen nach der Vergabeverordnung keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG darstellt.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren entsprechend der geänderten Rechtsprechung des Senats in Verfahren nach § 123 VwGO auf vorläufige Zulassung zum Studium auf 5.000 Euro festgesetzt (§ 47 Abs. 1, § 53 Abs. 3 Nr. 1, § 52 Abs. 1, 2 GKG).
Vgl. etwa OVG NRW, Beschlüsse vom 3.3.2009 - 13 C 264/08 u. a. -, und vom 16.3.2009 - 13 C 1/09 -, jeweils juris.
Von einer Änderung des Streitwerts für die erstinstanzlichen Verfahren hat der Senat vor dem Hintergrund seiner bisherigen langjährigen Rechtsprechung abgesehen.
Ende der Entscheidung
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